Mitteilungen 02/2008, Seite 90, Nr. 44
Vergaberechtsschutz unterhalb der EU-Schwellenwerte grundsätzlich möglich
Die Reichweite des Vergaberechtsschutzes unterhalb der EU-Schwellenwerte bleibt weiter umstritten. Zwar hatte das Bundesverwaltungsgericht am 2. Mai 2007 entschieden, dass für Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte nicht die Verwaltungsgerichte, sondern die Zivilgerichte zuständig sind, da es sich beim Vergaberecht um einen einheitlichen privatrechtlich zu behandelnden Vorgang handele. Streitig blieb aber weiterhin, ob der Zuschlag im Wege einer einstweiligen Verfügung untersagt oder nur Schadensersatz gewährt werden kann. Mit Beschluss vom 17. Dezember 2007 – (13 W 79/07) erging jetzt eine erste Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg (in diesem Heft).
Danach genügen die in der Rechtsordnung dem übergangenen Bieter eingeräumten Möglichkeiten des Rechtsschutzes gegen Entscheidungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge mit Auftragssummen unterhalb der Schwellenwerte den Anforderungen des Justizgewährungsanspruches (Art. 20 Abs. 3 GG). Es verletze nicht den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), dass der Gesetzgeber den Rechtsschutz gegen Vergabeentscheidungen unterhalb der Schwellenwerte anders gestaltet habe als den gegen Vergabeentscheidungen, die die Schwellenwerte übersteigen. Die in der Rechtsordnung vorgesehenen Möglichkeiten des Rechtsschutzes genügten rechtsstaatlichen Anforderungen. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Rechtsschutz der Antragstellerin sich nach der allgemeinen Rechtsordnung richtet, ohne dass besondere Vorkehrungen für die Durchsetzung von Primärrechtsschutz geschaffen worden sind. Ein Primärrechtsschutz scheide allerdings nicht von vornherein und gänzlich aus, sondern er richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen der Rechtsschutzordnung, die mit den Bestimmungen der §§ 935 ff. ZPO grundsätzlich den Weg des einstweiligen Rechtsschutzes eröffnen kann. Der Senat stellt weiter fest, dass es einer staatlichen Stelle, die einen öffentlichen Auftrag vergibt, verwehrt sei, das Verfahren oder die Kriterien der Vergabe willkürlich zu bestimmen. Anders als in dem Verfahren oberhalb des Schwellenwertes, in dem die Vergabekammer zur Amtsermittlung verpflichtet ist, seien in dem Verfahren unterhalb der Schwellenwerte vor den ordentlichen Gerichten der Bieter für die Behauptung eines Vergabeverstoßes darlegungs- und beweispflichtig.
Dem Beschluss des Oberlandesgerichts vorausgegangen waren unterschiedliche Entscheidungen der Landgerichte:
Die Landgerichte Frankfurt/Oder und Cottbus hatten im Wege des Primärrechtsschutzes Anträge auf einstweilige Verfügungen auf dem Zivilrechtsweg stattgegeben (Landgericht Frankfurt/Oder vom 14.11.2007 – 13 O 360/07; Landgericht Cottbus vom 24.10.2007 – 5 O 99/07). Das Landgericht Potsdam hatte demgegenüber im Beschluss vom 14.11.2007 (5 O 412/07) die Auffassung vertreten, Bieter könnten unterhalb der Schwellenwerte nur Sekundärrechtsschutz in Anspruch nehmen und auf Schadensersatz klagen. Gegen diese Entscheidung des VG Potsdam war das Oberlandesgericht angerufen worden.
Jens Graf, Referatsleiter
Az: 601-00