Mitteilungen 12/2007, Seite 417, Nr. 238

 

"Der herausgehobene Stellenwert kommunaler Wirtschaftsbetätigung in den neuen Ländern – Belastung durch falsche Rahmensetzungen?“

Nachfolgend veröffentlichen wir den Vortrag von Geschäftsführer Karl-Ludwig Böttcher zum oben genannten Thema auf der Veranstaltung „Regulierung und kommunale Energieversorgung in Ostdeutschland“, welche das Verbundnetz für kommunale Energie in Zusammenarbeit mit dem Städte- und Gemeindebund Brandenburg  und dem Verband Kommunaler Unternehmen Berlin-Brandenburg am 20. November 2007 in der Landeshauptstadt Potsdam durchführte (vgl. auch nachfolgenden Abdruck einer auszugsweisen Pressemitteilung des VfkE):

„Anrede …

Für den Städte- und Gemeindebund Brandenburg darf ich Sie sehr herzlich zur 2. Veranstaltung zum Thema „Wirtschaftliche Betätigung der Kommunen in Ostdeutschland“ in der Landeshauptstadt Potsdam begrüßen. Dieses erfolgt auch im Namen der anderen ostdeutschen kommunalen Spitzenverbände der Städte, Gemeinden und Ämter, mit denen wir uns in Vorbereitung der Veranstaltung gemeinsam abgestimmt haben.
Eingangs darf ich auch darauf verweisen, dass wir in der vorjährigen Veranstaltung die mittlerweile viel beachtete Studie des Kommunalwissenschaftlichen Instituts der Universität Potsdam zum Stellenwert der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen in den neuen Ländern vorstellen konnten. Ich freue mich insbesondere auch, dass wir zur heutigen Veranstaltung Herrn Matthias Kurth, den Präsidenten der Bundesnetzagentur, hier zu Gast haben, um mit ihm über Ziele und Wirkungen der staatlichen Regulierungen im Energiebereich diskutieren zu können.

Festzustellen ist in den letzten Wochen und Monaten, dass die Diskussion um Strompreise allerorten geführt wird, allerdings stellt sich für mich oft die Frage, ob dieses eher eine Modeerscheinung oder Notwendigkeit darstellt – ich meine, beides ist wohl richtig. Die steigenden Energiepreise begegnen uns tagtäglich – auch als Abnehmer. Allerdings muss man ehrlicherweise konstatieren, dass die Energiepreise, bringt man die Steuern und Abgaben in Abzug, quasi Netto niedriger wären, als im Jahre 1998, vor Beginn der so genannten Liberalisierung.
Ich will nicht verhehlen, dass ich es für eine Illusion und falsche Versprechungen der Bundes- und Landespolitik halte, dass es durch Netz- und die ab 2009 greifende so genannte Anreizregulierung zu nennenswerter Verringerung der Strompreise führen wird.
Dieses belegt auch der jüngst vorgelegte so genannte Energiemonitoringbericht 2007, der, trotz sinkender Netzentgelte, eine Zunahme bei den Strompreisen durchschnittlich um 6 % und bei den Gaspreisen von durchschnittlich 1,8 % konstatiert (vgl. nachfolgenden Artikel, d. Verf.).
Es greift also im Wesentlichen die alte Marktwirtschaftslehre, das Angebot und Nachfrage der Energieressourcen, gerade vor dem Hintergrund der Globalisierung der Weltwirtschaft, und natürlich auch die Staatssteuern von knapp 40 % die Preise im Wesentlichen bestimmen. Auch letzteres bedarf einer differenzierten Betrachtungsweise, werden doch die Staatssteuern von genau den Politikern festgelegt, die andererseits die Energieunternehmen, so auch die kommunalen Stadtwerke, durch die Netz- und Anreizregulierung zu Strompreisverringerungen veranlassen wollen. Eines besonderen Blickes bedarf es hierbei auch, dass das in der Luftfahrt eingesetzte Kerosin nach wie vor der Steuerfreiheit unterliegt und damit auch dazu beitragen dürfte, dass in diesem Wirtschaftszweig Billigangebote wie Pilze aus dem Boden schießen, deren ökonomische und ökologische Sinnhaftigkeit durchaus hinterfragt werden darf.
Insofern darf ich auch auf die Forderung des Hessischen Wirtschaftsministers Dr. Alois Rhiel verweisen, der eine Halbierung der Stromsteuer gefordert hat.

Einer weiteren Betrachtung bedarf es hinsichtlich der Strompreise dahingehend, dass der Einsatz regenerativer Energien bundesweit mehr als verdoppelt werden soll. Ein vernünftiger Energiemix und Alternativen zu Importenergien sind sicherlich richtig, allerdings vermisse ich bei diesen Forderungen die gleichzeitige Botschaft an die Öffentlichkeit, dass regenerative Energien den Strompreis für alle Energieunternehmen, so auch der kommunalen Stadtwerke und der Flächenversorger deutlich in die Höhe treiben, da mit den Strompreisen aus herkömmlichen Energiequellen die höheren Kosten der regenerativen Energien subventioniert werden, so auch bei den Stadtwerken und deren Kunden, unseren Bürgern, die diese Strompreisbelastungen mitzutragen haben.

Bei der Betrachtungsweise für die neuen Länder, so auch in Brandenburg, ist festzustellen, dass wir schon jetzt einen fast doppelt so hohen Anteil an erneuerbarer Energieerzeugung zu verzeichnen haben, wie es das bundesweite Ziel von Umweltminister Siegmar Gabriel verlangt. Man spricht ja nicht umsonst auch schon von der „ostdeutschen Windspargellandschaft“. Hinzu kommt, dass sich die Windenergieanlagen, aber zunehmend auch die großen Fotovoltaikanlagen, in Gegenden befinden, die die dünnste Bevölkerungs- und damit auch Kundenstruktur aufweisen. Letztlich müssen die so erzeugten Energiemengen über lange Leitungswege zu den Kunden gebracht werden – dass das hohe Investitions- und Energietransportkosten bedeutet, liegt auf der Hand. Auch auf die damit zusammenhängenden hohen Flächen- und übrigen Ressourcenverbräuche muss verwiesen werden. Darüber hinaus besteht eine Anschlusspflicht für die Energieversorgungsunternehmen, der sie sich auch kaum mit dem Hinweis der unangemessenen Kostenbelastungen entziehen können – also auch Bedingungen, die bei jedweder Regulierung intensiver zu berücksichtigen sind.
Ich gestatte mir in diesem Zusammenhang auch noch eine persönliche Sichtweise bezogen auf die zunehmend geplanten oder bereits im Einsatz befindlichen Biomasseanlagen. Nach meiner Kenntnis werden in diesen Energieerzeugungsanlagen überwiegend pflanzliche Ressourcen, so Mais, Getreide und Holz, zum Einsatz gebracht. Wieso dieses eigentlich regenerative Energieressourcen sind, erschließt sich mir persönlich nicht – für mich ist das eher ganz junge „Braunkohle“, dieses ist doch wohl gerade für Holz offenkundig. Ein Forstwirt dürfte doch wohl kaum noch erleben, dass die nächste Generation von Bäumen noch durch ihn verwertet werden kann. Sorge macht eher, dass schon jetzt Auswirkungen auf die Verknappung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und damit einhergehende deutliche Preiserhöhungen zu verzeichnen sind.
Doch zurück zur Regulierung. Jüngst war den Medien zu entnehmen, dass der bereits genannte hessische Wirtschaftsminister Dr. Alois Rhiel vor wenigen Tagen in Berlin einen Gesetzentwurf zur Erweiterung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vorgestellt hat (siehe nachfolgenden Artikel, d. Verf.). Rhiel sieht die Notwendigkeit für einen Marktstruktureingriff vor allem im Stromerzeugungsbereich, wo überwiegend vier Energiekonzerne rund 80 % des Stroms erzeugen. Der Angriff auf Monopolstrukturen mag richtig sein, allein stellt sich auch hier die Frage, ob der berechtigte Ruf nach höheren Stromerzeugungskapazitäten, nämlich rund 70 Kraftwerksparks, in absehbarer Zeit von anderen Unternehmen überhaupt finanzier- und leistbar ist. Zweifel daran äußerte wohl in den letzten Tagen auch der Präsident des Bundeskartellamtes, Dr. Bernhard Heitzer.

In der ersten so genannten Regulierungswelle ist es im Ergebnis zu einer verordneten Reduzierung der Netzentgelte von durchschnittlich knapp unter 15 % gekommen, allerdings ohne das es, wie von Herrn Präsidenten Kurth bestätigt, zu einer Reduzierung der Strompreise führte. Nunmehr liegen erste Informationen vor, dass bei der zweiten Welle der Netzentgeltanträge zu bis zu 40 % so genannter nicht anerkannter Kosten für die Unternehmen kommt. Sie, Herr Präsident Kurth, haben das damit begründet, dass die Energieversorgungsunternehmen hier offensichtlich Kosten „nachgeschoben“ hätten, die ihnen in der ersten Runde nicht anerkannt wurden. Ob das so ist, mag ich nicht beurteilen. Ein anderer Gesichtspunkt ist mir, aber offenbar auch anderen, aufgefallen:
Offensichtlich bestehen Differenzen hinsichtlich der Bewertungsverfahren für Abschreibungen und Eigenkapitalzinsen, so insbesondere für die ostdeutschen Energieversorgungsunternehmen und auch unsere kommunalen Stadtwerke. Offenbar legen die Preisbewilligungsbehörden der neuen Länder hier andere Maßstäbe an, als die Bundesnetzagentur. Ich verweise insofern auf ein Schreiben des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft vom 19. November 2007 an die Bundesnetzagentur. Diese differenten Bewertungskriterien gilt es, aufzuklären.
Auch ein weiterer Regulierungsansatz berücksichtigt u.E. die besonderen Versorgung- und Kundenstrukturen in den neuen Ländern nur unzureichend. Ich meine, die Orientierung an den so genannten „Klassenbesten“. Nicht immer heißt „Vom Besten lernen, heißt siegen lernen“, dass hat die Geschichte verschiedentlich bewiesen. Unterschiedliche strukturelle Bedingungen müssen auch unterschiedlichen Bewertungen zugänglich sein. Dieses gerade in den dünn besiedelten neuen Ländern, noch dazu mit, leider, geringen Industriestrukturen.
In diesem Zusammenhang gestatte ich mir, auf die Ausführungen einzugehen, nach 17 Jahren Deutscher Einheit bestünden keine Unterschiede mehr zwischen Ost und West, so u.a. Staatssekretär Krüger. Aus meiner Sicht ist sicherlich richtig, dass ähnliche Strukturprobleme, wie wir sie beschreiben, auch in strukturschwachen Regionen der alten Länder bestehen und auch zunehmen. Dieses betrifft sicher auch den demografischen Wandel - allerdings in völlig anderen Dimensionen! Mir sind keine Städte und Gemeinden in Westdeutschland bekannt, die, so wie die Städte Schwedt und Eisenhüttenstadt oder auch Hoyerswerda, in wenig mehr als 10 Jahren 30 % Bevölkerungsverluste und zusätzliches Wegbrechen ganzer Industriestandorte in mikroskopisch kurzer Zeit zu erdulden hatten. Ich denke, nachfolgende Vorträge, so des Vorsitzenden der Landesgruppe Berlin-Brandenburg des Verbandes kommunaler Unternehmen Helmut Preuße, werden dieses noch nachhaltig belegen.

Kommunale Unternehmen sind aber, und das leider zunehmend, immer wieder Beschränkungen ausgesetzt, obwohl andererseits die Forderungen erhoben werden, sie müssten sich dem Wettbewerb stellen. Ich meine hier, und auch gerade zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Brandenburg, die Beschränkungen für die kommunalen Wirtschaftsunternehmen durch die Gemeindeordnungen.
Jüngst wurde in Brandenburg das so genannte Kommunalrechtsreformgesetz, also eine einheitliche Kommunalverfassung, als Entwurf in den Landtag eingebracht. Dieser Gesetzentwurf enthält wiederum beschränkende Regelungen für unsere kommunalen Unternehmen, die einer dringenden Abänderung bedürfen.
Wenn auch das Klagerecht privater Dritter gegen die wirtschaftliche Betätigung der Kommune nicht mehr im Gesetzeswortlaut, sondern „nur noch“ im vorangestellten Begründungstext zu finden ist, ist die Gefahr bei weitem nicht gebannt. Wenn durch verschiedene Politiker immer wieder argumentiert wird, die Kommunen hätten ja mit ihren wirtschaftlichen Unternehmen selbst eine Monopolstellung, die es zu brechen gelte, so ist dies schlichtweg falsch. Schon heute können z. B. private Energieversorgungsunternehmen ungebremst im Versorgungsbereich der Stadtwerke ihre Stromprodukte und zukünftig auch Gas anbieten. Im Gegenzug ist dieses den kommunalen Unternehmen jedoch untersagt – Wettbewerb? Auch das strikte Örtlichkeitsprinzip ist nur relativ geringfügig, und zwar auch nur für den Energiebereich, nicht aber für übrige wirtschaftliche Betätigungen, geöffnet worden. Und das, obwohl gleichzeitig, auch im Zusammenhang mit der demografischen Entwicklung, auf verstärkte interkommunale Kooperationen gesetzt wird. Gleiches betrifft auch die so genannte Annextätigkeit, d.h. Nebentätigkeiten.
Die Kommunen sollen darüber hinaus angehalten werden, zyklisch ihre Beteiligungen offen zu legen und anzupassen. Dieses würde bedeuten, dass die Beteiligung privater Dritter, so auch die immer wieder geforderten Öffentlich-Privaten Partnerschaften, ständigen Veränderungen unterzogen würden. Wie das zu vereinbaren wäre, bestehende, und zwar langfristige, Vertragsbeziehungen einseitig immer wieder verändern zu müssen, bleibt ein Rätsel und würde letztendlich immer zu Lasten der Kommunen und ihrer Unternehmen gehen.

Mehr Wettbewerb kann für kommunale Unternehmen also nur heißen: gleiches Recht und gleiche Bedingungen für alle, so auch für kommunale Stadtwerke. In diesem Zusammenhang darf ich Herrn Kurth zitieren, den Stadtwerken stünde es frei, eine höhere Effizienz durch Kundenhinzugewinnung zu erreichen. Wie das gelingen soll, wenn kommunale Unternehmen quasi zu einem 100m-Lauf mit einer Kugel am Bein antreten müssen, bleibt im Verborgenen, denn sie dürfen nur die Bürger im Stadtgebiet versorgen – und die werden weniger!

Gestatten Sie mir auch eine kurze Bemerkung zum Redebeitrag der Vertreterin des Bundeswirtschaftsministeriums, Frau Dr. Mühl. Das von Ihnen vorgestellte, noch beabsichtigte neue Regelungsdickicht für die Energiewirtschaft passt doch wohl mitnichten in die politischen Erklärungen, auch der Bundespolitik, zum Abbau überbordender Bürokratie!

Im Fazit darf ich feststellen, Regulierung ist richtig – aber so viel wie nötig und nicht, so viel wie möglich. Und die Kriterien müssen den objektiven örtlichen Voraussetzungen entsprechen, um unseren kommunalen Unternehmen tatsächlich das Überleben und die Wertschöpfung für Kommunen und örtlicher Wirtschaft zu ermöglichen!"

Karl-Ludwig Böttcher
Geschäftsführer

 

Regulierung berücksichtigt ostdeutsche Realitäten nicht ausreichend / Negative Auswirkungen für die Kommunen absehbar

Potsdam, 20. November 2007: Über das Thema „Regulierung und kommunale Energieversorgung“ diskutierten am 20. November in Potsdam 150 Kommunalpolitiker, Vorstände und Geschäftsführer kommunaler Unternehmen auf Einladung des „Verbundnetz für kommunale Energie“ (VfkE) mit namhaften Repräsentanten aus der Bundes- und Landespolitik. Die Veranstaltung war im Jahr 2007 das bisher umfassendste Diskussionsforum zu kommunalwirtschaftlichen Themen in Ostdeutschland.
Hauptredner war Matthias Kurth, Präsident der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation und Eisenbahnen. In seinem Vortrag ging er vor allem auf die Auswirkungen der geplanten Anreizregulierung der Strom- und Gasnetze auf kommunale Versorger ein. Dabei unterstrich er, dass mehr Wettbewerb im Energiemarkt den Stadtwerken auch Chancen biete.

Im Vorfeld der Veranstaltung hatten die ostdeutschen Spitzenverbände der Städte und Gemeinden, die ostdeutschen Landesgruppen des Verbandes kommunaler Unternehmen und das VfkE ein Diskussionspapier erarbeitet.

Dort wird nachgewiesen, dass wesentliche strukturelle Besonderheiten in den ostdeutschen Bundesländern von der Verordnung zur Anreizregulierung – sie ist seit dem 21. September 2007 in Kraft – nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Das Fazit lautet: „Bei zentralen Punkten dieser Verordnung besteht schon kurz nach ihrer Verabschiedung Änderungsbedarf, um erhebliche Nachteile von ostdeutschen Städten und deren Stadtwerken abzuwenden.“  

In seinem Redebeitrag bezeichnete es der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Karl-Ludwig Böttcher, als eine Illusion, wenn Bundes- und Landespolitik den Bürgern vorgaukeln würden, dass die Netz- und die neue Anreizregulierung zu einer nennenswerten Verringerung der Energiepreise führen würden. Es sei der falsche Weg, Versorgungssicherheit zu fordern und gleichzeitig die Investitionsmöglichkeiten der Unternehmen für die Zukunft einzuschränken, kritisierte Böttcher und wies auf höhere Kostenbelastungen für die kommunalen Energieunternehmen und damit auch die Bürger hin.

Der Vorsitzende der Landesgruppe Berlin-Brandenburg des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), Helmut Preuße, benannte erhebliche strukturelle Unterschiede zwischen kommunalen Energieversorgern in den alten und neuen Ländern. Im Osten seien die nicht beeinflussbaren Kosten deutlich höher, die Verbräuche in Relation dazu wesentlich niedriger. Aspekte seien die demographische Entwicklung, das weitgehende Fehlen großer Industriekunden und die Belastungen durch die Abschreibungen für die riesigen Investitionen nach der Wende. Dies sei in der bundesweit einheitlichen Verordnung zur Anreizregulierung nicht beachtet worden.

Dr. Dorothee Mühl vom Bundeswirtschaftsministerium argumentierte, dass sich ihr Haus im Verordnungsverfahren intensiv dafür eingesetzt habe, das gerade kleine wie mittlere Netzbetreiber nicht überfordert würden und genügend Spielraum für Investitionen bleibe.

Dr. Wolfgang Krüger, Staatsekretär im Ministerium für Wirtschaft des Landes Brandenburg, zeigte sich „überzeugt, dass mit der vorliegenden Verordnung zur Anreizregulierung ein nutzbringender Kompromiss gelungen ist zwischen den Interessen der Netzbetreiber einerseits, und dem Ziel einer preisgünstigen, effizienten und sicheren Gas- und Stromversorgung andererseits.“

Sein Kollege Thomas Pleye, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit des Landes Sachsen-Anhalt ging auf die Meinungsunterschiede ein, die auch nach Inkrafttreten der Verordnung fortbestehen: „Die Thematik Regulierung und kommunale Energieversorgung wird derzeit kontrovers diskutiert. Ich erwarte deshalb auch für die Potsdamer Veranstaltung eine Gesprächsrunde auf höchstem Niveau, die das Spannungsfeld zwischen der Forderung nach vertretbaren Energiekosten und der Existenzsicherung für kommunale Unternehmen beleuchtet.“ Der Staatssekretär würdigte, dass es dem „Verbundnetz für kommunale Energie“  einmal mehr gelungen sei, eine hochkarätige Veranstaltung zu organisieren.

Die Teilnehmer der Potsdamer Veranstaltung diskutierten auch Wege zur Erhöhung der Effizienz. Ein wichtiges Instrument dafür seien interkommunale Kooperationen sowie die Zusammenarbeit bei energienahen Dienstleistungen. Mit diesem Thema befasste sich auch Dr. Gerhard Holtmeier, Vorstand der VNG – Verbundnetz Gas AG aus Leipzig. Er verwies darauf, das die VNG als international tätiger Importeur von Erdgas -  in Deutschland rangiere das Unternehmen hier an Nr. 3 – gerade auch seinen kommunalen Kunden, in erster Linie seien das die Stadtwerke, Leistungen anbiete, die diese selbst nicht oder nur mit erheblichem Aufwand übernehmen könnten. Dies könne ein Beitrag zur Kostensenkung sein.   

Weitgehende Übereinstimmung bestand dazu, dass die Politik bei ihren Rahmensetzungen nicht nur bei der Anreizregulierung, sondern auch in vielen anderen Bereichen, die strukturellen Besonderheiten der neuen Länder nicht ausreichend berücksichtige.
Die Anwendung des Prinzips „gleiches Recht für alle“ führe beim Vorhandensein objektiver und qualitativer Unterschiede aber zu erheblichen Ungerechtigkeiten.

Die Verordnung zur Anreizregulierung führe bei vielen ostdeutschen kommunalen Unternehmen unverschuldet zu Ertragsminderungen. Allgemein anerkannte Vorleistungen bei Investitionen und der Steigerung der betrieblichen Effizienz würden nur unzureichend berücksichtigt.
Diese Ertragsminderungen, so stellte Hubert Handke, Bürgermeister der Stadt Bernau und Mitglied der Koordinierungsgruppe des „Verbundnetz für kommunale Energie“ (VfkE) fest, hätten in Ostdeutschland nicht nur eine betriebswirtschaftliche, sondern auch eine gesellschaftspolitische Dimension. Kommunale Haushalte in Ostdeutschland würden im Durchschnitt nur zu knapp 40 Prozent aus eigenen Einnahmen gespeist. Die Zahlungen der Länder – zum erheblichen Teil gespeist aus Transferleistungen -  betrügen über 60 Prozent. In Westdeutschland sei der Eigenanteil der Kommunen mit durchschnittlich 70 Prozent fast doppelt so hoch. Bei den Steuereinnahmen sei es genau umgekehrt. Hier liege das Pro-Kopf-Aufkommen in Westdeutschland doppelt so hoch wie in den neuen Ländern.
Handke wies darauf hin, dass geringere Erträge die bereits jetzt ungenügende kommunale Haushaltsausstattung weiter verschlechtern würden. Da sich die externen Zuführungen z. B. im Zusammenhang mit dem Auslaufen des Solidarpaktes II ebenfalls reduzieren würden, sei eine Gefährdung der kommunalen Aufgabenerfüllung absehbar.
Der Bürgermeister wies darauf hin, dass es immer wichtiger werde, die kommunalen Auffassungen zu bündeln, um auf die besondere Situation in Ostdeutschland aufmerksam zu machen. Für das Thema Anreizregulierung und die spezifischen Auswirkungen auf kommunale Energieversorger in Ostdeutschland sei es erfreulicherweise gelungen, die Standpunkte aller wichtigen Protagonisten auf  kommunaler und kommunalwirtschaftlicher Ebene der neuen Länder in einem gemeinsamen Papier zu bündeln.
Die Anwesenheit des Präsidenten der Bundesnetzagentur sowie von weiteren hochrangigen Vertretern des Bundes und der Länder bei der Veranstaltung zeige, dass es richtig sei, konzertiert auf spezifische Probleme gerade der Kommunen in Ostdeutschland hinzuweisen und man dabei auch Gehör finde, wertete Handke.
Im Ergebnis der Konferenz in Potsdam wird die Koordinierungsgruppe des „Verbundnetz für kommunale Energie das gemeinsame Diskussionspapier an die politischen Entscheidungsträger übermitteln.
Darüber hinaus soll der Dialog mit der Politik intensiviert werden. Vorgesehen ist die regelmäßige – mindestens einmal jährlich - Bestandsaufnahme der Ergebnisse der Regulierung aus ostdeutscher Sicht durch die am Thesenpapier beteiligten ostdeutschen Spitzenverbände der Städte und Gemeinden, die ostdeutschen Landesgruppen des VKU und das „Verbundnetz für kommunale Energie“. Dabei sollen vor allem die Ergebnisse und Auswirkungen der Regulierung für die ostdeutschen Kommunen und deren Unternehmen analysiert werden. Zugleich wird man sich weiter dafür engagieren, die berechtigten Forderungen nach einer differenzierten, den ostdeutschen Realitäten Rechnung tragenden Regulierung durchzusetzen.

(Quelle: VfkE)

Az: 805-00