Mitteilungen 01/2016, Seite 55, Nr. 35
BVerfG: Altanschließer zur verfassungsrechtlich unzulässigen echten Rückwirkung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 12. November 2015 – 1 BvR2961/14, 1 BvR 3051/14
Tenor:
1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. September 2014 - OVG 9 N 40.14 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 4. März 2014 - VG 6 K 1076/12 - verletzen die Beschwerdeführerin zu 1) in ihrem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts wird aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen.
2. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. November 2013 - OVG 9 B 35.12 -, das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 8. Juni 2011 - VG 6 K 1033/09 -, der Widerspruchsbescheid der Stadtverwaltung Cottbus vom 2. März 2010 - II-70/sd-rei - und der Beitragsbescheid der Stadtverwaltung Cottbus vom 12. Mai 2009 - 644900047 - verletzen die Beschwerdeführerin zu 2) in ihrem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts wird aufgehoben. Damit wird der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts gegenstandslos. Die Sache wird an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
3. Das Land Brandenburg hat den Beschwerdeführerinnen ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
4. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 3051/14 wird auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.
Aus den Gründen:
A.
Die Beschwerdeführerinnen wenden sich mit ihren Verfassungsbeschwerden gegen ihre Heranziehung zu Kanalanschlussbeiträgen.
I.
1. § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg regelt das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht für leitungsgebundene Einrichtungen oder Anlagen, die der Versorgung oder der Abwasserbeseitigung dienen. Die Vorschrift lautete in ihrer ursprünglichen Fassung vom 27. Juni 1991 (GVBl I S. 200; im Folgenden: § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F.) wie folgt:
§ 8
Beiträge
(…) (7) (…) Wird ein Anschlussbeitrag nach Absatz 4 erhoben, so entsteht die Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung oder Anlage angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der Satzung; die Satzung kann einen späteren Zeitpunkt bestimmen. (…)
Das Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg legte diese Vorschrift im Anschluss an das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. Mai 1999 (- 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535) mit Urteil vom 8. Juni 2000 (- 2 D 29/98.NE -, juris, Rn. 43 ff.) so aus, dass mit der Satzung „ausschließlich die erste nach Inkrafttreten des KAG erlassene jeweilige Anschlussbeitragssatzung (gemeint sei), wobei es nicht auf die formelle und materielle Gültigkeit dieser Satzung, sondern ausschließlich auf den formalen Akt des Satzungserlasses“ ankomme. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Entstehen der Beitragspflicht für ein Grundstück, das an die Einrichtung oder Anlage angeschlossen werden könne, sei der Zeitpunkt des erstmaligen Erlasses einer Satzung mit formellem Geltungsanspruch. Nur eine zu diesem Zeitpunkt - gegebenenfalls aufgrund rückwirkenden Inkrafttretens - gültige Satzung könne Rechtsgrundlage der Beitragserhebung sein.
2. Mit Wirkung zum 1. Februar 2004 änderte der brandenburgische Gesetzgeber das Kommunalabgabengesetz durch das Zweite Gesetz zur Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben vom 17. Dezember 2003 (GVBl I S. 294) dahingehend, dass die sachliche Beitragspflicht für eine leitungsgebundene Einrichtung oder Anlage, die der Versorgung oder der Abwasserbeseitigung dient, frühestens mit dem Inkrafttreten einer „rechtswirksamen“ Satzung entsteht. § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg erhielt damit folgende Fassung (im Folgenden § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg n.F.):
§ 8
Beiträge
(…) (7) (…) Wird ein Anschlussbeitrag nach Absatz 4 erhoben, so entsteht die Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung oder Anlage angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Satzung; die Satzung kann einen späteren Zeitpunkt bestimmen. (…)
In der Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung (LTDrucks 3/6324, S. 25 f.) wurde hierzu ausgeführt, die Vorschrift sei in ihrer alten Fassung entgegen der Intention des Gesetzgebers durch die Rechtsprechung im Land dahingehend ausgelegt worden, dass es auf eine rechtswirksame Satzung nicht ankomme, sondern für die Entstehung der Beitragspflicht eine Satzung auch dann genüge, wenn sie nach ihrem Inkrafttreten der Nichtigkeit anheimfalle. Dies habe in der Vergangenheit zu großen Beitragsausfällen bei den Aufgabenträgern geführt, da Ansprüche nicht mehr innerhalb der Festsetzungsverjährungsfrist hätten geltend gemacht werden können. Um künftige Beitragsausfälle bei den Gemeinden und anderen Aufgabenträgern zu vermeiden, werde mit der Gesetzesänderung eine Klarstellung vorgenommen, indem die Voraussetzung einer rechtswirksamen Satzung ausdrücklich festgeschrieben werde.
3. Durch Artikel 1 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg vom 2. Oktober 2008 (GVBl I S. 218) wurde ergänzend zu den bestehenden Vorschriften über die Festsetzungsverjährung von Beiträgen § 12 Abs. 3a KAG Bbg in das brandenburgische Kommunalabgabengesetz eingefügt. Diese Vorschrift lautet:
§ 12 Anwendung der Abgabenordnung
(…) (3a) Bei der Erhebung eines Beitrages für den Anschluss an eine leitungsgebundene Einrichtung oder Anlage im Bereich der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung nach § 8 Abs. 7 oder die Möglichkeit eines solchen Anschlusses endet die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2011. Satz 1 gilt nur, soweit die Festsetzungsverjährung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Dritten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg vom 2. Oktober 2008 (GVBl. I S. 218) noch nicht eingetreten ist. (…)
Mit der Einfügung des § 12 Abs. 3a KAG Bbg wollte der Gesetzgeber sich selbst und den Gemeinden und Zweckverbänden Zeit für die Lösung des „Altanschließerproblems“ verschaffen.
4. In Reaktion auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 (BVerfGE 133, 143) fügte der brandenburgische Gesetzgeber schließlich durch Artikel 1 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg vom 5. Dezember 2013 (GVBl I Nr. 40 S. 1) einen neuen § 19 in das Kommunalabgabengesetz ein:
§ 19 Zeitliche Obergrenze für den Vorteilsausgleich
(1) Abgaben zum Vorteilsausgleich dürfen mit Ablauf des 15. Kalenderjahres, das auf den Eintritt der Vorteilslage folgt, nicht mehr festgesetzt werden. Die §§ 169 Absatz 1 Satz 3 und 171 der Abgabenordnung gelten in der in § 12 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b angeordneten Weise entsprechend. Aufgrund der Sondersituation nach der Deutschen Einheit ist der Lauf der Frist bis zum 3. Oktober 2000 gehemmt.
(2) Das Land erstattet den Gemeinden die von ihnen nachzuweisenden Mehrbelastungen, die ihnen ohne Verschulden durch Absatz 1 entstehen. Ohne Verschulden entstanden sind Mehrbelastungen insbesondere dann nicht, wenn die Gemeinden sie durch zumutbare eigene Anstrengungen abwenden können. Zumutbar sind insbesondere alle Maßnahmen zum Erlass rechtswirksamer Satzungen und darauf beruhender wirksamer Abgabenbescheide.
(3) Im Falle der Erstattung nach Absatz 2 Satz 1 trägt die Gemeinde hinsichtlich der zumutbaren Anstrengungen die Darlegungs- und Beweislast.
Zur Begründung des Gesetzentwurfs führte die Landesregierung aus, die Grundsätze der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts seien auch bei der Rechtsetzung im Land Brandenburg zu beachten (vgl. LTDrucks 5/7642, S. 6). § 19 Abs. 1 KAG Bbg solle für alle Fälle des Vorteilsausgleichs durch Abgaben, die an zurückliegende Tatbestände anknüpften, im Ergebnis sicherstellen, dass der Vorteilsausgleich nicht unbegrenzt nach Eintritt der Vorteilslage erfolgen könne. Die Abgabenschuldner sollten aufgrund der gesetzlichen Regelung Klarheit haben, wann sie mit einer Inanspruchnahme nicht mehr rechnen müssten.
II.
1. Die Beschwerdeführerin im Verfahren 1 BvR 2961/14 (im Folgenden: Beschwerdeführerin zu 1) ist Eigentümerin eines Grundstücks, das bereits vor dem 3. Oktober 1990 an die Schmutzwasserkanalisation im Gebiet der beklagten Stadt (im Folgenden: Beklagte) angeschlossen wurde.
Die erste Kanalanschlussbeitragssatzung der Beklagten, die sich in der Folge als unwirksam erwies, sollte zum 30. Juni 1993 in Kraft treten. Nach den Feststellungen der Verwaltungsgerichte gelang es der Beklagten erst mit der Kanalanschlussbeitragssatzung vom 1. Dezember 2008, die zum 1. Januar 2009 in Kraft trat, eine wirksame Satzung zu erlassen.
Die Beklagte zog die Beschwerdeführerin zu 1) mit Bescheid vom 29. November 2011 für das Grundstück zu einem Kanalanschlussbeitrag in Höhe von 2.520,25 € heran. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte zurück. Das Verwaltungsgericht wies die Klage der Beschwerdeführerin zu 1) gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid ab.
Den Antrag der Beschwerdeführerin zu 1) auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts lehnte das Oberverwaltungsgericht ab. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu 1) wecke keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ihre Beitragspflicht sei nicht schon bis zum Inkrafttreten der Neuregelung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg verjährt gewesen. Die Festsetzungsfrist beginne erst mit Ablauf des Jahres zu laufen, in dem die sachliche Beitragspflicht entstanden sei (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b KAG Bbg in Verbindung mit § 38 AO, § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b KAG Bbg in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO).
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin zu 1) sei für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht auch während der Geltungszeit des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. bereits eine wirksame Beitragssatzung erforderlich gewesen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b KAG Bbg, § 38 AO). Das Oberverwaltungsgericht Brandenburg habe § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. mit Urteil vom 8. Juni 2000 (- 2 D 29/98.NE -, juris, Rn. 43 ff.) dahin ausgelegt, dass im Fall der Unwirksamkeit der ersten Beitragssatzung die sachliche Beitragspflicht nur durch eine nachfolgende wirksame Beitragssatzung habe begründet werden können, die rückwirkend auf den Zeitpunkt des formalen Inkrafttretens der ersten, unwirksamen Beitragssatzung (oder den darin geregelten späteren Zeitpunkt für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht) in Kraft gesetzt worden sei. Vorliegend sei weder bis zum 31. Januar 2004 noch danach eine wirksame Beitragssatzung erlassen worden, die rückwirkend auf den Zeitpunkt des vermeintlichen Inkrafttretens der ersten unwirksamen Kanalanschlussbeitragssatzung der Beklagten am 30. Juni 1993 in Kraft gesetzt worden sei. Die Änderung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg unterliege entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin zu 1) keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unter dem von ihr geltend gemachten Gesichtspunkt des Rückwirkungsverbots und des Vertrauensschutzes im Übrigen.
§ 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg n.F. verletze nicht das grundsätzliche Verbot echt rückwirkender Gesetze. Zwar wäre eine Veranlagung des Grundstücks der Beschwerdeführerin zu 1) zu einem Herstellungsbeitrag gemäß § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. nicht mehr möglich gewesen, wenn es bei der seinerzeitigen Gesetzeslage geblieben wäre. Wäre eine auf den 30. Juni 1993 rückwirkende wirksame Beitragssatzung beschlossen worden, wäre die vierjährige Festsetzungsfrist gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b KAG Bbg in Verbindung mit §§ 169, 170 Abs. 1 AO in Lauf gesetzt worden und Verjährung mit Ablauf des 31. Dezember 1997 eingetreten. Nach der Änderung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. habe der Satzungsgeber indessen eine Beitragssatzung ohne Rückwirkung auf den Zeitpunkt des ersten Satzungsgebungsversuchs erlassen und damit die sachliche Beitragspflicht auch für das Grundstück der Beschwerdeführerin zu 1) erst im Zeitpunkt des Inkrafttretens der ersten wirksamen Beitragssatzung entstehen lassen. Mit der dies ermöglichenden Änderung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. habe der Gesetzgeber nicht in einen abgeschlossenen Sachverhalt nachträglich ändernd eingegriffen, sondern einen noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt für die Zukunft neu geregelt. Denn die Vorteilslage durch die Anschlussmöglichkeit habe fortbestanden und eine Verjährung sei mangels Entstehung der sachlichen Beitragspflicht noch nicht eingetreten.
Etwas anderes folge auch nicht aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2013 (BVerfGE 135, 1). Zwar werde die Änderung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg im Gesetzentwurf der Landesregierung für das Zweite Gesetz zur Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben (LTDrucks 3/6324, S. 26) als „Klarstellung“ bezeichnet. Von einer „Klarstellung“ könne aber keine Rede sein, weil die Gesetzesänderung der bisherigen Auslegung der Vorschrift durch das Oberverwaltungsgericht widerspreche.
Gegen die Änderung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. könnten auch keine Vertrauensschutzgesichtspunkte im Übrigen geltend gemacht werden. Die Betroffenen hätten lediglich die Erwartung hegen können, dass es den Gemeinden und Zweckverbänden bei unveränderter Gesetzeslage nach deren Auslegung durch die (ober-)verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung nicht mehr möglich sein werde, in Anknüpfung an die bestehende Vorteilslage die sachliche Beitragspflicht für ihr Grundstück zu begründen und die Beitragsforderung durch Bescheid geltend zu machen. Eine geschützte Rechtsposition sei damit nicht begründet worden. Es gebe keine schutzwürdige Rechtsposition des Inhalts, dass es bei einer Rechtslage, nach der Abgaben nicht erhoben werden könnten, verbleibe. Auch darüber hinaus habe die Beschwerdeführerin zu 1) keine schutzwürdigen Gründe dargetan.
Die Beschwerdeführerin zu 1) habe auch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht dargelegt. Soweit das Zulassungsvorbringen in diesem Zusammenhang § 19 KAG Bbg nenne, fehle es an jeglichen Ausführungen im Zulassungsantrag. Unabhängig davon seien auch insoweit die in Betracht kommenden Rechtsfragen geklärt (Hinweis auf OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Juli 2014 - OVG 9 N 69.14 -, juris, Rn. 21 ff.).
2. Die Beschwerdeführerin im Verfahren 1 BvR 3051/14 (im Folgenden: Beschwerdeführerin zu 2) ist Eigentümerin eines bebauten und eines weiteren unbebauten Grundstücks im Gebiet der Beklagten. Das bebaute Grundstück wurde im Jahr 2003 an die Schmutzwasserkanalisation der Beklagten angeschlossen. Die Möglichkeit des Anschlusses der Grundstücke hatte nach den Angaben der Beschwerdeführerin zu 2) allerdings bereits kurz nach dem 3. Oktober 1990 bestanden.
Mit Bescheid vom 12. Mai 2009 zog die Beklagte die Beschwerdeführerin zu 2) für die Grundstücke zu einem Kanalanschlussbeitrag in Höhe von 7.284,50 € heran. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte zurück. Das Verwaltungsgericht wies die Klage der Beschwerdeführerin zu 2) gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid ab.
Auf Antrag der Beschwerdeführerin zu 2) ließ das Oberverwaltungsgericht die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu. Diese sei hinsichtlich der Veranlagung des unbebauten Flurstücks begründet; im Übrigen wies das Oberverwaltungsgericht die Berufung zurück. Zur Begründung der Zurückweisung der Berufung führte das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Beitragsanspruch sei nicht festsetzungsverjährt. Denn die sachliche Beitragspflicht sei gemäß § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg n.F. erst mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Kanalanschlussbeitragssatzung der Beklagten vom 1. Dezember 2008 zum 1. Januar 2009 entstanden. Hinsichtlich der Vereinbarkeit des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg n.F. mit dem verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot werde auf den Beschluss des Verfassungsgerichts für das Land Brandenburg vom 21. September 2012 (- VfGBbg 46/11 -, juris, Rn. 50 ff., 66 ff.) sowie auf den Beschluss des Senats vom 1. März 2012 (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. März 2012 - OVG 9 S 9.12 -, juris, Rn. 11 ff. m.w.N.) verwiesen.
Der angegriffene Beitragsbescheid sei auch im Lichte des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 (BVerfGE 133, 143) nicht zu beanstanden. Das Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg werde den Maßgaben dieses Beschlusses in Fällen, in denen - wie hier - der Beitragsbescheid bis zum 31. Dezember 2011 erlassen worden sei, gerecht. Insoweit habe der Gesetzgeber bereits eine hinreichende Regelung zur Berücksichtigung der Interessen der Bürger getroffen, indem er durch Gesetz vom 2. Oktober 2008 (GVBl I S. 218) einen Absatz 3a in den § 12 KAG Bbg eingefügt habe. § 12 Abs. 3a KAG Bbg habe die Festsetzungsverjährungsfrist für bestimmte Fälle noch über denjenigen Zeitpunkt hinaus verlängert, der nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg in Verbindung mit den allgemeinen Verjährungsregelungen gelten würde. Mit der Einfügung des § 12 Abs. 3a KAG Bbg habe der Gesetzgeber sich selbst und den Gemeinden und Zweckverbänden Zeit für die Lösung des „Altanschließerproblems“ verschaffen wollen. Das sei ausweislich der Gesetzesmaterialien in dem Bewusstsein geschehen, dass bei der Bemessung der Verjährungsfrist der Grundsatz der Rechtssicherheit sowie der Sinn von Verjährungsregelungen zu beachten sei, zu einem bestimmten Zeitpunkt Rechtsfrieden herzustellen, und dass der Beitragspflichtige innerhalb einer überschaubaren Frist Gewissheit über das Bestehen von Beitragsforderungen erlangen solle (vgl. LTDrucks 4/6422, S. 8). Zwar habe der Gesetzgeber mit § 12 Abs. 3a KAG Bbg in der Fassung des Gesetzes vom 2. Oktober 2008 keinen absoluten zeitlichen Endpunkt für die Beitragserhebung gesetzt; er habe jedoch durch dessen Einfügung klar erkennen lassen, dass die Eigentümer der im Land Brandenburg schon mit einer Anschlussmöglichkeit oder mit einem Anschluss versehenen Grundstücke (vorbehaltlich des § 12 Abs. 3a Satz 2 KAG Bbg) jedenfalls bis zum 31. Dezember 2011 mit einer Beitragserhebung rechnen müssten.
Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 2) gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts zurück.
III.
Die Beschwerdeführerinnen rügen mit ihren Verfassungsbeschwerden eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 3 Abs. 1 GG.
1. Die Beschwerdeführerin zu 1) macht im Wesentlichen geltend, die Anwendung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg n.F. und des § 19 Abs. 1 KAG Bbg in der Fassung des Gesetzes vom 5. Dezember 2013 auf Grundstücke, die bereits vor dem Inkrafttreten der ersten Kanalanschlussbeitragssatzung der Beklagten am 1. Juli 1993 an die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossen gewesen seien, verstoße gegen den Verfassungsgrundsatz des Vertrauensschutzes und das Gebot der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.
Die Anwendung dieser Vorschriften stelle in diesen Fällen einen Eingriff in einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt und damit eine verfassungsrechtlich unzulässige echte Rückwirkung dar. Die in der Begründung des Gesetzentwurfs zur Neuregelung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg vertretene Auffassung, die Änderung habe nur klarstellenden Charakter, sei für die Gerichte nicht verbindlich. Für die Beantwortung der Frage, ob eine rückwirkende Regelung aus verfassungsrechtlicher Sicht als konstitutiv zu behandeln sei, genüge die Feststellung, dass die geänderte Norm in ihrer ursprünglichen Fassung von den Gerichten in einem Sinn habe ausgelegt werden können, der mit der Neuregelung habe ausgeschlossen werden sollen. Nach der bis zum 31. Januar 2004 geltenden Rechtslage sei in ihrem Fall mit Ablauf des 31. Dezember 1997 Festsetzungsverjährung eingetreten.
Die engen Voraussetzungen, unter denen eine echte Rückwirkung ausnahmsweise zulässig sei, seien im Fall der Neuregelung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg nicht gegeben. Mit einer Rechtsänderung sei nach dem 31. Dezember 1997 nicht zu rechnen gewesen, da es zu diesem Zeitpunkt nicht einmal eine Gesetzesinitiative gegeben habe und die geltende Rechtslage durch das Oberverwaltungsgericht Brandenburg im Urteil vom 8. Juni 2000 (- 2 D 29/98.NE -, juris) bestätigt worden sei. Die Rechtslage sei weder unklar noch verworren gewesen. Die Rechtsprechung habe sich nicht geändert.
Auch zwingende Gründe des Allgemeinwohls rechtfertigten eine echte Rückwirkung nicht. Die Beklagte habe es in der Hand gehabt, entsprechend der Ausnahmeregelung in § 8 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 KAG Bbg a.F. für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht einen späteren Zeitpunkt festzulegen oder bis zum Jahr 1997, gegebenenfalls unter Heranziehung von Rechtssachkundigen, eine rechtswirksame Satzung zu erlassen und bereits an die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossene Grundstücke mit einem Beitragsbescheid zu belegen. Versäume die Beklagte dies mit der Folge von Beitragsausfällen, rechtfertige dies nicht die Annahme eines zwingenden Interesses des Allgemeinwohls an einer rückwirkenden gesetzlichen Regelung.
Die Neuregelung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg in Verbindung mit § 19 Abs. 1 KAG Bbg in der Fassung des Gesetzes vom 5. Dezember 2013 sei darüber hinaus mit dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nicht vereinbar. Der brandenburgische Gesetzgeber habe den vom Bundesverfassungsgericht geforderten Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die leitungsgebundene Anlage verfehlt und einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden. Den besonderen Erfordernissen der Deutschen Einheit sei nach der alten Rechtslage bereits dadurch Rechnung getragen worden, dass es in der Hand des Satzungsgebers gelegen habe, das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht nicht an das Inkrafttreten der Satzung zu knüpfen, sondern hierfür einen späteren Zeitpunkt festzulegen.
Die Festlegung einer Hemmung der Frist infolge der Sondersituation der Deutschen Einheit bis zum 3. Oktober 2000 gemäß § 19 Abs. 1 KAG Bbg in der Fassung des Gesetzes vom 5. Dezember 2013 verstoße darüber hinaus gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG.
2. Die Beschwerdeführerin zu 2) rügt im Wesentlichen, die Beitragserhebung verletze den Grundsatz des Vertrauensschutzes und das Rückwirkungsverbot. Die Regelungen der § 19 Abs. 1 Satz 3 KAG Bbg und § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg n.F. entfalteten echte Rückwirkung. Bei § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg n.F. handele es sich nicht um eine Klarstellung, sondern um eine konstitutive Rechtsänderung. Seit dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Brandenburg vom 8. Juni 2000 (- 2 D 29/98.NE -, juris) sei für die Betroffenen klar gewesen, dass sie wegen Verjährung der Beitragsschuld nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen müssten. Die Sache sei damit aus ihrer Sicht abgeschlossen gewesen. Die echte Rückwirkung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg n.F. sei auch nicht ausnahmsweise zulässig. Vor dem 31. Januar 2004 sei die Rechtslage nicht unklar, verworren oder lückenhaft gewesen. Vielmehr habe das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg vom 8. Juni 2000 (- 2 D 29/98.NE -, juris) gerade alle Unklarheiten beseitigt. Die Neuregelung sei auch nicht vorhersehbar gewesen. Selbst wenn sie lediglich eine unechte Rückwirkung entfalte, stünde dieser der Vertrauensschutz der Beitragspflichtigen entgegen.
IV.
Die Beklagte, das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und das Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg hatten Gelegenheit, zu den Verfassungsbeschwerden Stellung zu nehmen. Die Akten der Ausgangsverfahren wurden beigezogen.
B.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerden zur Entscheidung an und gibt ihnen statt. Die Annahme ist zur Durchsetzung von in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechten der Beschwerdeführerinnen angezeigt (vgl. § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerden maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Die im Wesentlichen zulässigen Verfassungsbeschwerden sind offensichtlich begründet (vgl. § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
I.
Die mit den Verfassungsbeschwerden vorgebrachten Rügen sind im Wesentlichen zulässig.
1. Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig, weil die Beschwerdeführerinnen behaupten, die Anwendung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg n.F. durch die Verwaltungsgerichte führe in ihren Fällen zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen Rückwirkung.
2. Im Übrigen sind die vorgebrachten Rügen unzulässig.
Die von der Beschwerdeführerin zu 1) erhobene Rüge, § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg n.F. in Verbindung mit § 19 KAG Bbg in der Fassung des Gesetzes vom 5. Dezember 2013 verletzten nach den Maßgaben des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 (BVerfGE 133, 143) den Grundsatz der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit, genügt nicht den Begründungsanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG. Das Oberverwaltungsgericht verweist insoweit - trotz des fehlenden Vorbringens der Beschwerdeführerin zu 1) hierzu im Zulassungsantrag - auf seinen Beschluss vom 16. Juli 2014 (- OVG 9 N 69.14 -, juris, Rn. 21 ff.). Darin legte das Oberverwaltungsgericht dar, dass nach seiner Auffassung für Beitragsbescheide, die - wie hier - erstmals bis zum 31. Dezember 2011 ergangen seien, eine verfassungskonforme Gesetzesregelung bereits in Gestalt der besonderen Fristenbestimmung des § 12 Abs. 3a KAG Bbg in der Fassung des Gesetzes vom 2. Oktober 2008 bestanden habe. Mit diesen Rechtsausführungen setzt sich die Beschwerdeführerin zu 1) nicht auseinander.
Soweit die Beschwerdeführerinnen sich mittelbar gegen § 19 Abs. 1 KAG Bbg wenden, kommt eine Grundrechtsverletzung im Übrigen von vornherein nicht in Betracht, weil die angegriffenen Entscheidungen nicht auf dieser Vorschrift beruhen. Soweit die Beschwerdeführerin zu 2) mittelbar eine Verfassungswidrigkeit des § 12 Abs. 3a KAG Bbg rügt, genügt ihr Vortrag nicht den Begründungsanforderungen, weil dieser sich auf die bloße Benennung dieser Vorschrift beschränkt.
II.
Soweit die Verfassungsbeschwerden zulässig sind, sind sie offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerinnen in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes aus Art. 20 Abs. 3 GG. Die Anwendung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg n.F. in Fällen, in denen Beiträge nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. nicht mehr erhoben werden könnten, verstößt gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot.
1. Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet bei rückwirkenden Gesetzen in ständiger Rechtsprechung zwischen Gesetzen mit echter Rückwirkung, die grundsätzlich nicht mit der Verfassung vereinbar sind (vgl. BVerfGE 45, 142 <167 f.>; 101, 239 <262>; 132, 302 <318>; 135, 1 <13>; jeweils m.w.N.), und solchen mit unechter Rückwirkung, die grundsätzlich zulässig sind (vgl. BVerfGE 132, 302 <318>; 135, 1 <13>).
a) Eine Rechtsnorm entfaltet echte Rückwirkung, wenn sie nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift (BVerfGE 132, 302 <318>; 135, 1 <13>; vgl. BVerfGE 101, 239 <263>; 123, 186 <257>). Dies ist insbesondere der Fall, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll („Rückbewirkung von Rechtsfolgen“; BVerfGE 132, 302 <318>; 135, 1 <13>).
b) Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition entwertet (BVerfGE 101, 239 <263>; 123, 186 <257>; 132, 302 <318>), so wenn belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden („tatbestandliche Rückanknüpfung“; BVerfGE 132, 302 <318>).
2. § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg n.F. entfaltet bei Anwendung in Fällen wie denen der Beschwerdeführerinnen, in denen Beiträge nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. nicht mehr erhoben werden könnten, weil mit dem Entstehen der Beitragspflicht durch Inkrafttreten einer wirksamen Satzung zugleich die Festsetzungsverjährung einträte, Rückwirkung (a), wobei von einer konstitutiven Änderung der Rechtslage auszugehen ist (b). Die Neuregelung hat bei Anwendung in diesen Fällen nicht lediglich eine unechte, sondern eine unzulässige echte Rückwirkung (c). Selbst wenn von einer unechten Rückwirkung der Neuregelung auszugehen wäre, läge ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes vor (d).
a) Die Änderung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg trat nicht formell rückwirkend, sondern am 1. Februar 2004 in Kraft. Gleichwohl hat die Gesetzesänderung in den Fällen der Beschwerdeführerinnen materiell rückwirkenden Charakter.
Nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. in seiner Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht war für den Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht der Zeitpunkt der ersten Beitragssatzung mit formellem Geltungsanspruch maßgeblich (OVG Brandenburg, Urteil vom 8. Juni 2000 - 2 D 29/98.NE -, juris, Rn. 43 ff.; Urteil vom 5. Dezember 2001 - 2 A 611/00 -, Mitt. StGB Bbg. 2002, S. 126 <131> - Urteil vom 27. März 2002 - 2 A 480/00 - S. 15 f.; Urteil vom 3. Dezember 2003 - 2 A 733/03 -, LKV 2004, S. 555 <556>). Für die Frage, zu welchem Zeitpunkt die sachliche Beitragspflicht entsteht, war danach unerheblich, ob die erste Satzung wirksam war. Die sachliche Beitragspflicht für die betroffenen Grundstücke konnte, wenn die erste Beitragssatzung unwirksam war, nur noch durch eine nachfolgende wirksame Beitragssatzung begründet werden, die rückwirkend auf das Datum des formalen Inkrafttretens der ersten, unwirksamen Beitragssatzung (oder den darin geregelten späteren Zeitpunkt für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht) in Kraft gesetzt wurde. War zum Zeitpunkt des Erlasses der wirksamen Satzung - wie in den Fällen der Beitragsschuldnerinnen - die Festsetzungsfrist von vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die unwirksame Satzung in Kraft treten sollte, bereits abgelaufen, konnte die Beitragspflicht nur für eine „juristische Sekunde“ entstehen, war dann aber gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b KAG Bbg in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1 AO sofort verjährt und damit erloschen (vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b KAG Bbg in Verbindung mit § 47 AO).
Durch das Zweite Gesetz zur Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben vom 17. Dezember 2003 (GVBl I S. 294) wurde § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg dahingehend geändert, dass nunmehr für die Bestimmung des Zeitpunktes, zu dem die sachliche Beitragspflicht entsteht, stets auf das Inkrafttreten einer „rechtswirksamen“ Satzung abzustellen ist. Bei Anwendung dieser Vorschrift in Fällen, in denen Beiträge nach der alten Rechtslage nicht mehr erhoben werden konnten, weil mit dem Entstehen der Beitragspflicht durch Inkrafttreten einer wirksamen Satzung zugleich die Festsetzungsverjährung eingetreten wäre, eröffnete § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg n.F. erneut die Möglichkeit, die Beitragsschuldner zu Anschlussbeiträgen heranzuziehen.
b) Anders als in der Begründung des Gesetzentwurfs angenommen (vgl. LTDrucks 3/6324, S. 26) ist § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg n.F. nicht als „Klarstellung“, sondern als konstitutive Änderung der alten Rechtslage zu behandeln.
aa) Die in der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg n.F. vertretene Auffassung, die Vorschrift habe lediglich klarstellenden Charakter (vgl. LTDrucks 3/6324, S. 26), ist für die Gerichte nicht verbindlich. Sie schränkt weder die Kontrollrechte und -pflichten der Fachgerichte und des Bundesverfassungsgerichts ein noch relativiert sie die für sie maßgeblichen verfassungsrechtlichen Maßstäbe (vgl. BVerfGE 126, 369 <392>; 135, 1 <14 f.>).
Für die Beantwortung der Frage, ob eine rückwirkende Regelung aus verfassungsrechtlicher Sicht als konstitutiv zu behandeln ist, genügt die Feststellung, dass die geänderte Norm in ihrer ursprünglichen Fassung von den Gerichten in einem Sinn ausgelegt werden konnte und ausgelegt worden ist, der mit der Neuregelung ausgeschlossen werden soll (vgl. BVerfGE 131, 20 <37 f.>; 135, 1 <16 f.>).
bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen erweist sich die rückwirkende „Klarstellung“ durch § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg n.F. als konstitutiv. Nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Brandenburg vom 8. Juni 2000 (- 2 D 29/98.NE -, juris) war § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. so auszulegen, dass es für den Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht und damit auch für den Zeitpunkt des Verjährungsbeginns lediglich auf das formelle Inkrafttreten der ersten unwirksamen Beitragssatzung, nicht aber auf das Inkrafttreten einer wirksamen Satzung ankam. Diese Auslegungsmöglichkeit sollte mit der Neuregelung gerade ausgeschlossen werden.
c) § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg n.F. entfaltet bei Anwendung in Fällen, in denen Beiträge nach der alten Rechtslage nicht mehr erhoben werden könnten, eine echte Rückwirkung (aa). Ein Grund für die Rechtfertigung dieser echten Rückwirkung ist hier nicht erkennbar (bb).
aa) Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts (vgl. auch Verfassungsgericht für das Land Brandenburg, Beschluss vom 21. September 2012 - VfGBbg 46/11 -, juris, Rn. 74 ff.; BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2008 - BVerwG 9 B 22/08 -, juris, Rn. 7) bedeutet die Anwendung der Vorschrift des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg n.F. in den Fällen der Beschwerdeführerinnen eine echte Rückwirkung. Zwar war in diesen Fällen nach der Auslegung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. durch das Oberverwaltungsgericht in den angegriffenen Entscheidungen die sachliche Beitragspflicht mangels einer vor der Neuregelung erlassenen wirksamen Satzung noch nicht entstanden und damit auch nicht wegen Festsetzungsverjährung erloschen (vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b KAG Bbg in Verbindung mit § 47 AO). Ein nachträglicher Eingriff in einen abgeschlossenen Sachverhalt liegt aber dennoch vor, weil eine Veranlagung der Grundstücke der Beschwerdeführerinnen zu einem Herstellungsbeitrag rechtlich nicht mehr möglich gewesen wäre, wenn es bei der seinerzeitigen Gesetzeslage geblieben wäre. Die sachliche Beitragspflicht konnte für diese Grundstücke nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. nicht mehr wirksam entstehen. Wäre eine auf den 30. Juni 1993 - den Tag des Inkrafttretens der ersten unwirksamen Satzung - rückwirkende wirksame Beitragssatzung beschlossen worden, wäre die vierjährige Festsetzungsfrist gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b KAG Bbg in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1 AO in Lauf gesetzt worden und Festsetzungsverjährung mit Ablauf des 31. Dezember 1997 eingetreten. Die Forderungen wären dann in der „juristischen Sekunde“ ihres Entstehens erloschen. § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg n.F. eröffnete damit in Fällen, in denen Beiträge nach der alten Rechtslage nicht mehr erhoben werden konnten, erneut die Möglichkeit, die Beitragsschuldner zu Anschlussbeiträgen heranzuziehen.
Die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach eine echte Rückwirkung im Steuerrecht nur vorliegt, wenn der Gesetzgeber eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abändert (vgl. BVerfGE 127, 1 <18 f.>; 127, 31 <48 f.>; 127, 61 <77 f.>; 132, 302 <319>; 135, 1 <13>), ist auf die vorliegenden Sachverhalte nicht übertragbar. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht diesen Rechtssatz allgemein formuliert; er ist jedoch auf solche Fälle zugeschnitten, in denen die Steuer mit Ablauf eines Veranlagungszeitraums entsteht. Um einen solchen Veranlagungszeitraum geht es hier nicht.
Die vorliegenden beitragsrechtlichen Fälle unterscheiden sich auch erheblich von denjenigen, in denen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Änderung von Steuernormen mit Wirkung für den laufenden Veranlagungszeitraum von einer unechten Rückwirkung auszugehen ist. Denn in den letztgenannten Fällen kann die Steuerschuld nach der alten Rechtslage, das heißt vor der Rechtsänderung, noch entstehen, nämlich mit Ablauf des Veranlagungszeitraums. In den Fällen der Beschwerdeführerinnen konnte die Beitragspflicht dementgegen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung am 1. Februar 2004 selbst bei Erlass einer wirksamen Satzung nicht mehr wirksam beziehungsweise lediglich für eine „juristische Sekunde“ zur Entstehung gebracht werden, weil rückwirkend mit Ablauf des 31. Dezember 1997 Festsetzungsverjährung eingetreten wäre.
bb) (1) Gesetze mit echter Rückwirkung sind grundsätzlich nicht mit der Verfassung vereinbar (vgl. BVerfGE 45, 142 <167 f.>; 101, 239 <262>; 132, 302 <318>; 135, 1 <21>; stRspr). Von diesem grundsätzlichen Verbot echt rückwirkender Gesetze bestehen jedoch Ausnahmen (BVerfGE 135, 1 <21>; vgl. BVerfGE 13, 261 <272 f.>; 18, 429 <439>; 30, 367 <387 f.>; 50, 177 <193 f.>; 88, 384 <404>; 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263 f.>; 122, 374 <394 f.>; 126, 369 <393 f.>; 131, 20 <39>; stRspr). Das Rückwirkungsverbot findet im Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze (BVerfGE 135, 1 <21>; vgl. BVerfGE 88, 384 <404>; 122, 374 <394>; 126, 369 <393>). Es gilt nicht, soweit sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte (BVerfGE 135, 1 <21 f.>; vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 122, 374 <394>) oder ein Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig war (BVerfGE 135, 1 <22>; vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 50, 177 <193>).
Eine Ausnahme vom Grundsatz der Unzulässigkeit echter Rückwirkungen ist gegeben, wenn die Betroffenen schon im Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen wird, nicht auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung vertrauen durften, sondern mit deren Änderung rechnen mussten (BVerfGE 135, 1 <22>; vgl. BVerfGE 13, 261 <272>; 30, 367 <387>; 95, 64 <86 f.>; 122, 374 <394>). Vertrauensschutz kommt insbesondere dann nicht in Betracht, wenn die Rechtslage so unklar und verworren war, dass eine Klärung erwartet werden musste (BVerfGE 135, 1 <22>; vgl. BVerfGE 13, 261 <272>; 18, 429 <439>; 30, 367 <388>; 50, 177 <193 f.>; 88, 384 <404>; 122, 374 <394>; 126, 369 <393 f.>), oder wenn das bisherige Recht in einem Maße systemwidrig und unbillig war, dass ernsthafte Zweifel an seiner Verfassungsmäßigkeit bestanden (BVerfGE 135, 1 <22>; vgl. BVerfGE 13, 215 <224>; 30, 367 <388>). Der Vertrauensschutz muss ferner zurücktreten, wenn überragende Belange des Gemeinwohls, die dem Prinzip der Rechtssicherheit vorgehen, eine rückwirkende Beseitigung erfordern (BVerfGE 135, 1 <22>; vgl. BVerfGE 13, 261 <272>; 18, 429 <439>; 88, 384 <404>; 95, 64 <87>; 101, 239 <263 f.>; 122, 374 <394 f.>), wenn der Bürger sich nicht auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen durfte (BVerfGE 135, 1 <22>; vgl. BVerfGE 13, 261 <272>; 18, 429 <439>; 50, 177 <193 f.>; 101, 239 <263 f.>; 122, 374 <394 f.>), oder wenn durch die sachlich begründete rückwirkende Gesetzesänderung kein oder nur ganz unerheblicher Schaden verursacht wird (sogenannter Bagatellvorbehalt, BVerfGE 135, 1 <22 f.>; vgl. BVerfGE 30, 367 <389>; 72, 200 <258>).
(2) Eine Ausnahme vom Grundsatz der Unzulässigkeit echter Rückwirkungen liegt hier nicht vor. Von den in der Rechtsprechung anerkannten Fallgruppen zulässigerweise echt rückwirkender Gesetze kommt hier nur diejenige der Vorhersehbarkeit einer Neuregelung wegen Unklarheit und Verworrenheit der ursprünglichen Gesetzeslage in Betracht. Diese vermag die Rückwirkung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg n.F. in den vorliegenden Fällen allerdings nicht zu rechtfertigen.
Die Betroffenen mussten vorliegend nicht mit einer Rechtsänderung rechnen. Das Oberverwaltungsgericht Brandenburg hatte sich im Urteil vom 8. Juni 2000 (- 2 D 29/98.NE -, juris) eindeutig dafür entschieden, in dem Konflikt zwischen den finanziellen Interessen der Gemeinden und Zweckverbände einerseits und den Interessen der Bürger andererseits letzteren den Vorrang zu geben. Es wollte ausdrücklich einer „erheblichen Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Zeitpunkts des Entstehens und der Verjährung von Beitragsforderungen“ entgegenwirken (a.a.O., Rn. 48). Das Oberverwaltungsgericht Brandenburg schloss sich mit seinem Urteil vom 8. Juni 2000 (a.a.O., Rn. 48) der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen an, das zur Parallelbestimmung des nordrhein-westfälischen Kommunalabgabengesetzes, welches als Vorlage für das brandenburgische Kommunalabgabengesetz gedient hatte, bereits mit Urteil vom 18. Mai 1999 (- 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 ff.) die Auslegung vertreten hatte, dass es für den Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht maßgeblich auf das erste „Inkraftsetzen“ einer vermeintlich gültigen Satzung ankomme; damit hatte es seine frühere Rechtsprechung, nach der unwirksame Beitragssatzungen für die Frage des Zeitpunkts des Entstehens der Beitragspflicht unerheblich sein sollten, ausdrücklich aufgegeben (a.a.O., S. 537).
Angesichts des klärenden Urteils des Oberverwaltungsgerichts Brandenburg vom 8. Juni 2000 und der nachfolgenden Rechtsprechung (vgl. OVG Brandenburg, Urteil vom 5. Dezember 2001 - 2 A 611/00 -, MittStGB Bbg. 2002, S. 126 <131>; Urteil vom 27. März 2002 - 2 A 480/00 - S. 15 f.; Urteil vom 3. Dezember 2003 - 2 A 733/03 -, LKV 2004, S. 555 <556>) sprach bis zur Neuregelung nichts dafür, dass der Gesetzgeber die Vorschrift des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. entgegen der Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht rückwirkend abändern würde.
Im Übrigen rechtfertigt allein die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm nicht deren rückwirkende Änderung; erst wenn Auslegungszweifel ein Maß erreichen, das zur Verworrenheit der Rechtslage führt, darf der Gesetzgeber eine klärende Neuregelung auf die Vergangenheit erstrecken (vgl. BVerfGE 135, 1 <23>). Eine solche Unklarheit und Verworrenheit der ursprünglichen Gesetzeslage war hier nicht gegeben. Die Vorschrift des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. war hinsichtlich ihres Verständnisses nach Wortlaut und Regelungsgehalt nicht fragwürdig oder gar unverständlich, sondern klar formuliert. Ihre Auslegungsbedürftigkeit im Hinblick auf die Voraussetzungen für das Entstehen der Beitragspflicht hat zwar zu divergierenden Standpunkten geführt. Eine „Klarstellung“ durch ein echt rückwirkendes Gesetz rechtfertigt dies indes nicht (vgl. BVerfGE 135, 1 <25>).
Eine durch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Brandenburg vom 8. Juni 2000 (- 2 D 29/98.NE -, juris) begründete Unsicherheit hinsichtlich der Auslegung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. bestand im Übrigen stets nur bezüglich der Frage, ob die Beitragspflicht für ihr Entstehen und damit den Beginn der Festsetzungsverjährung eine wirksame Satzung voraussetzt. Die Formulierungen des Oberverwaltungsgerichts im Urteil vom 8. Juni 2000 waren insoweit nicht ganz eindeutig. So stellte das Oberverwaltungsgericht einerseits leitsatzmäßig fest, es komme „für das Entstehen der Anschlussbeitragspflicht (…) nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg für bereits an die leitungsgebundene Einrichtung oder Anlage anschließbare Grundstücke nicht auf das In-Kraft-Treten der ersten gültigen Beitragssatzung an, sondern auf den Zeitpunkt, in dem die Gemeinde oder der Zweckverband erstmals eine Beitragssatzung in Kraft setzen wollte, beziehungsweise den in dieser Satzung bestimmten späteren Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht“. Andererseits betonte es in den Entscheidungsgründen, dass "ohne gültige Beitragssatzung (…) auch für Beiträge nach § 8 KAG eine sachliche Beitragspflicht nicht entstehen kann" (OVG Brandenburg, Urteil vom 8. Juni 2000 - 2 D 29/98.NE -, juris, Rn. 45).
Klar war allerdings stets, dass für den Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht und des Verjährungsbeginns die erste Satzung maßgeblich war, selbst wenn diese unwirksam gewesen sein sollte. Dieser Entstehungszeitpunkt wurde durch die Neuregelung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg n.F. auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens einer „rechtswirksamen“ Satzung verschoben.
d) Selbst wenn die Anwendung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg n.F. in Fällen, in denen Beiträge nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. nicht mehr erhoben werden könnten, mit der formalen Begründung des Oberverwaltungsgerichts als unechte Rückwirkung zu qualifizieren wäre, läge ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes vor. Denn diese unechte Rückwirkung stünde einer echten Rückwirkung jedenfalls im Ergebnis nahe, weshalb an ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung im Verhältnis zu sonstigen Fällen unechter Rückwirkung gesteigerte Anforderungen zu stellen wären (vgl. BVerfGE 132, 302 <319>).
aa) In den vorliegenden Fällen war die Beitragsschuld nach der alten Rechtslage zwar nicht durch Festsetzungsverjährung erloschen (vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b KAG Bbg in Verbindung mit § 47 AO), weil sie mangels wirksamer Satzung noch nicht entstanden war. Die Beitragsforderung konnte nach der alten Rechtslage jedoch nicht mehr erhoben werden, weil sie in der logischen Sekunde ihres Entstehens durch rückwirkendes Inkrafttreten einer wirksamen Satzung zugleich wegen Festsetzungsverjährung erloschen wäre. Dieser Fall steht dem einer echten Rückwirkung jedenfalls im Ergebnis nahe (vgl. BVerfGE 132, 302 <319>). Denn für den von einer Beitragspflicht betroffenen Bürger macht es keinen Unterschied, ob die Beitragsforderung bereits wegen Verjährung erloschen ist oder nicht mehr wirksam zur Entstehung gebracht werden kann, weil sie in der logischen Sekunde ihres Entstehens wegen Verjährung erloschen wäre. Für den Vertrauensschutz des Bürgers kommt es vielmehr darauf an, ob er auf der Grundlage der geltenden Rechtslage noch mit der Heranziehung zu einem Beitrag rechnen musste. Schreibt das geltende Recht in seiner Auslegung durch die Gerichte die rückwirkende Inkraftsetzung einer Satzung auf einen Zeitpunkt vor, der länger zurückliegt als die Festsetzungsfrist von vier Jahren, ist dies nicht der Fall.
bb) Bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens einerseits und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe andererseits (vgl. BVerfGE 127, 1 <17 f.>; 127, 31 <47 f.>; 127, 61 <76 f.>; 132, 302 <320>) hat der Gesetzgeber dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz der Beschwerdeführerinnen nicht in hinreichendem Maß Rechnung getragen. In den vorliegenden Fällen erwächst Vertrauen zwar nicht in erster Linie durch in besonderer Weise schützenswerte Dispositionen der Beitragsschuldner, sondern im Wesentlichen aus der Gewährleistungsfunktion des geltenden Rechts (vgl. BVerfGE 135, 1 <22>; 127, 31 <57 f.>). Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob eine Forderung wegen Festsetzungsverjährung erloschen ist (vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b KAG Bbg in Verbindung mit § 47 AO) oder ob sie nicht mehr wirksam zur Entstehung gebracht werden kann, weil sie in der juristischen Sekunde ihres Entstehens wegen Festsetzungsverjährung erlischt. Maßgeblich ist vielmehr allein, dass die Forderung nicht mehr erhoben werden kann. Hierauf müssen die Abgabepflichtigen vertrauen dürfen. Andernfalls wäre das Vertrauen in die Rechtssicherheit und Rechtsbeständigkeit der Rechtsordnung als Garanten einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung ernsthaft gefährdet (vgl. BVerfGE 109, 133 <180>; 126, 369 <393>; 127, 1 <16>; 135, 1 <22>; stRspr). Die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, genießt zwar, sofern keine besonderen Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. BVerfGE 38, 61 <83>; 68, 193 <222>; 105, 17 <40>; 109, 133 <180 f.>; 127, 1 <17>; 135, 1 <22>; stRspr). Das diesen Grundsatz rechtfertigende Anliegen, die notwendige Flexibilität der Rechtsordnung zu wahren, zielt indes auf künftige Rechtsänderungen und relativiert nicht ohne Weiteres die Verlässlichkeit der Rechtsordnung für die Vergangenheit (vgl. BVerfGE 135, 1 <22>).
Das allgemeine Ziel der Umgestaltung des Abgabenrechts sowie fiskalische Gründe - nämlich das öffentliche Interesse an der Refinanzierung der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage - rechtfertigen die rückwirkende Abgabenbelastung hier nicht (vgl. BVerfGE 127, 1 <26>; 127, 31 <59>; 132, 302 <331>). Dies gilt auch vor dem Hintergrund der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung, insbesondere den Schwierigkeiten beim Aufbau einer funktionierenden kommunalen Selbstverwaltung, bei der Gründung von Zweckverbänden, der erstmaligen Schaffung von wirksamem Satzungsrecht und der Lösung des Altanschließerproblems (vgl. Verfassungsgericht für das Land Brandenburg, Beschluss vom 21. September 2012 - VfGBbg 46/11 -, juris, Rn. 86; Möller, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 2006 f. <September 2015>).
Zwar wurde durch die Herstellung der Abwasserbeseitigungsanlage der Wert der angeschlossenen Grundstücke dauerhaft erhöht. Die Bürger haben einen Sondervorteil empfangen, für den sie grundsätzlich die volle nach dem Gesetz entstandene Gegenleistung zu erbringen haben (vgl. BVerfGE 137, 1 <18>; dazu auch BVerfGK 16, 162 <168>; BVerwGE 67, 129 <131 f.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>).
Das Oberverwaltungsgericht Brandenburg hat in seinem Urteil vom 8. Juni 2000 (- 2 D 29/98.NE -, juris, Rn. 48) allerdings zu Recht darauf hingewiesen, dass die Gemeinden und Zweckverbände durchaus die Möglichkeit hatten, Beitragsforderungen rechtzeitig geltend zu machen und so keine finanziellen Einbußen zu erleiden. § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. räumte den Gemeinden und Zweckverbänden bereits bei der Satzungsgebung die Möglichkeit ein, die Beitragspflicht nicht schon mit dem Inkrafttreten der Satzung entstehen zu lassen, sondern durch Satzung einen späteren Zeitpunkt für die Entstehung der Beitragspflicht zu bestimmen. Diese Ausnahmeregelung ermöglichte es den Gemeinden und Zweckverbänden, auch in Ansehung der Aufbausituation in Brandenburg zunächst die Voraussetzungen für die verwaltungsmäßig ordnungsgemäße Abwicklung einer Vielzahl gleichzeitig anfallender Beitragsverfahren zu schaffen. Verzichten die Gemeinden und Zweckverbände auf die Inanspruchnahme dieser sie begünstigenden Ausnahmeregelung, dokumentieren sie damit, dass sie des hierdurch gewährten Schutzes nach eigener Einschätzung nicht mehr bedürfen (vgl. OVG Brandenburg, Urteil vom 8. Juni 2000 - 2 D 29/98.NE -, juris, Rn. 48; vgl. für die gleichlautende Bestimmung des § 8 Abs. 7 Satz 2 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - KAG NRW - OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>).
Darüber hinaus konnten die Gemeinden und Zweckverbände vor der Neuregelung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg auch nicht davon ausgehen, dass ihnen nach dem Erlass der ersten Beitragssatzung mehr als die gesetzliche vierjährige Festsetzungsfrist bleiben würde, um Beitragsbescheide gegenüber den Beitragspflichtigen zu erlassen. Denn sie mussten bei pflichtgemäßem Verhalten wenigstens selbst von der Wirksamkeit der eigenen Beitragssatzung ausgehen. Sie hätten damit Anlass gehabt, die Beitragspflichtigen innerhalb von vier Jahren nach Ablauf des Jahres ihres ersten Satzungsbeschlusses zu veranlagen. Dass die Beklagte dies in den vorliegenden Fällen nicht rechtzeitig getan hat, fällt in ihren Verantwortungsbereich (vgl. VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 28. August 2006 - 5 K 2024/04 -, juris, Rn. 62).
C.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG, diejenige über die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 14 Abs. 1, § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).
Az: 910-06