Mitteilungen 02/2008, Seite 86, Nr. 42
OLG Düsseldorf entscheidet erneut über Ausschreibungspflicht kommunaler Grundstücksgeschäfte
In einem weiteren am 06.02.2008 (VII-Verg 37/07) verkündeten Beschluss hat der Vergabesenat des OLG Düsseldorf seine Rechtsprechung vom 13.06.2007 sowie vom 12.12.2007 bestätigt und die Veräußerung eines kommunalen Grundstücks an einen Investor zum Zwecke der Bebauung als einen von der Kommune ausschreibungspflichtigen Vorgang angesehen.
Im Weiteren hat das OLG Düsseldorf einen im vorliegenden Fall ohne Ausschreibung vorgenommenen Vertragsschluss (hier: Änderungsvertrag) der Kommune mit dem Investor wegen Verstoßes gegen § 13 VgV (keine Bieterinformation an andere Interessenten) als rechtlich unwirksam gemäß § 13 S. 6 VgV angesehen.
1. Sachverhalt
Die Stadt Oer-Erkenschwick beschloss im Jahre 2005, auf dem Kirmesplatz und dem Grundstück des nicht mehr genutzten Hallenbades, zusammen auf einer Fläche von etwa 20 000 qm im nicht beplanten Innenbereich, zur Stärkung der Innenstadtlage ein Einzelhandels- und Dienstleistungszentrum (Investitionsvolumen: Mehr als 20 Mio. €) errichten zu lassen. Zu diesem Zweck sollten die Grundstücke an einen Investor veräußert werden, der das Bauwerk nach der Errichtung verwerten soll. Auf der Grundlage einer Beratung durch ein Rechtsanwaltsbüro veröffentlichte die Stadt daraufhin im Jahre 2005 in Tageszeitungen ein „Grundstücksangebot“, worin unter anderem festgelegt war, dass die Veräußerung „zum Zwecke der Bebauung mit einem Einzelhandelszentrum und anderen innenstadtrelevanten Nutzungen“ erfolge. Eine europaweite Bekanntmachung / Ausschreibung unterblieb.
Auf der Grundlage der Veröffentlichung bekundeten in einer ersten Stufe sieben Unternehmen ein Interesse am Grundstückserwerb. Nachdem der Stadtrat auf der Grundlage der Interessenbekundungen im Dezember 2005 die Verwaltung beauftragt hatte, mit der Beigeladenen konkrete Verhandlungen zum Abschluss eines Kaufvertrages über das fragliche Gelände abzuschließen, schloss die Stadt am 29.03.2007 mit der Beigeladenen einen notariell beurkundeten Kaufvertrag. Dieser sah unter anderem in einer Präambel vor, dass das auf dem zu verkaufenden Grundstück stehende Hallenbad abgerissen und das Gesamtgrundstück mit Baulichkeiten für Einzelhandel nebst den dazugehörigen Parkflächen bebaut werden soll.
Im Juni 2007 stellte die Antragstellerin, eine Projektentwicklerin, ohne vorherige Rüge einen Nachprüfungsantrag mit dem Ziel, die Nichtigkeit des notariellen Kaufvertrages vom 29.03.2007 in der Fassung des Änderungsvertrages vom 04.09.2007 festzustellen und der Stadt aufzugeben, das Bauvorhaben nach Maßgabe des 4. Teils des GWB auszuschreiben. In dem notariell beurkundeten Änderungsvertrag vom 04.09.2007 zum Kaufvertrag vom 29.03.2007 hatten die Parteien die möglicherweise auf Bauverpflichtungen hindeutenden Bestandteile aus dem Kaufvertrag entfernt und die Präambel wie folgt neu gefasst:
„Der Käufer beabsichtigt, auf dem Grundstück ein innerstädtisches Einzelhandelszentrum nebst dazugehörigen Parkplatzflächen zu errichten.“
2. Die Entscheidung des OLG Düsseldorf
Nachdem bereits die Vergabekammer Münster dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin stattgegeben hat und die Nichtigkeit des notariellen Vertrages vom 29.03.2007 in der Fassung des Änderungsvertrages vom 04.09.2007 festgestellt hat (angenommene Nichtigkeitsgrund des Kaufvertrages: § 138 BGB), hat das OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 06.02.2008 die sofortigen Beschwerden der Stadt mit teilweise anderer Begründung als unbegründet zurückgewiesen:
a) Annahme der zweiten Variante des § 99 Abs. 3 GWB
- Generelles Erfordernis einer Bauverpflichtung offen gelassen
Das OLG hat ausgeführt, dass nach der zweiten Variante des § 99 Abs. 3 GWB ein (ausschreibungspflichtiger) Bauauftrag einen Vertrag über die Ausführung oder die gleichzeitige Planung und Ausführung eines Bauwerks, das Ergebnis von Tief- oder Hochbauarbeiten ist und eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll, beinhaltet. Dabei bedürfe es keiner Entscheidung, ob der Begriff des Bauauftrags nach dieser Variante auf Seiten des Auftragnehmers die Eingehung einer – im Rechtssinn – verbindlichen Bau- oder Realisierungsverpflichtung erfordere. Das OLG betont ausdrücklich, dass es diese Rechtsfrage, sofern es darauf ankommt, zum Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH machen würde. Allerdings weist das OLG darauf hin, dass der Wortlaut der Begriffsbestimmung eines öffentlichen Bauauftrags in Art. 1 Abs. 2b der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG keinen Hinweis darauf enthalte, der Auftragnehmer müsse durch einen Bauauftrag zur Erbringung von Bauleistungen rechtlich verpflichtet werden.
- Konkret: Bauverpflichtung gegeben
Im vorliegenden Fall nimmt das OLG jedoch unter Offenlassung dieser Frage an, dass die Beigeladene mit dem käuflichen Erwerb des Grundbesitzes im Rechtssinne die Verpflichtung eingegangen ist, das fragliche Grundstück zu bebauen. Hierzu verweist das OLG im Einzelnen unter anderem auf die Präambel im notariellen Vertrag vom 29.03.2007 wie auch auf die in diesem Vertrag ausdrücklich enthaltenen einzelnen Leistungsverpflichtungen der Beigeladenen, wonach es der Stadt darauf ankomme, dass die mit dem veräußernden Grundstück zusammenhängenden und noch erforderlichen Bauleistungen auch tatsächlich durchgeführt werden. Insoweit enthalte auch § 11 des Kaufvertrages explizit einzelne Bauverpflichtungen, etwa zum Bau eines Rad- und Fußweges und zur Umgestaltung eines Randstreifens und einer Straßenmündung.
Darüber hinaus habe sich die Antragsgegnerin in dem Kaufvertrag vom 29.03.2007 ein Wiederkaufsrecht für näher bestimmte Einzelfälle insbesondere dafür vorbehalten, dass sie nicht rechtzeitig mit der Errichtung des Einkaufszentrums beginnt. Einer Bauverpflichtung stehe insoweit nicht entgegen, dass die Vertragsparteien darauf verzichtet haben, eine Durchführungsverpflichtung der Beigeladenen oder – für den Fall einer Nichterfüllung – einen Anspruch der Antragsgegnerin auf Schadensersatz ausdrücklich in den Vertrag aufzunehmen.
- Keine Selbstnutzung / Eigentümerstellung der Kommune erforderlich
Im Weiteren stellt das OLG Düsseldorf nochmals deutlich heraus, dass es für eine Bewertung des Vertrages als Bauauftrag im vorliegenden Fall nicht darauf ankomme, dass die Beigeladene das Bauwerk selbst nutzen solle und es mithin an einer körperlichen Beschaffung eines Ergebnisses von Bauleistungen durch die Stadt fehle. Insoweit sei die Annahme eines öffentlichen Bauauftrages unter Verweis auf die EuGH-Entscheidung „Roanne“ vom 18.01.2007 nicht davon abhängig zu machen, dass der öffentliche Auftraggeber Eigentümer des Bauwerks oder eines Teils davon ist oder wird. Genauso wenig hänge das Vorliegen eines öffentlichen Bauauftrages vom Verwendungszweck des zu errichtenden Bauwerks ab (wird im Einzelnen unter Verweis auf die EuGH-Rechtsprechung ausgeführt).
- Vorliegen einer Baukonzession
Im konkreten Fall ist der Beigeladenen nach dem OLG Düsseldorf der Auftrag in der Form einer Baukonzession erteilt worden. Diese unterscheidet sich vom öffentlichen Bauauftrag nur dadurch, dass die Gegenleistung für die Bauleistungen ausschließlich in dem Recht zur Nutzung des Bauwerks oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises durch den öffentlichen Auftraggeber besteht (§ 6 Abs. 1 S. 2 VgV). Sie zeichnet sich zusätzlich dadurch aus, dass der Konzessionär das wirtschaftliche Risiko des Geschäfts trägt. Insoweit weist das OLG Düsseldorf nochmals darauf hin, dass die Definition der Baukonzession kein Tatbestandsmerkmal enthält, wonach der Konzessionär kein Eigentum am Bauwerk erwerben darf oder das Eigentum nach Ablauf eines Konzessionszeitraums auf den öffentlichen Auftraggeber übergehen muss. Auch die Tatsache, dass die Beigeladene einen Kaufpreis an die Stadt zahlt, spreche nicht gegen eine Baukonzession.
- Keine Vorlage an BGH
Eine Vorlagepflicht an den Bundesgerichtshof gemäß § 124 Abs. 2 GWB lehnt das OLG Düsseldorf trotz einer anders lautenden Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 19.10.2000 erneut ab, da die Bayerische Entscheidung aufgrund von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs, insbesondere der Entscheidung „Roanne“ überholt sei.
b) Vorliegen der dritten Variante des § 99 Abs. 3 GWB
Ergänzend weist das OLG Düsseldorf darauf hin, dass der Kaufvertrag vom 29.03.2007 – obwohl dies für die Entscheidung nicht (mehr) tragend ist, sondern damit nur auf die Rechtslage eingegangen werden soll, die besteht, sofern man die Realisierungsverpflichtung der Beigeladenen verneinen wollte – ebenfalls die dritte Variante eines öffentlichen Bauauftrags nach § 99 Abs. 3 GWB in der Form einer Baukonzession erfüllt.
Danach sind als öffentlicher Bauauftrag auch Aufträge über die Erbringung von Bauleistungen durch Dritte anzusehen, gleichgültig mit welchen Mitteln, gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen. Die dritte Variante habe zur Erfassung möglicher Umgehungen des Vergaberechts für die Fälle einen Sinn, die nicht als Bauauftrag ausgestaltet sind und erstrecht keine unmittelbare Verpflichtung des Auftragnehmers zur Herstellung des Bauwerks aufweisen müssen. Danach seien gerade solche Aufträge erfasst, die mittels der vom Auftraggeber genannten Erfordernisse allein gewährleisten sollen, dass das herzustellende Bauwerk einem bestimmten öffentlichen Zweck zur Verfügung steht und die dem Auftraggeber kraft vertraglicher Abrede zugleich die rechtliche Befugnis geben, die Verfügbarkeit des Bauwerks für die öffentliche und durch die wirtschaftliche oder technische Funktion des Bauvorhabens definierte Zweckbestimmung sicherzustellen. Auf der Grundlage der Inhalte des Kaufvertrages sieht das OLG Düsseldorf die Gewährleistung der vom Auftraggeber genannten Erfordernisse als gegeben an.
c) Ausnahme vom Vergaberechtsregime
Das OLG Düsseldorf führt – erstmalig – in der jetzigen Entscheidung aus, dass im Sinne einer Ausnahme vom Vergaberechtsregime die Rechtslage für eine Ausschreibungspflicht im Ansatz anders zu beurteilen sein wird, „sofern – ohne dass der jeweilige Fall Anhaltspunkte für eine Umgehung des Vergaberechts erkennen lässt – unabhängig von einem konkreten Bauvorhaben ein Bebauungsplan bereits besteht und vom öffentlichen Auftraggeber im Plangebiet ein Grundstück veräußert wird, das ohne eine ausdrückliche Bauverpflichtung (und ohne Vereinbarung eines Rücktritts- oder Wiederkaufsrechts) ausschließlich im Rahmen der Festsetzungen des Bebauungsplans vom Erwerber bebaut werden kann“.
Genauso sind nach dem OLG Düsseldorf im Prinzip Fallgestaltungen einer Anwendung des Vergaberechts entzogen, in denen der Veräußerung eines Grundstücks und seiner Bebauung keine wirtschaftliche, insbesondere keine raumordnende oder städtebauliche Funktion zuzuerkennen ist, dies zum Beispiel dann, wenn ein auf einen einzelnen Unternehmenszweck begrenztes Einzelbauvorhaben errichtet werden soll.
d) Rechtliche Unwirksamkeit des Änderungsvertrages
Das OLG Düsseldorf hat im Weiteren den Änderungsvertrag vom 04.09.2007 nach § 13 S. 6 VgV (Verstoß gegen die Informationspflicht von nicht berücksichtigten Bietern) für rechtlich unwirksam erklärt. Insoweit seien im Änderungsvertrag „chirurgisch“ jene Abreden des Ursprungsvertrags entfernt beziehungsweise berichtigt und/oder neu gefasst worden, die darauf hindeuten konnten, die Beigeladene habe eine rechtliche Verpflichtung zur Errichtung des Bauwerks übernommen. Dabei sei jedoch die Beschlusslage des Rates der Stadt unverändert. Daher habe die Stadt die Antragstellerin, die ausweislich ihres Nachprüfungsantrags ein Interesse am Auftrag bekundet habe, gemäß § 13 S. 1 VgV als nicht berücksichtigte Bieterin über ihre Nichtberücksichtigung informieren müssen. Da die Stadt dies unterlassen habe, sei der Vertragsschluss der Antragstellerin gegenüber unwirksam. Insoweit komme es auch nicht darauf an, dass die Antragstellerin die Auftragsvergabe vor Anbringung ihres Nachprüfungsantrags nicht gerügt habe, da die Rügeobliegenheit im Falle einer De-facto- oder Direktvergabe nicht greife.
3. Anmerkung des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB)
- Tragende Gründe der Entscheidung
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 06.02.2008 knüpft nahtlos an die bisherigen Entscheidungen des Vergabesenats vom 13.06.2007 und vom 12.12.2007 an. Insbesondere betont das OLG Düsseldorf nochmals, dass es für die Ausschreibungspflicht eines kommunalen Immobiliengeschäfts als Bauauftrag / Baukonzession nicht darauf ankomme, dass die Kommune das Bauwerk selbst nutzen beziehungsweise Eigentümer des Bauwerks wird.
Insoweit sei es für die Anwendung des Vergaberechts ausreichend, wenn ein öffentlicher Auftraggeber einen Unternehmer mit einem Bauauftrag beauftragt, gleichviel, aus welchen Gründen und in welchem Zusammenhang das Bauwerk errichtet werden und welchen Verwendungszweck es haben soll. Gerade die dritte Variante des § 99 Abs. 3 GWB (Erfüllung einer Bauleistung durch Dritte gemäß den vom Auftraggeber genannten Erfordernissen) lasse es ausreichen, dass ein Bauwerk nicht nach den von der Kommune aufgestellten Plänen, sondern nach Plänen der Beigeladenen errichtet werden solle.
- Verbleibende rechtliche Zweifel
Dieser Ansatz ist nach wie vor rechtlich nicht unzweifelhaft, da die Grundnorm des § 97 Abs. 1 GWB ausdrücklich als allgemeinen Grundsatz des Vergaberechts herausstellt, dass „öffentliche Auftraggeber Waren, Bau- und Dienstleistungen nach Maßgabe der folgenden Vorschriften im Wettbewerb und im Wege transparenter Vergabeverfahren beschaffen“. Insoweit ist zu fragen, ob diese Voraussetzung nicht auch beinhaltet, dass die zu beschaffende Leistung dem öffentlichen Auftraggeber – wie dies etwa bei den bekannten Baukonzessionsfällen (Warnow-Tunnel in Rostock beziehungsweise Herrental-Tunnel in Lübeck) im Sinne einer unmittelbaren Erfüllung eigener Interessen (hier: Autobahn- beziehungsweise Straßenbau für öffentliche Hand) zugute kommen.
- Ausnahmen vom Vergaberecht
Allerdings hat das OLG Düsseldorf – erstmalig – zwei Ausnahmen bei der Anwendung des Vergaberechtsregimes herausgestellt. Diese betreffen die Fälle, dass
- auf der Grundlage eines bestehenden Angebotsbebauungsplans ein Grundstück im Plangebiet ohne ausdrückliche Bauverpflichtung ausschließlich im Rahmen der Festsetzung des Bebauungsplans veräußert wird und vom Erwerber bebaut werden kann,
- ohne Zuerkennung einer wirtschaftlichen, insbesondere städtebaulichen Funktion, durch die Stadt die Veräußerung eines Grundstücks und seine Bebauung als „begrenztes Einzelbauvorhaben“ erfolgen soll. Damit dürften insbesondere auch die Fälle einer gebundenen Genehmigung auf der Grundlage des § 34 BauGB vergaberechtsfrei sein.
Anders als noch die Vorinstanz hat das OLG Düsseldorf in seiner rechtskräftigen Entscheidung (eine Anfechtung mit Rechtsmitteln besteht nicht) zurecht keine Nichtigkeit des Vertrages auf der Grundlage von § 138 BGB (Sittenwidrigkeit wegen kollusiven Zusammenwirkens), sondern auf der Grundlage eines Verstoßes gegen § 13 S. 6 VgV (Verstoß gegen die Informationspflicht) angenommen.
4. Ausblick und DStGB-Forderungen
Im Weiteren bleibt abzuwarten, ob ein anderer Vergabesenat in einem anderen Bundesland bei gleicher Sachverhaltsvorlage in der Frage eines kommunalen Immobiliengeschäfts eine andere Entscheidung trifft. Nur dann kann es bei entsprechender Divergenzvorlage gemäß § 124 Abs. 2 GWB zu einer Entscheidung des BGH kommen. Wie diese dann ausgeht, ist natürlich zum jetzigen Zeitpunkt offen. Trotzdem sind gerade die Kommunen an einer schnellen und „bundeseinheitlichen Rechtssicherheit“ sehr interessiert.
In der Sache ist zum einen – wie dargelegt – nach wie vor rechtlich zweifelhaft, ob die weitere Auslegung des OLG Düsseldorf mit dem Nichtabstellen auf den „eigenen Beschaffungscharakter durch den öffentlichen Auftraggeber tatsächlich dem Vergaberecht (s. § 97 Abs. 1 GWB: „Öffentliche Auftraggeber beschaffen…“) entspricht und die Orientierung an rein städtebaulichen Zielen der Gemeinden für die Anwendung des Vergaberechts ausreichend sein kann; zum anderen ist insgesamt rechtssystematisch zu hinterfragen, ob das Vergaberecht für städtebauliche Verträge etc. das richtige Instrumentarium ist. Insoweit muss berücksichtigt werden, dass gerade der Verkauf kommunaler Grundstücke und die Investorenauswahl sich nicht lediglich auf so genannte Filetgrundstücke bezieht sondern oftmals auch für Investoren unattraktive Grundstücke verkauft werden sollen. Häufig gehen hierüber bis zur Findung eines geeigneten Investors Jahre ins Land oder aber die Investorensuche bleibt insgesamt sogar ergebnislos. Diese Fälle sind daher anders zu beurteilen als die Sachverhalte, bei denen die Kommune – etwa bei der Lieferung von Möbeln oder beim Bau eines Verwaltungsgebäudes für eigene Zwecke – von vornherein weiß, dass es genügend potenzielle Nachfrager auf Unternehmerseite gibt.
Grundstücksgeschäfte der öffentlichen Hand bergen daher bei einer Ausschreibungspflicht häufig auch die Gefahr einer Aufhebung zumindest dann in sich, wenn es im Ergebnis zu ganz anderen Konzepten kommt wie sich dies die Gemeinde ursprünglich vorgestellt hat beziehungsweise die Investorenauswahl gänzlich scheitert.
Auch wenn die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf maßgeblich auf die EuGH-Rechtsprechung abstellt, fordert der DStGB im Rahmen der anstehenden GWB-Novellierung gegenüber dem Bundeswirtschaftsministerium nochmals eine ausdrückliche Klarstellung, wonach eine Vergaberechtspflicht voraussetzt, dass eine vom Auftraggeber zu beschaffende Leistung diesem auch ausdrücklich und zwar unmittelbar zugute kommen muss.
Ein entsprechender und klarstellender Formulierungsvorschlag in einer Neufassung des § 99 Abs. 3 GWB könnte nach Auffassung des DStGB dabei wie folgt lauten:
„Bauaufträge sind Verträge zur Beschaffung von Leistungen entweder über die Ausführung oder die gleichzeitige Planung und Ausführung eines Bauvorhabens oder eines Bauwerks für den öffentlichen Auftraggeber, das Ergebnis von Tief- oder Hochbauarbeiten ist und eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll, oder einer dem Auftraggeber unmittelbar dienenden Bauleistung durch Dritte gemäß den vom Auftraggeber genannten Erfordernissen.“
Quelle: DStGB aktuell, 0708
Az: 601-00