Mitteilungen 02/2014, Seite 66, Nr. 35
Baupolitische Erwartungen an den 2014 zu wählenden 6. Landtag Brandenburg
1. In der sechsten Wahlperiode wird das Land Brandenburg vor weitere Herausforderungen gestellt. Einerseits bleibt im Berliner Umland Wachstum zu bewältigen. Andererseits wird in den jetzt schon dünn besiedelten Landesteilen das Durchschnittsalter zunehmen und die Siedlungsdichte weiter abnehmen. Insgesamt werden dem Land Brandenburg weniger finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Demgegenüber bleiben die Aufgaben der Kommunen, die Daseinsvorsorge für ihre Bürgerinnen und Bürger unter schwierigeren Bedingungen zu gewährleisten.
2. Bei allen Unterschieden muss Brandenburg ein Land bleiben, ein neues partnerschaftliches Zusammenwirken zwischen Land und Kommunen ist geboten, um die Herausforderungen mit sinkenden Mitteln bewältigen zu können. Ein Baustein des Weges ist es, die Selbstverwaltung der Städte und Gemeinden zu stärken. Städte, Gemeinden und Ämter erwarten größere Handlungsspielräume, um auf die unterschiedlichen Problemstellungen eigenverantwortlich örtlich angemessen reagieren zu können.
3. Zudem ist festzuhalten: Die gebotenen Attraktivitätssteigerungen der Städte und Gemeinden dürfen durch die den Landeshaushalt massiv finanziell belastenden Planungs- und Ausführungsfehler beim Bau des Flughafens Berlin-Brandenburg nicht beeinträchtigt werden.
4. Kostenträchtige und Verwaltungskraft bindende Gesetze und sonstige Regelungen müssen überprüft, abgebaut oder flexibilisiert werden. Andernfalls sind die Konsolidierungsappelle des Landes nicht glaubwürdig.
5. Insbesondere erwarten die Städte, Gemeinden und Ämter, dass die Übertragung des Vollzugs von Landesaufgaben nachhaltig kostendeckend finanziert wird.
6. Im Bereich des öffentlichen Auftragswesens sind die Eingriffe in die kommunalen Entscheidungsspielräume zurückzuführen. Die Regelungen der Kommunalen Haushalts- und Kassenverordnung in Verbindung mit den Vergabe- und Vertragsordnungen reichen aus, um wirtschaftliches Handeln der Kommunen zu gewährleisten. Das Brandenburgische Vergabegesetz und die es begleitenden Rechtsverordnungen zur Durchführung von Prüfverfahren und Kostenerstattungen haben sich als zu bürokratisch erwiesen. Das Ziel des Vergabegesetzes, Beschäftigten ein Mindesteinkommen zu sichern, hat sich trotz allen bürokratischen Aufwandes als kaum überprüfbar erwiesen. Die Städte, Gemeinden und Ämter erwarten, dass es zügig aufgehoben wird. Gleiches gilt für die aus den Zeiten der hohen Frauenarbeitslosigkeit stammende Frauenförderverordnung.
7. Zugleich dürfen die Städte und Gemeinden nicht länger dazu herangezogen werden, durch Gebührenerhebung die Kosten der Wasser- und Bodenverbände zu refinanzieren. Die Grundstückseigentümer sollen selbst Mitglieder in diesen Verbänden werden.
8. Die Kommunen sehen auch keinen Anlass, die gesetzlichen Regelungen zur förmlichen Bürgerbeteiligung an ihren Verwaltungsentscheidungen weiter auszuweiten. Die Kommunen sind traditionell bürgerschaftlich organisiert. Ihre Entscheidungen unterliegen täglich der Kontrolle der örtlichen Bevölkerung. Initiativen des Landes sollten sich daher auf die zu Tage getretenen Legitimationsdefizite bei Großprojekten wie zum Beispiel dem Flughafen Berlin-Brandenburg oder der Ansiedlung von Windkraftanlagen konzentrieren.
9. In diesem Zusammenhang ist es geboten, allen Hauptverwaltungsbeamten der Städte, Gemeinden und Ämter eine geborene Mitgliedschaft in den Regionalversammlungen der Regionalen Planungsgemeinschaften einzuräumen. Derzeit sind gerade die Regionen, in denen besonders viele und konfliktträchtige Vorranggebiete ausgewiesen werden, nicht durch gemeindliche Repräsentanten in den Regionalversammlungen vertreten. Andernfalls wird die Legitimität der Entscheidungen der Regionalversammlungen weiter in Frage gestellt.
10. Die Straffung der zentralörtlichen Gliederung mit dem Wegfall von Grundzentren hat sich als fehlerhaft erwiesen. Landesplanung muss auch unterhalb der Ebene der Mittelzentren überörtliche Funktionen wieder anerkennen.
11. Entscheidungen, die die Entwicklung der Städte und Gemeinden beeinträchtigen, sind unter ihrer aktiven Beteiligung durchzuführen. Dies betrifft insbesondere die Ausweisung von Hochwasserschutzgebieten. Diese können mit erheblicher Beeinträchtigung der innerstädtischen Entwicklungen verbunden sein.
12. Im Wettbewerb der Länder um Fachkräfte und Unternehmen kann das Land Brandenburg nur bestehen, wenn seine Infrastruktur zeitgemäß fortentwickelt wird: Im Bereich der Landesstraßen ist eine dauerhafte Unterfinanzierung festzustellen. Finanzbedarfe werden in die Zukunft hinausgeschoben. Vom Land wird erwartet, dass der Verfall der Straßen einschließlich der Brückenbauwerke gestoppt wird. Es bedarf eines dauerhaften Aufwuchses der Unterhaltungsmittel und eines Landessonderprogramms. Ein nachhaltiges Sanierungs- und Finanzierungskonzept für das Straßennetz wird eingefordert. Keine Lösung besteht darin, Straßen an Kommunen abzugeben. Die Kommunalfinanzierung muss die Kosten der Infrastruktur besser abbilden. Die dafür bestimmten Entflechtungsmittel des Bundes sind für diese Aufgabe einzusetzen. Sie dürfen nicht zweckwidrig verwendet werden.
13. Die Städte und Gemeinden bleiben darauf angewiesen, dass ein Großteil der lokalen Straßeninfrastruktur auch durch Beiträge der Grundstückseigentümer finanziert wird, die von diesen Maßnahmen im Besonderen profitieren. Die Möglichkeiten des anliegerfinanzierten Straßenausbaus sollten wieder gestärkt werden. Für die Entwicklung der Zentren sollten die Voraussetzungen geschaffen werden, eine auch finanzielle Beteiligung der Wirtschaft in Immobilien- und Standortgemeinschaften (vgl. § 171 f. BauGB) zu ermöglichen.
14. Die Bedeutung des schnellen Internets für die Landesentwicklung wird in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Ohne schnelles Internet wird nicht nur der Wirtschaftsentwicklung, sondern auch vielen Bereichen der Daseinsvorsorge die Grundlage entzogen werden. Die Ausbauanstrengungen sind daher unvermindert fortzuführen. Sie sind dem technischen Fortschritt anzupassen. Die europäischen Strukturfonds sollen auch dafür eingesetzt werden. Die Strukturfonds müssen insbesondere auf solche Aufgabenbereiche ausgerichtet werden, die nachhaltig die Wirtschaftskraft des Landes steigern.
15. Im Wettbewerb um Fachkräfte und Wirtschaftsentwicklung müssen Städte und Dörfer auch im Vergleich zu anderen Bundesländern attraktiv sein. Die Dorfentwicklung muss auch wieder stärker die ortsbildprägenden Elemente der Dörfer in den Blick nehmen können.
16. Städtebauförderung bleibt zentrale Daueraufgabe und Prüfstein einer glaubwürdigen Städtebaupolitik. Es ist daher geboten, die Kürzungen der letzten Jahre zu revidieren und sie auf das frühere höhere Niveau anzuheben und fortzuführen. Die klassische Städtebauförderung hat sich auch als Motor der lokalen Wirtschaft erwiesen. Ein Euro Fördermittel mobilisiert ein Vielfaches an privatem Kapital. Die eingeleiteten Städtebauförderungsmaßnahmen dürfen nicht abgebrochen, sondern müssen weiter geführt werden. Das Land Brandenburg muss sich neben dem Einsatz für die Fortschreibung der Stadtumbau- und anderer Programme der Städtebauförderung beim Bund speziell auch für einen Aufwuchs beim Programm „Soziale Stadt“ und dessen Wiederöffnung für nichtinvestive Maßnahmen einsetzen. Es muss alle angebotenen Bundesmittel kofinanzieren. Die Praxis der Städtebauförderung muss sich darauf zurückbesinnen, dass es sich dabei um eine Selbstverwaltungsaufgabe der Städte und Gemeinden handelt. Die Anforderungen des Landes an Konzepte sollten daher zurückgeführt werden. Städte und Gemeinden dürfen nicht in die Lage gebracht werden, für geringe Fördermittel ihre gesamte integrierte Entwicklungspolitik der Zustimmung von Landes- und anderen Aufsichtsbehörden unterwerfen zu müssen.
17. Städte und Gemeinden mit einer starken Umlandfunktion müssen nachhaltig in diesen Funktionen gestärkt werden. Dies gilt in besonderem Maße für die kreisfreien Städte als Oberzentren. Diese und andere verkehrlich gut angebundene Städte und Gemeinden müssen in ihrer Attraktivität so gesteigert werden, dass sie auch zu einer spürbaren Entlastung des Wohnungsmarktes der Metropole Berlin beitragen. Insbesondere muss es darum gehen, sie jedenfalls für einen Teil der Ausbildungs- oder Arbeitspendler auch als dauerhaften Wohnsitz attraktiv zu machen.
18. Städte und Gemeinden mit hohem strukturellem Wohnungsleerstand bleiben auf die Fortführung des Stadt-umbauprogramms angewiesen. Dieses ist bedarfsgerechter fortzuschreiben.
19. Die Wohnungspolitik muss anerkennen, dass es mittlerweile auch in verschiedenen Regionen des Landes Brandenburg zu sozialunverträglichen Mietpreissteigerungen kommt. Hier muss die Wohnungsbauförderung preisdämpfend einwirken. Die angebotenen Bundesmittel müssen konzentriert für Angebotsausweitungen eingesetzt werden. Zugleich muss das Land die zur Verfügung stehenden Instrumente zur Mietpreisdämpfung auch zum Einsatz bringen.
(Beschlossen vom Präsidium des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg am 16. Dezember 2013, erarbeitet vom Planungs- und Bauausschuss des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg am 15. November 2013 in Luckau.)
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Jens Graf, Referatsleiter
Az: 008-33