Mitteilungen 02/2008, Aus der Rechtsprechung, Seite 126, Nr. 68
VK Brandenburg: Grundstückskaufvertrag mit konkreter Bauverpflichtung begründet regelmäßig die Annahme eines öffentliches Auftrages gem. § 99 Abs. 3 GWB
1. In Übereinstimmung mit der Ahlhorn-Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 13. Juni 2007 – Verg 2/07 ist für das Vorliegen eines öffentlichen Bauauftrages keine Bedarfsdeckung im engeren Sinne erforderlich. Voraussetzung ist aber nach wie vor, dass der Auftraggeber zumindest in einem weiteren Sinne einen eigenen Bedarf decken will und deshalb bei wirtschaftsfunktionaler Betrachtung als Nachfrager nach der vertragsgegenständlichen Leistung auftritt.
2. Enthält ein Grundstückskaufvertrag eine konkrete Bauverpflichtung für den Investor, liegt die Annahme eines Beschaffungsbezuges regelmäßig vor. Denn in diesem Fall besteht eine Verpflichtung zur Durchführung von Baumaßnahmen gemäß den Vorgaben des öffentlichen Auftraggebers.
(Orientierungssätze der Redaktion)
Vergabekammer des Landes Brandenburg beim Ministerium für Wirtschaft, Beschluss vom 15. Februar 2008 – VK 2/08 - nicht bestandskräftig
Zum Sachverhalt:
In dem Nachprüfungsverfahren wendet sich die Antragsstellerin gegen die Veräußerung eines Grundstückes im Zentrum Stadt (…). Auf dem Grundstück beabsichtigt die Beigeladene ein Einkaufszentrum zu errichten. Die Vergabekammer des Landes Brandenburg beim Ministerium für Wirtschaft hat den Antrag verworfen. Die Antragstellerin trägt die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Verfahrens. Die Beigeladene und die Auftraggeberin tragen ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen selbst.
Aus den Gründen:
I. Die Auftraggeberin ist Eigentümerin zweier Grundstücke, belegen im Zentrum der Neustadt der Stadt (…) mit einer Gesamtfläche von XX.XXX m2. Das Gesamtgrundstück ist umgrenzt von den Straßen (…) Es liegt im Geltungsbereich der Sanierungs- und Erhaltungssatzung der historischen Innenstadt (Satzung der Stadt […] über die förmliche Festsetzung des Sanierungsgebietes Innenstadt vom […]).
Die Auftraggeberin verfolgte über mehrere Jahre die Errichtung eines Einkaufszentrums an der (…)-Straße. Das Vorhaben sollte ursprünglich durch den Abschluss eines Grundstückskaufvertrages mit Investitionsverpflichtung und die Durchführung eines Verfahrens nach § 12 BauGB mit Abschluss eines Durchführungsvertrages verwirklicht werden.
Zu diesem Zweck beauftragte die Stadtverordnetenversammlung (SVV) der Stadt (…) mit Beschluss vom 30. März 2005 die Verwaltung, den verfahrensgegenständlichen Grundbesitz, welcher zu einer Bebauung mit Einrichtungen des Einzelhandels vorgesehen war, überregional anzubieten. Dazu erstellte die Auftraggeberin ein Exposé.
Im September und Oktober 2005 machte die Auftraggeberin ihr angestrebtes Projekt in mehreren überregionalen Tageszeitungen bekannt. Sie bot den verfahrensgegenständlichen Grundbesitz unter Angabe des durch einen Sachverständigen ermittelten Verkehrswertes zum Kauf und zur Bebauung mit einem Geschäftshaus/Einkaufszentrum in einer Größenordnung von XX.XXX m2 Einzelhandelsfläche an. Sie wies darauf hin, dass es sich um eine unverbindliche Aufforderung zur Abgabe von Angeboten handle, die nicht den Bedingungen nach VOL/VOB unterliege. Bewerbungen waren bis zum (…) einzureichen.
Die Bewerber hatten u.a. ein Bebauungs- und Nutzungskonzept bestehend aus einem Erläuterungsbericht, einer räumlichen Darstellung, Lageplänen der einzelnen Geschossebenen und ein Kaufpreisangebot einzureichen. Als Auswahlkriterien bestimmte die Auftraggeberin die Umsetzung der nutzerischen und städtebaulichen Ziele der Ausschreibung, den Kaufpreis sowie die Referenzen.
Diverse Unternehmen forderten auf die Bekanntmachung der Auftraggeberin die Ausschreibungsunterlagen an.
Die Auftraggeberin prüfte die eingegangenen Angebote und lud fünf der Bewerber zur Erörterung ein. Im Ergebnis der geführten Gespräche wählte die Auftraggeberin drei Bewerber, darunter die (…) GmbH, zu weiteren Verhandlungen aus. Eine öffentliche Präsentation der geplanten Konzepte fand am (…) statt. Mit Beschluss vom (…) entschied die SVV der Auftraggeberin, (…) „das Verfahren zur Bebauung des innerstädtischen Grundstücksareals in der (…)-Straße mit dem Bewerber (…) GmbH fortzuführen.“ Mit weiterem Beschluss vom (…) wurde das Verfahren zur Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes gemäß § 12 BauGB nach dem Konzept dieses Unternehmens eingeleitet.
Im November 2006 erfolgte die Gründung der Beigeladenen. Alleinige Gesellschafterin ist die (…) GmbH.
In den Monaten Juni und Juli 2007 führte die (…) GmbH im Benehmen mit der Auftraggeberin einen Architekten- und Fassadenwettbewerb durch.
Am (…) billigte die SVV der Auftraggeberin den Entwurf des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 12 - Einkaufs- und Dienstleistungszentrum (…) Parallel dazu verhandelte sie den entsprechenden Durchführungsvertrag sowie den Grundstückskaufvertrag.
Der Entwurf des Durchführungsvertrages (Stand: […]) beinhaltete unter anderem einzelne Durchführungsverpflichtungen des Vorhabenträgers, weitere Anforderungen an das Vorhaben wie z.B. die Durchführung und Finanzierung von Lärmschutz- und Verkehrsmaßnahmen, Erschließungsregelungen sowie Regelungen hinsichtlich der Baudurchführung (Verkehrseinschränkungen usw.).
Der Entwurf des Grundstückskaufvertrages (Stand: […]) beinhaltete in § 11 u.a. eine Investitionsverpflichtung für den Käufer dahingehend, auf dem Kaufgegenstand auf der Grundlage einer noch zu erlassenen Satzung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans ein Geschäftshaus/Einkaufszentrum mit ergänzenden Dienstleistungsflächen und einem Parkhaus zu errichten, innerhalb von acht Wochen nach Vorliegen einer unanfechtbaren Baugenehmigung mit der Realisierung des Vorhabens zu beginnen und dieses innerhalb von 24 Monaten ab Baubeginn fertig zu stellen. Der Verkäufer hatte sich ein Rücktrittsrecht sowie die kosten- und lastenfreie Rückauflassung des Grundstücks gegen Erstattung des Kaufpreises u.a. für den Fall vorbehalten, dass der Käufer seinen Investitionsverpflichtungen nicht nachkommt oder seine Bauabsicht erkennbar aufgibt. Zur Sicherung des Rückauflassungsanspruches war die Eintragung einer Rückauflassungsvormerkung vorgesehen.
Am (…) beantragte die Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Einkaufsgalerie (…)
Mit Beschluss vom 13. Juni 2007 - Verg 2/07 - hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (Urteil vom 31. Januar 2007 - Rs. C-220/05) entschieden, dass der Verkauf eines Grundstückes durch einen öffentlichen Auftraggeber, der mit der Verpflichtung des Käufers verbunden ist, ein durch den öffentlichen Auftraggeber angestrebtes städtebauliches Projekt zu verwirklichen, ein dem Vergaberecht unterfallender öffentlicher Bauauftrag sei. Unter Schilderung des bisherigen Verfahrensablaufes wandte sich die Auftraggeberin daher mit Schreiben vom (…) an die Kommunalaufsicht beim Ministerium (…) und bat um Stellungnahme. Ein Erörterungstermin am (…) erbrachte die Einschätzung, dass die Vertragsgestaltung sowie das Gewinnen des Investors im Wesentlichen mit dem Sachverhalt der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf identisch seien und die Investitionsverpflichtung im Kaufvertrag auf die Ausschreibungspflicht nach VOB hindeute. Die Gesprächsteilnehmer erörterten Möglichkeiten zur Verminderung der Gefahren der Aufhebung des Kaufvertrages.
Des Weiteren gab die Auftraggeberin Gutachten zur rechtssicheren Durchführung des angestrebten Projektes bei zwei Anwaltskanzleien in Auftrag. Beide Gutachten stellen unabhängig voneinander fest, dass das Vorhaben der Auftraggeberin nach der aktuellen vergaberechtlichen Rechtsprechung als ein dem Vergaberecht unterliegender Bauauftrag zu bewerten wäre.
Am (…) beschloss die SVV der Auftraggeberin, das Verfahren nach § 12 BauGB zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan einzustellen. Sie beschloss ferner, die verfahrensgegenständlichen Grundstücke an die Beigeladene zu veräußern.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom (…) verkaufte die Auftraggeberin den verfahrensgegenständlichen Grundbesitz an die Beigeladene. Es wurde vereinbart, dass der Käufer das Grundstück bereits vor Besitzübergang für bauvorbereitende Maßnahmen nutzen kann. Die Auftraggeberin verpflichtete sich gegen Zahlung eines einmaligen Baukostenzuschusses zu einer im Einzelnen dargestellten Verbesserung der Erschließungssituation für die Nutzung des Grundstücks. Für den Fall, dass ihm nicht bis zum (…) eine bestandskräftige Baugenehmigung vorliegt bzw. Dritte gegen die Baugenehmigung Rechtsbehelfe einlegen, sollte der Käufer zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt sein. Die Zahlung des Kaufpreises soll in zwei Raten erfolgen, fällig am (…) sowie vier Wochen nach Bestandskraft der Baugenehmigung gegenüber dem Käufer. § 11 (vgl. Entwurf, Stand: […]) ist nicht mehr Gegenstand dieses Grundstückskaufvertrages.
Mit Schreiben vom (…) 2007 wandte sich die (…) GmbH als Vertreterin der Eigentümerin des (…) Einkaufszentrums an die Auftraggeberin und bekundete ihr Interesse am Erwerb des verfahrensgegenständlichen Grundbesitzes. Eine Reaktion vonseiten der Auftraggeberin erfolgte nicht.
Mit Schriftsatz vom (…) hat die Antragstellerin bei der Vergabekammer des Landes Brandenburg einen Nachprüfungsantrag gestellt.
Sie meint, infolge der ausschreibungslosen Direktvergabe sei ihr die Möglichkeit zum Erwerb des Grundstückes und zur Errichtung sowie des lukrativen Betriebes des vorgesehenen Einkaufszentrums genommen. Die Auftraggeberin habe in Kenntnis ihrer Ausschreibungspflicht ein Vergabeverfahren nicht durchgeführt. Ob der Verkauf des Grundstücks bedingungsfrei erfolgt sei, sei nicht relevant, da auch dieser als zielgerichtete Umgehung der Ausschreibungspflicht zu bewerten sei. Der Investor sei zumindest faktisch weiterhin an die Durchführung des vorgesehenen Bauvorhabens gebunden. Dies habe die Auftraggeberin bei Ausgestaltung des Kaufvertrages ausgenutzt.
Die Antragstellerin beantragt,
- die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß § 107 ff. GWB;
- die Nichtigkeit des Verkaufs des Grundstücks, auf dem das (…) Center errichtet werden soll, festzustellen;
- anzuordnen, dass ein Vergabeverfahren hinsichtlich dieses Grundstücksverkaufs und Bauvorhabens durchgeführt werden soll;
- hilfsweise andere geeignete Maßnahmen zu treffen;
- Akteneinsicht;
- der Auftraggeberin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens aufzugeben;
- festzustellen, dass die Auftraggeberin der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten hat;
- festzustellen, dass für die Antragstellerin die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.
Die Auftraggeberin beantragt,
den Nachprüfungsantrag als unzulässig zu verwerfen.
Sie meint, der Nachprüfungsantrag sei bereits nicht statthaft, da die Veräußerung des Grundstückes kein dem förmlichen Vergaberecht unterliegendes Rechtsgeschäft darstelle. Es handle sich um einen Grundstückskaufvertrag ohne rechtliche Bebauungsverpflichtungen oder eine einer Bebauungsverpflichtung gleichkommende Pflicht des Käufers. Die Antragstellerin sei zudem nicht antragsbefugt, da sie sich nicht an dem Investorenauswahlverfahren beteiligt habe.
Mit Schriftsatz vom (…) trägt die Beigeladene vor, es handle sich bei dem in Rede stehenden Grundstückskaufvertrag nicht um einen öffentlichen Auftrag i.S.d. § 99 GWB. Dieser enthalte keine Verpflichtung, das Grundstück in einer bestimmten Weise zu nutzen, keine unmittelbare Bau- oder Investitionsverpflichtung, auch keine mittelbare Bauverpflichtung, da der Auftraggeberin weder ein Rücktrittsrecht für den Fall eingeräumt sei, dass das Grundstück nicht in bestimmter Weise bzw. nicht innerhalb bestimmter Frist genutzt oder bebaut werde, noch ein ähnliches Recht wie etwa ein Wiederkaufsrecht. Dass die Beigeladene zwischenzeitlich einen Bauantrag eingereicht habe, rechtfertige nicht die Annahme eines öffentlichen Bauauftrages. Es stehe ihr frei, diesen jederzeit zurückzunehmen. Darüber hinaus könne sie weder zur Einreichung eines Bauantrages noch zu dessen Änderung gezwungen werden. Der Abschluss von Mietverträgen über Verkaufsflächen sei entweder aufschiebend bedingt oder unter Einräumung von Rücktrittsrechten erfolgt. Auch eine Umgehung des Vergaberechts liege nicht vor, es sei bei diesem Sachverhalt schlichtweg nicht anwendbar. Der mit Abschluss des Grundstückskaufvertrages erteilte Zuschlag sei wirksam. § 13 Abs. 6 VgV sei insoweit nicht anwendbar, da der Antragstellerin keine Beteiligtenstellung zukomme. Die Absicht der Auftraggeberin zur Veräußerung des Grundstücks hätte die Antragstellerin im städtischen Amtsblatt zur Kenntnis nehmen können und müssen.
Mit Schriftsatz vom (…) trägt die Antragstellerin vor, sie habe ihr ernsthaftes Interesse an der Realisierung des Einkaufszentrums (…) bereits durch ihre an die (…) der Auftraggeberin übersandte E-Mail vom (…) dokumentiert. Sie verfüge über hinreichende Kompetenz in der Entwicklung und Errichtung von Einkaufszentren in Deutschland. Sie sei Eigentümerin und Managerin von vier Einkaufszentren in (…) Bei der Veräußerung des Grundstückes an die Beigeladene, die an dem ursprünglichen Investorenauswahlverfahren nicht beteiligt gewesen sei, handele es sich um eine vergaberechtswidrige de-facto-Vergabe. Die Unwirksamkeit des Kaufvertrages folge aus der entsprechenden Anwendung des § 13 VgV sowie aus § 138 BGB. Die Auftraggeberin habe zielgerichtet die vergaberechtlichen Anforderungen missachtet. Aufgrund der von ihr in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten sei ihr bekannt gewesen, dass ein vergabekonformer Grundstücksverkauf nur durch eine neue europaweite Ausschreibung hätte sichergestellt werden können. Der vorliegende Grundstückskaufvertrag unterfalle dem Vergaberecht, da er mittelbar und faktisch eine Bauverpflichtung der Beigeladenen zur Folge habe.
Die Antragstellerin hat im Rahmen des § 111 Abs. 2 GWB unter Wahrung der Geschäftsgeheimnisse Akteneinsicht erhalten. Mit Verfügung des Vorsitzenden vom (…) wurde die Entscheidungsfrist bis zum (…) verlängert. Auf die Vergabeakten sowie die eingereichten Schriftsätze der Beteiligten wird ergänzend Bezug genommen.
II. Der Nachprüfungsantrag ist zu verwerfen.
Bei der streitgegenständlichen Veräußerung des Grundstückes handelt es sich nicht um einen öffentlichen Auftrag gemäß § 99 Abs. 3 GWB in Form einer Baukonzession.
Von den vergaberechtlichen Vorschriften des vierten Teils des GWB erfasst werden öffentliche Aufträge, durch die sich öffentliche Auftraggeber Waren, Bau- und Dienstleistungen beschaffen (§ 97 Abs. 1 GWB). Um einen öffentlichen Auftrag handelt es sich demnach nur dann, wenn ein Beschaffungsvorgang der öffentlichen Hand vorliegt, bei dem der öffentliche Auftraggeber als Nachfragender auftritt (BayObLG, Beschluss vom 4. Februar 2002 – Verg 1/02; Hailbonner in: Byok/Jaeger, Kommentar zum Vergaberecht, 2. Aufl. 2005, § 99 Rdn. 439). Grundsätzlich stellt daher die Veräußerung von Grundstücken keine Beschaffung dar, weil die öffentliche Hand mit der Veräußerung keine Leistung beschafft, sondern einen Vermögenswert abstößt. Nicht ausgeschlossen ist jedoch, dass die Grundstücksveräußerung durch eine mit ihr verbundene Beschaffung vergaberechtlich relevant wird. Eine solche mit der Grundstücksveräußerung zusätzlich verbundene Bedarfsdeckung der Auftraggeberin kann jedoch vorliegend nicht festgestellt werden. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die Auftraggeberin einen Vertrag über eine Bauleistung durch Dritte nach ihren Erfordernissen geschlossen hat.
Die Auftraggeberin will sich endgültig von dem Grundstück trennen. Es besteht kein eigener Nutzungsbedarf der Auftraggeberin.
Es trifft auch nicht zu, dass sich die Beigeladene zu einer Bauleistung gemäß von der Auftraggeberin genannten Erfordernissen vertraglich verpflichtet hat.
Nach § 99 Abs. 1 GWB sind öffentliche Aufträge entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen, die u.a. Bauleistungen zum Gegenstand haben. § 99 Abs. 3 GWB bestimmt den Begriff des öffentlichen Bauauftrages. Ein Bauauftrag ist danach zunächst ein Vertrag über die Ausführung oder die Planung und Ausführung eines Bauvorhabens (1. Alt.) oder eines Bauwerkes, das Ergebnis von Hoch- oder Tiefbauarbeiten ist (2. Alt.). Die dritte Alternative der Vorschrift definiert als Bauauftrag schließlich auch einen Vertrag über die Erbringung einer Bauleistung durch Dritte gemäß den vom Auftraggeber genannten Erfordernissen. Voraussetzung für einen öffentlichen Auftrag i.S.v. § 99 GWB ist, dass der öffentliche Auftraggeber mit dem Vertrag einen eigenen Beschaffungsbedarf deckt (§ 97 Abs. 1 GWB). Dies gilt gerade auch für die Einordnung von atypischen oder typengemischten Verträgen. So hat der BGH in einem Fall, der den Verkauf von Altpapier betraf, bei der Prüfung, ob ein öffentlicher (Entsorgungs-)Auftrag vorlag, die Frage in den Vordergrund gerückt, ob der öffentliche Auftraggeber einen entsprechenden Bedarf hat und ob dieser mit dem abgeschlossenen Vertrag gedeckt werden soll (BGH, Beschluss vom 1. Februar 2005 – X ZB 27/04).
Das OLG Düsseldorf vertritt demgegenüber in seiner Entscheidung vom 13. Juni 2007 – Verg 2/07 („Fliegerhorst Ahlhorn“) die Auffassung, ein öffentlicher Auftrag setze nicht voraus, dass der Auftraggeber einen eigenen Beschaffungsbedarf decken wolle. Das OLG Düsseldorf verweist zunächst auf das EuGH-Urteil vom 18. November 2004 – Rs. C-126/03 („Donau-Wald“). Nach dieser Entscheidung kommt es für die Anwendbarkeit des Vergaberechts nicht darauf an, ob ein Auftrag zur Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Aufgaben des Auftraggebers oder zu anderen Zwecken vergeben wird. Hauptsächlich verweist das OLG Düsseldorf auf das EuGH-Urteil vom 18. Januar 2007 – Rs. C-220/05 („Stadt Roanne“). Der EuGH stellte fest, dass es für einen öffentlichen Auftrag nicht darauf ankomme, ob der öffentliche Auftraggeber die zu errichtenden Bauwerke selber erwerben oder nutzen will. Es reiche vielmehr aus, dass die Bauwerke entsprechend den Erfordernissen des Auftraggebers erstellt werden. Mit den Erwägungen des EuGH lässt sich der Verzicht auf den Beschaffungscharakter als konstitutives Element eines öffentlichen Auftrages nicht begründen. Denn im Fall Donau-Wald diente der Auftrag der Deckung eines Beschaffungsbedarfes der Stadt München. Im Fall der Stadt Roanne lag auch eine Bedarfsdeckung der Gemeinde vor. Das Projekt war wesentlich von den inhaltlichen Vorgaben der Gemeinde geprägt und wurde von ihr wirtschaftlich getragen; sie hatte in weitem Umfang die Chancen und Risiken des Vorhabens übernommen. Die Formulierung des OLG Düsseldorf, dass es nicht darauf ankomme, dass der Auftraggeber einen eigenen Beschaffungsbedarf decken will, ist missverständlich.
In Übereinstimmung mit der Ahlhorn-Entscheidung ist für das Vorliegen eines öffentlichen Bauauftrages keine Bedarfsdeckung im engeren Sinne erforderlich. Voraussetzung ist aber nach wie vor, dass der Auftraggeber zumindest in einem weiteren Sinne einen eigenen Bedarf decken will und deshalb bei wirtschaftsfunktionaler Betrachtung als Nachfrager nach der vertragsgegenständlichen Leistung auftritt (Rosenkötter/Fritz, NZBau 2007, 559, 560).
Enthält demzufolge der Grundstückskaufvertrag eine konkrete Bauverpflichtung für den Investor, liegt die Annahme eines Beschaffungsbezuges regelmäßig vor. Denn in diesem Fall besteht eine Verpflichtung zur Durchführung von Baumaßnahmen gemäß den Vorgaben des öffentlichen Auftraggebers.
Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Gegenstand des notariell beurkundeten Kaufvertrages vom (…) ist ein Grundstück, das im Alleineigentum der Auftraggeberin stand und an die Beigeladene zu Alleineigentum verkauft wurde. Die Zahlung der ersten Rate des Kaufpreises war am (…) fällig, die zweite Rate soll vier Wochen nach Bestandskraft der Baugenehmigung gezahlt werden. Dieser Vertrag ist seiner Zielsetzung und seinem Inhalt nach als Grundstückskaufvertrag mit der Auftraggeberin auf Verkäuferseite und der Beigeladenen auf Käuferseite zu qualifizieren. Was die Auftraggeberin als Hauptleistung erhält, sind Geldzahlungen und keine Bauleistungen.
Der zwischen der Auftraggeberin und der Beigeladenen abgeschlossene Grundstückskaufvertrag enthält keinerlei Verpflichtung für die Beigeladene, das Grundstück in einer bestimmten Weise zu nutzen. Insbesondere umfasst der Vertrag keine Bau- bzw. Investitionsverpflichtung, d.h. eine Verpflichtung zur Errichtung eines bestimmten Bauwerkes oder eines Einkaufszentrums. Die Veräußerung des Grundstückes erfolgte insoweit auflagen- und bedingungsfrei. Es besteht keine Pflicht der Beigeladenen zur Realisierung eines Vorhabens, die durch effektive Sanktionen wie Vertragsstrafen, Rücktritts- und Wiederkaufsrechte oder durch Bürgschaften oder Dienstbarkeiten abgesichert ist. Die Nutzbarmachung des Kaufgegenstandes einschließlich aller damit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen liegt allein im Risiko- und Verantwortungsbereich des Käufers (der Beigeladenen).
Auch der Antrag der Beigeladenen auf Baugenehmigung eröffnet nicht den Anwendungsbereich des Vergaberechts.
Im Baugenehmigungsverfahren wird die Übereinstimmung des Vorhabens mit den Festsetzungen des Bebauungsplanes überprüft (§ 30 BauGB). Ergeben sich Bau- oder Nutzungsbeschränkungen für den Investor ausschließlich aus der allgemeinen Bauleitplanung, insbesondere den Vorgaben des § 34 BauGB oder einem (allgemeinen) Bebauungsplan, führt das nicht zur Einordnung eines Grundstücksverkaufs als Bauauftrag. Derartige Beschränkungen sind Ausdruck der allgemeinen Schranken des Eigentums. Sie begründen daher keine „Erfordernisse“ des Planungsträgers im Sinne des Bauauftragsbegriffs (Reidt, BauR 2007, 1664, 1668 und 1670).
Keine Zustimmung verdient daher die Ansicht der Vergabekammer Münster (Beschluss vom 26. September 2007 – VK 17/07), bei der Veräußerung eines Entwicklungsgrundstückes begründeten bereits die Befugnisse der Gemeinde im Rahmen der Baugenehmigung nach § 34 BauGB eine hinreichende Einflussmöglichkeit zur Absicherung der gemeindlichen Vorgaben. Denn die Bauerlaubnis nach § 34 BauGB ist eine gebundene Entscheidung und steht daher nicht im Ermessen der Gemeinde. Nach der Auffassung der Vergabekammer Münster besteht gleichwohl eine Einflussmöglichkeit, weil die Gemeinde die Genehmigung erst erteilen werde, wenn der Bauauftrag den Vorstellungen der Gemeinde entspreche. Es mag zwar sein, dass eine Gemeinde es in der Hand hat, einer Bauerlaubnis nach § 34 BauGB zumindest vorübergehend gewisse Hürden in den Weg zu stellen (etwa im Rahmen der Beurteilung, ob sich das Vorhaben in die Umgebung einfügt). Das ändert jedoch nichts daran, dass die Gemeinde die Genehmigung letztlich erteilen muss, wenn die planungs-rechtlichen Voraussetzungen vorliegen (Schröer/Rosenkötter, NZBau 2007, 770, 771).
Die auf der Grundlage des Exposés im September/Oktober 2005 bekannt gemachte Veräußerungsabsicht der Auftraggeberin zum Verkauf und zur Bebauung des Grundstückes mit anschließendem Investorenauswahlverfahren ist durch den Abschluss des Grundstückskaufvertrages vom (…) aufgegeben und damit gegenstandslos geworden.
Der Entwurf eines Grundstückskaufvertrages (Stand: […]), der den Käufer zur Errichtung eines Geschäftshauses/Einkaufszentrums mit ergänzenden Dienstleistungsflächen und einem Parkhaus verpflichten sollte, wurde nicht realisiert. Auch der parallel dazu entwickelte Entwurf eines Durchführungsvertrages (§ 12 BauGB) wurde nicht umgesetzt. Der Durchführungsvertrag stellt ein maßgebliches Glied in der Kette zur Schaffung des Baurechts in Form des Erlasses eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes dar. Mit der Einstellung des Verfahrens zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan durch die SVV der Auftraggeberin (…) fällt die „Planungsleistung“ der Auftraggeberin aus mit der Folge, dass keine entsprechende Bauleistung des Investors erbracht werden muss. Der ursprünglich mit der Verkaufsabsicht der Auftraggeberin eingeschlagene Weg wurde von ihr nicht weiter verfolgt. Unerheblich sind in diesem Zusammenhang die Gründe für den späteren Sinneswandel der Auftraggeberin. Wäre der Auftraggeberin eine Änderung der Bewertung der den Beschlussfassungen ihrer SVV zugrunde liegenden Tatsachen nicht möglich, so wäre ihr der Weg zum Verzicht auf eine EU-weite Ausschreibung für die Veräußerung des Grundstückes verstellt. Das wäre mit dem Ausnahmetatbestand des § 100 Abs. 2 h) GWB nicht zu vereinbaren.
Auch eine faktische Umsetzung etwaiger städtebaulicher Interessen der Auftraggeberin durch die Beigeladene, die derzeit hypothetischer Natur ist, löst keine Ausschreibungspflicht aus. Die Auftraggeberin hat weder einen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Realisierung einer bestimmten städtebaulichen Maßnahme noch wird das Recht zur Realisierung im Sinne einer Entgelt ersetzenden Gestattung durch die Auftraggeberin gewährt. Es ist vielmehr alleinige Folge der an dem Grundstück erworbenen Eigentümerstellung und deren Ausnutzung im Rahmen der geltenden städtebau-rechtlichen und sonstigen gesetzlichen Bestimmungen.
Auf den Grundstückskaufvertrag vom (…) findet das Vergaberecht keine Anwendung. An einer vergaberechtlich erheblichen Beschaffung fehlt es, da es nach dem Kaufvertrag ausschließlich in der Hand der Beigeladenen liegt, im eigenen Interesse Baumaßnahmen auf eigene Kosten und Risiko durchzuführen. Auch nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf können Grundstücksverkäufe der öffentlichen Hand so gestaltet werden, dass sie nicht dem Vergaberecht unterfallen.
Nach alledem würdigt die Vergabekammer den notarischen Kaufvertrag vom (…), dessen Inhalt ein Grundstücksgeschäft ist, durch das sich die Auftraggeberin Geldeinnahmen verschafft, nicht als einen auf die Beschaffung von Bauleistungen durch die Auftraggeberin gerichteten Vorgang. Das Nachprüfungsverfahren ist daher nicht eröffnet. Über die Rechtmäßigkeit der Vorgehensweise der Auftraggeberin hat die Vergabekammer nicht zu befinden.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter die Kosten zu tragen, soweit er im Verfahren unterliegt.
Die Vergabekammer hält die Festsetzung der Mindestgebühr von 2.500,00 EUR gemäß § 128 Abs. 2 Satz 2 GWB bei Abwägung des Aufwandes einerseits und der wirtschaftlichen Bedeutung des dem Vergabeverfahren zugrunde liegenden Auftrages für die Antragstellerin andererseits für angemessen, zumal eine mündliche Verhandlung nicht stattgefunden hat.
Da die Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag unterlegen ist, kann sie zur Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Beigeladenen herangezogen werden, wenn dies der Billigkeit entspricht (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO analog). Die entsprechenden Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall bereits deshalb nicht erfüllt, weil die Beigeladene keine Anträge gestellt und das Verfahren auch sonst nicht wesentlich gefördert hat. Sie hat daher kein Prozessrechtsverhältnis zur Antragstellerin begründet und kein Prozessrisiko auf sich genommen (vgl. Beschluss OLG Düsseldorf vom 17. Mai 2004 – Verg 12/03).
Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Auftraggeberin war nicht erforderlich.
Die Auftraggeberin, die die Veräußerung des Grundstückes durch ihre Verfahrensbevollmächtigten rechtlich begleiten ließ, insbesondere durch die Erstellung eines Rechtsgutachtens vom (…), muss sich diesen genutzten Sachverstand des Anwaltsbüros als eigenen zurechnen lassen (OLG Koblenz, Beschluss vom 7. Juli 2003 – 1 Verg 1 und 2/04). Die rechtliche Stellungnahme der Verfahrensbevollmächtigten der Auftraggeberin bezog sich hauptsächlich auf die Frage, ob es sich bei der Veräußerung des Grundstückes um einen Bauauftrag in Form einer Baukonzession i.S.d. § 99 Abs. 3 GWB handelt, sodass die entsprechenden Rechtskenntnisse der Auftraggeberin hierzu auch für das Nachprüfungsverfahren zu bejahen sind.
Az: 601-00