Mitteilungen 02/2014, Seite 93, Nr. 54
Öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf der Landesregierung "Viertes Gesetz zur Änderung des ÖPNV-Gesetzes"
Am 16. Januar 2014 hat der Ausschuss für Infrastruktur und Landwirtschaft des Landtages Brandenburg eine öffentliche Anhörung zum Vierten Gesetz zur Änderung des ÖPNV-Gesetzes durchgeführt. In der etwa dreistündigen Sitzung hatten Vertreter von 12 Körperschaften, Einrichtungen und Verbänden Gelegenheit sich zu dem Gesetzentwurf zu äußern und sich den Fragen der Abgeordneten zu stellen. Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg wurde durch Herrn Referatsleiter Golinowski in der Anhörung vertreten. Im Folgenden drucken wir unsere vorab übersandte, schriftliche Stellungnahme zum Gesetzentwurf zu Ihrer Kenntnis ab:
"Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
zunächst möchten wir uns herzlich für die Einladung zur oben genannten Anhörung bedanken. Gerne nehmen wir teil und kommen Ihrer Bitte nach, vorab die wesentlichen Punkte unserer Stellungnahme schriftlich niederzulegen.
I.
Die kreisfreien Städte und Landkreise nehmen die Aufgabe des übrigen ÖPNV gemäß § 3 Abs. 3 ÖPNV-Gesetz (ÖPNVG) als freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe war. Freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben unterliegen dem Schutz des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz. Demnach steht den Landkreisen und kreisfreien Städten bereits frei, ob sie diese Aufgabe überhaupt wahrnehmen wollen. Weiterhin können sie in eigener Verantwortung entscheiden, wie sie die Aufgaben erfüllen wollen. Weder hinsichtlich des „ob“ noch hinsichtlich des „wie“ der Aufgabenwahrnehmung steht dem Land ein Weisungsrecht zu . Vor diesem Hintergrund hatten wir in unserer Stellungnahme zum Referentenentwurf des Gesetzes gegenüber dem Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft (MIL) gefordert, den Gesetzentwurf entsprechend verfassungskonform zu formulieren und insbesondere gesetzliche Aufgabenzuweisungen an den Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB), welche die Zuständigkeit der kreisfreien Städte (und Landkreise) im übrigen ÖPNV betreffen, zu entfernen. Wir begrüßen deshalb die vorgenommenen Änderungen - insbesondere die Streichung des ehemaligen § 5 Abs. 5 ÖPNVG-E - im vorgelegten Gesetzentwurf.
Gleichwohl enthält der Gesetzentwurf noch Regelungen, die nach unserer Auffassung nicht mit der Einordnung als freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe vereinbar sind. So formuliert der Gesetzentwurf die Erwartungen des Landes zur Ausgestaltung des übrigen ÖPNV als einheitliches System (Beförderungstarife, Beförderungsbedingungen, Produkte, Fahrgastinformationen, Marketingmaßnahmen einheitliche Abfertigung- und Zahlungssysteme - siehe hierzu §§ 2 u. 5 des Gesetzentwurfes) in „soll – Form“. Damit gibt der Landesgesetzgeber den kreisfreien Städten (und Landkreisen) bereits die Art der Aufgabenwahrnehmung vor. Nur in besonders begründeten Ausnahmefällen könnten sie hiervon abweichen. Ein solches Weisungsrecht steht, wie oben gezeigt, dem Land bei freiwilligen Selbstverwaltungsangelegenheiten aber nicht zu. Der Gesetzentwurf muss deshalb so geändert werden, dass Vorgaben für die Aufgabenwahrnehmung der kreisfreien Städte (und Landkreise) in diesem Bereich unterbleiben.
Klarzustellen ist an dieser Stelle, dass wir die Idee eines möglichst flächenübergreifenden, verbraucherfreundlichen ÖPNV begrüßen. Nachdem im Jahre 2004 aber maßgeblich durch das Land die Einordnung der Aufgabe als freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe forciert wurde, sollte der Gesetzgeber sich nun auch an seine eigenen Regelungen halten. Dies bedeutet natürlich nicht, dass die Aufgabenträger nicht mehr zusammenarbeiten bzw. nicht weiter im VBB zusammengearbeitet wird, entscheidend ist jedoch, dass dies freiwillig geschieht und die kreisfreien Städte und Landkreise letztendlich abschließend entscheiden, in welche Richtung in ihrem Zuständigkeitsbereich zusammengearbeitet wird.
II.
Bereits langjährig fordern wir die Weitergabe der Dynamisierung der Regionalisierungsmittel. Auch dieser Gesetzentwurf berücksichtigt diese Forderung leider nicht. Gemäß § 10 Abs. 1 ÖPNVG-E werden für die Finanzierung des ÖPNV Mittel aus dem Regionalisierungsgesetz, dem Entflechtungsgesetz sowie nach Maßgabe des Haushaltsplanes Landesmittel zur Verfügung gestellt. Den größten Anteil stellen dabei die Regionalisierungsmittel dar. Hierbei handelt es sich um Gelder, welche den Ländern aus dem Mineralölsteueraufkommen des Bundes zustehen. Das Land Brandenburg erhält hiervon einem Anteil von 5,71 % (381.142.500,-€). Dieser Betrag wird ab dem Jahr 2009 um jährlich 1,5 % gesteigert (§ 5 Abs. 2 Regionalisierungsgesetz). Damit sollen die Kostensteigerungen aufgefangen werden. Diese Dynamisierung wird jedoch nicht an die kreisfreien Städte (und Landkreise) weitergegeben, obwohl diese im selben Maße von den Preissteigerungen betroffen sind, wie das Land. Eine Begründung, weshalb das Land diese Mittel - welche vom Bund kommen - nicht weitergibt, ist uns nicht ersichtlich und erscheint uns deshalb vollkommen willkürlich. Wir fordern Sie deshalb erneut auf, die Dynamisierungsmittel durchzureichen.
III.
Auch wenn wir um die schwierige Lage der Verkehrsfinanzierung wissen, sei an dieser Stelle noch einmal darauf verwiesen, dass der ÖPNV nicht ausreichend ausfinanziert ist. Sie kennen sicherlich die Erhebung des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen, nach der jährlich 49 Mio. Euro fehlen, um einen modernen und attraktiven ÖPNV anbieten zu können. Insofern dürfen wir Sie bitten, die entsprechenden Finanzierungsmittel zu erhöhen."
Thomas Golinowski, Referatsleiter
Az: 703-01