Mitteilungen 02/2009, Seite 64, Nr. 27

Gesetz über das Wohnen mit Pflege und Betreuung – Entwurf des Sozialministeriums Brandenburg

Mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034) (Föderalismusreform I) ist Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG dahingehend gefasst worden, dass sich die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt „auf die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht)“. Die Kompetenz für das Heimrecht ist aus dem Katalog der konkurrierenden Gesetzgebung gestrichen worden und fällt künftig in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder. Das Heimgesetz des Bundes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. November 2001 gilt gemäß Art. 125 a Abs. 1 GG als Bundesrecht fort. Es kann durch Landesrecht geändert werden.

Im Land Brandenburg befasst sich das Sozialministerium seit November 2007 aktiv mit etwaigen Regelungen zu einem „Landesheimrecht“. Es hat verschiedene Veranstaltungen durchgeführt, zu denen Pflegekassen, der Medizinische Dienst der Krankenkassen, Träger von Einrichtungen und Diensten, Träger der freien Wohlfahrtspflege und die kommunalen Spitzenverbände eingeladen waren. Das Präsidium des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg hat sich im Jahr 2008 zweimal mit dem Thema „Heimrecht“ befasst. Im November 2008 hat das Sozialministerium einen Entwurf für ein Gesetz über das Wohnen mit Pflege und Betreuung (BbgPBWoG-E) vorgelegt. Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg hat ausführlich dazu Stellung genommen und mit Stand vom 22. Januar 2009 hat das Ministerium einen überarbeiteten Gesetzentwurf vorgelegt.
Für die Mitglieder des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg ist das Gesetz deshalb von Interesse, weil damit das „Heimrecht“ zukünftig auch auf Wohnungen erstreckt wird, in denen Menschen mit Pflege und Betreuung leben. Weiter können Gemeinden oder Ämter, in deren Gebiet sich eine Einrichtung befindet (Heim), für diese Einrichtung Ombudspersonen bestellen, die sich ehrenamtlich für die Einrichtung engagieren. Letztlich muß davon ausgegangen werden, dass das Gesetz und dessen Ausführung durch die nach dem Gesetz zuständige Behörde (das Landesamt für Soziales und Versorgung) sich auf die Entgelte, die im Bereich der Pflege oder der Eingliederungshilfe durch die Sozialhilfeträger, also die Landkreise und kreisfreien Städte zu tragen sind, erheblich kostensteigernd auswirken wird.

Mit dem Entwurf eines Gesetz über das Wohnen mit Pflege und Betreuung (BbgPBWoG-E) und der Stellungnahme der Geschäftsstelle hat sich das Präsidium in seiner Sitzung vom 16. Februar 2009 befaßt. Es hat folgenden Beschluß gefasst:

„Das Präsidium des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg anerkennt unter Berücksichtigung der demographischen Entwicklung den Änderungsbedarf im Heimrecht. Die Einbeziehung auch von Wohngemeinschaften in die aufsichtliche Tätigkeit ist differenziert zu betrachten. Ebenfalls unter Berücksichtigung des demographischen Wandels und des Fachkräftebedarfs stellt das Präsidium folgende Forderungen an ein Gesetz über das Wohnen mit Pflege und Betreuung:

-  Die Wahrnehmung der Aufgaben der zuständigen Behörde im Sinne des Gesetzentwurfs ist den kreisfreien Städten und Landkreisen zu übertragen.

-  Normen und Standards, die Bürokratie verursachen, sind wegzulassen, weiterer Verwaltungsaufwand bei Kommunen, Pflegekassen und Trägern der Einrichtungen ist zu vermeiden.

-  Ordnungsrechtliche Regelungen sollen nur dort, wo es unerlässlich ist, erlassen werden.

-  Den bundesrechtlichen Leistungsgesetzen SGB XII und SGB XI ist vor weiteren ähnlich lautenden Regelungen und neuen Standards der Vorrang einzuräumen. Die zuständige Behörde hat diese Gesetze und die Arbeit der Träger der Sozialhilfe zu beachten.

-  Der Verbraucherschutz kann nicht mehr verlangen, als über die Verträge nach SGB XI und SGB XII geregelt ist.

-  Auf etwaige Ermächtigungsgrundlagen für Rechtsverordnungen, die Anforderungen an die bauliche, sächliche und personelle Ausstattung schaffen, ist zu verzichten.

-  Die demographische Entwicklung, die Entwicklung des Fachkräftemangels und der Haushaltslage von Kommunen und Land sind zu berücksichtigen.

-  Finanzielle Folgen, die wegen des Gesetzes für die Kommunen entstehen, sind durch das Land auszugleichen und auszufinanzieren.“

1. Das Gesetz über das Wohnen mit Pflege und Betreuung hat das Ziel, die Interessen von Menschen mit Pflegebedürftigkeit oder Behinderung zu schützen, wenn durch eine Verknüpfung des Wohnens mit der Pflege oder Betreuung die Gefahr einer Abhängigkeit vom Leistungsanbieter besteht. Es soll ihr Selbstverständnis und ihre Stellung als Vertragspartei stärken und ihnen ein selbstbestimmtes und würdevolles Leben ermöglichen.
Das Gesetz ist anzuwenden, wenn mehrere volljährige Menschen mit Pflegebedürftigkeit oder mit Behinderung in Trägerschaft oder durch Organisation eines Dritten gemeinschaftlich in räumlicher Nähe von einem Leistungsanbieter Pflege- oder Betreuungsleistungen gegen Entgelt erhalten (unterstützende Wohnform).

Das Gesetz sieht drei Unterteilungen bei den unterstützenden Wohnformen vor:

aa) Selbstverantwortlich geführte Wohnformen – Hier nehmen die Bewohner die Beauftragung der Pflege- oder Betreuungsdienste selbst wahr, der Dienst ist nicht mit der Wohnraumüberlassung gekoppelt. Bei selbstverantwortlich geführten Wohnformen findet das Gesetz keine Anwendung.

bb) Einrichtungen und ihnen gleich gestellte Wohnformen – Hier leben die Bewohner in struktureller Abhängigkeit. Die Wohnraumüberlassung ist gekoppelt an die Abnahme von Pflege- und Betreuungsleistungen oder die freie Wählbarkeit des Leistungserbringers von Pflege- oder Betreuungsleistungen ist eingeschränkt. Unter diese Rubrik fallen Heime im Sinne des derzeit noch geltenden Heimgesetzes. Diese Einrichtungen müssen alle Anforderungen des Gesetzes erfüllen. Sie sollen jährlich durch die Aufsichtsbehörde überprüft werden. Wenn es sich bei der Einrichtung um eine, die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen erbringt, handelt, soll sie alle zwei Jahre überprüft werden.

cc) Wohnformen mit eingeschränkter Selbstverantwortung – Dies sind unterstützende Wohnformen, die weder eine Einrichtung sind, noch eine selbstverantwortlich geführte Wohnform. Diese müssen die allgemeinen Anforderungen des Gesetzes sowie bestimmte Anzeigepflichten erfüllen.

Diese Einteilung weicht von HeimG ab, das grundsätzlich nur auf Heime Anwendung findet. Wohngemeinschaften, die einen freiwilligen und selbstverantwortlichen Zusammenschluß von Bewohnern einer Wohnung voraussetzen, fallen nicht unter das HeimG.  Hier steht das gemeinschaftliche Wohnen im Vordergrund. Sind einzelne Angehörige der Wohngemeinschaft pflegebedürftig, ändert sich hierdurch an der rechtlichen Beurteilung nichts. Sind jedoch mehrere oder die überwiegende Zahl der Teilnehmer der Wohngemeinschaft pflegebedürftig und nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen und wird die notwendige Verpflegung und Betreuung vom Vermieter der Wohnung angeboten oder vorgehalten, so spricht der Anschein dafür, dass die Initiative für die Versorgung, Betreuung und Pflege außerhalb der Wohngemeinschaft liegt. In diesem Fall kann eine Einrichtung nach § 1 HeimG vorliegen.

Mit dem nun vorliegenden Gesetzentwurf wird der Anwendungsbereich des „Landesheimrechts“ flexibler gestaltet. Heime haben in jedem Fall die Anforderungen des Gesetzes zu erfüllen. Soweit es bislang häufig Uneinigkeiten zwischen Trägern, Vermietern und Heimaufsicht über die Anwendung des HeimG auf Wohngemeinschaften gab, wird dies zukünftig entfallen. Der flexible Anwendungsbereich des Gesetzes ermöglicht es der Aufsichtsbehörde, die Wohngemeinschaften den unterschiedlichen unterstützenden Wohnformen des Gesetzes zuzuordnen.
Dies bedeutet gleichzeitig, dass die zuständige Behörde (bislang Heimaufsicht genannt) zukünftig nicht mehr „nur“ rund 740 Heime zu überprüfen hätte, sondern auch zahlreiche Wohnungen, in denen pflegebedürftige oder behinderte Menschen leben.

Damit die Prüfungstätigkeit der Behörde überhaupt bewältigt werden kann, wird mit dem Gesetzentwurf darauf abgezielt, die ehrenamtliche Tätigkeit vor Ort zu stärken, so dass in der jeweiligen Gemeinde auch eine Form der „Sozialkontrolle“ stattfindet. Wenn bei einem Heim  aktives bürgerschaftliches Engagement von Interessenverbänden, Besuchsdiensten, Patenschaften, Moderatoren oder ähnlicher wohnortnaher Strukturen vorhanden sind, wird die Prüfungsintensität der Behörde weniger stark sein.

Dieser Ansatz des Gesetzes kann durch die Kommunen begrüßt werden. Die demographische Entwicklung wird es mit sich bringen, dass immer mehr Menschen in Wohnungen leben und dort Pflege und Betreuungsleistungen erhalten werden. Der Gesellschaft wird es bereits aus Kapazitätsgründen gar nicht möglich sein, für alle Pflegebedürftigen Heime zu errichten.
In der Eingliederungshilfe gehen darüber hinaus die politischen Vorstellungen dahin, dass das Individuum selbst entscheiden können soll, welche Hilfe und Leistungen es bekommt. Es bleibt abzuwarten, ob nach einer Reform der Eingliederungshilfe, die auf Bundesebene durch die Sozialminister angestrebt wird, Heime für Menschen mit Behinderungen im bisherigen Sinne noch vorhanden sein werden.

In Zusammenhang mit den Erwartungen an aktives bürgerschaftliches Engagement ist an das Positionspapier des Städte- und Gemeindebundes zum demographischen Wandel vom 19. Juni 2006 zu erinnern, in dem die Entwicklung auch der nachbarschaftlichen Strukturen und Hilfen bereits vorgezeichnet wurde:

„Für den Erhalt der Lebensqualität von Senioren und die Aufrechterhaltung einer möglichst selbständigen Lebensweise wird es unverzichtbar sein, dass sich älterwerdende Generationen auf die technischen Neuerungen einstellen und sie ihr Wissen und Handeln an die aktuellen Entwicklungen anpassen. Hierdurch wiederum kann es gelingen, weitere Senioren für bürgerschaftliches Engagement zu gewinnen. Um zu erreichen, dass noch mehr ältere Menschen in ihrer eigenen Häuslichkeit wohnen bleiben können, müssen zusätzliche Anstrengungen zur altersgerechten Anpassung der Wohnungen, des räumlichen Umfeldes und der sozialen Infrastruktur unternommen werden. Neben dem barrierefreien Bauen und der Anpassung des Bestandes ist eine verstärkte Beratung und Information älterer und jüngerer Menschen unerlässlich. Für pflegebedürftige Menschen, die nicht zu Hause versorgt werden, kann die Schaffung von Wohngruppen im Rahmen der ambulanten Versorgung als Alternative zum Heim, auch gemeindeübergreifend, unterstützt werden. Neben den rahmenrechtlichen Bedingungen müssen auch die kommunale Bauleitplanung und ein kommunales Quartiermanagement hierfür flexible Grundlagen schaffen.“

2. Dennoch muß der Gesetzentwurf insgesamt abgelehnt werden. Die Erwartungen, die das Präsidium mit einem „Landesheimgesetz“ verbindet, sind nicht erfüllt.

aa) Ein wirksamer Bürokratieabbau, die Vermeidung weiteren Verwaltungsaufwands bei Kommunen, Pflegekassen und Trägern der Einrichtungen werden mit dem Gesetzentwurf nicht erreicht. Das Gesetz enthält zahlreiche neue Anzeigepflichten, Dokumentationspflichten und auch inhaltlich neue Standards für die Einrichtungsträger beziehungsweise Leistungsanbieter. Die Erfüllung der Standards wird sich in den Entgelten niederschlagen, die zu einem großen Teil durch die örtlichen Träger der Sozialhilfe, also die Kommunen, zu finanzieren sind.
Der Leistungsanbieter kann, sofern die jeweiligen Unterlagen anderen Behörden bereits vorliegen, auf diese Behörden verweisen. Die zuständige Behörde soll mit den anderen Behörden vereinbaren, wie der Datenaustausch erfolgen kann. Hiervon könnten die Sozialämter, die Bauaufsichtsämter, die Brandschutzdienststellen und die Gesundheitsämter betroffen sein. Die Geschäftsstelle hat in ihrer Stellungnahme erklärt, dass eine solche Erleichterung für den Leistungsanbieter gebührenpflichtig ist, weil sie erheblichen Verwaltungsaufwand bei der Kommune verursachen wird.
 
bb) Der Vorrang der Leistungsgesetze SGB XII und SGB XI vor weiteren ähnlich lautenden Regelungen wird nicht erreicht. Vielmehr ist der Gesetzentwurf darauf ausgerichtet, dass der Schutz des Bewohners nach dem BbgPBWoG Vorrang erhält.
Wenn beispielsweise nach HeimG die Heimaufsicht gegen den Träger des Heimes eine Maßnahme ergreifen wollte, waren bislang die Pflegekassen oder die Träger der Sozialhilfe zu beteiligen, weil diese Verträge mit dem Träger des Heimes über die zu erbringenden Leistungen haben. Die bestehende Dreiecksbeziehung zwischen den Einrichtungsträgern, dem jeweiligen Bewohner und den Kostenträgern wird durch das HeimG und durch die Tätigkeit der Heimaufsicht berücksichtigt. In dem BbgPBWoG-E ist dies nicht mehr der Fall. Die Pflegekassen und die örtlichen Träger der Sozialhilfe werden nicht mehr zu Beratungen hinzugezogen. Wenn sich eine ordnungsrechtliche Anordnung der zuständigen Behörde auf die Entgelte niederschlagen kann, werden die Kostenträger ebenfalls nicht beteiligt.

Zur Begründung dieser Rechtsverkürzung heißt es in der Gesetzesbegründung „Anders als in der Altregelung ist nunmehr aber keine Beteiligungspflicht der Sozialhilfeträger beziehungsweise der Pflegekassen vorgesehen. Es widerspräche dem Anliegen des Gesetzes, notwendige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte der Bewohner an leistungsrechtlichen Maßgaben und Einschränkungen auszurichten.“
Das bedeutet, dass die zuständige Behörde inhaltliche Vorgaben machen und über ihre ordnungsbehördlichen Aufsichtsbefugnisse inhaltlich steuern kann, ohne für die finanziellen Folgen einstehen zu müssen. Die Pflegekassen und die örtlichen Träger der Sozialhilfe werden auf den Rechtsweg verwiesen. Da Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, werden die Anordnungen längst umgesetzt und die Entgelte längst bezahlt sein, bevor ein Gericht eine Entscheidung trifft.

cc) Mit § 17 BbgPBWoG-E soll erstmals in Brandenburg eine eigenständige Verbraucherschutzbehörde eingerichtet werden. Ohne dass dem Land beziehungsweise dem Landesamt für Soziales und Versorgung die Kompetenz zukäme, selbst Geld- oder Sachleistungen zu erbringen, formuliert § 17 BbgPBWoG-E „Die zuständige Behörde informiert zukünftige und gegenwärtige Nutzer von unterstützenden Wohnformen im Sinne des § 1 Abs. 2 BbgPBWoG-E sowie deren Angehörige über bestehende, ortsnahe Beratungs- und Unterstützungsangebote“. Gibt es keine von Leistungserbringern und Kostenträgern unabhängige Angebote vor Ort, soll die Behörde selbst die Beratung vornehmen. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll die zuständige Behörde „nicht nur Überwachungs- und Kontrollbehörde sein, sondern vorrangig Ratgeber und Partner“. 
Die Geschäftsstelle hat sich ablehnend zu dieser Vorschrift geäußert. Aus dem gesamten Gesetzentwurf ergibt sich, dass die zuständige Behörde zukünftig nur noch die Rechte der Bewohner im Auge haben soll. Zwar ist dieser Vorrang der Bewohner vor allen anderen Rechtsträgern in dieser Deutlichkeit, der Städte- und Gemeindebund hatte dies stark kritisiert, in der Fassung dieses Gesetzentwurfs nicht mehr enthalten. Dennoch ergibt sich aus dem Gesetzentwurf, dass Interessen der Kostenträger, der Pflegekassen und der örtlichen Träger der Sozialhilfe, überhaupt keine Rolle mehr spielen sollen.
Nach Auffassung der Geschäftsstelle kann es aber nicht sein, dass eine staatliche Behörde nur ein Sondergesetz beachtet und nicht die gesamte Rechtsordnung.

Darüber hinaus gibt es für die Leistungsträger und Leistungserbringer nach SGB IX, XI und SGB XII umfangreiche Beratungspflichten gegenüber Versicherten oder Bürgern, so dass es unverständlich ist, wenn zusätzlich eine Verbraucherschutzbehörde auf Landesebene eingerichtet und finanziert werden soll. Damit werden Doppelzuständigkeiten eingeführt, die Kompetenzstreitigkeiten nach sich ziehen und die betroffenen Bürger bei sich widersprechenden Aussagen in Frustration führen werden.

dd) Der Gesetzentwurf enthält verschiedene Ermächtigungsgrundlagen zum Erlaß von Rechtsverordnungen, die über das bisherige HeimG hinausgehen beziehungsweise gänzlich neu sind.

Die Ermächtigungsgrundlage in § 9 Abs. 3 Ziff. 1 BbgPBWoG-E bezieht sich auf Regelungen über die Anforderungen an die Wohnqualität in Einrichtungen, insbesondere die Anforderungen an Wohn-, Aufenthalts-, Therapie- und Wirtschaftsräume sowie die Verkehrsflächen, sanitären Anlagen und die technischen Einrichtungen.
Die Geschäftsstelle hält diese Ermächtigung für entbehrlich und widersprüchlich, da § 80 Abs. 1 Ziff. 1 BauO bereits eine Ermächtigungsgrundlage für das für Bauaufsicht zuständige Mitglied der Landesregierung enthält. Daneben sollte es keinerlei weitere Vorschriften geben, die durch die Einrichtungen zu beachten und deren Umsetzung unter Umständen durch die Kostenträger beziehungsweise die Bewohner finanziell zu tragen wäre.
Nach § 9 Abs. 3 Ziff. 2 BbgPBWoG-E kann eine Rechtsverordnung erlassen werden über die den allgemein anerkannten Stand der fachlichen Erkenntnisse entsprechende Qualität und Quantität der Personalausstattung sowie der fachlichen und persönlichen Mindestanforderungen an die Eignung der Leitung und der Beschäftigten.
Die Ermächtigungsgrundlage in § 3 Abs. 2 Ziff. 2 HeimG bezieht sich lediglich auf Mindestanforderungen für die Eignung der Leitung des Heims und der Beschäftigten. Die Heimpersonalverordnung enthält grundsätzliche Anforderungen an Leitung und Beschäftigte und verzichtet auf konkrete Berufsangaben. Zur Quantität werden gar keine Anforderungen formuliert. Die Anzahl des Personals ist sowohl im Bereich von SGB XI als auch im Bereich von SGB XII dem Aushandlungsprozess zwischen den Kostenträgern und Leistungserbringern überlassen. Hieran sollte auch eine Verordnung in Brandenburg nichts ändern.

§ 19 Abs. 3 Satz 2 BbgPBWoG-E enthält eine neue, weitere Ermächtigungsgrundlage für das für Soziales zuständige Mitglied der Landesregierung. Danach soll die Sozialministerin ermächtigt werden, durch Rechtsverordnung Regelungen über Verfahren und Anerkennung von weiteren Zertifizierungen zu erlassen. Um Einrichtungen und Wohnungen insbesondere im Bereich der Eingliederungshilfe überwachen zu können, will das Ministerium für den Bereich der Sozialhilfe ein Zertifizierungsverfahren vorsehen, mit dem es in die Arbeit der örtlichen Träger der Sozialhilfe eingreifen würde. Das Land will über das BbgPBWoG-E unter dem Deckmantel der Überwachung und Aufsicht, den örtlichen Trägern der Sozialhilfe Vorgaben machen. In der Begründung heißt es wörtlich „Da es im Bereich der Eingliederungshilfe an einer entsprechenden Vorschrift fehlt, ist die Ermächtigung zum Erlaß einer Rechtsverordnung über Verfahren und Anerkennung weiterer Zertifizierungsstellen in das Gesetz aufgenommen worden.“
Die Frage nach der Gesetzgebungskompetenz angesichts der Regelungsdichte in SGB XII beantwortet der Gesetzentwurf nicht. Nach Auffassung der Geschäftsstelle verstößt § 19 Abs. 3 Satz 2 BbgPBWoG-E gegen Bundesrecht und ist rechtswidrig.

ee) Der Gesetzentwurf enthält verschiedentlich Vorschriften, nach denen die zuständige Behöre mit anderen Überwachungsbehörden zusammenarbeiten soll. Diesbezüglich sollen Vereinbarungen abgeschlossen werden. Dies betrifft die Arbeit der Bauaufsichtsämter, der Brandschutzdienststellen, der Gesundheitsämter etc.. Aus dem Gesetzentwurf ergibt sich, dass die zuständige Behörde eine Koordinierungsfunktion wahrnehmen will. Wollen andere Behörden „Eingriffsverfahren“ einleiten, müssen sie die zuständige Behörde einschalten und beteiligen. Deren Tätigkeit soll vornehmlich darin bestehen darauf hinzuwirken, dass die Interessen und Bedürfnisse der Nutzer gewahrt werden.
Der Städte- und Gemeindebund geht davon aus, dass es auch Aufgabe der zuständigen Behörde sein wird, zu überprüfen, ob die anderen Überwachungsbehörden ihre Arbeit ordnungsgemäß erledigt haben. § 28 Abs. 2 Satz 3 BbgPBWoG-E sieht vor, dass die zuständige Behörde „ferner informiert über eigene Prüfergebnisse, die den Verdacht der Nichteinhaltung von Anforderungen und Fristen anderer Überwachungsträger nahe legen“.  Hiefür spricht ferner, dass nach dem Gesetzentwurf die Einrichtungsträger nunmehr auch die Protokolle der Brandverhütungsschau, der baurechtlichen Nutzungsgenehmigung und der Prüfungen nach dem Infektionsschutzgesetz bereithalten müssen.
Die Geschäftsstelle hat sich dagegen ausgesprochen, dass mit dem Gesetz eine Art „Oberbehörde“ geschaffen wird. Es ist nicht Angelegenheit der zuständigen Behörde parallel zu anderen Behörden den Infektionsschutz oder den Brandschutz etc. zu prüfen. Damit würde der Staat doppelt und dreifach überwachen.

Zweifelhaft ist auch, inwieweit die kommunalen Behörden für ihre Zusammenarbeit mit der zuständigen Behörde Gebühren verlangen können.

ff) Nach § 16 Abs. 4 BbgPBWoG-E ist vorgesehen, dass die kreisfreie Stadt, die amtsfreie Gemeinde oder das Amt, in deren Gebiet sich die Einrichtung befindet, für die Einrichtung Ombudspersonen bestimmen kann. Macht die kommunale Gebietskörperschaft von ihrem Bestimmungsrecht keinen Gebrauch, kann die Aufsichtsbehörde die Ombudspersonen benennen. Die Ombudspersonen fördern die Beteiligung der Bewohnerinnen und Bewohner am gesellschaftlichen Leben in der Gemeinde oder im Stadtteil. Ihre Tätigkeit ist ehrenamtlich. Sie unterstützen den Bewohnerschaftsrat bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben.

Die Geschäftsstelle hat in ihrer Stellungnahme gefordert, dass sicherzustellen ist, dass die bestimmten Personen nicht für die Gemeinde ehrenamtlich tätig werden. Das Gesetz solle sicherstellen, dass die Gemeinde keine Aufwandsentschädigung oder gar eine Entschädigung nach § 24 BbgKVerf zu leisten hat.
Soweit es in der Begründung zu § 16 Abs. 4 BbgPBWoG-E heiße, „bei der Bestimmung sollen Personen berücksichtigt werden, die über Rechte der Einrichtungsbewohner nach diesem Gesetz informiert sind“, ist jeglichen Versuchen des Ministeriums oder der zuständigen Behörde, Kurse zur Fortbildung der ehrenamtlichen Personen – unter Umständen sogar verpflichtend – vorzusehen, bereits jetzt eine Absage zu erteilen. Jegliche Bemühungen des Ministeriums für kommunalbezogene ehrenamtliche Tätigkeiten Anforderungen zu formulieren, lehnt die Geschäftsstelle entschieden ab, weil dies nicht in die Zuständigkeit des Landes fällt.

Soweit § 16 BbgPBWoG-E erst am 1. Januar 2010 in Kraft treten soll (§ 32 Abs. 1 BbgPBWoG-E) und es in der Begründung hierzu heißt, die ehrenamtlichen Strukturen sollten zunächst aufgebaut werden, um die Praxistauglichkeit der Regelung herzustellen, hat die Geschäftsstelle gefordert, mitzuteilen, was hierunter zu verstehen und was beabsichtigt sei. Sollte das Ministerium der Auffassung sein, dass es nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BbgPBWoG-E für die Durchführung des Gesetzes zuständig und deshalb berechtigt sei, die Bestimmung von Ombudspersonen durch die Mitglieder des Verbandes in die Wege zu leiten, wäre dieses ministerielle Vorgehen als Einmischung in kommunale Angelegenheiten zu werten und abzulehnen.

Zur Wahl eines Bewohnerschaftsrates und der Ombudspersonen soll es eine Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Ministerium des Innern geben.

gg) Der Städte- und Gemeindebund hat in seiner Stellungnahme gefordert, dass die kreisfreien Städte und die Landkreise zuständige Behörde im Sinne des Gesetzes werden.

Angesichts des demographischen Wandels hatte sich das Präsidium tendenziell dafür ausgesprochen, die Zuständigkeit für die Heimaufsicht auf die kommunale Ebene zu verlagern. Da immer mehr Wohngemeinschaften in Brandenburg entstehen, in denen alte und betreute Menschen wohnen und hier im Einzelfall fraglich ist, ob das Heimrecht Anwendung findet oder nicht, wurde es als zweckmäßig angesehen, wenn die kreisangehörigen Städte und Gemeinden, die sich in ihrem Gebiet am ehesten auskennen, oder zumindest die Landkreise und kreisfreien Städte für die Heimaufsicht zuständig sind. Sie können die Beratungsfunktion unmittelbar wahrnehmen, die Kenntnisse über Einrichtungen und Dienste oder über Wohngemeinschaften sind hier wegen der Nähe zu den Einrichtungen und Diensten am schnellsten vorhanden. Da die Gemeinden für den Feuerschutz, die Landkreise und kreisfreien Städte für die Bauaufsicht und den Infektionsschutz zuständig sind, bietet sich die Herabzonung der Heimaufsicht auf die Kommunen an.
Hinzu tritt, dass die Hilfe zur Pflege und die Eingliederungshilfe ebenfalls in der Zuständigkeit der Landkreise und kreisfreien Städte liegen, sie hier Verträge mit den Pflegekassen und den Trägern der Einrichtungen abschließen und im Einzelfall die Hilfe bewilligen und finanzieren.

Ordnungsbehördliche Aufgaben werden in der Regel den Kommunen übertragen, die sie als Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung erledigen. Da eine Vielzahl von Einrichtungen und von anderen Wohnformen unter den Anwendungsbereich des neuen Gesetzes fallen wird, lässt sich der entstehende Arbeitsaufwand durch eine zentrale Behörde nicht bürgerfreundlich, zeitnah und mit den erforderlichen Kenntnissen des Umfeldes der Einrichtung oder Wohnform erledigen. Bei Gefahr im Verzug ist schnelles Handeln gefragt, wofür die kommunale Ebene die notwenigen praktischen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt. Die kommunale Ebene hat zudem den Vorteil, zu anderen kommunalen Behörden über bestehende Arbeitskontakte zu verfügen, deren Zuständigkeit durch den Gesetzentwurf verschiedentlich angesprochen wird. Dadurch, dass zwischen den kreisfreien Städten und Landkreisen als örtliche Träger der Sozialhilfe, den Beratungs- und Unterstützungsdiensten, den Selbsthilfeorganisationen, den Trägern der freien Wohlfahrtspflege, privaten Trägern, den Krankenkassen und Pflegekassen die vielfältigsten Rechtsbeziehungen bestehen, sie Netzwerkarbeit betreiben und vielfältig zusammenarbeiten, sind die kreisfreien Städte und Landkreise gut dafür gerüstet, die ordnungsbehördliche Aufsicht durchzuführen.

Gerade der örtliche Bezug und die soziale Aufmerksamkeit, auf die das Gesetz angelegt ist, sprechen dafür, die Aufgaben der zuständigen Behörde bei den Kommunen anzusiedeln. Eine zentrale, allmächtige Behörde, die alles und alle „von oben“ kontrolliert und beaufsichtigt, wird diese notwendigen Hilfen vor Ort nicht herstellen können.

Die Geschäftsstelle wird über die weitere Entwicklung des Gesetzentwurfs unterrichten.

Monika Gordes, stellvertretende Geschäftsführerin