MITTEILUNGEN 12/2006, Seite 337, Nr. 173

Neue Geschäftsordnung der Landesregierung klärt Fragen der Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände in Rechtsetzungsverfahren


Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg beteiligt seine Mitglieder regelmäßig vor der Abgabe von Stellungnahmen zu Entwürfen vorn Rechtsvorschriften bzw. der Befassung der Verbandsgremien. Daher sollen an dieser Stelle die Rechtsgrundlagen des Beteiligungsfahrens in Erinnerung gerufen werden.

Die Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände an der Rechtssetzung im Land Brandenburg ist in Artikel 97 Abs. 4 Landesverfassung ausdrücklich verankert: „Die Gemeinden und Gemeindeverbände sind in Gestalt ihrer kommunalen Spitzenverbände rechtzeitig zu hören, bevor durch Gesetz oder Rechtsverordnung allgemeine Fragen geregelt werden, die sie unmittelbar berühren.“

Nähere Regelungen trifft § 7 Gemeindeordnung. Dieser bestimmt in Absatz 2: „Die Landesregierung hat die Verbindung zu diesen Vereinigungen zu wahren und bei der Vorbereitung von Gesetzen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften, die unmittelbar die Belange der Gemeinden berühren, mit ihnen zusammenzuwirken.“

Das Landesverfassungsgericht prüft im Rahmen von Kommunalverfassungsbeschwerden regelmäßig, ob die kommunalen Spitzenverbände im Gesetzgebungsverfahren gehört worden sind.

Die nähere Ausgestaltung des Anhörungsverfahrens war in der Vergangenheit nicht selten zwischen der Regierung und den kommunalen Spitzenverbänden umstritten. Dies galt z.B. für die Frage, in welchen Angelegenheiten die Spitzenverbände zu beteiligen waren oder, ob diese Entwürfe von Rechtsvorschriften ihren Mitgliedern im Anhörungsverfahren zugänglich machen durften. Auch war und ist immer wieder eine zu kurze Terminstellung für die Abgabe von Stellungnahmen zu bemängeln.

Im Rahmen der Neufassung der gemeinsamen Geschäftsordnung für die Ministerien des Landes Brandenburg (GGO) hat die Landesgeschäftsstelle das Ministerium des Innern gebeten, Klarstellungen herbeizuführen. Viele der an das Ministerium herangetragenen Punkte sind durch die Neufassung des § 23 GGO und eine neue Richtlinie (Richtlinie für die Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände – nachfolgend „RL“) so umgesetzt worden, dass eine sachgerechtere Beteiligung ermöglicht wird.

Hervorzuheben sind folgende Punkte:

  • Schon vor Erstellen des Entwurfs sollen die kommunalen Spitzenverbände zu den Eckpunkten von       beabsichtigten bedeutsamen Neuregelungen angehört werden (Nr. 1 RL).
  • Ein „unmittelbares Berühren“ der kommunalen Belange ist zum Beispiel regelmäßig bereits dann       anzunehmen, wenn die Regelung von den Kommunen zu vollziehen sind oder Auswirkungen auf die       kommunalen Haushalte haben können (Nr. 2 RL).
  • Sofern eine vertrauliche Behandlung erforderlich ist, muss dies vom Ressort ausdrücklich vermerkt       werden (Nr. 2 RL).
  • Die federführenden Ressorts sollen bei der Übersendung des Entwurfs bereits Aufgaben und        Standards bezeichnen, die von den Gemeinden/Gemeindeverbänden neu oder zusätzlich zu erfüllen        sind. Dabei sollen bereits die Kosten der Ausführung ausdrücklich ausgewiesen werden. Das        Ressort wird auch verpflichtet, in der Begründung zum Entwurf auf das strikte Konnexitätsprinzip        einzugehen (Nr. 3 RL).
  • Den kommunalen Spitzenverbänden wird eine regelmäßige Mindestfrist von einem Monat für eine       Stellungnahme eingeräumt. Begründeten Anträgen für eine Fristverlängerung soll nach Möglichkeit       entsprochen werden. Eine verkürzte Frist ist den Ressorts nur in zu begründenden Ausnahmefällen       gestattet (Nr. 4 RL).
  • Künftig werden die Ressorts verpflichtet, in der Kabinettvorlage den wesentlichen Inhalt der       Stellungnahmen der Spitzenverbände wiederzugeben. Werden von den Spitzenverbänden       Anregungen oder Bedenken geltend gemacht, so ist – anders als nach der bisherigen Praxis – die       Angelegenheit grundsätzlich mit den kommunalen Spitzenverbänden zu erörtern (Nr. 4 RL).
  • Soweit Anregungen und Bedenken im Entwurf keine Berücksichtigung finden, ist dies in der      Kabinettvorlage im Einzelnen darzustellen und zu begründen.
  • Für Entwürfe von Rechtsverordnungen oder Verwaltungsvorschriften, die keiner Kabinettbefassung      bedürfen, gilt das oben gesagte entsprechend (Nr. 6).


Mit der Verabschiedung der neuen GGO hat die Landesregierung das Beteiligungsverfahren der kommunalen Spitzenverbände im Land Brandenburg so ausgestaltet, dass viele der bisherigen offenen Auslegungsfragen einer Lösung zugeführt wurden. Die Regelungen erleichtert es, unter Beteiligung der Mitgliedschaft sachangemessene Stellungnahmen abzugeben und gegensätzliche Auffassungen gegenüber den Ressorts zu vertreten. Die neue Richtlinie trägt daher dazu bei, den Austausch zwischen der Landesgeschäftsstelle und den Mitgliedern zu erleichtern. Es ist davon auszugehen, dass die Zahl der Beteiligungsverfahren - insbesondere zu Verwaltungsvorschriften – weiter zunehmen und ihre Komplexität insgesamt wachsen wird.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den nachfolgenden Auszug aus der – nur im Internet veröffentlichten - Gemeinsamen Geschäftsordnung (GGO) verwiesen.

Auszug aus der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Ministerien des Landes Brandenburg (GGO) vom 8. August 2006 (www.landesrecht.brandenburg.de, vgl. ABl. 2006, S. 566)

                                                                 §23
    Beteiligung außerhalb der Landesregierung stehender Stellen an Gesetzentwürfen

(1) Zu Gesetzentwürfen, die Belange der Gemeinden und Gemeindeverbände unmittelbar berühren, sind die auf Landesebene bestehenden kommunalen Spitzenverbände (Städte- und Gemeindebund Brandenburg, Landkreistag Brandenburg) nach den Bestimmungen der Anlage 11 zu beteiligen.

(2) Die Beteiligung der oder des Landesbeauftragten für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht richtet sich nach dem Brandenburgischen Datenschutzgesetz.

(3) Zu Gesetzentwürfen, die die Stellung und die Aufgaben des Landesrechnungshofes berühren, ist diesem frühzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Dem Senat von Berlin ist frühzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Auswirkungen der vorgesehenen Regelung auf das Land Berlin und die Zusammenarbeit beider Länder zu geben. Anzustreben ist eine möglichst weitgehende Angleichung der rechtlichen Regelungen beider Länder. Anlage 4 Nr. 2 Buchstabe k und Anlage 9a Nr. 2.5 sind zu beachten.

(5) Weitere außerhalb der Landesregierung stehende Stellen können an Gesetzentwürfen beteiligt oder über deren Inhalt unterrichtet werden. Über Art und Umfang der Beteiligung oder Unterrichtung entscheidet das federführende Ministerium.

(6) Bei der Übermittlung an außerhalb der Landesregierung stehende Stellen ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass es sich um einen Gesetzentwurf handelt, der von der Landesregierung noch nicht beschlossen worden ist. Wird ein Gesetzentwurf einer außerhalb der Landesregierung stehenden Stelle zugeleitet, ist er mit Einleitung des formellen Beteiligungsverfahrens den Geschäftsstellen der Fraktionen durch das federführende Ressort zur Kenntnis zu geben. Die Staatskanzlei ist zu unterrichten.

(7) Gesetzentwürfe, die von der Landesregierung beschlossen wurden, sollen in das Intranet der Landesregierung oder in das Internet eingestellt werden. Vor der Beschlussfassung können Gesetzentwürfe durch das federführende Ministerium im Benehmen mit den fachlich betroffenen Ministerien und der Staatskanzlei eingestellt werden.

(8) Soweit ein Gesetzentwurf für die Bestimmung der politischen Richtlinien oder für die Leitung der Geschäfte der Landesregierung von Bedeutung ist, ist die Zustimmung der Ministerpräsidentin oder des Ministerpräsidenten zur Beteiligung beziehungsweise Veröffentlichung einzuholen.

Anlage 11 (zu § 23 Abs. 1)

Richtlinie für die Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände


  1. Über vorbereitende Entwürfe von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Staatsverträge und Verwaltungsvorschriften, durch die Belange der Gemeinden und Gemeindeverbände unmittelbar berührt werden, sind die kommunalen Spitzenverbänden entsprechend Art. 97 Abs. 4 der Landesverfassung sowie § 7 Abs. 2 LKrO und § 7 Abs. 2 GO möglichst frühzeitig zu informieren. Schon vor Erstellen des Entwurfes sollen die kommunalen Spitzenverbände zu den Eckpunkten von beabsichtigten bedeutsamen Neuregelungen angehört werden.
  2. Entwürfe von Gesetzen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften, die kommunale Belange unmittelbar berühren, z.B. von Kommunen zu vollziehen sind oder Auswirkungen auf kommunale Haushalte haben können, werden den kommunalen Spitzenverbänden spätestens zeitgleich mit der formellen Ressortabstimmung (vgl. Nr. 3 Anlage 4 zur GGO) mit der Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme übersandt. Soll der Entwurf vertraulich behandelt werden, ist dies zu vermerken.
  3. Bei Übersendung des Entwurfes bezeichnet das federführende Ministerium Aufgaben und Standards, die die Gemeinden/Gemeindeverbände neu oder zusätzlich zu erfüllen haben. Dabei sind die Kosten der Ausführung des beabsichtigten Gesetzes oder der beabsichtigten Rechtsverordnung, die den Gemeinden/Gemeindeverbänden voraussichtlich entstehen werden, ausdrücklich auszuweisen. Auf Art. 97 Abs. 3 Sätze 2 und 3 der Landesverfassung (striktes Konnexitätsprinzip) ist einzugehen.
  4. Den kommunalen Spitzenverbänden ist entsprechend der Bedeutung und Komplexität der Angelegenheit für die Kommunen eine ausreichende Frist zur Stellungnahme zu gewähren, die einen Monat nicht unterschreiten soll. Begründeten Anträgen auf Verlängerung der Frist soll nach Möglichkeit entsprochen werden. In besonderen Ausnahmefällen kann im Benehmen mit den kommunalen Spitzenverbänden die Frist verkürzt werden. Werden Anregungen oder Bedenken von den kommunalen Spitzenverbänden geltend gemacht, so ist grundsätzlich die Angelegenheit mit ihnen zu erörtern.
  5. In der Kabinettvorlage ist der wesentliche Inhalt der Stellungnahmen der kommunalen Spitzenverbände wiederzugeben. Soweit die Anregungen und Bedenken keine Berücksichtigung finden, ist dies im Einzelnen darzustellen und zu begründen.
  6. Für Entwürfe von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften, die keiner Kabinettbefassung bedürfen, gelten die Nummern 1 bis 4 entsprechend. In dem Vorlagevermerk an die Ministerin oder den Minister ist der wesentliche Inhalt der Stellungnahmen der kommunalen Spitzenverbände wiederzugeben. Soweit die Anregungen und Bedenken keine Berücksichtigung finden, ist dies im Einzelnen darzustellen und zu begründen.


Jens Graf, Referent

Az: 008-04

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