Mitteilungen 01/2014, Seite 36, Nr. 15

Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfestrukturen

Nachfolgend wird die Stellungnahme des Städte- und Gemeindebund Brandenburg vom 23. Oktober 2013 zum Gesetzentwurf wiedergegeben. Sie basiert auf der Befassung des Präsidiums vom 21. Oktober 2013. Die Positionen sind im Rahmen einer mündlichen Anhörung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport des Landtages Brandenburg am 24. Oktober 2013 vorgetragen worden.

„Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

wir bedanken uns für die Einladung zu der morgigen Anhörung des Ausschusses und nehmen
gern zum Gesetzentwurf Stellung. 

a) Auflösung des Landesjugendamtes (§§ 8, 25a AGKJHG-E)

Das Landesjugendamt (mit Sitz in Bernau) soll als Landesoberbehörde aufgelöst werden. Künftig soll das für Jugend zuständige Ministerium die Aufgaben des überörtlichen Trägers der Jugendhilfe wahrnehmen. Das Personal des Landesjugendamtes soll dem Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (MBJS) zugeordnet werden. Mit dieser Strukturänderung würde das Land Brandenburg von den Gestaltungsrechten Gebrauch machen, die den Ländern im Zuge der Föderalismusreform 2006 in Art. 84 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz eingeräumt wurden.

Aus unserer Sicht ist dieses Vorhaben grundsätzlich zu begrüßen. Wir erwarten durch eine gestraffte Struktur Effizienzgewinne und eine verbesserte Transparenz von Verfahrensabläufen und Entscheidungen. Die Auflösung des Landesjugendamtes war eine langjährige Forderung unseres Verbandes, die schon im Rahmen der Funktionalreform 2006 vorgetragen wurde.

Wir werben dafür, die Strukturreform gleichsam für eine Übertragung von Aufgaben im Bereich des SGB VIII vom Landesjugendamt auf die Landkreise und kreisfreien Städte zu nutzen. Insbesondere im Bereich der Betriebserlaubnisverfahren und der Heimaufsicht bezogen auf Einrichtungen für Hilfen zur Erziehung (§§ 45 ff SGB VIII) würde im Falle einer kommunalen Aufgabenerledigung der tatsächliche und fachliche Bezug zu den Einrichtungen deutlich gestärkt. Damit wäre im Interesse des Kindeswohls eine optimierte Kontrolle der Qualität der Einrichtungen verbunden, beispielsweise durch Einhaltung der Personalvorgaben der Betriebserlaubnisse. Wir bitten Sie, die Vorzüge einer fachlichen Steuerung auf kommunaler Ebene in den Blick zu nehmen und sich für eine Kommunalisierung auszusprechen.

Wir regen weiter an, die Ergebnisse der Enquete-Kommission 5/2 „Kommunal- und Landesverwaltung – bürgernah, effektiv und zukunftsfest – Brandenburg 2020“ in die Beratungen einzubeziehen und zwei weitere strukturelle Rechtsänderungen vorzunehmen. So empfiehlt die Kommission, die Aufgabe der Prüfung des Rechtsanspruchs auf Kindertagesbetreuung von den Landkreisen auf die Gemeinden zu übertragen. Darüber hinaus beinhaltet das Gutachten von Prof. Dr. Proeller zur interkommunalen Aufgabenverlagerung die Empfehlung, die Erforderlichkeit des Einvernehmens der Landkreise bezüglich gemeindlicher Elternbeitragssatzungen (§ 17 Abs. 3 Satz 2 KitaG) zu streichen, da eine Gewährleistung angemessener Gebühren auch ohne die Regelung möglich ist. Wir bekräftigen diese Feststellung und werben für die Streichung auch im Sinne des Bürokratieabbaus und des Subsidiaritätsprinzips.

b) Änderungen in § 20 AGKJHG – Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung

Der Gesetzentwurf beinhaltet zwei Änderungen, mit denen dem kommunalen Anliegen einer stärkeren Einflussnahme Rechnung getragen werden soll.
Einerseits soll der Landes-Kinder- und Jugendausschuss mindestens einmal jährlich die Auswirkungen der Erlaubniserteilungen nach § 20 AGKJHG auf die Jugendhilfestruktur, auf die Fachentwicklung der Kindertagesbetreuung und der Hilfen zur Erziehung sowie auf die Kosten der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe erörtern (§ 12 Abs. 5 Satz 2 AGKJHG-E). Zudem soll die oberste Landesjugendbehörde bei der Prüfung der Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung den zuständigen örtlichen Träger der Jugendhilfe (derzeit „Jugendamt“) anhören. Der örtliche Träger der Jugendhilfe soll im Erlaubnisverfahren insbesondere zu dem Bedarf und zu der Ausstattung mit Fachpersonal Stellung nehmen (§ 20 Abs. 1 AGKJHG-E).

Aus unserer Sicht werden diese Änderungen nicht zu einer signifikanten Verbesserung der Steuerungsmöglichkeiten der Landkreise und kreisfreien Städte beitragen. Eine solche wäre nur gewährleistet, wenn den Voten der Landkreise und kreisfreien Städte eine verbindliche Wirkung für die Entscheidungsfindung der Erlaubnisbehörde zugemessen wird.

Wir begrüßen indes die Neuregelung in § 20 Abs. 2 AGKJHG-E, wonach im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis für eine stationäre Jugendhilfeeinrichtung von der zuständigen Schulbehörde eine Stellungnahme zu den Möglichkeiten der Beschulung von Kindern und Jugendlichen angefordert werden soll, deren Aufnahme nach der Konzeption vorgesehen ist. Dies geht auf eine Verständigung in der Arbeitsgemeinschaft Schule – Jugendhilfe beim MBJS zurück, in der wir mitwirken. Es bedarf jedoch der Klarstellung, dass mangelnde schulische Ressourcen eine ablehnende Stellungnahme der Schulbehörde nicht rechtfertigen können. Insoweit ist das Land in der Pflicht, die Schulen bedarfsgerecht auszustatten und die Erfüllung der Schulpflicht zu gewährleisten. Um die Wirkung der Norm in der Praxis sicherzustellen, wäre eine weitere Untersetzung der Kriterien erforderlich, anhand deren eine Bewertung der Beschulungsmöglichkeiten vorgenommen werden soll.

c) Bildung eines Landes- Kinder- und Jugendausschuss (§§ 10-12, 25b AGKJHG-E)

Mit der vorgesehenen Auflösung des Landesjugendamtes als Landesoberbehörde ist eine Auflösung des Landesjugendhilfeausschusses verbunden. An seine Stelle soll ein sog. Landes-Kinder- und Jugendausschuss treten, dessen Regelwerk sich am Landesschulbeirat orientieren soll. Dieser Ausschuss soll erstmals nach dem Zusammentreten des Landtages in seiner 6. Wahlperiode gebildet werden. Bis dahin soll der Landesjugendhilfeausschuss im Amt bleiben.

Aus unserer Sicht begegnet die Neuregelung der Beteiligungsstrukturen keinen grundlegenden Bedenken. Wir begrüßen, dass eine gewisse Bereinigung der Zusammensetzung von gegenwärtig stimmberechtigten und beratenden Mitgliedern dadurch erfolgt ist, dass nur noch stimmberechtigte Mitglieder im Landes- Kinder- und Jugendausschuss vorgesehen sind. Wenngleich hierdurch eine Verschlankung eintritt, erreicht das Gremium mit 27 Mitgliedern dennoch eine stattliche Größe. Unsere Erfahrungen mit großen Gremien zeigen, dass die Arbeitsfähigkeit durch eine solche Ausweitung nicht gefördert wird.

Aus diesem Grund plädieren wir auch für eine Streichung von § 10 Abs. 6 Satz 2 AGKJHG-E, der die Berufung von weiteren in der Jugendhilfe erfahrenen Personen in die Unterausschüsse des Landes- Kinder und Jugendausschusses vorsieht. Wir halten es im Interesse einer personellen Kontinuität für zielführender, darauf hinzuwirken, dass in den Unterausschüssen ausschließlich die regulären Mitglieder des Landes- Kinder und Jugendausschusses vertreten sind. Zu guter Letzt würde durch eine solche Öffnungsklausel die in § 10 Abs. 2 Satz 1 AGKJHG-E normierte paritätische Zusammensetzung des Landes- Kinder und Jugendausschusses aufgelöst. Die Regelung ist überdies verzichtbar, da bereits die Ladung von Sachverständigen und externen Gästen durch § 10 Abs. 5 AGKJHG-E ermöglicht wird.

d) Verlagerung der Rechtsaufsicht auf das Jugendministerium (§ 9 AGKJHG-E)

Vorgesehen ist weiterhin eine Verlagerung der Rechtsaufsicht über die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe vom Ministerium des Innern auf das Jugendministerium. Die kommunalen Spitzenverbände haben sich bisher vergeblich bemüht, dass die Landesregierung von diesem Vorhaben Abstand nimmt.

Wir plädieren erneut für eine Streichung der Regelung und warnen vor den Nachteilen einer Zersplitterung der obersten Kommunalaufsicht. Es besteht die große Sorge, dass die Rechtsaufsicht künftig von jugendpolitischen Erwägungen und Fragen der Fachaufsicht dominiert wird und die kommunal(verfassungs)rechtliche Perspektive in den Hintergrund gedrängt wird. Wir werben dafür, sich auf den Wert einer fachpolitisch unabhängigen Kommunalaufsicht zu besinnen und die gebündelte Expertise des Ministeriums des Innern weiterhin fruchtbar zu machen. Angesichts unserer Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorhabens regen wir eine Befassung des Parlamentarischen Beratungsdienstes an. 

e) Anerkennung von freien Trägern / Vereinbarungen mit selbigen (§§ 16, 16a AGKJHG-E)

Der Entwurf sieht eine Änderung hinsichtlich der Zuständigkeit der obersten Landesjugendbehörde für die öffentliche Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe vor (§ 16 AGKJHG-E) vor. Das Jugendministerium soll danach zuständig sein, wenn der Träger der freien Jugendhilfe im Zuständigkeitsbereich von mindestens einem Viertel der Jugendämter (statt gegenwärtig mehrere) tätig ist. Dies würde eine Aufweichung des Sitzprinzips und des Subsidiaritätsprinzips bedeuten. Im Falle einer Kreisgebietsreform mit einer Verringerung der Anzahl der Landkreise wäre nicht ausgeschlossen, dass bereits die Tätigkeit in 2-3 Landkreisen/kreisfreien Städten für die Begründung der Landeszuständigkeit genügt. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis würde sich de facto umkehren.

Neu aufgenommen werden soll mit § 16a AGKJHG-E eine Regelung über die Zuständigkeit für Vereinbarungen mit Trägern der freien Jugendhilfe nach § 72a  SGB VIII. Letztere Regelung ist durch das Bundeskinderschutzgesetz im Jahre 2010 neu geschaffen worden und sieht eine Vereinbarungspflicht vor. Auf Landesebene hatte es Umsetzungsgespräche gegeben, in denen sich die kommunalen Spitzenverbände für die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips ausgesprochen haben. Der Entwurf sieht vor, insoweit an die Zuständigkeitsregelungen des § 16 anzuknüpfen. Wir bitten auch hier die Einschränkungen des Subsidiaritätsprinzips zu bedenken und plädieren jedenfalls für eine entsprechende Umkehr der Reihenfolge in § 16a Abs. 1 Satz 1 (Landeszuständigkeit) und § 16a Abs. 1 Satz 2 AGKJHG-E (Kommunale Zuständigkeit). 

f) Regelungen zur Kindertagespflege im KitaG (§ 18 AGKJHG, § 20 KitaG-E)

Aus systematischen Gründen soll die Regelung des § 18 AGKJHG hinsichtlich der Kindertagespflege in das Kindertagesstättengesetz überführt werden. Dies ist nicht zu beanstanden.

Inhaltlich soll eine Flexibilisierung für die Aufnahme von Kindern über der Maximalgrenze von 5 erfolgen. Gegenwärtig bleiben Kinder bei der Berechnung der Höchstzahl unberücksichtigt, sofern diese nur wenige Stunden an wenigen Tagen betreut werden. Künftig soll eines dieser Merkmale genügen. Wir begrüßen diese Flexibilisierung, da sie zu einer Entlastung vor allem in Städten führen kann, die unter einem hohen Kapazitätsdruck in der Kindertagesbetreuung stehen. Das Vorhaben entspricht in Intention und Wirkung einem Verfahren nach dem Standarderprobungsgesetz (Platz-Sharing in der Kindertagespflege).

Zudem soll die Möglichkeit für die Jugendämter normiert werden, bis zur Klärung einer Gefährdungslage das Ruhen der Erlaubnis zur Kindertagespflege anzuordnen. Diese Anordnung würde neben die derzeitigen Möglichkeiten von Rücknahme bzw. Widerruf der Erlaubnis treten. Eine vergleichbare Regelung sieht der Entwurf bezüglich der Vollzeitpflege in § 19 Abs. 4 Satz 2 AGKJHG-E vor. Diese Regelungen werden begrüßt.  

g) Änderung der Schiedsstellenverordnung SGB VIII (Art. 7 des Gesetzentwurfs)

Es bestehen keine Bedenken gegen die Änderungen. Die Aufnahme der Regelung zur Anhörung eines von einer Abwahl betroffenen Vorsitzenden bzw. dessen Stellvertreter wird ebenso begrüßt wie die Erhöhung der Gebühr für die Parteien sowie der Aufwandsentschädigung für den Vorsitzenden bzw. dessen Stellvertreter. 

Wir bitten um Berücksichtigung unserer Hinweise und stehen für weitere Beratungen gern zur Verfügung. 

Mit freundlichen Grüßen

Karl-Ludwig Böttcher“

Die Änderungsvorschläge des Verbandes haben bedauerlicherweise keinen Eingang in das Gesetz gefunden.

Bianka Petereit, Referatsleiterin

Az: 404-00              

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