Mitteilungen 01-02/2013, Seite 38, Nr. 25
OLG Hamm: Konzessionsvergabe für Wasserversorgung ist kein öffentlicher Auftrag
Das Oberlandesgericht Hamm hat mit Urteil vom 26. September 2012 (12 U 142/12) festgestellt, dass die Konzessionsvergabe für öffentliche Versorgungsleistungen wie die Wasserversorgung aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags erfolgt. Es handelt sich daher nicht um einen öffentlichen Auftrag, der der vergaberechtlichen Nachprüfung unterliegt.
Im Rahmen der einzelfallbezogenen Interessenabwägung, die vorzunehmen sei, könnten überwiegende Belange der Beteiligten oder der Allgemeinheit – wie die Wasserversorgung – einer vorläufigen Untersagung der Konzessionsvergabe entgegenstehen.
Im zugrunde liegenden Sachverhalt hatte ein Unternehmen geklagt, das in einem Teil der beklagten Gemeinde sowie in einer weiteren Gemeinde ein Trinkwasser-, Strom- und Gasnetz betreibt. Grundlage war ein zwischen den Parteien im Jahr 1982 geschlossener Konzessionsvertrag über die Wasserversorgung von drei Ortsteilen. Der Vertrag wurde für den Zeitraum bis zum 30. September 2011 geschlossen und sah eine Verlängerung um jeweils zehn Jahre vor, wenn er nicht spätestens zwei Jahre vor seinem jeweiligen Ablauf gekündigt wird.
Die Gemeinde hatte Ende September 2007 den Konzessionsvertrag fristgerecht gekündigt. Ende 2009 veröffentlichte sie zudem eine Bekanntmachung über die Neuvergabe einer Wasserkonzession.
Im Rahmen eines Bietverfahrens bewarb sich unter anderem das klagende Unternehmen. Der Gemeinderat beschloss jedoch nach Auswertung der eingegangenen Angebote (Kriteriengruppen Konzessionsvertrag, Wassernetzbetrieb / Netzsicherheit / Wasserqualität und Preisgünstigkeit / Verbraucherfreundlichkeit), die Konzession an die neu gegründeten Gemeindewerke (Gemeindeeigene Gesellschaft) zu vergeben. Das Unternehmen beantragte daraufhin, der Gemeinde durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu untersagen, den Vertrag mit den Gemeindewerken abzuschließen. Die Vergabeentscheidung beruhe auf einem Verstoß gegen das Transparenzgebot und auf einem Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot. Der Verfahrensablauf deute auf eine unzulässige Vorfestlegung der Entscheidung zugunsten der Gemeindewerke hin.
Das Landgericht Arnsberg wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zunächst zurück, da ein Verfügungsgrund nicht gegeben sei. Denn im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiege unter anderem das Interesse der Gemeinde an einer zügigen Regelung der Wasserversorgung der Bevölkerung.
Das OLG Hamm hat die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. In der Sache gehe es um den Abschluss eines privatrechtlichen Vertrags, der unmittelbar das Recht auf die Benutzung von Straßen für Versorgungsleitungen gewähre. Derartige Rechtsverhältnisse, die den öffentlich-rechtlichen Gemeingebrauch nicht berührten, hätten ihre Grundlage im bürgerlichen Eigentums- und Vertragsrecht. Auch etwaige Bindungen an die sich aus dem europäischen Gemeinschaftsrecht ergebenden Gebote der Gleichheit und Nichtdiskriminierung führten nicht dazu, die Angelegenheit als öffentlich-rechtlich einzustufen und deshalb den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten zu bejahen.
Es handele sich zudem nicht um einen der vergaberechtlichen Nachprüfung durch die Vergabekammern unterliegenden öffentlichen Auftrag im Sinne des GWB. Denn die beabsichtigte Vergabe der Wasserversorgung habe Dienstleistungen zum Gegenstand, für die der Auftragnehmer kein Entgelt, sondern unter Übernahme des – durch den Anschluss- und Benutzungszwang ermäßigten – wirtschaftlichen Risikos das Recht erhalten solle, Entgelte von Dritten zu erheben. Ein Anspruch auf Unterlassung der beabsichtigten Konzessionsvergabe nach dem BGB sei nicht begründet. Nach Auffassung des OLG Hamm habe die Gemeinde schließlich keine der Verfahrensgrundsätze, zu denen sie im Rahmen eines transparenten und diskriminierungsfreien Wettbewerbsverfahrens verpflichtet sei, verletzt. Aus dem konkreten Verfahrensablauf ergebe sich keine objektiv erkennbare wettbewerbswidrige Vorfestlegung bei der Konzessionsvergabe. Auch die Auswahl der Zuschlagskriterien verstieß dem Urteil zufolge nicht gegen allgemeine Wettbewerbsgrundsätze. Abzugrenzen seien lediglich willkürliche und damit vergabefremde Zwecke. Dies war vorliegend jedoch nicht zu besorgen.
Anmerkung:
Das OLG Hamm hat mit der vorliegenden Entscheidung unterstrichen, dass es sich bei der Übertragung der öffentlichen Aufgabe „Wasserversorgung“ auf einen Dritten aufgrund des begrenzten wirtschaftlichen Risikos um die Übertragung einer Dienstleistungskonzession handelt. Die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen unterliegt – Stand heute – nicht dem förmlichen Vergaberecht nach den Voraussetzungen des GWB.
Es bleibt zu beachten, dass sich die diesbezügliche Rechtslage durch die anstehende Novellierung des EU-Vergaberechts im Jahr 2013 ändern könnte. Die EU-Kommission hat einen Richtlinienvorschlag zur Vergabe von Konzessionen (Bau- und Dienstleistungskonzessionen) vorgelegt. Nach diesem Vorschlag wäre auch die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen zukünftig dem Wettbewerbs- und Vergaberecht unterworfen. Ob und in welcher Form der Richtlinienvorschlag tatsächlich umgesetzt wird, bleibt dem weiteren EU-Gesetzgebungsverfahren vorbehalten. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund wird unter www.dstgb-vis.de über die weitere Entwicklung unterrichten.
(Quelle: DStGB Aktuell 4612)
Az: 807-00