Stellungnahme des StGB Brandenburg vom 20.03.2003 an den Landtag Bbg.

Einladung vom 17.03.2003 zur Anhörung nach Art. 97 Abs. 4 der Landesverfassung im Ausschuss für Inneres des Landtages Brandenburg am 20.03.2003 zu den Gesetzentwürfen der Landesregierung:


1. Haushaltssicherungsgesetz 2003
2. Nachtrag zum Haushaltsgesetz und zum Haushaltsplan 2003
3. Haushaltsstrukturgesetz 2003

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

zur heutigen Anhörung erhalten Sie nachfolgend in Ergänzung unseres mündlichen Beitrages unsere schriftliche Stellungnahme zu den oben genannten Gesetzesentwürfen. Wir bitten Sie, diesen schriftlichen Beitrag zum Protokoll zu nehmen und in den weiteren Beratungen und Beschlussfassungen zu berücksichtigen:

Mit den hier heute zur Diskussion stehenden Gesetzentwürfen will die Landesregierung die dramatischen Steuereinbrüche des laufenden Haushaltsjahres kompensieren und auf die in den kommenden Jahren erneut zu erwartenden Mindereinnahmen reagieren. Dabei sollen einerseits die Ausgabestrukturen verändert und andererseits die Einnahmeverluste in großen Teilen auf die gemeindliche Ebene durchgereicht werden.

Vor diesem Hintergrund müssen wir die hier vorliegenden Gesetzesentwürfe wie folgt bewerten:

Zu 1. – Haushaltssicherungsgesetz 2003:


Das Haushaltssicherungsgesetz soll finanzpolitische Leitlinien und Ziele zur Verwaltungsoptimierung vorgeben. Dafür sollen Vorschriften geschaffen werden, die sich auf das Haushaltsrecht und die betriebswirtschaftliche Steuerung beziehen. Im Ergebnis sollen diese Vorschriften die derzeitigen Ausgaben und den Kreditbedarf des Landes nachhaltig reduzieren. Warum Einzelheiten hierzu auch für die Städte und Gemeinden von existenzieller Bedeutung sind, liegt auf der Hand: Weil eine optimierte Landesverwaltung den Finanzbedarf auf Landesebene senkt und damit die Voraussetzungen für eine angemessene Finanzverteilung schafft: Also müssen wir das Haushaltssicherungsgesetz an diesen Zielen messen:

Der Gesetzentwurf weist große Ähnlichkeiten zu den so genannten Optimierungsgesetzen der vergangenen Jahre auf: Es sollen wiederum Zielvorstellungen benannt, Personalkosten begrenzt und die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Verwaltungssteuerung beschrieben werden.

Die an Zielen der Landesverfassung und den Vorgaben des Landesorganisationsgesetzes ausgerichteten Aufgaben- und Strukturveränderungen finden ersichtlich nicht statt. Auch ist aus der Gesetzesbegründung nichts darüber ersichtlich, mit welchem Erfolg oder Misserfolg die bereits bestehenden Gesetze zur Optimierung der Landesverwaltung umgesetzt oder eben nicht umgesetzt wurden. Hierzu im Einzelnen:

Die Gesetzesbegründung spricht unter anderem von einem „Fundament zur Forcierung haushaltspolitischer Konsolidierungsmaßnahmen“, vom „verbindlichen Abbau von Stellen“ und von einer „Anpassung der Verwaltungsabläufe an geänderte Rahmenbedingungen“. Hierauf will die Landesregierung unter anderem reagieren mit:

Artikel 2 § 1 Abs. 1 Satz 1, der da lautet: „Die Modernisierung der Landesverwaltung ist eine Daueraufgabe“

oder mit

Artikel 2 § 6 Abs. 1, der da lautet: „Zur Regelung einer standardisierten Einführung von betriebswirtschaftlichen Steuerungsinstrumenten in geeigneten Bereichen der Landesverwaltung und deren Auslagerungen sind landesweit einheitliche Vorgaben zu schaffen“.

Dieses sind keine gesetzlichen Regelungen, sondern Feststellungen über eine bereits bestehende Rechtslage, aus denen nicht einmal ersichtlich wird, was hieraus konkret folgen soll. Aus unserer Sicht bestätigt der Gesetzentwurf allenfalls, dass das Land in den vergangenen Jahren seiner Verantwortung zur Haushaltskonsolidierung nicht nachgekommen ist, worauf wir mit drei Beispielen eingehen:

Erstens - Bindung des Landes an das Haushaltsgrundsätzegesetz des Bundes


Nach dem Haushaltsgrundsätzegesetz sind die Länder verpflichtet, ihr Haushaltsrecht nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu regeln und für alle finanzwirtschaftlichen Maßnahmen angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchzuführen. Darüber hinaus sollen in geeigneten Bereichen Kosten- und Leistungsrechnungen eingeführt werden.

Die Landeshaushaltsordnung greift diese Vorgaben mit ihrem Änderungsgesetz vom 18.12.2001 auf und verstärkt diese durch die Verpflichtung zur Einführung der Kosten- und Leistungsrechnung in geeigneten Bereichen der Landesverwaltung (§ 7 LHO).

Damit sind alle diesbezüglich mit dem hier vorliegenden Haushaltssicherungsgesetz angestrebten Ziele bereits auf der Grundlage bestehenden Rechts zu verfolgen und es drängt sich uns die Frage auf, warum die Landesregierung auf die derzeit offensichtlichen Rechtsverstöße innerhalb ihrer eigenen Arbeit mit der Schaffung vermeintlich neuen Rechts reagieren will, anstatt einfach mit der Verwaltungsoptimierung wirklich zu beginnen.

Ein sinngemäßes Übertragen eines solchen Gesetzesvorhabens auf die gemeindliche Ebene würde aus unserer Sicht bedeuten, dass sich ein Bürgermeister über eine gemeindliche Satzung veranlassen ließe, das Haushaltsrecht zu beachten. Ein solches Verfahren kann auf der gemeindlichen Ebene bereits deshalb nicht stattfinden, weil die Städte und Gemeinden ihr Personal von 1992 bis heute um rund 35.000 Beschäftigte abgebaut haben, während das Land im vergleichbaren Zeitraum das Personal um weitere 21.000 Beschäftigte aufgebaut hat.

Dies erklärt aus unserer Sicht, warum der Landtag mit dem noch unter Punkt 2 zu behandelnden Nachtragshaushaltsgesetz für Personalausgaben in der Landesverwaltung gegenüber 2002 im laufenden Jahr weitere 73 Millionen € zur Verfügung stellen soll.

Zweitens - Organisation der Landesverwaltung nach dem Landesorganisationsgesetz


Nach dem Landesorganisationsgesetz leiten und beaufsichtigten die Landesregierung und im Rahmen ihres Geschäftsbereichs der Ministerpräsident und die Landesministerien die Landesverwaltung. Das Landesorganisationsgesetz verpflichtet zum unmittelbaren Handeln.

Nach dem Landesorganisationsgesetz sind gleichartige Aufgaben grundsätzlich nur durch eine Verwaltungsbehörde wahrzunehmen, wobei der Ministerpräsident die Geschäftsbereiche der obersten Landesbehörden festlegt und diese im Gesetz- und Verordnungsblatt bekannt gibt. Die rechtlich unselbständigen Einrichtungen des Landes werden nach dem Landesorganisationsgesetz durch Nachweisung im Haushaltsplan gegründet oder aufgegeben. Und die Landesbetriebe werden nach dem Landesorganisationsgesetz durch Erlass der obersten Landesbehörde errichtet oder aufgelöst. Diese beispielhafte Aufzählung zeigt, dass Entscheidungen gefordert sind, die formal zum Teil durch unmittelbare Festlegungen im Haushalt oder im Wege von Erlassen möglich sind. Die Erarbeitung und Verabschiedung eines Gesetzentwurfs war und ist für diese Entscheidungen überflüssig.

Drittens – Aufgabenkritik nach dem Verwaltungsmodernisierungsgesetz


Mit einem neuen Verwaltungsmodernisierungsgesetz soll der Vorrang der Aufgabenerfüllung durch Dritte festgelegt werden. Das ist noch keine Aufgabenkritik und es besteht die Gefahr, dass nicht notwendigerweise wahrzunehmende Aufgaben ausgegliedert oder kommunalisiert werden, anstatt sie gleich gänzlich aufzugeben oder zumindest einzuschränken.

Bezogen auf den Vorrang einer Aufgabenerfüllung durch Dritte besteht zudem mit § 7 Abs. 2 Satz 1 der Landeshaushaltsordnung eine korrespondierende Vorschrift, nach der in geeigneten Fällen privaten Anbietern die Möglichkeit zu geben ist, darzulegen, ob und inwieweit sie staatliche Aufgaben oder öffentlichen Zwecken dienende wirtschaftliche Tätigkeiten nicht ebenso gut oder besser erbringen können.

Der Gesetzesentwurf bleibt hinter dieser bereits bestehenden Rechtslage noch zurück. Wenn hier Handlungsbedarf gesehen wird, sollte die Landesregierung die Änderung der Landeshaushaltsordnung vorschlagen.

Zusammenfassend müssen wir daher aus unserer Sicht feststellen, dass das Haushaltssicherungsgesetz mit seinen Programmsätzen überflüssig ist.

Soweit der Gesetzentwurf Veränderungsabsichten – und nur um solche handelt es sich – anspricht, ist er wenig konkret und lässt Abschätzungen der Folgewirkungen vermissen.

Hierzu im Einzelnen:

Zu Artikel 2:


§ 3 - Ausgliederung aus der Landesverwaltung und § 4 - Aufgabenbündelung


Munitionsbergungsdienst


Die Entwurfsbegründung überzeugt uns nicht und gibt Anlass zu vermuten, dass alles bleibt wie es ist.

Landesschule und technische Einrichtung für Brand- und Katastrophenschutz


Im Zuge der Verwaltungsoptimierung im Land Brandenburg ist die Landesfeuerwehrschule mit der Landesprüfstelle für Feuerwehrtechnik mit Sitz in Borkheide und dem Katastrophenschutzlager des Landes in Beeskow organisatorisch und verwaltungstechnisch zur LSTE zusammengelegt worden. Aus dieser Zusammenlegung sollten Synergieeffekte hinsichtlich sachlicher, personalwirtschaftlicher und haushaltsmäßiger Aufgaben entstehen. Gleichzeitig sollte der Ausbildungsprozess qualitativ verbessert werden. Dies drängt vor dem Hintergrund der überörtlichen Aufgabenerfüllung anstelle einer Aufgabendelegation eine Auswertung und Fortsetzung des Optimierungsprozesses geradezu auf, unterbleibt jedoch.

Ämter für Flurneuordnung und ländliche Entwicklung


Seit langem sprechen wir uns für eine Kommunalisierung der von diesen Sonderbehörden wahrgenommenen Aufgaben aus. Auf diese Kommunalisierung warten wir, nicht auf die im Gesetzentwurf angedeutete Übertragung auf den Verband der Teilnehmergemeinschaften.

Landesforstanstalt Eberswalde


Die vorgesehene Strukturveränderung wird von uns begrüßt. Uns ins lediglich unverständlich, warum die Landesforstanstalt nicht längst in das Landesumweltamt überführt wurde.

Landesanstalt für Großschutzgebiete


Vergleichbares gilt für die Landesanstalt für Großschutzgebiete, wobei die noch durchzuführende Aufgabenkritik eine Aufgabendelegation auf die kommunale Ebene berücksichtigen muss.

Immissionsschutzverwaltung


Die Bündelung von Aufgaben der Ämter für Immissionsschutz ist ebenfalls ein Organisationsauftrag nach dem Landesorganisationsgesetz. Die Entscheidungen können ohne neues Gesetz getroffen werden und müssen den Auftrag zur Kommunalisierung berücksichtigen.

Gänzlich vermissen wir Aussagen zu den Landesoberbehörden. Dabei steht für uns an erster Stelle das Landesjugendamt in der Kritik. Hier ist eine Analyse der tatsächlichen Aufgabenwahrnehmung dringend geboten, und wir können uns gut vorstellen, dass die notwendig zu erbringenden Aufgaben nach dem Vorbild anderer Bundesländer in Kommunalverbänden, unmittelbar im Ministerium oder im Landesamt für Soziales und Versorgung wahrgenommen werden.

§ 5 - Zusammenarbeit mit dem Land Berlin


Der vorgesehene „Verhandlungsauftrag“ regelt nichts. Für eine Zusammenarbeit mit Berlin, die als Ziel seit Jahren definiert ist, ist vielmehr ein konkretes Handeln erforderlich, das wir am Beispiel der im Gesetzentwurf zu § 5 Ziff. 6 genannten Krankenhausplanung beurteilt haben:

Die 1. Fortschreibung des Krankenhausplanes in Brandenburg ist soeben erst abgeschlossen worden. Grundlage hierfür war ein zwischen der AOK und dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen abgestimmtes Gutachten, das Planungsgrundlagen auf der Basis von Benchmarkanalysen zum Gegenstand hatte und das sich in der Umsetzung befindet. Bei dieser Fortschreibung hat eine gemeinsame Planung mit dem Land Berlin bereits stattgefunden. Es besteht also auch hierzu kein gesetzlicher Handlungsbedarf.

§ 6 -Einführung betriebswirtschaftlicher Steuerungsinstrumente


Die vorgesehene Einführung betriebswirtschaftlicher Steuerungsinstrumente bleibt hinter den Regelungen der Landeshaushaltsordnung zurück. Hierauf haben wir bereits eingangs hingewiesen. Seit Jahren könnte die Landesregierung hierfür standardisierte Vorgaben machen. Eine gesetzliche Grundlage ist für diese Organisationsentscheidung genauso überflüssig, wie die Entscheidung über die Bereiche, die die Landesregierung im Sinne der Landeshaushaltordnung für geeignet erachtet.

§ 7 - Landesvermögen und Verwaltung von Immobilien


Für die im Entwurf vorgesehene zentrale Verwaltung bedarf es keiner gesetzlichen Regelung. Gleiches gilt für die vorgesehenen inneren Verrechnungen.

Das beabsichtigte Verwertungsgebot für Landesvermögen steht nicht im Einklang mit dem korrespondierenden § 63 Abs. 2 der Landeshaushaltsordnung, der eine Veräußerung von Vermögensgegenständen nur dann erlaubt, wenn diese zur Erfüllung der Aufgaben des Landes in absehbarer Zeit nicht benötigt werden. Wenn die Landesregierung hierzu Änderungsbedarf sieht, sollte sie auch hier eine gesetzliche Änderung der Landeshaushaltsordnung anstreben.

Vorsorglich weisen wir darauf hin, dass eine eventuelle Änderung der Landeshaushaltsordnung den nach langen Verhandlungen für die Liegenschaften des WGT-Sondervermögens gefundenen Kompromiss nicht gefährden darf. Die aus der Verwertung dieser Liegenschaften erzielten Einnahmen müssen auch in Zukunft Konversionszwecken vorbehalten bleiben!

§ 8 - Reform des Beschaffungswesens und § 9 – Umstrukturierungen im Bereich der Informationstechnik


Synergien zu erschließen, anstatt das Beschaffungswesen mit neuen Organisationseinheiten nur vermeintlich zu reformieren, sollte die Lösung für Kosteneinsparungen innerhalb der Verwaltung sein. Wir sprechen uns daher ausdrücklich gegen die Einführung zentraler Beschaffungsstellen aus. Mittlerweile werden bundesweit Informations- und Kommunikationstechnologien zur Unterstützung und Optimierung von elektronischen Beschaffungsprozessen angeboten. Die Landesregierung muss sich hier nicht mit neuen Organisationseinheiten profilieren, schon gar nicht mit der beabsichtigten und von uns nicht akzeptierten Einbeziehung der Städte und Gemeinden.

§ 12 - Vermeidung und Reduzierung von Normen und Standards


Die bisherigen Versuche, Normen und Standards abzubauen, müssen ganz überwiegend als gescheitert angesehen werden. Daher wird das im Entwurf vorgesehene Vorgehen als Einstieg in den Normabbau begrüßt. Die vorgesehenen Schritte gehen allerdings nicht weit genug. Die Normprüfung wird weiterhin den Fachressorts überlassen. Wir bekräftigen daher an dieser Stelle unsere Anregung zur Einrichtung einer ressortübergreifenden Normprüfungsstelle. Soweit Normen betroffen sind, die die Kommunen berühren, müssen diese am Verfahren über unseren kommunalen Spitzenverband beteiligt werden.

Zu Artikel 3 und 4:


Landesinstitut für Schule und Medien


Gegen die durch Änderung des Schulgesetzes vorgesehene Umstrukturierung haben wir keine Bedenken. Es fällt aber auf, dass im Gesetz geregelt werden soll, dass es Änderungs- und Beendigungskündigungen aus Anlass der Einrichtung des Instituts nicht geben und zudem eine höhere Besoldung des künftigen Leiters vorgesehen werden soll. Vor dem Hintergrund des Gesetzesziels können diese Absichten von uns nicht nachvollzogen werden.

Abschließend können wir feststellen, dass die mit dem Haushaltssicherungsgesetz verfolgten Ziele mit Ausnahme der Änderungsabsichten zum Schulgesetz und zum Besoldungsgesetz sämtlich untergesetzlich erreichbar sind. Das Gebot, keine überflüssigen Normen mehr zu erlassen, sollte also bereits bei diesem Gesetzentwurf Beachtung finden.

Unsere Bitte an Sie ist daher: Lehnen Sie den Gesetzentwurf mit Ausnahme der schulgesetzlichen Bestimmungen ab und fordern Sie ein Handeln der Landesregierung im Sinne des bestehenden Haushalts- und Organisationsrechts. Ansonsten erhält der Landtag als nächstes den Entwurf eines Optimierungsgesetzes, der dieses beabsichtigte Gesetz wieder aufheben soll, so wie mit diesem Gesetz die Verwaltungsoptimierungsgesetze der Jahre 2000 und 2001 wieder aufgehoben werden sollen.

In diesem Sinne haben wir uns zu dem bisher unverändert gebliebenen Gesetzentwurf mit einer noch ausführlicheren Begründung bereits am 10.02.2003 gegenüber dem Ministerium der Finanzen geäußert. Auf diese Begründung dürfen wir verweisen und machen Sie ausdrücklich zum Gegenstand dieser Stellungnahme.

Zu 2. - Nachtrag zum Haushaltsgesetz und zum Haushaltsplan 2003


Der Haushaltsnachtrag 2003 soll die in den letzten Wochen umfänglich diskutierten Einsparvorschläge der Landesregierung aus der so genannten „Giftliste“ umsetzen und Kürzungen im gemeindlichen Bereich mit rund 56 Millionen € vorsehen. Von den übrig beabsichtigten Kürzungen werden die Städte und Gemeinden ohne Berücksichtigung der noch ausstehenden Entscheidungen zu den globalen Minderausgaben mit weiteren rund 50 Millionen € Mehrausgaben betroffen sein.

Vom Grundsatz her befasst sich der Nachtrag mit wahllos erscheinenden Einzelpositionen, die eine an den Verfassungszielen ausgerichtete Ausgabenkritik vermissen lassen. So ist beispielsweise für uns nicht nachvollziehbar, warum trotz des Verfassungsgebots zur Zusammenarbeit mit anderen Völkern und das insbesondere mit dem polnischen Nachbarn und vor dem Hintergrund der bevorstehenden EU-Osterweiterung die Zuschüsse für Deutsch-Polnische Schulprojekte fast vollständig gekürzt werden sollen. Ebenfalls nicht nachvollziehbar ist uns ein Zusammenstreichen von Investitionsförderungen zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur in Höhe von mindestens 27 Millionen €, die aufgrund ihrer Kofinanzierungsanteile gleichzeitig EU- und Bundesmittel wegbrechen lassen und die allein in diesem Bereich weiter beabsichtigten globalen Minderausgaben von 25 Millionen € noch nicht einmal berücksichtigen.

Und dort, wo an Zielen ausgerichtete Planungen bereits bestehen, sollen diese durch massive Einkürzungen wieder zunichte gemacht werden. Hierzu weisen wir beispielhaft auf die vorgesehene Kürzung der Investitionszuweisungen für die bereits zum Haushaltssicherungsgesetz angesprochenen Krankenhäuser mit rund 22 Millionen € hin.

Eine Vielzahl vorgesehener Kürzungen betrifft einen Leistungsabbau auf Landesebene, der gegenüber örtlichen Hilfen derzeit noch vorrangig ist. Hieraus würden Folgekosten z.B. der sozialen Sicherung entstehen, die die kreisfreien Städte unmittelbar und die Gemeinden mittelbar über die Kreisumlage finanziell mit Mehraufwendungen belasten würden.

Strukturfragen mit Auswirkungen auf den Landeshaushalt, also Fragen, die dem Anspruch einer zielgerichteten Haushaltskonsolidierung gerecht würden, werden mit dem Nachtrag nicht beantwortet. Im Prinzip lenkt daher jede Befassung mit den Einzelvorschlägen von den dringend gebotenen Entscheidungen von Landtag und Landesregierung über Ziele und Leitbilder, denen eine daran ausgerichtete Aufgabenanalyse zu folgen hätte, ab. In der wohl schwierigsten Finanzkrise des Landes Brandenburg wird der Fehler wiederholt, nach den Prinzipien des „Rasenmähers“ und der „Globalen Minderausgaben“ eine Haushaltskonsolidierung „hinzurechnen“, die nach unserer Auffassung ersichtlich schon morgen keinen Bestand mehr haben wird.

Vor diesem Hintergrund hat das Präsidium des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg in seiner Sitzung am 03.02.2003 zur Berücksichtigung in den Beratungen und Beschlussfassungen des Landtags einstimmig gefordert:

Grundsatzposition


Das von der Landesregierung vorgeschlagene Konsolidierungsverfahren auf der Basis titelgenau untersetzter Einzelpositionen wird als nicht zielführend abgelehnt. Die daraus entstandene und unter hohem Zeitdruck geführte Diskussion ist lediglich geeignet, von den zu lösenden Strukturproblemen abzulenken, die unverändert in der derzeitigen Landesorganisation und dem vom Land gesetzlich oder verordnungsrechtlich festgelegten Aufgabenumfang und im Umfang derjenigen Aufgaben liegen, die unter Mitwirkung des Landes aufgrund Bundesrechts wahrzunehmen sind.

An den Landtag wird deshalb der dringende Appell gerichtet, die derzeitige Haushaltskrise endlich als Chance für tief greifende strukturelle Veränderungen anzusehen, die in erster Linie auf langfristige Wirkungen innerhalb des Landeshaushalts abzielen.

Sofortige Einstellung aller mit Folgekosten wirkenden Gesetzgebungsverfahren


Die Städte, Gemeinden und Ämter erwarten vom Land eine sofortige Aufgabe aller Gesetzgebungsverfahren, die zu neuen Aufgaben und Standards und damit zu neuen Ausgaben führen. Beispielhaft genannt seien hierfür die derzeitigen Verfahren zum Erlass eines Landesgleichstellungsgesetzes und eines Änderungsgesetzes zum Naturschutzgesetz.

Forderung nach einer Ziel- und Leitbildbestimmung


Die Städte, Gemeinden und Ämter erwarten vom Land, dass vor einer Entscheidung über einzelne Sparmaßnahmen zunächst diejenigen Landesziele benannt werden, an denen Einsparvorschläge gemessen werden können. Ohne eine in diesem Sinne abgeschlossene Strategiediskussion ist weder eine sachgerechte Bewertung der bekannt gewordenen Einsparvorschläge noch deren Vermittlung gegenüber den Betroffenen möglich.

Keine Lastenverschiebung ohne Kostenausgleich auf die Gemeinden und Städte


Die vorgeschlagenen Einkürzungen aller Zuschüsse und Zuweisungen des Landes, die in Folge mittelbar oder unmittelbar zu Mehrbelastungen auf der kommunalen Ebene führen, werden abgelehnt. Beispielhaft genannt hierfür seien insbesondere die Zuschüsse und Zuweisungen, die gegenüber den örtlichen Sozial- und Jugendhilfeträgern aufgrund zwangsläufig entstehender Leistungsansprüche wirken.

Kein Fortfall von Investitionszuweisungen mit Kofinanzierungsbeziehungen


Die vorgeschlagenen Einkürzungen aller Zuschüsse und Zuweisungen, die im Landeshaushalt als Kofinanzierungsmittel veranschlagt sind, werden abgelehnt: Es ist aus Sicht der Städte, Gemeinden und Ämter nicht nachzuvollziehen, dass der Fortfall von Mitteln des Bundes in mehrstelliger Millionenhöhe mit vervielfältigender Wirkung auf der kommunalen Ebene aus Gründen der Haushaltskonsolidierung des Landes in Kauf genommen werden soll.

Die Städte und Gemeinden erwarten vom Land eine haushaltssachgerechte Grundsatzentscheidung, die der Kofinanzierung zur Erlangung von Bundes- und EU-Mitteln eine erste Priorität einräumt. Ohne diese Entscheidung unterläuft das Land die mit diesen Mitteln beispielsweise verbundenen Absichten und Verpflichtungen des Bundes und der EU auf einen Ausgleich von Strukturschwächen und einen Abbau von städtebaulichen Fehlentwicklungen.

Kein Fortfall von Investitionszuweisungen mit Wirkung auf das Haushaltsjahr 2003


Die gegenüber den Städten, Gemeinden und Ämtern vorgeschlagenen Einkürzungen von Zuweisungen und Zuschüssen für investive Zwecke werden abgelehnt und dies bereits aus rein haushaltsrechtlichen Gründen: Die gemeindlichen Haushalte sind auf der Grundlage des Haushaltsgesetzes des Landes für die Jahre 2002 und 2003 und des damit korrespondierenden Gemeindefinanzierungsgesetzes 2002/2003 aufgestellt und genehmigt, beziehungsweise haben diesen Stand in Kürze erreicht. Damit stehen im laufenden Haushaltsjahr keine Mittel zur Disposition einer Haushaltskonsolidierung. Gleiches gilt für die betroffenen kommunalen Eigenbetriebe und Eigengesellschaften, beispielsweise für die von Kürzungsvorschlägen betroffenen Krankenhäuser.

Zu 3. – Haushaltsstrukturgesetz 2003


Zunächst müssen wir deutlich kritisieren, dass wir zu diesem Gesetz, das als Artikelgesetz auch die Änderung des Gemeindefinanzierungsgesetzes zum Gegenstand haben soll, offensichtlich nicht gehört werden sollten. Anders erschließt sich uns nicht, warum wir zur heutigen Sitzung mit einer Frist von nur drei Tagen eingeladen wurden und wir diese Einladung erst erhielten, nachdem wir uns über die Verfahrensweise mit verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber dem Präsidenten des Landtags geäußert hatten.

Das Artikelgesetz soll im Wesentlichen das Gemeindefinanzierungsgesetz 2002/2003 ändern. Dabei soll ein Großteil der Steuereinbrüche des Landes an die Kommunen weitergereicht werden. Vorgesehen ist dafür die Senkung der Verbundmittel um rund 140 Millionen €. Nach Ansicht der Landesregierung soll genau dieser Betrag für die kommunale Ebene noch verkraftbar sein.

Das ist er aber nicht. Und die Rechnung ist in diesem Jahr erstmals wirklich einfach:

Im laufenden Haushaltsjahr haben die Kommunen allein für pflichtige Aufgaben mindestens 2,5 Milliarden € aufzubringen. Hierfür stehen nach Auffassung des Ministeriums des Innern rund 1,8 Milliarden € an Finanzausgleichsmitteln und rund 740 Millionen € an eigenen Einnahmen zur Verfügung. Von diesen Einnahmen werden rund 40 Millionen € zur Finanzierung des Tarifabschlusses benötigt. Insoweit wären alle Einnahmen bereits für pflichtige Aufgaben einzusetzen.

Dies bedeutet zum einen, dass jeder Cent, den das Land jetzt aus dem GFG streichen will, zu einer gleich hohen Kreditaufnahme bei den Städten und Gemeinden führen muss. Und das für pflichtige Aufgaben. Auf diese Entwicklung haben wir in den vergangenen Jahren wiederholt hingewiesen. Jetzt zeigt sich, dass unsere Hinweise kein unberechtigtes Jammern, sondern die bittere Wahrheit dargestellt haben.

Ein Zugriff auf die Finanzausgleichsmittel bedeutet zum anderen aber auch, dass freiwillige Aufgaben in diesem Jahr erstmals überhaupt nicht mehr zu finanzieren sind.

Beide Umstände sind verfassungsrechtlich angreifbar und etliche Gemeinden haben uns bereits gebeten, eine in Erwägung gezogene Verfassungsklage zu unterstützen.

Offensichtlich ist dieses Problem von der Landesregierung gesehen worden. Denn es wird zurzeit ein Regierungsentwurf erarbeitet, der die Kommunen von pflichtigen Aufgaben entlasten soll.

Für uns bezeichnend ist nun, dass dieser Gesetzesentwurf hier heute nicht zur Diskussion steht. Denn dann hätten wir die Möglichkeit im Einzelnen darzulegen, warum das beabsichtigte Gesetz die Kommunen nicht einmal ansatzweise in den hier genannten Größenordnungen entlasten wird.

Zusammenfassend müssen wir daher feststellen, dass die Kommunen mit den beabsichtigten Einkürzungen aus dem Finanzverbund und aus dem Nachtragshaushalt allein in diesem Jahr mit weiteren rund 240 Millionen € unterfinanziert sein würden.

Das Land hat aber mit einem Finanzausgleich dafür zu sorgen, dass die Kommunen ihre Aufgaben erfüllen können. Im Rahmen des Finanzausgleichs sind die Gemeinden und Gemeindeverbände an den Steuereinnahmen des Landes angemessen zu beteiligen.

Davon kann aufgrund des Haushaltsstrukturgesetzes überhaupt keine Rede mehr sein. Anstelle der im Gesetzentwurf vorgesehenen Verbundquote von 25,3 % ist daher eine

                                                    Verbundquote von 29,3 %!

gesetzlich festzulegen. Eine unterhalb dieser Verbundquote liegende Festsetzung wäre bei Beibehaltung der vorgesehenen weiteren Einsparungen im Nachtragshaushaltsgesetz verfassungsrechtlich infrage zu stellen.

Nach allem können wir für die übrigen Regelungen des Haushaltsstrukturgesetzes an dieser Stelle abschließend nur noch feststellen, dass die beabsichtigten Kürzungen in Bereichen der Betreuung, der Schulen und für behinderte Menschen zu neuen Lasten der Städte und Gemeinden führen werden, die die dramatische Haushaltslage noch weiter verschärfen würden.

Wir müssen den Landtag daher auffordern, die drei vorliegenden Gesetzentwürfe im Zusammenhang mit der Gemeindefinanzierung zu sehen und im Sinne vorstehender Ausführungen und damit abweichend von den Entwürfen der Landesregierung zu beschließen.

Vielen Dank.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag

Grugel

Az.: 916-02