MITTEILUNGEN 06/2004, Seite 170, Nr. 101

Grundsätze elementarer Bildung in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung in Kindertagesstätten - Teil 1


Für ein großes Presseecho hat am 1. Juni 2004 der Minister für Bildung und Jugend mit seiner Pressekonferenz zu den „Grundsätzen elementarer Bildung in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung in Kindertagesstätten“ gesorgt. Leider ging da einiges durcheinander. So bedauerte die Berliner Zeitung in ihrer Ausgabe vom 2. Juni 2004, dass es seit Margot Honecker keine Bildungsstandards mehr gegeben habe und auch die Märkische Oderzeitung schloss aus der Abwesenheit von „staatlich verordneten Bildungsstandards“, die Schüler könnten heute im ersten Schuljahr viel weniger, als es früher im Osten üblich war.

Zumindest die Presse, der nach Art. 5 GG eine Aufklärungspflicht zukommt, hat da verschiedene wichtige Aspekte bei Betrachtung der Angelegenheit nicht beachtet:

1. Bei Kindertagesstätten handelt es sich eben nicht um Vorschulen. Für deren inhaltliche Gestaltung, z.B. durch Erlass eines Rahmenlehrplans, und für deren Finanzierung wäre der Minister für Bildung, Jugend und Sport zuständig. Art. 7 Abs. 6 GG lautet: Vorschulen bleiben aufgehoben. Vergleiche der Arbeit brandenburgischer Kindertagesstätten mit der in Vorschulen nordeuropäischer Länder verbieten sich daher. Der Minister hat mehrfach - wohl auch mit Blick auf den Landeshaushalt - bekundet, dass er in Brandenburg eine Vorschule nicht einführen wolle.

2. Kindertagesstätten unterfallen nicht dem Schulressort des Ministers. Vielmehr zählen sie zum Bereich der Jugendhilfe und die ist in der Bundesrepublik bekanntlich Aufgabe der Kommunen und der freien Träger der Jugendhilfe. Das Jugendhilferecht geht seit Jahrzehnten davon aus, dass die Menschen vor Ort in der Lage sind, die Arbeit in Kindertagesstätten selbst zu gestalten.
Die Erwähnung des blauen Buches von DDR-Volksbildungsministerin Margot Honecker ist völlig fehl am Platze. Sie verkennt, dass die Gemeinden in der Bundesrepublik, die seit jeher Kindertagesstätten betreiben, Selbstverwaltungskörperschaften sind und ihre Aufgaben im Rahmen der Gesetze selbst erledigen. Daher sind heute im Land Brandenburg weder staatlich verordnete Bildungsstandards für den Kindertagesstättenbereich denkbar, noch rechtlich möglich.

3. Elementarbildung in Kindertagesstätten ist den brandenburgischen Erzieherinnen und den Trägern der Einrichtungen nicht fremd. Im Kindertagesstättengesetz ist seit Jahren festgelegt, dass die Kitas auf Erziehung, Bildung und Betreuung ausgerichtet sind. Wenn der Minister angesichts des Abschneidens brandenburgischer Schüler der Sekundarstufe I bei den Pisa-Studien nunmehr Empfehlungen abgibt, aus denen hervorgeht, wie sich das Ministerium die pädagogische Arbeit in Kindertagesstätten vorstellt, sollte nicht in Vergessenheit geraten, dass die in der Iglu-Studie geprüften Schüler der Grundschulen in dem Test weniger schlecht abgeschnitten haben, was auf die durchaus vorhandene Qualität der brandenburgischen Kindertagesstätten schließen läßt.

4. Für den Minister und die Organisationen von Trägern der freien Jugendhilfe ist es ein leichtes, zu vereinbaren, bestimmte Grundsätze der Arbeit in Kindertagesstätten umsetzen zu wollen. Es ist immer einfach, Versprechungen zu machen, die andere einlösen sollen. Soweit es durch die vom Minister veröffentlichten Grundsätze zu Mehrausgaben kommt, sind es nicht Land und freie Träger der Jugendhilfe, die die Mehrausgaben finanzieren. Vielmehr werden die Eltern mit ihrem Elternbeitrag oder die Kommunen, die die Träger der freien Jugendhilfe bezuschussen, für entstehenden Mehraufwand aufkommen müssen. Freilich werden die Kommunen tatsächlich ihre Zuschüsse an die freien Träger nicht erhöhen können, da sie hierzu finanziell gar nicht in der Lage sind.

5. Auch wenn in Kindertagesstätten die „Grundsätze elementarer Bildung“ Anwendung finden würden, würden hierdurch nicht die Kinder erfasst, die eine Kindertagesstätte gar nicht besuchen, weil Eltern aus ihrer Sicht andere Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsmöglichkeiten gefunden haben. Die Start-Chancen von Kindern zu Beginn ihrer Schulzeit sind ungleich und werden ungleich bleiben, denn an eine „Zwangsbetreuung“ ist nicht zu denken.

Monika Gordes, stellvertretende Geschäftsführerin