Rechtsprechung: Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 15. Dezember 2008 - 68/07
VerfG Brandenburg: Kommunale Verfassungsbeschwerden gegen § 4 Abs. 2 bis 5 BbgFAG
Bei den Aufgaben nach § 97 Abs. 3 Nr. 1, 2 und 4 SGB XII handelt es sich um „neue“ öffentliche Aufgaben der Landkreise und kreisfreien Städte im Sinne des Art. 97 Abs. 3 Satz 2 LV.
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes des Landes Brandenburg ist eine erneute, die bisherige Aufgabenübertragung ablösende Aufgabenübertragung auch dann anzunehmen, wenn eine neue Rechtsgrundlage für eine schon vorher wahrgenommene Aufgabe geschaffen wird.
Die Bedeutung des § 2 Abs. 1 AG-SGB XII für die Zuständigkeitsverteilung zwischen überörtlichem und örtlichem Träger erschöpft sich nicht in der explizit ausgesprochenen Zuweisung einer Hilfeart an den überörtlichen Träger. Vielmehr ergibt sich aus dem Zusammenhang mit dem besonderen Regelungsmechanismus der bundesgesetzlichen Ermächtigungsnorm des § 97 SGB XII, dass die Aufgabenübertragung durch die mit § 2 Abs. 1 AG-SGB XII zu Lasten der Kommunen getroffene (Gestaltungs-)Entscheidung des Landesgesetzgebers erfolgte, die Zuständigkeit des überörtlichen Trägers nur für die Leistungen nach § 97 Abs. 3 Nr. 3 SGB XII zu bestimmen und demzufolge den örtlichen Trägern aufgrund von § 97 Abs. 1 SGB XII die Zuständigkeit für die übrigen der in § 97 Abs. 3 SGB XII aufgeführten Leistungen, also jene nach Nr. 1, 2 und 4, zufallen zu lassen.
Hat das Land – neben der bundesgesetzlichen Regelung – noch einen eigenen Entscheidungsspielraum dahingehend, ob es die Aufgabe selbst kraft Landesrechts wahrnehmen will oder - wenn nicht - die Aufgabe dann den Kommunen kraft Bundesrechts zufallen soll, und nutzt es diesen Gestaltungsspielraum zu Lasten der Kommunen, so greift das Konnexitätsprinzip ein
(Orientierungssätze der Redaktion)
Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 15. Dezember 2008 - VfGBbg 68/07 -
Entscheidungsformel:
1. Die kommunale Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1. wird verworfen.
2. § 4 Abs. 2 bis 5 BbgFAG ist mit Art. 97 Abs. 3 der Landesverfassung unvereinbar, soweit die Vorschrift für die Aufgaben nach § 97 Abs. 3 Nr. 1, 2 und 4 SGB XII keinen dem Konnexitätsprinzip entsprechenden Kostenausgleich vorsieht. Die Norm bleibt jedoch auch insoweit aus Gründen einer verläßlichen Haushaltswirtschaft in Geltung.
3. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, spätestens für das Haushaltsjahr 2010 nach Maßgabe der Entscheidungsgründe für den genannten Aufgabenbereich eine gesonderte, finanzkraftunabhängige Kostenerstattungsregelung zu treffen.
4. Das Land Brandenburg hat den Beschwerdeführern zu 2. bis 4. die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Aus den Gründen:
A.
Die kommunale Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen § 4 Abs. 2 bis Abs. 5 des Gesetzes über den allgemeinen Finanzausgleich mit den Gemeinden und Gemeindeverbänden im Land Brandenburg (BbgFAG) in der Fassung des Art. 2 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und zur Änderung des Brandenburgischen Finanzausgleichsgesetzes vom 6. Dezember 2006 (GVBl. I S. 166 f), mit dem der Ausgleich von Kosten geregelt wird, die den Landkreisen und kreisfreien Städten als den zuständigen Trägern durch die Erbringung von Sozialhilfeleistungen entstehen. Die Beschwerdeführer beanstanden, daß die Kosten nicht nach Maßgabe des verfassungsrechtlichen Konnexitätsprinzips, sondern im Wege des allgemeinen Finanzausgleichs erstattet werden. Dies verletze sie in ihrem Recht auf kommunale Selbstverwaltung gemäß Art. 97 Abs. 3 der Landesverfassung (LV).
I.
Bezogen auf die sachliche Zuständigkeit für die Erbringung von Sozialhilfeleistungen besteht im Land Brandenburg seit dem 1. Januar 2007 folgende Rechtslage: § 97 SGB XII bestimmt in seinen seit dem 1. Januar 2005 geltenden Absätzen 1 und 2, daß für die Sozialhilfe die örtlichen Träger sachlich zuständig sind, soweit nicht durch eine landesrechtliche Regelung der überörtliche Träger als zuständig bestimmt worden ist. Für den Fall, daß eine derartige landesrechtliche Regelung fehlt, legt § 97 Abs. 3 SGB XII die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers für die in § 97 Abs. 3 Nummern 1 bis 4 SGB XII aufgezählten Leistungen fest. In Brandenburg existiert in Gestalt des am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (AG-SGB XII) eine landesrechtliche Regelung über die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers. Dieser ist danach – nur – für die Hilfe zur Überwindung besonderer Schwierigkeiten nach dem Achten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (§§ 67 ff SGB XII) zuständig. Für alle übrigen Sozialhilfeleistungen verbleibt es (folglich) gemäß § 97 Abs. 1 SGB XII bei der Zuständigkeit des örtlichen Trägers.
Die Erstattung der Kosten, die dem örtlichen Träger durch die Erbringung der Sozialhilfeleistungen entstehen, richtet sich seit dem 1. Januar 2007 nach § 4 Abs. 2 bis 5 BbgFAG. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift erhöht sich infolge der Zuständigkeit des örtlichen Trägers der Sozialhilfe nach dem SGB XII die Finanzausgleichsmasse ab dem Jahr 2007 um 312.000.000 Euro. Nach § 4 Abs. 3 BbgFAG werden 92 % dieses Erhöhungsbetrages nach Maßgabe der Schlüsselzuweisungen verteilt, wobei davon ein Anteil von 15,5 % auf die Gesamtheit der kreisfreien Städte und ein Anteil von 84,5 % auf die der Landkreise entfällt. Die nicht nach diesem Schlüssel zu verteilenden Mittel in Höhe von 8 % des Erhöhungsbetrages von 312.000.000 Euro dienen gemäß § 4 Abs. 4 BbgFAG in den Jahren 2007 und 2008 der Aufstockung der Zuweisungen nach Abs. 3 auf das durchschnittliche Erstattungsniveau der Jahre 2003 bis 2005 des jeweiligen Aufgabenträgers. Ein dann noch verbleibender Restbetrag dient der Sicherung einer einheitlichen Mindestzuwachsrate. In Ausführung des § 4 Abs. 2 bis 5 BbgFAG hat das Land den Beschwerdeführern als örtlichen Trägern der Sozialhilfe für das Jahr 2007 mit Bescheiden vom 3. Januar 2007 die Ausgleichsbeträge nach § 4 Abs. 3 BbgFAG zuerkannt, und zwar für den Beschwerdeführer zu 1) in Höhe von 19.153.812 Euro, für die Beschwerdeführerin zu 2) in Höhe von 8.439.929 Euro, für den Beschwerdeführer zu 3) in Höhe von 14.754.575 Euro und für die Beschwerdeführerin zu 4) in Höhe von 7.258.004 Euro. Mit Bescheiden vom 27. September 2007 hat das Land zudem die Aufstockungsbeträge nach § 4 Abs. 4 BbgFAG festgesetzt. Diese betragen für den Beschwerdeführer zu 1) 2.418.172 Euro, für die Beschwerdeführerin zu 2) 2.372.137 Euro, für den Beschwerdeführer zu 3) 9.156.771 Euro und für die Beschwerdeführerin zu 4) 10.750.755 Euro.
II.
Mit ihrer am 18. Dezember 2007 erhobenen kommunalen Verfassungsbeschwerde machen die Beschwerdeführer geltend, durch die Regelung des § 4 Abs. 2 bis 5 BbgFAG über die ihnen als örtliche Träger der Sozialhilfe zustehenden staatlichen Ausgleichsleistungen in ihrem Recht auf kommunale Selbstverwaltung gemäß Art. 97 Abs. 3 LV verletzt zu sein.
Die Finanzierungsregelung des § 4 Abs. 2 bis 5 BbgFAG sei insoweit verfassungswidrig, als sie den Beschwerdeführern eine Kostenerstattung nach dem strengen Konnexitätsprinzip vorenthalte. Das Land Brandenburg habe die Beschwerdeführer im Sinne des Art. 97 Abs. 3 Satz 2 LV durch Gesetz zur Erfüllung neuer Aufgaben verpflichtet. Nach § 97 Abs. 2 SGB XII könne das Land die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers anstelle des ansonsten nach § 97 Abs. 1 SGB XII zuständigen örtlichen Trägers bestimmen. Für den Fall, daß das Land keine den überörtlichen Träger einsetzende Bestimmung erlasse, ordne § 97 Abs. 3 SGB XII die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers für die in der Vorschrift genannten Aufgaben an. Dadurch, daß das Land Brandenburg in § 2 Abs. 1 AG-SGB XII die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers – nur – für eine der in § 97 Abs. 3 SGB XII aufgeführten Sozialhilfeaufgaben festgelegt habe, nämlich für die „Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach dem 8. Kapitel des 12. Buches Sozialgesetzbuch“, habe der Landesgesetzgeber für die dem überörtlichen Träger nicht zugewiesenen Sozialhilfeformen nach § 97 Abs. 3 SGB XII - die bundesgesetzliche Zuständigkeitsanordnung in § 97 Abs. 3 SGB XII insoweit verdrängend – durch gesetzgeberisches Schweigen bzw. Unterlassen die sachliche Zuständigkeit des örtlichen Trägers begründet. Die nicht dem überörtlichen Träger zugewiesenen Aufgaben nach § 97 Abs. 3 Nummern 1, 2 und 4 SGB XII seien dem örtlichen Träger durch die Regelung in § 2 Abs. 1 AG-SGB XII in Verbindung mit § 4 Abs. 2 bis Abs. 5 BbgFAG erstmals und damit als „neue“ übertragen worden.
Eine gesetzliche Zuständigkeitszuweisung für die Unterbringung psychisch kranker Personen an die örtlichen Träger der Sozialhilfe existiere nicht. Der ersatzlose Wegfall der Zuständigkeitsregelung in § 2 a Abs. 1 Nr. 4 AG-BSHG/SGB XII habe unter der Geltung des AG-SGB XII seit dem 1. Januar 2007 nicht zu einer Zuständigkeit des örtlichen Trägers der Sozialhilfe geführt, da es sich bei dieser Aufgabe weder um die Gewährung von Eingliederungshilfe noch um eine sonstige Leistung der Sozialhilfe handele, sondern um eine Aufgabe der Gesundheitsvorsorge außerhalb der eigentlichen Sozialhilfe. Aus Sicht der Beschwerdeführer sei für die Unterbringung psychisch Kranker weiterhin das Land zuständig. Die Beschwerdeführerin zu 2. habe sich daher gegenüber dem Landesamt für Soziales und Versorgung auch geweigert, Hilfefälle nach dem Brandenburgischen Psychisch-Kranken-Gesetz in die eigene Zuständigkeit zu übernehmen. Werde eine ehemals in die Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe fallende Aufgabe kommunalisiert, sei das Land entweder nach Maßgabe des strikten Konnexitätsprinzips verpflichtet, einen entsprechenden Ausgleich sicherzustellen oder aber den zusätzlichen Finanzbedarf im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs zusätzlich zu berücksichtigen. Diesen Anforderungen werde das Finanzausgleichsgesetz nicht gerecht, da es keine gesonderten Kosten für die Unterbringung psychisch kranker Personen vorsehe.
Die neue Zuständigkeitsverteilung habe zu erheblichen Mehrbelastungen der örtlichen Träger geführt. Diese Bürde lasse sich nicht mit den Zuwendungen ausgleichen, die die Beschwerdeführer nach § 4 Abs. 2 bis 5 BbgFAG erhielten. Hiervon abgesehen habe sich der Gesetzgeber mit dem Finanzierungsmodell nach § 4 Abs. 2 bis 5 BbgFAG bewußt vom Konnexitätsprinzip abgekehrt. Die Finanzierung nach § 4 Abs. 2 bis 5 BbgFAG könne dem Konnexitätsprinzip nicht gerecht werden, da sie nicht auf einer zukunftsgerichteten Kostenfolgeabschätzung beruhe, sondern auf dem Erstattungsniveau der Jahre 2003 bis 2005. Der Gesetzgeber habe mit der in § 4 Abs. 4 BbgFAG getroffenen Härtefallregelung selbst zu erkennen gegeben, daß die zur Verfügung gestellten Mittel nicht ausreichend seien, den Finanzierungsbedarf zu decken.
Die Beschwerdeführer beantragen,
festzustellen, daß § 4 Abs. 2 bis 5 BbgFAG in der Fassung des Art. 2 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und zur Änderung des Brandenburgischen Finanzausgleichsgesetzes vom 6. Dezember 2006 (GVBl. I S. 166 ff) mit Art. 97 Abs. 3 LV unvereinbar ist.
III.
Der Landtag, die Landesregierung, der Landkreistag Brandenburg sowie der Städte- und Gemeindebund Brandenburg haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
1. Nach Ansicht der Landesregierung ist die kommunale Verfassungsbeschwerde bereits unzulässig, da es sowohl an einem substantiierten Vortrag als auch an einer hinreichend nachvollziehbaren Darlegung der eigenen, unmittelbaren und gegenwärtigen Betroffenheit der Beschwerdeführer fehle. Jedenfalls sei die kommunale Verfassungsbeschwerde unbegründet. Die Kostenerstattungsregelung des § 4 Abs. 2 bis 5 BbgFAG verletze nicht das Recht der Beschwerdeführer auf kommunale Selbstverwaltung. Das strikte Konnexitätsprinzip finde nur Anwendung, wenn das Land Aufgaben auf die Kommunen übertrage. Das sei hier nicht der Fall, da die neuen Aufgaben den Beschwerdeführern nicht durch das Land, sondern vermittels der bundesrechtlichen Regelung des § 97 Abs. 1 SGB XII und damit durch den Bund übertragen worden sei. Nach der vom Bundesgesetzgeber mit § 97 Abs. 1 SGB XII getroffenen Grundentscheidung seien die örtlichen Träger der Sozialhilfe grundsätzlich für alle mit der Sozialhilfe zusammenhängenden Aufgaben zuständig. Nur wenn und soweit ein Land durch Landesrecht einzelne, nach seinem Ermessen festgelegte Ausschnitte der Sozialhilfe dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe übertrage, würden diese der bundesrechtlichen Zuweisung an die örtlichen Träger der Sozialhilfe entzogen. Da das Land Brandenburg die in § 2 Abs. 1 Satz 1 AG-SGB XII genannte Aufgabe als einzige dem überörtlichen Träger zugewiesen habe, sei es hinsichtlich aller weiteren Aufgaben bei der bundesrechtlich begründeten Zuständigkeit der örtlichen Träger geblieben. Das schlichte Unterlassen des Landesgesetzgebers, mehr Zuständigkeiten auf den überörtlichen Träger zu übertragen, stelle selbst dann keine Aufgabenübertragung im Sinne des Art. 97 Abs. 3 LV dar, wenn dieses Verhalten als mitursächlich für die Zuständigkeit der örtlichen Träger und rechtlich als dem Land zurechenbar gewertet würde. Denn die Landesverfassung verlange eine ausdrückliche förmliche Verpflichtung der Kommunen durch das Land und nicht lediglich eine vage Form der Kausalität. Hier ergebe sich die Zuständigkeit der Kommunen nicht durch das Landesrecht, sondern durch § 97 Abs. 1 SGB XII. § 2 Abs. 1 Satz 1 AG-SGB XII verdränge weder § 97 Abs. 3 SGB XII noch treffe er eine von dieser Vorschrift abweichende Zuständigkeitsregelung; vielmehr fülle er lediglich den von § 97 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB XII eröffneten Rahmen aus. Auch die Unterbringung psychisch kranker Personen nach landes- oder bundesrechtlichen Vorschriften sei durch die Bundesrechtsnorm des § 97 Abs. 1 SGB XII an die Kommunen überwiesen worden, da es sich hierbei um eine Leistung der Sozialhilfe handele. Die nunmehr eingetretene Zuständigkeit der Kommunen für Vertragsabschlüsse nach § 75 Abs. 3 SGB XII sei integraler Teil der Zuständigkeit für die stationären Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe sowie der Hilfe zur Pflege und beruhe daher ebenfalls auf der bundesrechtlichen Kompetenzzuweisung durch § 97 Abs. 1 SGB XII. Sinn des Konnexitätsprinzips sei nicht, das Land dafür zu sanktionieren, daß es wegen der bundesrechtlichen Auffangnorm des § 97 Abs. 1 SGB XII von einer sachgerechten und auf die Besonderheiten des Landes zugeschnittenen Übertragung von kommunalen Aufgaben auf das Land absehe. Die Ablösung der Kostenerstattung nach dem Konnexitätsprinzip durch die Erstattungsregelung des § 4 Abs. 2 bis 5 BbgFAG beruhe nicht auf einer Entscheidung des Landes, sondern sei zwingende Folge des bundesrechtlichen Paradigmenwechsels, wonach im Bereich der Sozialhilfe die örtlichen Träger prinzipiell allzuständig sein sollten. Der Kostenausgleich über das Finanzausgleichsgesetz stärke die Finanzautonomie der Kommunen. Er sei zum einen mehr als ausreichend und zum anderen für die Kommunen vorteilhaft, da diese über die erhaltenen Mittel keine Rechenschaft ablegen müßten und erwirtschaftete Überschüsse für andere Aufgaben verwenden könnten.
2. Der Landkreistag folgt der rechtlichen Einschätzung der Beschwerdeführer. Der Landesgesetzgeber habe für die mit dem Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch verbundene Zusammenführung von Leistungen der Sozialhilfe weder eine eindeutige landesgesetzliche Aufgabenübertragung vorgenommen noch eine dem Konnexitätsprinzip entsprechende Finanzierung der in die Zuständigkeit der Landkreise und kreisfreien Städte fallenden Aufgaben bewirkt. Obwohl im Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch für die Unterbringung psychisch kranker Personen eine ausdrückliche Aufgabenzuweisung an die Landkreise fehle, gehe das Land nunmehr überraschend von einer Zuständigkeit der örtlichen Träger für diesen Leistungsbereich aus. Es greife insoweit auch nicht die allgemeine Kompetenzzuweisung durch § 97 Abs. 1 SGB XII, da es sich bei der Unterbringung psychisch Kranker nicht um Leistungen der Eingliederungshilfe handele. Dies sei bislang auch die Auffassung des Landes gewesen.
3. Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg tritt der Auffassung der Landesregierung entgegen. Bei der Unterbringung psychisch kranker Personen handele es sich nicht um die Gewährung eines sozialhilferechtlichen Anspruchs. Dies folge ebenso aus der Art der Aufgabe wie aus der Systematik der landesrechtlichen Zuständigkeitszuweisung durch das frühere Gesetz zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes und der für den Bereich der Sozialhilfe fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Landes. Die für den Referenzzeitraum 2003 bis 2005 zugrunde gelegten Erstattungsbeträge seien wegen der Nichtberücksichtigung umfangreicher Ausgaben – beispielweise für sog. Altfälle sowie Grundsicherungsleistungen – und Vergütungssteigerungen rechtsfehlerhaft zu niedrig angesetzt worden und ließen eine zuverlässige Prognose der Kostenentwicklung nicht zu.
IV.
Die Beschwerdeführer zu 2) bis 4) haben gegen die Bescheide vom 3. Januar 2007 und die Beschwerdeführer zu 1) bis 4) gegen die Bescheide vom 27. September 2007 Klagen vor dem Verwaltungsgericht Potsdam bzw. vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) erhoben, die noch anhängig sind. Der an den Beschwerdeführer zu 1) ergangene Zuweisungsbescheid vom 3. Januar 2007 ist bestandskräftig.
B.
Die kommunale Verfassungsbeschwerde hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
I.
Die kommunale Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zu 2) bis 4) ist zulässig; die des Beschwerdeführers zu 1) ist mangels Beschwerdebefugnis unzulässig und daher zu verwerfen (s.u.3.).
1. Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist statthaft. Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Verletzung ihres Rechts auf kommunale Selbstverwaltung in seiner Ausprägung durch das Konnexitätsprinzip (Art. 97 Abs. 3 Sätze 2 und 3 LV) durch die angegriffene gesetzliche Regelung (Art. 100 LV, § 51 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg - VerfGGBbg -).
2. Die beschwerdeführenden Landkreise und kreisfreien Städte sind als „Gemeindeverbände“ gemäß § 51 Abs. 1 VerfGGBbg im kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren beteiligtenfähig (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, zuletzt Urteile vom 22. November 2007 - VfGBbg 75/05 -, DVBl. 2008, 132 [nur LS], und vom 28. Juli 2008 – VfGBbg 76/05 –, LKV 2008, 459).
3. a) Der Beschwerdeführer zu 1) ist nicht beschwerdebefugt. Er hat nicht innerhalb der für die Erhebung der kommunalen Verfassungsbeschwerde geltenden Jahresfrist im erforderlichen Umfang seine Beschwer vorgetragen.
Wird mit der kommunalen Verfassungsbeschwerde wie vorliegend die Verletzung des strikten Konnexitätsprinzips nach Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV gerügt, ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg innerhalb der Jahresfrist des § 51 Abs. 2 VerfGGBbg grundsätzlich darzulegen, worin im Vergleich zu der bisherigen Rechtslage die Pflicht „zur Erfüllung neuer Aufgaben“ konkret liegt und in welchem Umfang diese Aufgaben „zu einer Mehrbelastung“ führen. Ist der Beschwerdeführer dazu nicht in der Lage, hat er die eigene, gegenwärtige und unmittelbare Beschwer den Umständen nach so konkret wie möglich darzulegen (vgl. Beschluß vom 15. Juni 2006 – VfGBbg 58/04 -, LVerfGE 17, 123). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen bezogen auf den Beschwerdeführer zu 1) nicht. Der Beschwerdeführer zu 1) hat innerhalb der Jahresfrist lediglich Angaben für den Zeitraum bis 2006 gemacht, nicht aber für die von der kommunalen Verfassungsbeschwerde erfaßte Zeit ab dem 1. Januar 2007. Dem Vortrag des Beschwerdeführers zu 1) ist daher nicht im Ansatz zu entnehmen, in welchem Umfang für ihn infolge der behaupteten Zuweisung neuer Aufgaben ab dem 1. Januar 2007 eine Mehrbelastung entsteht. Daß der Beschwerdeführer zu 1) zu einer entsprechenden Darlegung nicht in der Lage gewesen sein könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Da die kommunale Verfassungsbeschwerde Ende Dezember 2007 erhoben wurde, war es auch nicht unzumutbar, zumindest die bis dahin angefallenen Aufwendungen festzustellen und den Zuweisungen gegenüberzustellen. Soweit der Schriftsatz vom 19. August 2008 Ausführungen zu Belastungen des Beschwerdeführers zu 1) im Jahr 2007 enthält, ist dieser Vortrag verspätet, da nicht innerhalb der Jahresfrist eingereicht (s. auch Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 22. November 2007 – VfGBbg 75/05 -, aaO, und Beschluß vom 15. Juni 2006 – VfGBbg 58/04 -, LKV 2006, 506 [nur LS], beide auch: www.verfassungsgericht.brandenburg.de).
b) Die Beschwerdeführer zu 2) bis 4) sind beschwerdebefugt. Sie haben durch Gegenüberstellung ihrer voraussichtlichen Ausgaben und der erhaltenen Zuwendungen fristgemäß und in noch ausreichendem Umfang vorgetragen, zu welchen Mehrbelastungen ihnen im Rahmen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch übertragene Aufgaben im Jahr 2007 führen.
4. Der Zulässigkeit der Kommunalverfassungsbeschwerde steht der Grundsatz der Subsidiarität nicht entgegen. Das Gericht läßt dahinstehen, ob bzw. mit welchen Modifizierungen das Gebot der Rechtswegerschöpfung des § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg auch für kommunale Verfassungsbeschwerden gilt (vgl. dazu Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 20. Januar 2000 – VfGBbg 53/98, 3/99 -, LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd.11, 3, 22 und Urteil vom 14. Februar 2002 – VfGBbg 17/01 -, LVerfGE 13, 97 mwN; Verwaltungsgericht Potsdam, Urteil vom 5. März 2008 – 6 K 3940/03 -). Selbst wenn § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg anwendbar wäre, wären die Beschwerdeführer vorliegend nicht darauf zu verweisen, zunächst den Ausgang der verwaltungsgerichtlichen Verfahren abzuwarten. Denn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg sind hier erfüllt, wonach es u.a. bei allgemeiner Bedeutung der Verfassungsbeschwerde einer Rechtswegerschöpfung nicht bedarf. Eine allgemeine Bedeutung ist wegen der Tragweite der zu treffenden Entscheidung nicht nur für die Beschwerdeführer, sondern auch für alle anderen örtlichen Träger der Sozialhilfe im Land Brandenburg anzunehmen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 28. Juli 2008 – VfGBbg 76/05 -, aaO).
5. Die Jahresfrist des § 51 Abs. 2 VerfGGBbg ist gewahrt. Das Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und zur Änderung des Brandenburgischen Finanzausgleichsgesetzes vom 6. Dezember 2006 ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten.
II.
In den Grenzen der Zulässigkeit ist die kommunale Verfassungsbeschwerde auch begründet. § 4 Abs. 2 bis Abs. 5 BbgFAG verstößt gegen Art. 97 Abs. 3 LV, soweit die Vorschrift für die von den örtlichen Trägern der Sozialhilfe wahrgenommenen Aufgaben nach § 97 Abs. 3 Nr. 1, 2 und 4 SGB XII keinen dem Konnexitätsprinzip entsprechenden Kostenausgleich vorsieht.
1. Maßstab der verfassungsgerichtlichen Überprüfung ist Art. 97 Abs. 3 LV in der Fassung vom 7. April 1999 (GVBl. I S. 98). Werden danach die Gemeinden und Gemeindeverbände in der Zeit nach dem Inkrafttreten der Verfassungsänderung vom 7. April 1999 (siehe Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Landes Brandenburg und des Verfassungsgerichtsgesetzes Brandenburg vom 7. April 1999) durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zur Erfüllung neuer öffentlicher Aufgaben verpflichtet, so sind dabei Bestimmungen über die Deckung der Kosten zu treffen. Führen diese Aufgaben zu einer Mehrbelastung der Gemeinden oder Gemeindeverbände, so ist dafür ein entsprechender finanzieller Ausgleich zu schaffen (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 14. Februar 2002 - VfGBbg 17/01 -, LVerfGE 13, 97, 111). Werden Aufgaben durch Bundes- oder Europarecht auf die Kommunen übertragen, trifft das Land hingegen keine Ausgleichspflicht (LT-Drucksache 2/6133 Anlage 1). Steht dem Land aber aufgrund der Übertragungsnorm frei, die Aufgabe bei einer Landes- oder einer kommunalen Behörde anzusiedeln, ist das Land zum Ausgleich verpflichtet, wenn es die Aufgabe auf die Kommunen überträgt (so bereits Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 28. Juli 2008 – VfGBbg 76/05 –, aaO).
a) Bei den Aufgaben nach § 97 Abs. 3 Nr. 1, 2 und 4 SGB XII handelt es sich um „neue“ öffentliche Aufgaben der Landkreise und kreisfreien Städte im Sinne des Art. 97 Abs. 3 Satz 2 LV.
Zwar haben Landkreise und kreisfreie Städte im Land Brandenburg Sozialhilfeaufgaben auch schon vor dem Inkrafttreten des SGB XII wahrgenommen (s. AG-BSHG vom 24. Juli 1991, GVBl 1991, 318 ff.; näher dazu: Verfassungsgericht das Landes Brandenburg, Urteil vom 14. Februar 2002 – VfGBbg 17/01 –, LVerfGE 13, 97, 99). Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes des Landes Brandenburg ist aber eine erneute, die bisherige Aufgabenübertragung ablösende Aufgabenübertragung auch dann anzunehmen, wenn eine neue Rechtsgrundlage für eine schon vorher wahrgenommene Aufgabe geschaffen wird (vgl. Urteile vom 18. Dezember 1997 – VfGBbg 47/96 -, LVerfGE 7, 144, 158 f, und vom 14. Februar 2002 – VfGBbg 17/01 –, LVerfGE 13, 97, 112 ff). Das ist hier der Fall. Die Rechtsgrundlage im Hinblick auf die Zuständigkeitsregelung für die Aufgabe der Sozialhilfe hat sich mit Außerkrafttreten des § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG und Inkrafttreten des § 97 Abs. 3 SGB XII zum 1. Januar 2007 geändert. Der Landesgesetzgeber hat dies zum Anlaß genommen, um mit Verabschiedung des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch die Rechtslage auf Landesebene anzupassen. Er hat damit auch auf Landesebene für die sachliche Zuständigkeit eine neue Rechtsgrundlage - für eine teilweise schon zuvor wahrgenommene Aufgabe - geschaffen.
b) Die genannten Aufgaben wurden den örtlichen Trägern der Sozialhilfe durch das Land im Sinne des Art. 97 Abs. 3 Satz 2 LV übertragen.
aa) „Aufgabenübertragung“ nach Art. 97 Abs. 3 LV bedeutet nach seinem Wortlaut die Begründung der sachlichen Zuständigkeit (so bereits Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 14. Februar 2002 – VfGBbg 17/01 -, LVerfGE 13, 97, 112) durch oder aufgrund eines Gesetzes. Vorliegend wurden die genannten Aufgaben durch § 2 Abs. 1 AG-SGB XII übertragen. Dem steht nicht entgegen, daß die Norm ihrem Wortlaut nach lediglich die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers für die Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten regelt, aber keine direkte Übertragung von Aufgaben an die örtlichen Träger enthält. Denn die Bedeutung des § 2 Abs. 1 AG-SGB XII für die Zuständigkeitsverteilung zwischen überörtlichem und örtlichem Träger erschöpft sich nicht in der explizit ausgesprochenen Zuweisung einer Hilfeart an den überörtlichen Träger. Vielmehr ergibt sich aus dem Zusammenhang mit dem besonderen Regelungsmechanismus der bundesgesetzlichen Ermächtigungsnorm des § 97 SGB XII, daß die Aufgabenübertragung durch die mit § 2 Abs. 1 AG-SGB XII zu Lasten der Kommunen getroffene (Gestaltungs-) Entscheidung des Landesgesetzgebers erfolgte, die Zuständigkeit des überörtlichen Trägers nur für die Leistungen nach § 97 Abs. 3 Nr. 3 SGB XII zu bestimmen und demzufolge den örtlichen Trägern aufgrund von § 97 Abs. 1 SGB XII die Zuständigkeit für die übrigen der in § 97 Abs. 3 SGB XII aufgeführten Leistungen, also jene nach Nr. 1, 2 und 4, zufallen zu lassen.
bb) Diese Auslegung entspricht auch der Entstehungsgeschichte des Art. 97 Abs. 3 Satz 2 LV. Nach dem Beschluß des Landtags vom 18. März 1999 (LT-Drs. 2/6179-B), der anläßlich der Änderung des Art. 97 Abs. 3 LV als „Auslegungshilfe“ ergangen ist, fallen nämlich Belastungen, die durch Entscheidungen des Bundes oder der Europäischen Union unmittelbar bei den Kommunen entstehen, nicht unter die besondere Ausgleichspflicht nach Art. 97 Abs. 3 LV. Das zeigt, daß nach dem Willen des Landtags in den Fällen der Überlagerung von bundes- bzw. europarechtlichen Normen und solchen des Landesrechts dem Kriterium der Unmittelbarkeit maßgebliche Abgrenzungsfunktion zukommt. Eine das Konnexitätsprinzip auslösende Aufgabenübertragung durch das Land liegt danach nicht vor, wenn der Bund die Aufgabe unmittelbar auf die Landkreise und kreisfreien Städte überträgt. Eine unmittelbare Aufgabenübertragung durch den Bund ist immer dann anzunehmen, wenn den Ländern bei der Umsetzung der bundesrechtlichen Regelung kein eigener Gestaltungsspielraum bleibt, mithin durch die Länder kein eigener Verursachungsanteil im Sinne des Verursacherprinzips geleistet werden kann (zum Begriff des “Verursacherprinzips“ Nierhaus, Kommunalrecht für Brandenburg, 1. Auflage 2003, S. 55 Rn. 160; auf den Verursacheranteil bei eigenem inhaltlichem Gestaltungsspielraum des Landesgesetzgebers abstellend auch Zieglmeier, NVwZ 2008, 270, 271; Ziekow, DÖV 2006, 489, 491 ff.). Kein eigener inhaltlicher Gestaltungsspielraum steht dem Land insbesondere dann zu, wenn bundesrechtliche Regelungen zwar zu ihrer Anwendbarkeit einer landesrechtlichen Transformation bedürfen, jedoch so gefaßt sind, daß dem Land inhaltliche Modifizierungen der Regelung nicht möglich sind (Ziekow, DÖV 2006, 489, 493). Mit anderen Worten: Hat das Land – neben der bundesgesetzlichen Regelung – noch einen eigenen Entscheidungsspielraum dahingehend, ob es die Aufgabe selbst kraft Landesrechts wahrnehmen will oder - wenn nicht - die Aufgabe dann den Kommunen kraft Bundesrechts zufallen soll, und nutzt es diesen Gestaltungsspielraum zu Lasten der Kommunen, so greift das Konnexitätsprinzip ein (vgl. zum strikten Konnexitätsprinzip nach Art. 83 Abs. 3 BayVerf: BayVerfGH, Entscheidung vom 28. November 2007 – Vf.15-VII-05, zitiert nach juris, dort Rn. 269 ff.; vgl. auch Hennecke, Der Landkreis 2006, 499, 502 f.).
Nach diesen Maßgaben wurde den Landesgesetzgebern durch § 97 Abs. 1 bis 3 SGB XII ein eigener Gestaltungsspielraum belassen. Diesen hat der brandenburgische Landesgesetzgeber zu Lasten der Kommunen genutzt, indem er durch § 2 Abs. 1 AG-SGB XII die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers nur für die Aufgabe nach § 97 Abs. 3 Nr. 3 SGB XII begründet hat. Damit hat er zugleich den maßgebenden Verursachungsanteil dafür gesetzt, daß § 97 Abs. 3 SGB XII nicht mehr zur Anwendung gelangen kann und die sonstigen von § 97 Abs. 3 SGB XII erfaßten Aufgaben wegen der Zuständigkeitsregelung in § 97 Abs. 1 SGB XII in die Zuständigkeit der örtlichen Träger „abgedrängt“ bzw. „weitergeleitet“ werden.
§ 97 SGB XII vermittelt – dem ersten Anschein nach – den Eindruck, daß über Abs. 1 unmittelbar die Aufgabenzuweisung an den örtlichen Träger durch Bundesrecht bewirkt wird. Jedoch weist § 97 Abs. 2 Satz 1 SGB XII ausdrücklich den Ländern die Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit des überörtlichen Trägers - und damit zugleich die Nichtzuständigkeit des örtlichen Trägers - zu. Daraus wird deutlich, daß die Länder und nicht der Bund konstitutiv die Entscheidung treffen, für welche Aufgaben der örtliche Träger und für welche Aufgaben der überörtliche Träger sachlich zuständig ist (Hennecke, Der Landkreis 2006, 499). Der Bund überläßt mithin diese Entscheidung - wie schon in § 99 BSHG - den Ländern. Nach der vom Bundesgesetzgeber mit § 97 Abs. 3 SGB XII darüber hinaus getroffenen Zuständigkeitsregelung ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe für die dort enumerativ genannten vier Leistungen (die den in § 8 Nr. 4, Nr. 5, Nr. 6 und z. T. Nr. 7 SGB XII aufgeführten Sozialhilfeleistungsarten entsprechen) zuständig, soweit das Landesrecht von seinem Zuständigkeitsbestimmungsrecht nach Abs. 2 Satz 1 bis zum 31. Dezember 2006 keinen Gebrauch macht. Seinem Wortlaut nach bedeutet dies für die Zuständigkeitsverteilung der vier Leistungen: Weist der Landesgesetzgeber dem überörtlichen Träger keinerlei Aufgabe zu (§ 97 Abs. 2 Satz 1 SGB XII „Soweit Landesrecht keine Bestimmung nach Abs. 2 Satz 1 enthält...“; Abs. 2 Satz 1: „Die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe wird nach Landesrecht bestimmt...“), dann greift § 97 Abs. 3 SGB XII ein und begründet die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers für die dort aufgezählten vier Leistungsarten. Nutzt der Landesgesetzgeber aber seine konstitutive Aufgabenübertragungsbefugnis aus § 97 Abs. 2 Satz 1 SGB XII, indem er dem überörtlichen Träger auch nur eine der in § 97 Abs. 3 SGB XII genannten Aufgaben zuweist, so hat das zur Folge, daß der Tatbestand des § 97 Abs. 3 SGB XII nicht mehr greift – also über diese Norm auch keine Aufgabenzuweisung mehr an den überörtlichen Träger erfolgt. Sachlich zuständig für die in § 97 Abs. 3 SGB XII genannten Aufgaben ist nach der Auffangnorm des § 97 Abs. 1 SGB XII dann der örtliche Träger. Der Landesgesetzgeber in Brandenburg hat seine Zuständigkeits-Regelungsbefugnis so ausgeübt, daß er die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers tatsächlich nur für eine Aufgabe, die in § 97 Abs. 3 Nr. 3 SGB XII aufgeführte Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten, landesrechtlich „bestätigt“ und damit begründet hat.
Soweit die Landesregierung meint, daß die anderen Aufgaben durch gesetzgeberisches „Unterlassen“ auf die Kommunen übertragen wurden, ist dem nicht zuzustimmen. Denn die kostenverursachende Aufgabenübertragung liegt nicht in einem Unterlassen, sondern vielmehr in einem aktiven Tun des Landesgesetzgebers begründet und besteht darin, daß er seinen durch § 97 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGB XII eröffneten Gestaltungsspielraum gerade so genutzt hat, daß er durch die Minimal-Zuweisung nur einer Aufgabe an den überörtlichen Träger die bundesgesetzlich für den Fall einer fehlenden Landesregelung vorgesehene Zuständigkeit des überörtlichen Trägers auch für die verbleibenden drei Aufgaben des § 97 Abs. 3 SGB XII ausgehebelt und diese Aufgaben in die aus § 97 Abs. 1 SGB XII resultierende Zuständigkeit der örtlichen Träger zu deren Lasten abgedrängt hat.
Die so begründete Annahme einer Aufgabenübertragung durch das Land im Sinne des Art. 97 Abs. 3 LV wird auch dem Schutzgedanken sowie der Warn- und Transparenzfunktion, die dem Konnexitätsprinzip immanent sind, gerecht.
c) Zu den den örtlichen Trägern durch Landesgesetz übertragenen Aufgaben nach § 97 Abs. 3 Nr. 1, 2 und 4 SGB XII gehört auch der Abschluß von Leistungsvereinbarungen gemäß §§ 75 ff SGB XII. Es handelt sich hierbei nicht um eine eigenständige Aufgabe der Sozialhilfe, sondern um einen mit der Wahrnehmung der jeweiligen Leistungsart nach § 8 SGB XII notwendigerweise verbundenen Aufgabenteilbereich.
d) Dies gilt im Ergebnis ebenfalls für die Unterbringung psychisch kranker Personen aus Gründen der Selbstgefährdung der Betroffenen nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BbgPsychKG und nach § 1906 BGB. Dabei handelt es sich – abhängig von den jeweiligen Umständen – um die Erbringung der Eingliederungshilfe, der Hilfe zur Pflege oder der Hilfe zur Gesundheit für den psychisch Kranken (ebenso zu § 1906 BGB Marschner/Volckart, Freiheitsentziehung und Unterbringung, C Rnr. 36). Denn der mit der Unterbringung gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 BbgPsychKG verfolgte Zweck – Heilung, Besserung, Linderung oder Verhütung der Verschlimmerung der psychischen Krankheit oder seelischen Behinderung der untergebrachten Person – entspricht im Kern der Zielrichtung der genannten Sozialhilfeleistungen. Daß in den genannten Fällen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 BbgPsychKG und des § 1906 BGB zu diesem Zweck nach § 9 Abs. 1 S. 2 1. HS BbgPsychKG die Sicherung des Betroffenen vor der Gefahr der Selbstschädigung hinzutritt, nimmt der Unterbringung nicht den sozialhilferechtlichen Charakter, da auch insoweit auf die sich aus der individuellen Gesundheitsstörung ergebende Erforderlichkeit der Behandlung abgestellt wird. Eine andere rechtliche Bewertung ist nicht mit Blick auf die Systematik der Zuständigkeitszuweisung durch das frühere Gesetz zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes geboten, da dieser allenfalls Indizwirkung zukommt. Kompetenzrechtliche Bedenken bestehen ebenfalls nicht. Zum einen ist die Gestaltung öffentlich-rechtlicher Sozialleistungen nicht allein dem Bund vorbehalten (Bundessozialgericht, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 VG 2/04 R -, BSGE 93, 290, Rz. 27). Zum anderen durchbricht die Unterbringungsregelung des BbgPsychKG weder das Leistungssystem des SGB XII noch verdrängt sie es. Diese Ansicht entspricht im Ergebnis der bis zum 31. Dezember 2006 geübten Praxis des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe, die Unterbringungskosten bei entsprechendem gerichtlichem Unterbringungsbeschluß und fehlenden Mitteln des Betroffenen im Wege der Sozialhilfe zu übernehmen. Soweit die Landkreise die Unterbringung danach als Eingliederungshilfe oder als Hilfe zur Pflege erbringen, gehört sie zu den ihnen durch Landesgesetz übertragenen Aufgaben nach § 97 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 SGB XII.
2. § 4 Abs. 2 bis 5 BbgFAG wird den Anforderungen des Art. 97 Abs. 3 Sätze 2 und 3 LV für die den örtlichen Trägern der Sozialhilfe infolge der Regelung des § 2 Abs. 1 AG-SGB XII durch das Land neu zugewiesenen Aufgaben nach § 97 Abs. 3 Nr. 1, 2 und 4 SGB XII nicht gerecht, da die Ausgleichsregelung - unbestritten - nicht auf den Grundsätzen der Konnexität aufbaut, sondern auf denen des allgemeinen Finanzausgleichs und daher keine dem Konnexitätsprinzip entsprechende Erstattung der Mehrbelastungen vorsieht.
III.
Das Gericht bestimmt nach § 29 Abs. 2 Satz 3 Hs. 2 VerfGGBbg, daß § 4 Abs. 2 bis 5 BbgFAG - ungeachtet seiner Unvereinbarkeit mit der Landesverfassung - in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang in Geltung bleibt. Eine Neuregelung für das Jahr 2007 ist nicht angezeigt. Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und der verläßlichen Haushaltswirtschaft stehen einem rückwirkenden Eingriff in das Haushaltsgefüge und Haushaltsrecht für das bereits abgelaufene Haushaltsjahr 2007 - und Gleiches gilt für die mit Haushaltsgesetz 2008/2009 vom 18. Dezember 2007 idF des Nachtragshaushaltsgesetzes vom 14. Juli 2008 festgestellten Haushaltsjahre 2008 und 2009 - entgegen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteile vom 14. Februar 2002 – VfGBbg 17/01 -, LVerfGE 13, 97, und vom 18. Dezember 1997 – VfGBbg 47/96 -, LVerfGE 7, 144, 163 unter Hinweis auf Bundesverfassungsgericht, Urteile vom 24. Juni 1984 – 2 BvF 1/83 u.a. -, BVerfGE 72, 330, 422 f., und vom 27. Mai 1994 – 2 BvF 1/88 u.a. -, BVerfGE 86, 148, 279). Der Gesetzgeber ist jedoch von Verfassungs wegen gehalten, spätestens für das Haushaltsjahr 2010 eine dem Konnexitätsprinzip entsprechende Regelung über den Ausgleich der den Kreisen und kreisfreien Städten infolge der Wahrnehmung der Aufgaben nach § 97 Abs. 1, 2 und 4 SGB XII entstehenden Kosten zu schaffen. Dabei hat er auch die Belastungen zu berücksichtigen, die im Rahmen dieser Aufgaben durch den Abschluß von Leistungsvereinbarungen nach §§ 75 ff SGB XII und die Unterbringung psychisch Kranker anfallen.