Mitteilungen 11-12/2009, Seite 333, Nr. 190

„Gesundheit im Alter fördern – Eine Zukunftsaufgabe der Kommunen“ Regionalkonferenz der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung am 15. Oktober 2009

I. Am 15. Oktober 2009 fand in Berlin in der Urania eine Regionalkonferenz der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum Thema der Gesundheitsförderung für Ältere statt.  Der Verein Gesundheit Berlin-Brandenburg, in dessen Vorstand die stellvertretende Geschäftsführerin des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg, Frau Gordes, Mitglied ist, hatte die Organisation der gut besuchten Veranstaltung übernommen. Es wird derzeit eine Tagungsdokumentation erstellt, so dass die verschiedenen Vorträge zum Thema Gesundheitsförderung im Alter – Herausforderungen und Strategien der sozialraumbezogenen Prävention und die in den Fachforen gegebenen Praxisbeispiele nachzulesen sein werden.
Um einen kleinen Einblick in die Veranstaltung zu geben, wird nachfolgend das Grußwort von Frau Gordes zur Veranstaltung am 15. Oktober 2009 in der Urania in Berlin abgedruckt:

„Frau Senatorin, sehr geehrte Damen und Herren,

als ich den Titel der heutigen Veranstaltung „Gesundheit im Alter fördern – eine Zukunftsaufgabe der Kommunen“ las, war ich erst einmal ein wenig erschüttert, sollten mit dem Titel doch wieder die Kommunen in die Pflicht genommen werden. Wir alle wissen, dass für weitere Aufgaben weder die finanziellen, noch die personellen Gegebenheiten in den Kommunen vorhanden sind. Auch handelt es sich bei der Gesundheitsförderung im Alter nicht vordergründig um eine Aufgabe der Kommunen. Vielmehr ist dies eine Aufgabe für die Gesellschaft insgesamt und die Gesundheitsberufe im Besonderen. Auch ist jeder Einzelne für den Erhalt und die Herstellung seiner Gesundheit verantwortlich.

Andererseits lässt sich der Titel der Veranstaltung auch durchaus positiv verstehen, als Empfehlung oder Anregung an Kommunen, als These oder als Frage.

Sinn macht es durchaus, wenn Kommunen sich um Gesundheitsförderung für ältere Menschen kümmern: Die absehbare demographische Entwicklung führt zur spürbaren Alterung der Gesellschaft. Wegen der Verschiebung der Alterskohorten wird es eine größere Nachfrage der Gesundheitsdienstleistungen geben. Diese Entwicklung führt weiterhin dazu, dass es zu einem Fachkräftemangel, einem Arbeitskräftemangel, zum Ärztemangel kommt. Wenn es weniger Erwerbstätige gibt, wird es auch weniger Steuerzahler geben, mit der Folge dass die Einnahmen der öffentlichen Haushalte einschließlich derer der Sozialversicherungssysteme zurückgehen werden.

Dies alles bedeutet, dass die Gesellschaft dafür Sorge tragen sollte, dass die Menschen gesund altern. Gesund Altern – von Bemühungen, die sich hierauf richten, profitiert zum einen die jetzige Generation älterer Menschen; von ihnen sollen vor allen Dingen aber die jetzt jungen oder mittelalten Generationen spürbare Vorteile im Alter haben.
Ziel der heutigen Veranstaltung ist es daher, Anstoß zu geben, damit Kommunen das Thema Gesundheitsförderung als eigene Gestaltungsaufgabe erkennen.

Im Land Brandenburg gibt es 436 Städte und Gemeinden; die Sozialämter, die offene Altenarbeit anbieten oder die Altenhilfeplanung vornehmen, sind jedoch ebenso wie die Gesundheitsämter, die für die Gesundheitsförderung oder Gesundheitsberichterstattung zuständig sind, bei den kreisfreien Städten und den Landkreisen angesiedelt.
Dennoch empfiehlt der Städte- und Gemeindebund den kreisangehörigen Städten und Gemeinden, das Thema Gesundheitsförderung nicht den Landkreisen zu überlassen, sondern in die eigene kommunale Arbeit mit einzubinden: Es gibt zahlreiche Fachplanungen, bei denen die Gesundheitsförderung mit berücksichtigt werden sollte, bei der Entwicklung des kommunalen Leitbildes, bei der Aufstellung von Bebauungsplänen, im Sportentwicklungskonzept, in der Kulturentwicklungsplanung u.a.. Im Rahmen des Themas Soziale Stadt dürfte nur eine integrierte Planung, die auch die Gesundheit mit berücksichtigt, wirklich zum Erfolg führen. In der kommunalen Verwaltung bedeutet dies, dass die einzelnen Fachämter und Fachbehörden übergreifend denken und planen müssen, einander hinzuziehen und ämterübergreifend kooperieren müssen.

Weiterer Grund für die Städte und Gemeinden, sich in die Gesundheitsförderung für Ältere einzubringen, ist, dass sie den Menschen, die in den Städten und Gemeinden leben, am nächsten stehen. Sie verfügen unmittelbar über Kenntnisse, welche Bedarfe und Wünsche ältere Menschen haben, welche Einrichtungen und Dienste, die für eine aktive Gesundheitsförderung nützlich sind, im Ort vorhanden sind und welche weiteren Akteure das Ziel mitverfolgen und unterstützen würden. Altenplanung beispielsweise sollte stadtteilbezogen und wohnortnah und quartiersbezogen erfolgen. Sinnvoll für ein gutes Gelingen ist ferner, die Partizipation älterer Menschen zu stärken, sie also einzubeziehen in Maßnahmen und Entscheidungen. Beide Instrumente haben regelmäßig positive Effekte: a) die älteren Menschen nehmen regelmäßiger teil an den Veranstaltung oder Angeboten, was sich wiederum positiv auf ihre körperliche und geistige Gesundheit auswirkt und sie vor Vereinsamung schützt, b) die Partizipation hat eine unterstützende Wirkung für soziale Beziehungen, c) nachbarschaftliche Netzwerke entstehen eher beziehungsweise bleiben eher erhalten und d) die Bedarfsbestimmung wird treffsicherer.
Diese Effekte sprechen also dafür, Gesundheitsförderung auf gemeindlicher Ebene zu verfolgen.

Aufgabe der Kommune könnte sein, die Moderation und Kommunikation im Bereich der Gesundheitsförderung für ältere Menschen zu übernehmen. Eine Infrastruktur, die der Gesundheitsförderung dienen könnte, ist regelmäßig vorhanden. So gibt es Sportplätze, Schwimmbäder, Turnhallen, Gemeindesäle,  Gesundheitskurse, durch die Krankenkassen geförderte Angebote, örtliche Wandervereine oder Wandergruppen und vieles mehr. Die Gemeinde könnte die Aufgabe übernehmen, alle Akteure in einen fachlichen Austausch zu bringen: den Seniorenbeirat, Altenselbsthilfegruppen, Vereine, Sportvereine, die Pressestelle, das Amtsblatt, die Anbieter von Freizeitangeboten, die in Gesundheitsberufen Tätigen, am Ort ansässige Krankenkassen, Dienste, Einrichtungen, die Kirche u.a.. Die Gemeinde könnte der zentrale Informations- und Kontaktpunkt für die Akteure sein. Sie muss nicht selbst Angebote der Gesundheitsförderung entwickeln; vielmehr sollte ihre Aufgabe darin liegen, moderierend und koordinierend die vorhandenen Angebote zu vernetzen. Das Amtsblatt könnte beispielsweise dazu genutzt werden, diese Angebote für ein Gesundes Altern bekannt zu machen.

Gemeinsam mit den anderen Akteuren könnte die Gemeinde ein Konzept für Gesundes Altern entwickeln. Zunächst wäre zu formulieren, was in der Gemeinde unter Gesundheitsförderung verstanden wird, dann wäre eine Bestandsaufnahme dessen, was vorhanden ist, durchzuführen. Ältere Menschen sollten einbezogen werden, um zu ermitteln, wo die Bedarfe und Bedürfnisse liegen. Das Konzept sollte generationenübergreifend aufgestellt werden; es sollte sich an alle Generationen richten, damit möglichst viele gesund altern. Denn je mehr Menschen ihre eigene Gesundheit bis ins hohe Alter erhalten, umso weniger werden die Sozialversicherungssysteme belastet. Schließlich sollte das Konzept, damit es wirken kann, gegenüber den verschiedenen Bevölkerungsgruppen kommuniziert werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass nur ein Teil der Einwohner, sich von sich aus informieren, und dass andere Teile der Einwohner eine direkte Ansprache vorziehen. Ferner kann das Konzept sich auf bestimmte Bevölkerungsgruppen konzentrieren oder diese besonders hervorheben. Zu denken wäre beispielsweise an besondere Maßnahmen oder Angebote für sozial Benachteiligte oder an Programme, die sich insbesondere an Männer oder an Frauen richten.

Fazit für den Städte- und Gemeindebund Brandenburg ist: Nehmen Sie die heutige Veranstaltung als Ansporn, tragen Sie die heutigen Anregungen weiter und verstärken Sie in den Städten und Gemeinden die Anstrengungen, eine seniorenbezogene Gesundheitsförderung und Prävention in den Fokus zu rücken.“

II. Lebensweltbezogene Prävention und Gesundheitsförderung findet auf kommunaler Ebene statt. Um einen Überblick zu erhalten, wie die Zugänge zu älteren Menschen auf kommunaler Ebene aussehen, hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 2006 das Deutschte Institut für Urbanistik (Difu) beaufragt, eine repräsentative Befragung von Städten und Gemeinden und Landkreisen durchzuführen und damit den „Ist-Zustand“ der Gesundheitsförderung und Prävention für ältere Menschen auf kommunaler Ebene zu erheben. Das Ergebnis des Projekts wurde in der Reihe Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung der BzgA, Band 33, Köln 2007, „Seniorenbezogene Gesundheitsförderung und Prävention auf Kommunaler Ebene – eine Bestandsaufnahme“ veröffentlicht. Autorinnen sind Frau Beate Hollbach-Grömig und Frau Antje Seidel-Schulze.
Die Autorinnen haben die Umfrage ausgewertet und interessante Ergebnisse zu Tage gefördert. Zusammenfassend werden an dieser Stelle die Schlussfolgerungen wiedergegeben, die die Autorinnen aus ihrer Projektarbeit gezogen haben. Sie mögen den Kommunen Anregungen für eine Gesundheitsförderung auf kommunaler Ebene geben.

„Erste Schlussfolgerungen

In vielen Kommunen ist das Thema und Handlungsfeld „Gesundheitsförderung und Prävention“ nur von mittlerer Bedeutung. Zukünftig ist viel stärker erforderlich, das Thema als eigene Gestaltungsaufgabe zu erkennen, Konzepte zu entwickeln, machbare und umsetzbare Ziele festzulegen, geeignete Maßnahmen abzuleiten und passende Akteure zu identifizieren und zu koordinieren. Die Sensibilisierung für das Thema in Verwaltung und Politik sowie bei einer Vielzahl von Akteuren bzw. Akteurinnen sowie die Umsetzung konkreter Maßnahmen sind umfassende, langwierige Aufgaben. Erschwerend kommt hinzu, dass nur wenige Vorerfahrungen vorliegen. Kinder und Jugendliche, und damit die Settings Kindergarten/Kita, Schule und Betrieb, stehen bislang im Vordergrund. Die „Gerontologisierung“ der kommunalen Gesundheitsförderung und Prävention (Naegele 2004b, S. 11) hat bislang kaum stattgefunden.

Erforderlich sind eigene Fort- und Weiterbildung der kommunalen Akteure und eine enge Kooperation mit einer Vielzahl weiterer Akteure. Einige Schritte weiter sind die Städte, die Mitglied im Gesunde-Städte-Netzwerk sind. In den thematisch betroffenen Verwaltungsstellen ist bereits ein Bewusstseinswandel vollzogen oder zumindest auf dem Weg, dass es in diesem Handlungsfeld auch um eine kommunale Gestaltungsaufgabe geht. Gesundheitsamt und Sozialamt sehen sich selbst viel stärker in der Verantwortung, wenn es darum geht, aktiv an Gesundheitsförderung und Prävention mitzuwirken. Das überwiegende Denken als „Versorger“ ist einem veränderten Selbstverständnis gewichen. Hier muss intensiver geprüft werden, wie weit die dort abgelaufenen Prozesse auf andere Kommunen übertragbar sind. Die Darstellung und Kommunikation „guter“ Beispiele kann dabei unterstützen.

Mehr und regelmäßige Kooperation der verschiedenen Akteure im Bereich Gesundheit und Pflege auf Ebene der Gesamtstadt, aber auch im Quartier, sind wichtige Erfolgsvoraussetzungen. Die  Umfrage bestätigt auch, dass die Defizite weniger in der Breite der Angebote, die bereits vorhanden sind, als in der mangelnden Kooperation der verschiedenen Anbieter und in der Kommunikation der Angebote zu den verschiedenen Zielgruppen (besonders untere soziale Schichten, bildungsferne Menschen, Migrantinnen und Migranten, teilweise ältere Männer) liegen.

Der konsequente Einsatz von Koordinierungs- und Steuerungsinstrumenten wie (mindestens) regelmäßiger Informationsaustausch oder regelmäßige Gesundheits- oder Pflegekonferenzen muss intensiviert werden. Sicher ist dies nur schrittweise zu realisieren. Viele Angebote werden kommerziell bereitgestellt, verfolgen andere Interessen als Gesundheitsförderung und Prävention und sind oft bei den kommunalen Akteuren nicht bekannt. Kommunen könnten intensiver versuchen, als „Knoten im Netz“ – als zentraler Informations- und Kontaktpunkt für andere Anbieter – zu fungieren. Es geht weniger darum, selbst ein möglichst breites Spektrum an Angeboten vorzuhalten.

Ebenfalls eine wichtige Voraussetzung ist eine lokale Gesundheitsberichterstattung. Die Umfrage bestätigt, dass lediglich in etwas mehr als einem Zehntel der Städte und Gemeinden und in etwa einem Siebtel der Landkreise (sporadisch oder regelmäßig) Gesundheitsberichte erstellt werden, die auch die Situation älterer Menschen erfassen. Notwendig wäre eine möglichst kleinräumige und zielgruppenorientierte Berichterstattung über Gesundheitsrisiken und die spezifischen Versorgungsstrukturen, um vor diesem Informationshintergund die relevanten Settings und entsprechenden Konzepte und Strategien der Gesundheitsförderung und Prävention zu entwickeln. Gerade im Hinblick auf ältere Menschen wäre es wichtig, die Aspekte Altersmorbidität und Pflegebedürftigkeit aufzunehmen. Wie wichtig diese informatorischen Grundlagen sind, müsste noch stärker – über Beispiele sowie über Modellansätze – in die Kommunen hineingetragen werden.

Sehr viel stärker muss es darum gehen, die „Zugangswege“ zur gezielten Ansprache älterer Menschen vor Ort zu identifizieren und zu nutzen. Der Frage, welches die „richtigen“ Settings sind, um ältere Menschen zu erreichen und gezielt ansprechen zu können – dies gilt besonders für bildungsferne/sozial schwache Menschen –,  sollte zunehmend Aufmerksamkeit geschenkt werden. Es ist zu vermuten, dass im Zusammenhang mit älteren/alten Menschen das Setting, Stadtteilt/Quartier eine große Rolle spielen könnte, da vor dem Hintergrund tendenziell geringer werdender Mobilität die unmittelbare Wohnumgebung an Bedeutung gewinnt. Die „eingeführten“ Settings Kindergarten/Kita, Schule und Betrieb verlieren an Bedeutung. Allerdings ist der Stadtteil noch nicht lange als Setting der Gesundheitsförderung im Blick. Daher fehlen hier meist die Erfahrungen – insgesamt und besonders im Hinblick auf die spezifische Zielgruppe der älteren und alten Menschen. (Als ein Beispiel, in dem der Stadtteil die Handlungsebene darstellt, sei hingewiesen auf das Projekt „Gesund älter werden im Stadtteil“ im Rahmen der BKK-Initiative „Mehr Gesundheit für alle“, in Kooperation mit der Landesregierung Nordrhein-Westfalen. Darin werden mit Unterstützung durch die Quartiersmanager bzw. -managerinnen des Bund-Länder-Programms Soziale Stadt älteren und alten Menschen vor allem Bewegungsangebote nahegebracht. Das Modell wird zunächst an zehn Standorten in NRW erprobt. Betriebskrankenkassen habe ihre Unterstützung in einzelnen Stadtteilen zugesichert und Projektpartnerschaften übernommen. Neben vielen positiven Erfahrungen zeigt sich allerdings auch, dass die Ansprache nicht einfach ist und sich vor allem die Menschen motivieren lassen, die ohnehin aktiv sind; www.teamgesundheit.de, 22.1.2007; Soziale Stadt info, Nr. 20, 2007.)

Vor dem Hintergrund der kommunalen Finanzsituation sollten die kommunalen Akteure stärker den Aspekt der möglichen Einsparungen thematisieren, die durch eine rechtzeitige und frühzeitige Gesundheitsförderung und Prävention möglich sind – auch gegenüber politischen Akteuren (im Sinne von Kostenvermeidung, „ambulant vor stationär“, Hinauszögern der Notwendigkeit, Leistungen in Anspruch zu nehmen durch Stärkung der Selbständigkeit, Teilhabe etc.). Dies sollte nicht das leitende Motiv für Aktivitäten und Handlungsfeld sein, stellt jedoch mittel- bis langfristig einen nicht gering zu bewertenden Vorteil von Aktivitäten von Gesundheitsförderung und Prävention dar und könnte gerade auch das Thema der auf ältere Menschen bezogenen Gesundheitsförderung und Prävention befördern. Ein größerer Teil der zu erwartenden Kosten ließe sich durch frühzeitige Gesundheitsförderung und Prävention vermeiden oder zumindest reduzieren.“

Monika Gordes, stellvertretende Geschäftsführerin

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