Mitteilungen 12/2010, Seite 271, 187

Radwegebenutzungspflicht nur bei qualifizierter Gefahrenlage

Die Benutzungspflicht von Radwegen darf nur angeordnet werden, wenn eine qualifizierte Gefahrenlage vorliegt, die in den besonderen örtlichen Verhältnissen begründet ist. Die Anordnung der Radwegebenutzungspflicht muss voraussichtlich in vielen Städten überprüft werden.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 18. November 2010 entschieden, dass eine Radwegebenutzungspflicht nur angeordnet werden darf, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Rechtsgutbeeinträchtigung erheblich übersteigt (§ 45 Abs. 9 Satz 2 Straßenverkehrsordnung – StVO).

Die Stadt Regensburg hat für einen gemeinsamen Fuß- und Radweg eine Benutzungspflicht für den Radverkehr durch Verkehrszeichen angeordnet. Hiergegen wandte sich ein Kläger, der der Auffassung war, dass Radfahrer nicht besonders gefährdet seien, wenn sie anstelle des Radweges die Fahrbahn benutzen. Die Stadt Regensburg hat argumentiert, dass wegen der geringen Fahrbahnbreite für Radfahrer besondere Gefahren bei Überholvorgängen entstünden. Zudem würden sich Kraftfahrer häufig auf dem betroffenen Streckenabschnitt nicht an die zulässige Höchstgeschwindigkeit halten. Im Übrigen würden die Anforderungen des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO nicht für die Anordnung der Benutzungspflicht für Radwege gelten.

Das Bundesverwaltungsgericht hat, wie zuvor schon der Verwaltungsgerichtshof München, entschieden, dass die Voraussetzungen von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO durchaus gegeben sein müssen, bevor die Radwegebenutzungspflicht mit Verkehrszeichen 237, 240 oder 241 angeordnet werden darf. Die von der Stadt Regensburg angeführte Gefährdungssituation bei Überholvorgängen, die durch die geringe Fahrbahnbreite entsteht, erfüllt nach der tatsächlichen Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts nicht die Voraussetzungen für eine qualifizierte Gefahrenlage aufgrund besonderer örtlicher Verhältnisse.

Die schriftliche Begründung zum Urteil vom 18. November 2010 mit dem Aktenzeichen BVerwG 3 C 42.09 liegt noch nicht vor.

Vorinstanzen:
VG Regensburg, VG RO 5 K 03.2192 - Urteil vom 28.11.2005 - VGH München, VGH 11 B 08.186 - Urteil vom 11.08.2009 -

Pressemitteilung BVerwG Nr. 106/2010 3 C 42.09.

Einschätzung des Deutschen Städte- und Gemeindebundes

Die Radwegebenutzungspflicht wird seit Jahren von den Fahrradverbänden kritisch gesehen. Es ist deshalb nach dem Urteil mit vermehrten Initiativen oder sogar Klagen zur Aufhebung der Benutzungspflicht zu rechnen. Dem können die Straßenverkehrsbehörden vorbeugen, indem sie die Benutzungspflicht prüfen und gegebenenfalls statt Radwegen Radfahrstreifen oder Schutzstreifen gemäß VwV-StVO zu § 2 StVO anlegen.

Seitens des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg ist das Urteil und auch die kritische Position der Fahrradverbände zu einer Benutzungspflicht mit Bedenken zur Kenntnis genommen worden. Die brandenburgischen Kommunen und auch das Land haben hohe Investitionen in den Radwegebau auch im Sinne der Sicherheit der Radfahrer vorgenommen. Nach wie vor werden Forderungen, so auch von den Fahrradverbänden, zum weiteren Ausbau der Radwegenetze im Sinne der Verkehrssicherheit erhoben. Bei Vorhandensein von Radwegen sollten Radfahrer diese auch uneingeschränkt nutzen.

Az: 608-11