Mitteilungen 09/2008, Seite 396, Nr. 189

Auch Beigeordnete müssen nach den Grundätzen der Bestenauslese ausgewählt werden
- Wahl erfordert Informationen über alle Bewerber an die Vertretung (VG Cottbus, OVG Berlin-Brandenburg) -, Abdruck im Rechtsprechungsteil dieses Heftes

Mit Beschluss vom 21.08.2008 (OVG 4 S 26.08) hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Beschwerde eines Landkreises gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 10.07.2008 (5 K 55/08) zurückgewiesen. Zu entscheiden war über die Frage von Einschränkungen im Bewerbungsverfahren, auf dessen grundrechtskonforme Durchführung alle Bewerber einen Anspruch nach Art. 33 Abs. 2 GG haben. Im streitigen Verfahren ging es unter anderem um die Frage, ob der für die Wahl des Beigeordneten allein vorschlagsberechtigte Landrat den Kreistag vollständig über alle Bewerberinnen und Bewerber informieren muss. Das OVG hat die Bekanntgabe aller persönlichen Daten an den Kreistag für erforderlich angesehen und seine Entscheidung unter anderem damit begründet, dass auch für die Wahl von Beigeordneten der Grundsatz der Bestenauslese gilt. Nach diesem Grundsatz genüge es nicht, dass die Mitglieder des Kreistages aufgrund von Angaben in einer Beschlussvorlage (oder wegen bereits persönlicher Erfahrungen mit einem Bewerber) in der Lage waren, die Eignung eines Bewerbers für das Amt des Beigeordneten festzustellen. Vielmehr hätten die Mitglieder des Kreistages in die Lage versetzt werden müssen, zu beurteilen, ob der vom Landrat vorgeschlagene Bewerber nicht nur geeignet, sondern - im Sinne des Prinzips der Bestenauslese – am besten für das Amt des Beigeordneten geeignet war. Dabei verweist das OVG auch auf die von Herrmann (LKV 2006, 535, 538) ebenso vertretene Auffassung.  Danach steht jedem einzelnen Mitglied eines Wahlgremiums ein Anspruch auf vollständige und richtige Informationen über die  Bewerber zu.

Die Entscheidungen sind für die Städte und Gemeinden gleichsam von Bedeutung. Insoweit sind beide Beschlüsse  in diesen mitteilungen unter „Aus der Rechtsprechung“ wiedergegeben. Die Geschäftsstelle nimmt die Entscheidungen deshalb zum Anlass, an dieser Stelle auf den Kern der Streit befangenen  Auswahlentscheidung hinzuweisen:

Zur Frage der Information der Vertretungskörperschaft über alle Bewerberinnen und Bewerber:

Nach Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte (hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums). Auf alle, im Bewerbungsverfahren insoweit zu beachtenden Grundsätze, wird an dieser Stelle nicht eingegangen. Es wird lediglich darauf hingewiesen,  dass die Grundsätze nach Auffassung des OVG unter anderem erfordern, dass dem Wahlgremium (der Vertretungskörperschaft) für die Wahl die Namen aller  Bewerberinnen und Bewerber, ihr jeweiliger beruflicher Werdegang oder ihre Fähigkeiten und Erfahrungen bekannt sein müssen. Ohne Bekanntgabe einer vollständigen Bewerberliste könne eine Auswahlentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 GG nicht getroffen werden, weil das Wahlgremium bei seiner Entscheidung  nicht von einem zutreffenden Sachverhalt ausgehen könne. Nur in Kenntnis des zutreffenden Sachverhalts (Kenntnis aller Bewerberinnen und Bewerber einschließlich deren Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung) könne und müsse die Vertretungskörperschaft den/die Vorgeschlagene/n wählen oder die Wahl ablehnen. Den Einwand, die Eignungseinschätzung sei aufgrund des Vorschlagsrechts ausschließlich vom Hauptverwaltungsbeamten zu treffen, ließ das OVG nicht gelten. Das OVG führte dazu aus, dass die Wahlentscheidung voraussetze, dass der Vertretungskörperschaft die für die Bestenauslese maßgebenden Umstände des Wahlvorschlags bekannt sein müssen. Das OVG geht  damit in seiner Entscheidung nicht näher auf die Frage ein, ob, und wenn ja inwieweit, das Vorschlagsrecht des Hauptverwaltungsbeamten eine Einschränkung der dargestellten Grundsätze zulässt. Es verweist allerdings auf den Aufsatz von Herrmann (a.a.O.), in dem auch ausgeführt wird, dass die Stellung des Hauptverwaltungsbeamten bei der Bestellung (Anm.: Wahl) von Beigeordneten im Kommunalverfassungsrecht des Landes Brandenburg am stärksten ausgeprägt ist. Die Mitglieder der Gemeindevertretung bzw. des Kreistages seien darauf beschränkt, Personalvorschläge des Hauptverwaltungsbeamten abzulehnen oder anzunehmen. Herrmann verweist jedoch auch darauf, dass es für eine Wahlentscheidung auf die detailgenaue Würdigung der Bewerbungsunterlagen im Einzelfall ankomme.

Zum rein praktischen  Bewerbungsverfahren führt das OVG aus, dass der Vertretungskörperschaft in der Beschlussvorlage die persönlichen Daten (wie insbesondere Namen, beruflicher Werdegang) bekannt gegeben oder diese in vergleichbar effektiver Weise vorgelegt werden müssen. Eine solche Verfahrensweise ist nach Auffassung des OVG auch deshalb geboten, weil sonst nicht einmal sicher gestellt werden könnte, dass die Vertretungskörperschaft von der Bewerbung eines (Anm.: in der Vorauswahl) unterlegenen Bewerbers überhaupt konkret Kenntnis erlangt. Dies wäre unter anderem wegen der Begründung der Wahlentscheidung in materiell-rechtlicher Hinsicht und damit auch im Rahmen der gerichtlichen Prüfung bestehender Einschränkungen des Bewerbungsverfahrensanspruchs mit Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 19 Abs. 4 GG (Anm.: Eröffnung des Rechtsweges bei Rechtsverletzung durch die öffentliche Gewalt) nicht vereinbar. Die Bekanntgabe einer Bewertung aller Bewerber gegenüber der Vertretungskörperschaft ist nach Ansicht des OVG hingegen nicht erforderlich.

Den nun vorliegenden – und zu beachtenden – Entscheidungen des VG Cottbus und des OVG Berlin-Brandenburg kann durchaus entgegengehalten werden, dass § 70 Abs. 1 GO und § 59 Abs. 1 LKrO Bbg., im Gegensatz zu Regelungen in anderen Bundesländern, das ausschließliche Vorschlagsrecht des Hauptverwaltungsbeamten bestimmen.
Dieses Vorschlagsrecht beinhaltet selbstverständlich, dass hierbei ein Auswahlverfahren zum Tragen kommt, das den Anforderungen der Bestenauslese gem. Art. 33 GG entspricht. Interessant ist, dass im vorliegenden Fall z. T. dagegen gerichtete Argumente des Beschwerdeführers durch die Gerichte eben nicht gerügt worden sind.
Wie o.g. entscheidet also nach der geltenden Rechtslage in Brandenburg die Vertretungskörperschaft durch Wahl darüber, ob sie dem Vorschlag des Hauptverwaltungsbeamten folgt oder nicht. Die Intention des Gesetzgebers, unterstützt vom Städte- und Gemeindebund Brandenburg, war, dass der Hauptverwaltungsbeamte und seine Beigeordneten langfristig und vertrauensvoll zusammenarbeiten und politischer Konkurrenzdruck durch die Vertretungskörperschaft unterbleibt (vgl. auch Hermann a. a. O.).
Sicherlich ist bei den in Bezug stehenden Urteilen begrüßenswert, dass die Informationspflichten des Hauptverwaltungsbeamten an die Vertretung begrenzt werden.

Das OVG geht in seiner Entscheidung allerdings auch nicht auf die Frage ein, ob die Bekanntgabe der persönlichen Daten aller Bewerberinnen und Bewerber an die Vertretungskörperschaft den auch im Bewerbungsverfahren zu berücksichtigenden Datenschutz verletzen kann. Insoweit könnten unterlegene Bewerber Rechtsverletzungen geltend machen, wenn ihre berechtigten Datenschutzinteressen im Bewerbungsverfahren verletzt werden. Zwar wird man potenziellen Bewerbern auf Beigeordnetenstellen unterstellen müssen, dass sie damit rechnen können und auch wollen, dass das Wahlgremium über ihre persönlichen Daten informiert wird. Um etwaige Probleme diesbezüglich jedoch rein vorsorglich zu vermeiden, empfiehlt es sich aus Sicht der Geschäftsstelle, hierauf bereits in der Ausschreibung hinzuweisen. Es obliegt dann den Bewerberinnen und Bewerber, in der Bewerbung evtl. Einschränkungswünsche darzutun.

Karl-Ludwig Böttcher, Geschäftsführer

Az: 013-68

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