Mitteilungen 07-08/2008, Seite 374

OVG Berlin-Brandenburg: Verhältnismäßigkeit einer denkmalschutzrechtlichen Erhaltungsanordnung (§ 8 Abs. 2 BbgDSchG)

Ob eine denkmalschutzrechtliche Erhaltungsanordnung nach § 8 Abs. 2 BbgDSchG, die vorübergehende Sicherungsmaßnahmen zur Abwehr einer Gefährdung des Denkmals zum Inhalt hat, sich im Rahmen des dem Adressaten Zumutbaren hält, hängt grundsätzlich nur davon ab, ob die konkret angeordnete Sicherungsmaßnahme verhältnismäßig ist.
(Orientierungssatz des Gerichts)

OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom  30. Juni 2008 – OVG 2 S 29.08
(Vorinstanz: VG Frankfurt [Oder], Beschluss vom 21 Februar 2008 - 7 L 340/07)

Zum Sachverhalt:
Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines im 19. Jahrhundert errichteten und seitdem baulich nur geringfügig veränderten denkmalgeschützten Wohn- und Geschäftshauses, das seit 1991 nicht mehr genutzt und bewirtschaftet wird. Es befindet sich in einem schlechten baulichen Zustand und war für längere Zeit Witterungseinflüssen weitestgehend ungeschützt ausgesetzt. Als „einstweilige Sicherungsmaßnahme“ erließ der Antragsgegner unter Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Bescheid vom 5. September 2007 eine Erhaltungsanordnung, mit der die Antragstellerin u.a. verpflichtet wurde, die Decke des Gebäudes in dem (durch eindringende Feuchtigkeit) geschädigten Bereich in den Räumen an der Straßenfassade des Gebäudes abzustützen (Ziffer 3  der Anordnung) und den im Gebäude befindlichen (mit Hausschwamm durchwachsenen) Schutt im Hausflur, in den zur Straßenseite gelegenen Zimmern und im gesamten Dachgeschoss zu beseitigen (Ziffer 4 der Anordnung). Einen dagegen gerichteten vorläufigen Rechtsschutzantrag lehnte das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss ab.

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 21. Februar 2008 hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückgewiesen.

Aus den Gründen:
Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses.

Die Denkmalschutzbehörde hat gemäß § 8 Abs. 1 und 2 BbgDschG nach pflichtgemäßem Ermessen diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die zum Schutz der Denkmale erforderlich sind. Kommen Verfügungsberechtigte oder Veranlasser ihren Erhaltungspflichten nach § 7 BbgDschG nicht nach und tritt hierdurch eine Gefährdung des Denkmals ein, können sie im Rahmen des Zumutbaren von der Denkmalschutzbehörde verpflichtet werden, die zum Schutz des Denkmals erforderlichen Maßnahmen durchzuführen.

Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss zu Recht ausgeführt, dass die angeordneten Maßnahmen zur Abstützung der geschädigten Bereiche der Decke sowie zur Beseitigung des in Teilen des Gebäudes befindlichen Bauschuttes zur Verhinderung einer weiteren Ausbreitung des Hausschwammes sich im Rahmen des der Antragstellerin Zumutbaren im Sinne von § 8 Abs. 2 BbgDSchG halten.

Das Beschwerdevorbringen, wonach die Antragstellerin in Kürze den Abriss des Denkmals beantragen werde, weil nach einem Gutachten des Sachverständigen Dip. Ing. B. vom 16. Februar 2008 die Wirtschaftlichkeit des denkmalgeschützten Gebäudes und eines weiteren auf dem gleichen Grundstück befindlichen Gebäudes nicht gegeben sei, weshalb sich die Durchführung der von dem Antragsgegner angeordneten Sicherungsmaßnahmen als unnötig und daher unverhältnismäßig darstelle, rechtfertigt keine Änderung des angegriffenen Beschlusses.

Der Umstand, dass die Antragstellerin künftig beabsichtigt, eine Erlaubnis zur Beseitigung des Denkmals nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 BbgDSchG zu beantragen, entbindet sie derzeit nicht von der Erhaltungspflicht nach § 7 BbgDSchG. Eine denkmalschutzrechtliche Erhaltungsanordnung nach § 8 Abs. 2 BbgDSchG, in der, wie hier, Sicherungsmaßnahmen zur Abwehr einer Gefährdung des Denkmals, insbesondere zur vorübergehenden Sicherung der Substanz des Denkmals angeordnet werden, kann grundsätzlich so lange ergehen, bis eine Beseitigungserlaubnis nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 BbgDSchG bestandskräftig erteilt wurde (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 24. April 2008 – 10 B 360/08 – veröffentlicht in juris). Dies hat zur Folge, dass es abweichend von der Rechtsauffassung der Antragstellerin für die Bewertung, ob sich die in einer solchen Erhaltungsanordnung angeordneten Maßnahmen im Rahmen des Zumutbaren im Sinne von § 8 Abs. 2 BbgDSchG halten, grundsätzlich nicht darauf ankommt, ob eine Sanierung des Denkmals zum Zwecke der Erhaltung zu unzumutbaren Belastungen führen würde, sondern, ob die konkret angeordnete Maßnahme zur vorübergehenden Sicherung des Denkmals vor Gefährdungen als solches zumutbar ist (vgl. Martin/Mieth/Graf/Sautter, BbgDSchG, 2. Aufl., § 8 Ziffer 3.4 m.w.N.). Denn es kann im Interesse des Gemeinwohlbelanges des Denkmalschutzes und der Erhaltung des Denkmalbestandes nicht hingenommen werden, dass vor oder während des noch nicht abgeschlossenen Erlaubnisverfahrens nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 BbgDSchG in dem gerade geprüft und geklärt werden muss, ob die Erhaltung des Denkmals zumutbar ist, infolge fehlender vorläufiger Sicherungsmaßnahmen ein Substanzverlust des Denkmals eintritt oder droht.

Dass die hier konkret angeordnete und von der Antragstellerin angegriffene Maßnahme zur vorübergehenden Sicherung des Gebäudes durch Abstützung der durch Feuchtigkeit geschädigten Deckenbereiche sowie zur Beseitigung des in Teilen des Gebäudes befindlichen Schuttes unzumutbar ist, also zu unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Belastungen führt, zeigt die Beschwerdebegründung nicht substantiiert auf.

Ob in Ausnahmefällen die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen zur Abwehr einer Gefahr für die Substanz eines Denkmals vor oder während eines Erlaubnisverfahrens über dessen Beseitigung den Rahmen des Zumutbaren im Sinne von § 8 Abs. 2 BbgDSchG dann überschreiten würde, wenn die Pflicht zur Erteilung der Erlaubnis zur Beseitigung des Denkmals sich derart aufdrängt, dass jegliche nähere Prüfung, insbesondere der wirtschaftlichen Erhaltungsbelastungen von vornherein entbehrlich erscheinen, kann der Senat offen lassen. Ein derartiger Evidenzfall liegt hier jedenfalls nicht vor, denn der Antragsgegner ist der von der Antragstellerin durch das Gutachten vom 16. Februar 2008 und in der Stellungnahme vom 8. Juni 2008 ergänzten Darstellung der wirtschaftlichen Erwägungen, die gegen die Erhaltung des Gebäudes sprechen sollen, substantiiert entgegen getreten. Die Klärung der insoweit aufgeworfenen streitigen tatsächlichen und rechtlichen Fragen muss daher dem (künftigen) Verfahren über eine Beseitigung des Denkmals vorbehalten bleiben.

Az: 616-01

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