Städte- und Gemeindebund und Kommunaler Arbeitgeberverband zum "Länderreport" der Bertelsmann-Stiftung:
Landesregierung muss sich in der Kita-Finanzierung stärker engagieren!
(01.07.2009)
(Potsdam)
"Wir bewegen uns in einer Finanzierungsgemeinschaft, in der die Gewichte aus dem Lot geraten sind. Wenn wir die anstehenden Herausforderungen in der Kindertagesbetreuung erfolgreich anpacken wollen, brauchen wir eine deutliche Erhöhung des Landesanteils an der Kita-Finanzierung", erklärten Karl-Ludwig Böttcher, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg, und Klaus-Dieter Klapproth, Geschäftsführer des Kommunalen Arbeitgeberverbandes, anlässlich der Veröffentlichung des "Ländermonitors Frühkindliche Bildungssysteme 2009".
Laut Studie tragen die brandenburgischen Kommunen mit 58,0 Prozent den Löwenanteil an der Kita-Finanzierung im Land Brandenburg. Das ist der zweithöchste kommunale Finanzierungsanteil bundesweit und der höchste in den neuen Ländern. Das Land investiert indes lediglich 22,3 Prozent. „Damit rangiert das Land im Bundesländervergleich auf dem drittletzten Platz und ist Schlusslicht unter den neuen Ländern“, stellt Böttcher fest.
Es spricht für das hohe Engagement der Kommunen, dass durch sozialverträgliche Staffelung der Elternbeiträge der Finanzierungsanteil der Eltern in Brandenburg gleichwohl mit nur 17,5 Prozent auf niedrigem Niveau gehalten wurde - bundesweit der fünftniedrigste.
Die Befunde der Studie machen deutlich: In der aktuellen Debatte um Verbesserung der Rahmenbedingungen in der Kindertagesbetreuung ist die dauernde politische Agitation gegenüber den Kommunen fehl am Platz. Die Städte, Gemeinden und Ämter haben sich in den zurückliegenden Jahren den gewandelten Anforderungen und den neuen Aufgaben in der Kindertagesbetreuung offensiv gestellt und sind finanziell erheblich in Vorleistung gegangen.
Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg weist seit Novellierung des Kita-Gesetzes im Jahre 2007 auf die Unterfinanzierung der Neuregelungen und die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit hin. Zwei Jahre später manifestiert sich: Individuelle Förderung, Bildungsarbeit, Qualitätsentwicklung, Sprachförderung, Entwicklungsdokumentationen und Elternarbeit bedürfen entsprechender Rahmenbedingungen. „Die Forderungen von Eltern und Erzieherinnen hinsichtlich des Personalschlüssels im Zuge der Kita-Kampagne der Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege sind Reflexe auf die Versäumnisse der Landespolitik.“, so Böttcher und Klapproth.
Um die Kita-Landschaft in Brandenburg quantitativ und qualitativ ausbauen zu können, brauchen die Kommunen das Land als ebenbürtigen Partner in der Finanzierung. "Nur wenn das Land in Sachen Kita-Finanzierung aus der Defensive kommt, werden wir in der Lage sein, über fachliche Ansprüche offensiv und realistisch zu diskutieren. Die Belastungsgrenze der Kommunen ist erreicht.", betonte Böttcher.
Böttcher erteilte "Wahlversprechen mit kommunalem Geld" eine Absage: Es wird höchste Zeit, dass das Land die Betriebskostenzuschüsse des Bundes zur Gewährleistung des Rechtsanspruches für unter 3-Jährige an die Kommunen weiterleite. Seit Monaten weigere sich die Landesregierung, die Mittel weiterzugeben. Das gefährde den Ausbau und die dauerhafte Unterhaltung der dringend benötigten Betreuungsplätze, lautet die Kritik der kommunalen Verbände.
Der Bund hat folgende Beträge bereitgestellt: 3 Mio. € im Jahr 2009, 6 Mio. € ab 2010, 10,5 Mio. € ab 2011, 15 Mio. € ab 2012, 21 Mio. € ab 2013 und 23,2 Mio. € ab 2014 jährlich. Die Länder, so auch Brandenburg, verpflichteten sich, die Betriebskostenzuschüsse "tatsächlich und zusätzlich den Kommunen zur Verfügung" zu stellen.
Brandenburg hat infolge des Rechtsanspruches einen signifikanten quantitativen Ausbaubedarf. Erste Bedarfsprognosen gehen von einem Anstieg der Betreuungsquote von derzeit 43,4 auf bis zu 60 Prozent aus. Böttcher forderte, die demografische Entwicklung und den damit verbundenen differenzierten Ausbaubedarf anzuerkennen: „Es nützt den Eltern in Städten wie Potsdam, Falkensee oder Stahnsdorf nichts, wenn anderenorts in Brandenburg Kapazitäten frei werden.“
Sofern mit Blick auf die Landtagswahl am 27.09.2009 eine Verbesserung des Personalschlüssels in Aussicht gestellt wird, so erwarten die Kommunen ein Bekenntnis der Landespolitik, dass das Land die hierfür erforderlichen Mittel „aus eigener Kraft“ bereitstellt. Eine Fremdverwendung der Betriebskostenzuschüsse des Bundes wird abgelehnt: "Das ist kommunales Geld, das bereits politisch gebunden worden ist." so Böttcher abschließend.
Der Kommunale Arbeitgeberverband Brandenburg weist darauf hin, dass das Land bei der dringend nötigen Verbesserung des Personalschlüssels beachten müsse, woher das hierfür erforderliche Fachpersonal kommen soll. Bei allen Qualitätsansprüchen müsse es künftig unter Anrechnung auf den Personalschlüssel möglich sein, für bestimmte Servicetätigkeiten in den Kitas oder zur Betreuung in Randzeiten auch auf Personal zurückgreifen zu können, das nicht die hohen Qualifikationsansprüche der Kita-Personalverordnung erfülle.
Hierzu Geschäftsführer Klapproth: "In den nächsten Jahren vollzieht sich in den Kindertagesstätten ein Generationswechsel. Nach unseren Erhebungen wird trotz steigender Ausbildungsangebote schon in naher Zukunft objektiv nicht mehr genügend Fachpersonal zur Verfügung stehen. Wir werden es uns nicht mehr leisten können, dass gut ausgebildete, staatlich anerkannte Pädagogen Windeln wechseln."
Anlage:
Beschluss des Präsidiums des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg vom 15.12.2008
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Ansprechpartner:
Herr Geschäftsführer Karl-Ludwig Böttcher, Städte- und Gemeindebund Brandenburg, Stephensonstrasse 4, 14482 Potsdam, Tel.: 0331-74351-0, Fax.: 0331-74351-33, mail@, stgb-brandenburg.dewww.stgb-brandenburg.de
Herr Verbandsgeschäftsführer Klaus-Dieter Klapproth, Kommunaler Arbeitgeberverband (KAV) Brandenburg e.V. Stephensonstr. 4a, 14482 Potsdam, Tel.: 0331-74718-0, Fax: 0331-74718-30, mail@, kav-brandenburg.dewww.kav-Brandenburg.de
Beschluss des Präsidiums des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg vom 15.12.2008
Das Präsidium
1. anerkennt, dass sich der Bund am Ausbau der Betreuungsangebote für unterdreijährige Kinder mit 4 Milliarden Euro bis 2013 sowie ab 2014 dauerhaft an den Betriebskosten mit 770 Millionen Euro beteiligen wird.
2. betont, dass die neuen Leistungsverpflichtungen im Kinderförderungsgesetz, insbesondere die Erweiterung der Förderverpflichtungen ab 2009 sowie die Verankerung des Rechtsanspruches für einjährige Kinder ab 2013, einer landesrechtlichen Umsetzung bedürfen, da der Bund nach der Föderalismusreform I die Kommunen direkt nicht mehr verpflichten kann.
3. fordert das Land Brandenburg auf, die aus Art. 97 Landesverfassung in Verbindung mit § 69 Abs. 1 SGB VIII und Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG resultierende Finanzverantwortung wahrzunehmen und die für die Umsetzung des Kinderförderungsgesetzes erforderlichen Mittel den Kommunen zur Verfügung zu stellen.
4. fordert die Landesregierung insbesondere dazu auf, den Bedarf an zusätzlichen Betreuungsangeboten – infolge der erweiterten Bedarfskriterien ab 2009 und der Verankerung des Rechtsanspruches ab 2013 – und die damit verbundenen Kosten unter Berücksichtigung der tatsächlichen Betreuungsstruktur in Brandenburg sowie den Anforderungen des Wunsch- und Wahlrechtes (§ 5 SGB VIII) der Eltern zu ermitteln.
5. mahnt die Einhaltung des Beschlusses der Bund-Länder-Arbeitsgruppe vom 28.08.2007 an. Danach sind die Länder verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel auch tatsächlich und zusätzlich den Kommunen zur Verfügung gestellt werden. Die Landesregierung wird aufgefordert, durch Anpassung der Landeszuschuss-Anpassungsverordnung (LaZAV) die Betriebskostenzuschüsse des Bundes an die Kommunen weiterzuleiten (3 Mio. € in 2009, 6 Mio. € in 2010, 10,5 Mio. € in 2011, 15 Mio. € in 2012, 21 Mio. € in 2013 und 23,2 Mio. € jährlich ab 2014).
6. lehnt eine anderweitige Verwendung der vom Bund bereitgestellten Betriebskostenzuschüsse als zweck- und rechtswidrig strikt ab.
7. hält die Verbesserung der personellen Rahmenbedingungen (u.a. des Personalschlüssels) in den Einrichtungen der Kindertagesbetreuung in Brandenburg für erstrebenswert und ermutigt die Landespolitik zu entsprechenden Maßnahmen unter Berücksichtigung des strikten Konnexitätsprinzips gemäß Art. 97 LV.
8. fordert unter Hinweis auf den stetig gesunkenen Landesanteil an den Gesamtausgaben der Kindertagesbetreuung (vgl. Bericht des Ministerium des Innern vom 26.01.2007) sowie die sich ein Jahr nach der Novellierung des Kindertagesstättengesetzes manifestierende, erhebliche Unterfinanzierung der neu eingeführten Aufgaben (u.a. Bestandschutz, Sprachstandsfeststellung und -förderung, Entwicklungsdokumentationen, Anwendung der Grundsätze elementarer Bildung) eine dem Stellenwert der Kindertagesbetreuung angemessene Finanzverantwortung des Landes.