Rechtsprechung: VG Potsdam, Urteil vom 3. September 2008 - 8 K 1195/06 -
VG Potsdam: Abwassermengengebühren bei wasserrechtlich illegal betriebenen Kleinkläranlagen
Für wasserrechtlich illegal betriebene Kleinkläranlagen kann eine Abwassermengengebühr nach dem modifizierten Frischwassermaßstab erhoben werden, selbst wenn die Grubengebührensatzung nur eine Veranlagung „abflussloser Sammelgruben“ nach diesem Maßstab vorsieht.
(Leitsatz des Gerichts)
Verwaltungsgericht Potsdam, Urteil vom 3. September 2008 - 8 K 1195/06 -
Zum Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Gebührenbescheides für die dezentrale Fäkalienentsorgung in B. .
Die Kläger sind Eigentümer des Wohngrundstücks P. 3 unter der Katasterbezeichnung Flur Flurstück in B. . Das Grundstück wurde seit den sechziger Jahren mittels einer Mehrkammergrube mit Versickerungsschacht entwässert. Die Kläger beantragten im Jahr 1999 die Errichtung einer Öko-Kleinkläranlage beim Beklagten. Der Beklagte erteilte hierzu unter dem 6. September 1999 eine Genehmigung und befreite die Kläger zugleich für zehn Jahre vom Anschluss- und Benutzungszwang von seiner zentralen Einrichtung der Abwasserentsorgung.
Die Kläger errichteten in der Folgezeit keine Kleinkläranlage. Der Beklagte stellte mit Verfügung vom 30. März 2005 fest, dass das klägerische Grundstück dem Anschluss- und Benutzungszwang hinsichtlich der öffentlichen Einrichtung der dezentralen Schmutzwasserentsorgung für abflusslose Sammelgruben und Kleinkläranlagen im Verbandsgebiet unterliegt. Die Kläger ließen daraufhin eine biologische Kläranlage errichten, die am 21. Oktober 2005 den Betrieb aufnahm und am 24. Oktober 2005 dem Umweltamt des Landkreises Potsdam- Mittelmark durch Vorlage der Herstellererklärung zur Betriebssicherheit und Dichtigkeit der Anlage angezeigt wurde.
Mit Bescheid vom 3. Februar 2006 setzte der Beklagte die Benutzungsgebühr für die dezentrale Fäkalienentsorgung für den Zeitraum 1. April bis 25. Oktober 2005 auf 228,93 Euro fest.
Hierbei ging er u. a. nach Maßgabe eines geschätzten Frischwasserverbrauchs von einem Abwasseranfall von 41 cbm aus, den er mit der Mengengebühr von 5,25 Euro/cbm multiplizierte. Hiergegen legten die Kläger mit Anwaltsschreiben vom 20. Februar 2006 Widerspruch ein.
Zur Begründung verwiesen sie auf die vor der Inbetriebnahme der biologischen Kleinkläranlage bestehende Mehrkammergrube mit einer anschließenden Versickerung auf ihrem Grundstück.
Eine abflusslose Sammelgrube habe gerade nicht vorgelegen. Es sei unklar, von welchem Gebührentatbestand der Grubengebührensatzung die Mehrkammergrube mit anschließender Versickerung erfasst werde. Aus der Mehrkammergrube werde lediglich nicht separierter Klärschlamm abgefahren, so dass nach § 4 Abs. 2 Satz 2 der Grubengebührensatzung eine Berechnung nach abgefahrener Schlammmenge erfolgen müsse. Einen entsprechenden Betrag von 75,- Euro hätten sie an den Beklagten überwiesen. Unklar sei, auf welcher Grundlage die Frischwassermenge von 41 cbm seitens des Beklagten geschätzt worden sei. Nach vorheriger Anhörung wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2006 zurück. Zur Begründung gab er an, die Grubensatzung definiere in § 2 f) und g) den Begriff der Kleinkläranlage. Hierbei sei auf §§ 70, 71 Brandenburgisches Wassergesetz und § 18b Wasserhaushaltsgesetz – WHG - zu verweisen, welche an den Betrieb von Kleinkläranlagen nach § 7a WHG bestimmte Anforderungen zum Einleiten von Abwasser aufstellten. Damit sei eine unkontrollierte Versickerung des anfallenden Abwassers nicht vereinbar. Die vormalige Schmutzwasserverbringung sei ungenehmigt und unzulässig gewesen.
Die Schätzung des Trinkwasserverbrauchs, der nach der Grubengebührensatzung Maßstab der festgesetzten Mengengebühr sei, habe sich an dem durchschnittlichen Verbrauch in B. orientiert, da die Kläger keinen Wasserzähler installiert hätten. Der Widerspruchsbescheid wurde am 8. Mai 2006 zugestellt. Die Kläger haben am 8. Juni 2006 Klage erhoben. Ergänzend führen sie aus, für ihre vormalige Abwasseranlage habe eine wasserrechtliche Nutzungsgenehmigung aus DDR-Zeiten bestanden. Eine Versickerung sei damals von den Behörden genehmigt worden. Im Übrigen kenne die Grubengebührensatzung nur abflusslose Sammelgruben und Kleinkläranlagen. Die Unklarheit, unter welche Bestimmung ihre ehemalige Kleinkläranlage falle, dürfe nicht zu ihren Lasten gehen. Die Kläger beantragen sinngemäß, den Gebührenbescheid des Beklagten vom 3. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2006 bezüglich der festgesetzten Mengengebühr aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bringt er vor, eine wasserrechtliche Genehmigung für die Altanlage der Kläger habe er bei der Unteren Wasserbehörde nicht ermitteln können. Die vorgelegte Genehmigung habe eine benachbarte Abwasseranlage betroffen. Die Anlage der Kläger sei eine damals typische, heute illegale Sickergrube gewesen. Die Unterscheidung zwischen abflussloser Sammelgrube und Kleinkläranlage müsse sich wegen der Typenvielfalt der Entsorgungsbehältnisse im Verbandsgebiet am aktuellen Umweltstandard orientieren. Es sei praxisfern, jegliche funktionsuntüchtige Kleinkläranlage oder Sickergrube typologisch dem Begriff der Kleinkläranlage im Sinne der Grubengebührensatzung zuzuordnen, bloß weil das dünne Abwasser unkontrolliert wegsickere und das dickere schlammartige Material entsorgt werde.
Dies widerspreche der Lenkungsfunktion des modifizierten Frischwassermaßstabes, welcher dem anschluss- und benutzungspflichtigen Abwasserproduzenten den finanziellen Anreiz an einer illegalen Entsorgung von Abwässern nehmen solle. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die sofortige Vollziehung des angefochtenen Gebührenbescheides zum Aktenzeichen 8 L 265/06 ist nach Abgabe übereinstimmender Hauptsacheerledigungserklärungen mit Beschluss vom 5. März 2007 eingestellt worden. Die Kostenentscheidung ist dabei zulasten der Kläger ausgefallen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgangs sowie auf das Regelwerk der DIN 4261 Teil 1 (Kleinkläranlagen) verwiesen.
Aus den Gründen:
Der Berichterstatter kann den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung als Einzelrichter entscheiden, weil ihm der Rechtsstreit mit Beschluss vom 16. Juli 2008 zur Entscheidung übertragen worden ist und die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden sind, vgl. § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -. Die Klage ist unbegründet, denn der angefochtene Gebührenbescheid vom 3. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Mai 2006 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Grundlage der Abgabenerhebung ist die Grubengebührensatzung des beklagten Zweckverbandes vom 3. Februar 2005 - GGS 2005 - i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1, § 6 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg – KAG -. An der Rechtmäßigkeit der GGS 2005, öffentlich bekanntgemacht im Amtsblatt für den Landkreis Potsdam-Mittelmark vom 29. März 2005, S. 10 ff., bestehen in formeller Hinsicht keine Zweifel. Die Abgabensatzung ist auch materiell nicht zu beanstanden. Sie enthält die für eine Erhebung einer Abwassergrundgebühr nach § 2 Abs. 1 KAG erforderlichen wesentlichen Bestimmungen: Der nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG zu konkretisierende Kreis der Abgabenschuldner wird in der Vorschrift des § 5 GGS 2005 festgelegt; der die Abgabe begründende Tatbestand wird in § 1 Abs. 2 und § 7 Abs. 1 GGS 2005 bestimmt. Zulässiger Maßstab der Gebührenerhebung ist nach § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 1 GGS 2005 die auf dem Grundstück anfallende Schmutzwassermenge bzw. Menge des nicht separierten Klärschlamms. Dabei sehen § 2 Abs. 2 und Abs. 6 GGS 2005 für die Mengengebühr unterschiedliche Bemessungsmethoden vor, je nachdem, ob es sich um die Mengengebühr für Schmutzwasser aus abflusslosen Sammelgruben oder für nicht separierten Klärschlamm aus Kleinkläranlagen handelt. Während sich die Bemessung der Mengengebühr für Schmutzwasser nach der bezogenen Frischwassermenge abzüglich bestimmter nach § 2 Abs. 3 und § 3 GGS 2005 unberücksichtigt bleibender Wassermengen richtet (sog. modifizierter Frischwassermaßstab), bemisst sich die Mengengebühr für Fäkalschlamm nach der tatsächlich abgefahrenen Menge nicht separierten Klärschlamms. Die Maßstäbe sind hinreichend bestimmt und spiegeln nach § 6 Abs. 4 S. 2 KAG die wahrscheinliche Inanspruchnahme der kommunalen Einrichtung der dezentralen Abwasserentsorgung wider (vgl. VG Potsdam, Beschluss vom 19. August 2003 – Mitt. StGB Bbg 2003, 538 – und weiterer Beschluss vom 19. August 2003 - 16 L 804 – zit. nach juris). Die Gebührensätze werden in § 4 GGS 2005 und die Fälligkeit durch § 8 GGS 2005 bestimmt. Die Festsetzung der Abwassermengengebühren an sich ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat zu Recht die für die normale Schmutzwasserentsorgung geltenden Vorschriften der §§ 2 Abs. 2 und 3 GGS 2005, d.h. den modifizierten Frischwassermaßstab auf die dezentrale Entsorgung der Mehrkammergrube der Kläger im Jahr 2005 angewandt. Zwar bezieht sich § 2 Abs. 1, 2 ausdrücklich nur auf "abflusslose Sammelgruben", so dass die Subsumtion einer Mehrkammergrube mit anschließender Versickerung hierunter zunächst fern liegt. Allerdings führen systematische und teleologische Argumente zu einer erweiternden Auslegung.
Der beklagte Abwasserzweckverband ist im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben nach dem Gesetz für kommunale Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg - GKG - für die Abwasserbeseitigung im Verbandsgebiet nach §§ 66 Abs. 1, 68 des brandenburgischen Wassergesetzes - BbgWG - zuständig. Nach § 66 Abs. 1 Satz 2 BbgWG obliegt ihm hierbei auch die Pflicht zur Beseitigung des in abflusslosen Gruben anfallenden Abwassers sowie des nicht separierten Klärschlammes aus Kleinkläranlagen. Hieran knüpft erkennbar die Bestimmung des § 2 Abs. 1 Buchst. d) der Grubensatzung vom 3. Februar 2005 - GS 2005 - an, wonach Fäkalien die in abflusslosen Sammelgruben gesammelten Schmutzwässer und die nicht separierten Klärschlämme von Kleinkläranlagen sind; auch die Bestimmung des § 13 Abs. 1 GS 2005 greift diese ausschließliche Zweiteilung des Abwasserbegriffs auf. Die Begriffe der abflusslosen Sammelgrube und Kleinkläranlage sind auch im Weiteren deutlich unterschieden und verbindlich: Eine Kleinkläranlage stellt nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Buchst. f) GS 2005 in Übereinstimmung mit dem Erlass W/09/05 des Ministeriums für ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz vom 7. 2. 2005 eine dezentrale Abwasserbehandlungsanlage dar, die nach § 64 Abs. 3 BbgWG dazu dient, die Schädlichkeit des Abwassers zu vermindern oder zu beseitigen und den anfallenden Klärschlamm für eine ordnungsgemäße Beseitigung aufzubereiten. Demgegenüber ist eine abflusslose Sammelgrube eine sonstige Abwasseranlage, denn sie dient der Abwasserbeseitigung nur im weiteren Sinne, nämlich Abwasser zu sammeln, um es erst in einem zweiten Schritt einer Abwasserbehandlung zuzuführen (vgl. Dahme in Sieder-Zeitler-Dahme, WHG, § 18b Rn. 6). Nach dem danach normativen Leitbild der dezentralen Abwasserentsorgung findet eine geordnete wasser- und wasserhaushaltsrechtliche Entsorgung der Abwässer unter Berücksichtigung des § 18b WHG grundstücksbezogen demnach nur entweder in Kleinkläranlagen oder in abflusslosen Sammelgruben statt. Diese normative Zweiteilung findet sich gleichfalls in § 38 Abs. 1 und 2 BbgBauO.
Eine tatsächlich bestehende Mehrkammergrube mit anschließender Versickerung, welche nicht zugleich den normativen Anforderungen an eine Kleinkläranlage entspricht (vgl. die Kleinkläranlagenrichtlinie des Ministeriums für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung vom 28. März 2003 <ABl. 2003, S. 467> sowie Kleinkläranlagen – DIN 4261-1 <Dezember 2002>), ist deshalb ungeeignet, die Gewässer zu schützen, wie es vom Wasserhaushaltsgesetz des Bundes und der Wassergesetze der Länder verbindlich vorgegeben wird. Zwar sind Mehrkammergruben mit anschließender Versickerung nicht schlechthin unzulässig wie sich aus Punkt 9.2.2. der DIN 4261-1 ergibt. Solche Anlagen sind übergangsweise nur dann zulässig, wenn sie das Abwasser vor der Versickerung aerob biologisch reinigen, vgl. Punkt 9.1. DIN 4261-1. Dem Stand der Technik nach § 7a Abs. 5 WHG entspricht eine solche Dreikammergrube im Übrigen nur dann, wenn sie eine biologische Nachreinigung des abgesetzten Abwassers vorsieht (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 8. August 1997 – 20 A 5730/96 –, ZfW 1998, 455 ff.).
Für dieses Ergebnis spricht auch die zutreffende Erwägung des Beklagten, dass andernfalls die vom modifizierten Frischwassermaßstab intendierte Verhaltenslenkung nicht mehr greifen könnte. Wie das Verwaltungsgericht Potsdam in seinem Beschluss vom 19. August 2003 (16 L 804/01 – LKV 2004, 376) ausgeführt hat, dient der Frischwassermaßstab dem Zweck, Grubenbesitzern den Anreiz zu nehmen, Abwässer illegal zu entsorgen, und sie untereinander gebührenrechtlich gleich zu behandeln. Diese Lenkungsfunktion ginge fehl, wenn jegliche Grube mit anschließender Versickerung als Kleinkläranlage zu betrachten wäre, welche in den Genuss einer vergleichsweise günstigen Bemessung nach tatsächlich abgefahrener Schlammmenge käme.
Die ehemals betriebene Grube der Kläger kann danach gebührenrechtlich nur als eine undichte abflusslose Sammelgrube qualifiziert werden; denn sie enthält weder eine aerobe biologische Reinigung vor dem Sickerschacht, noch wird das Abwasser anschließend gesondert biologisch nachgereinigt, bevor es in den Untergrund gelangt. Die Mehrkammergrube der Kläger entsprach ersichtlich nicht mehr dem Stand der Technik, wie sie in ihrem Schreiben vom 27. April 2005 gegenüber dem Abwasserzweckverband selbst einräumten. Sie war schon zu DDR-Zeiten nicht genehmigt worden, wie der Beklagte überzeugend nachgewiesen hat, noch stand eine Genehmigung dieser alten Anlage als zulässige Kleinkläranlage im Raum, so dass eine privilegierende Veranlagung nach § 2 Abs. 6 GGS 2005 nicht mehr in Betracht kam. Durch die Versickerung war offenkundig das Grundwasser gefährdet, so dass ein Verschluss der Anlage notwendige Voraussetzung für einen ordnungsgemäßen Betrieb – als abflusslose Sammelgrube - gewesen wäre.
Auch gegen die bei der Festsetzung der streitigen Mengengebühr angenommene Wassermenge von 41 cbm Frischwasser ist nichts einzuwenden. Diese angenommene Menge widerspricht nicht der Bestimmung des § 2 Abs. 3 Satz 6 GGS 2005, wonach der Zweckverband berechtigt ist, die Wassermenge unter Zugrundelegung aller Erkenntnisquellen zu schätzen, wenn diese auf andere Weise nicht ermittelt werden kann. Da die Kläger keinen Wasserzähler für das bezogene bzw. geförderte Frischwasser unterhalten, durfte der Beklagte den durchschnittlichen Wasserverbrauch im Bereich der Gemeinde B. zur Berechnung der Abwassergebühren seiner Schätzung zugrunde legen. Wegen der weiteren Erhebungsvoraussetzungen wird auf die zutreffende Begründung des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2006 verwiesen, § 117 Abs. 5 VwGO.