Mitteilungen 03/2013, Seite 79, Nr. 50
Art. 22 Einigungsvertrag – Aufteilung des Finanzvermögens
Öffentliches Vermögen von Rechtsträgern in dem in Artikel 3 genannten Gebiet einschließlich des Grundvermögens und des Vermögens in der Land- und Forstwirtschaft, das nicht unmittelbar bestimmten Verwaltungsaufgaben dient (Finanzvermögen), ausgenommen Vermögen der Sozialversicherung, unterliegt, soweit es nicht der Treuhandanstalt übertragen ist, oder durch Gesetz gemäß § 1 Abs. 1 Sätze 2 und 3 des Treuhandgesetzes Gemeinden, Städten oder Landkreisen übertragen wird, mit Wirksamwerden des Beitritts der Treuhandverwaltung des Bundes. Soweit Finanzvermögen überwiegend für Aufgaben des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit / des Amtes für nationale Sicherheit genutzt wurde, steht es der Treuhandanstalt zu, es sei denn, dass es nach dem 1. Oktober 1989 bereits neuen sozialen oder öffentliche Zwecken zugeführt worden ist. Durch Bundesgesetz ist das Finanzvermögen auf den Bund und die in Artikel 1 genannten Länder so aufzuteilen, dass der Bund und die in Artikel 1 genannten Länder je die Hälfte des Vermögensgesamtwertes erhalten. An dem Länderanteil sind die Gemeinden (Gemeindeverbände) angemessen zu beteiligen. (Art. 22 Abs. 1 Satz 1 bis 4 EV vom 31. August 1990)
a) Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg hat seit fast fünfzehn Jahren die jeweiligen Finanzminister des Landes Brandenburg darauf gedrängt, dafür Sorge zu tragen, dass ein Aufteilungsgesetz nach Art. 22 Abs. 1 Satz 3 EV erlassen wird. Der Anspruch der Kommunen an 50 vom Hundert des Finanzvermögens ließe sich nur realisieren, indem die fünf neuen Bundesländer sich als Anwalt für die Städte und Gemeinden einsetzten. Auch befragte der Verband die Parteien im Landtagswahlkampf 1999 zu ihrer diesbezüglichen Haltung im Rahmen der sogenannten Wahlprüfsteine für die dritte Wahlperiode des Landestages Brandenburg (siehe Mitt. StGB Bbg 6/1999).
Ein erstes Aufteilungsgesetz haben die Länder Ende 1998 erarbeitet. Zum 31. Dezember 1997 soll der Einnahmeüberschuss des aufzuteilenden Finanzvermögens laut Bund noch 3,5 Milliarden DM betragen haben. Nach Übersendung des Gesetzentwurfs der Länder betrug der Überschuss zum 31. Dezember 1998 nur noch 1,7 Milliarden DM. In der Folge wurden durch den Bund defizitäre Vermögenswerte wie die Staatliche Versicherung der DDR in Abwicklung und die Wismut GmbH in Form einer Saldierung eingerechnet, was zu einer Überschuldung des Finanzvermögens führte. Auch vertritt der Bund die Auffassung, dass von dem Finanzvermögen vorab nach Art. 1 § 10 Abs. 1 Nr. 2 EALG 50 vom Hundert der Erlöse dem Finanzvermögen des Entschädigungsfonds abzuführen sei. Schließlich bezifferte der Bund im Jahr 2005 den negativen Saldo des Finanzvermögens mit 3,49 Milliarden Euro. Die Länder befürchteten, dass letztlich nur Schulden zu verteilen seien. Seit Ende 2006 war dann zwischen dem Bundesfinanzministerium und den Finanzministerien der ostdeutschen Länder die sogenannte Nulllösung im Gespräch.
Seit Frühjahr 2009 befand sich eine Vereinbarung zwischen Bund und ostdeutschen Ländern zur Aufteilung des Finanzvermögens nach Art. 22 Abs. 1 EV im Gespräch. Die Vereinbarung ist im Dezember 2012 in Form eines Staatsvertrages (siehe nachfolgenden Artikel) durch den Bundesfinanzminister Dr. Schäuble und die Ministerpräsidenten und die Ministerpräsidentin unterzeichnet worden.
b) Gegen die verschiedenen Berechnungen des Bundes haben die kommunalen Spitzenverbände Städte- und Gemeindebund Brandenburg, Sächsischer Städte- und Gemeindetag, Gemeinde- und Städtebund Thüringen, Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt, Städte- und Gemeindetag Mecklenburg-Vorpommern und der Deutsche Städte- und Gemeindebund jeweils gegenüber ihrem Landesfinanzministerium bzw. dem Bundesfinanzministerium oder gemeinsam in Beratungen mit Finanzstaatssekretären der Länder die unterschiedlichen Argumente vorgetragen und rechtliche Hinweise gegeben.
So können die Kommunalverbände nicht nachvollziehen, weshalb die Speisung des Entschädigungsfonds nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Entschädigungsgesetz (EntschG) aus den Einnahmen vor Saldierung erfolgen soll. Der klare Wortlaut des Gesetzes spricht von „50 vom Hundert des Gesamtwerts des Finanzvermögens in Treuhandverwaltung des Bundes“. Der Wert kann nur das Ergebnis einer Saldierung zwischen Aktiva und Passiva sein. Angesichts des Wortlauts wird zudem deutlich, dass der Gesetzgeber selbstverständlich von einem positiven Gesamtwert des Finanzvermögens ausgegangen ist.
Bei den Verbindlichkeiten der ehemaligen SDAG Wismut bzw. der heute bestehenden Wismut GmbH handelt es sich aus Sicht der Spitzenverbände um Finanzvermögen sui generis, das unter das gemäß Art. 22 EV fallende Finanzvermögen nicht einzuordnen ist und auch zu keinem Zeitpunkt dem ehemaligen öffentlichen Vermögen der DDR zugehörig war. Insoweit sind die Aussagen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 30. September 1999 - 3 C 22/98 – eindeutig. Das Bundesverwaltungsgericht hat, ausgehend von dem in dem Verfahren entschiedenen Einzelfall, in verallgemeinerungsfähiger Weise festgestellt, dass Vermögenspositionen, die ihren Ursprung in der ehemaligen SDAG Wismut haben, nicht dem Finanzvermögen zuzurechnen sind. So heißt es bereits im amtlichen Leitsatz: „Über das Vermögen der ehemaligen Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft Wismut ist im Einigungsvertrag nicht verfügt worden."
An anderer Stelle führt das BVerwG aus: „Der besondere Status der SDAG Wismut und die - formal gleichberechtigte, faktisch aber dominante - Teilhaberschaft der Sowjetunion an ihr lassen es nicht zu, das SDAG-Vermögen zum Beitrittszeitpunkt als öffentliches Vermögen der DDR anzusehen. Die SDAG Wismut war auch kein „Träger des öffentlichen Rechts" der DDR oder des DDR-Rechts im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Sie war gleichsam ein Staat im Staate."
Die heute bestehenden Verbindlichkeiten der Wismut GmbH sind letztlich Resultat völkerrechtlicher Verträge zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen Sowjetunion und im Kern erst nach Abschluss des Einigungsvertrages begründet worden. Sie können schon deshalb nicht von Art. 22 EV erfasst werden.
Ebenso ist nicht zu erkennen, weshalb die Verbindlichkeiten der Staatlichen Versicherung der DDR in Abwicklung (SinA) in den Komplex Art. 22 EV einbezogen werden.
Letztlich fallen nach Auffassung des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg die Problemkreise Wismut GmbH (Verbindlichkeiten in Höhe von ca. 3,09 Mrd. Euro) und SinA (Verbindlichkeiten in Höhe von ca. 1,61 Mrd. Euro) unter Art. 23, 24 EV und müssten eigentlich von einem nicht rechtsfähigen Sondervermögen des Bundes beziehungsweise von diesem direkt übernommen werden.
Weiter bleibt es unverständlich, warum der Bund in seinen Aufstellungen lediglich Zahlungsflüsse darstellt, nicht hingegen Vermögensbestände, wie Grundstücke oder Gesellschaftsanteile. Wenn das Bundesfinanzministerium durch den Verkauf der TLG-Immobilien GmbH ganz erhebliche Einnahmen erhalten hat beziehungsweise erhält, fragt es sich, warum diese nicht bei der Aufteilung des Finanzvermögens in Ansatz gebracht werden.
Das Hauptproblem der Kommunen, endlich die zahlreichen Grundstücke, die noch als Eigentum des Volkes im Grundbuch eingetragen sind, einem Eigentümer und damit einem ordnungsrechtlich Pflichtigen zuzuweisen, wird nur bedingt einer Lösung zugeführt. Zwar erklären die Länder, der Bund übernähme mit dem Staatsvertrag den Restbestand des Finanzvermögens, das – auch von den Gemeinden − noch nicht zur Zuordnung beantragt worden ist (Artikel 2 Abs. 1 Satz 4 f. i. V. m. Art. 7 des Staatsvertrages). Indessen fragt sich, ob die Regelung in Artikel 7 dafür geeignet ist, eine Zuordnung der noch als Eigentum des Volkes eingetragenen Grundstücke an den Bund herbeizuführen. Denn nach Artikel 7 des Entwurfs des Staatsvertrages soll die Feststellung, was dem Finanzvermögen zugehört, durch Zuordnungsverfahren nach dem Vermögenszuordnungsgesetz erfolgen. Weiter wird erklärt, Bund und Länder hätten das gemeinsame Interesse, 20 Jahre nach der Wiedervereinigung gemeinsam mit den Kommunen Klarheit auch über die noch nicht im Zuordnungsverfahren befindlichen Vermögenswerte zu erreichen. Dies könnte heißen, dass erst im Vermögenszuordnungsverfahren geklärt wird, wem das fragliche Grundstück zugeordnet wird. Mit dieser Regelung laufen die Kommunen Gefahr, dass Bund und Länder sich der, zu einem großen Teil als sogenannte „Schrottimmobilien“ bezeichneten, Grundstücke entledigen und sie letztlich den Belegenheitskommunen zugeordnet werden, wie dies Mitte der 1990er Jahre bereits in einem Gesetzentwurf des Bundes vorgesehen war. Nach Auffassung des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg sollte zwingend vor Unterzeichnung des Staatsvertrages eine Regelung gefunden werden, nach der die Kommunen die Zuordnung der fraglichen Grundstücke an den Bund beantragen können und diese dann auch durch den Bund bzw. dessen Gesellschaften in Bundeseigentum übernommen werden.
Der Verband befürchtet, dass der Bund mit seinen nachgeordneten Unternehmen sich im Zuordnungsverfahren seinen Verpflichtungen entziehen wird. Die Belegenheitskommunen vermögen aber die aus sogenannten „Schrottimmobilien“ entstehenden Lasten nicht zu tragen.
c) Am 8. August 2012 fand im Bundesministerium der Finanzen eine Besprechung zwischen Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden zu dem Entwurf des Staatsvertrages statt. Für die Länder nahmen die Staatssekretäre aus Sachsen und Sachsen-Anhalt und für die kommunalen Spitzenverbände Herr Dr. Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und die Geschäftsführer des Sächsischen Städte- und Gemeindetages und des Gemeinde- und Städtebundes Thüringen teil. Die kommunalen Vertreter haben sich dafür eingesetzt, dass eine gesetzliche Regelung zur Aufteilung der noch nicht zugeordneten Vermögensgegenstände geschaffen wird. Dies wurde vom Bundesfinanzministerium abgelehnt, allerdings erklärte sich der Bund schließlich bereit, bei konkreten, kommunalen Forderungen auf Zuordnung, die durch die Belegenheitskommune eingeleitet wird, diese beschleunigt zu bearbeiten. Insofern war der Bund letztlich bereit, den Kommunen auf Basis einer Selbstverpflichtung entgegenzukommen. Es wurde vorgeschlagen Art. 7 des Entwurfs des Staatsvertrages zur abschließenden Aufteilung des Finanzvermögens nach Art. 22 EV um zwei Sätze zu erweitern. Mit ihnen ist der Bund die nicht einklagbare Selbstverpflichtung eingegangen, zum Finanzvermögen gehörende, aber noch nicht zugeordnete Grundstück zur Zuordnung auf den Bund zu beantragen, wenn entsprechende Grundstücke durch die Kommune identifiziert und angezeigt werden. Hierdurch soll den Kommunen ermöglicht werden, Grundstücke, die nicht zugeordnet sind und die niemand haben möchte, auf den Bund zuordnen zu lassen.
In dem Gespräch wurde ferner verabredet, dass zwischen der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben und den kommunalen Spitzenverbände ein Formular zur Anmeldung von Grundstücken und sonstigem Finanzvermögen für eine Antragstellung auf Zuordnung in das Bundesvermögen durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) gemäß Art. 7 des Staatsvertrages entwickelt wird. Die Gespräche zu diesem Formular zwischen dem Deutschen Städte- und Gemeindebund und der BImA dauern noch an. Hierzu wird der Städte- und Gemeindebund Brandenburg seine Mitglieder zu gegebener Zeit informieren.
d) Zuletzt hat der Städte- und Gemeindebund Brandenburg dem Ministerium der Finanzen des Landes Brandenburg am 4. September 2012 zu dem Staatsvertrag mitgeteilt: „Nach dem für die Kommunen enttäuschenden Gespräch vom 8. August 2012, in dem sich die Länder offensichtlich nicht für die kommunalen Interessen eingesetzt haben, gehen wir davon aus, dass Änderungen an dem zwischen Bund und Ländern abgestimmten Staatsvertrag nicht mehr vorgenommen werden. Wir nehmen dies mit Bedauern zur Kenntnis.
Die in Artikel 7 und in der Begründung zu Artikel 7 vorgenommene Ergänzung des Staatsvertrages mag dazu dienen, die dringendsten Grundstückssorgen in den Städten und Gemeinden abzumildern. Allerdings muss auch hier festgehalten werden, dass die Arbeit wieder bei den Städten und Gemeinden liegen wird.“
e) Obwohl der Städte- und Gemeindebund Brandenburg das Ministerium der Finanzen des Landes Brandenburg immer wieder gefragt hat, ob das Land Brandenburg beabsichtige, dem Staatsvertrag mit einem Gesetz Gesetzeskraft zu verleihen und das Ministerium der Finanzen dies stets verneint hat, konnte man dem Internetauftritt des Landtages Brandenburg seit Anfang 2013 entnehmen, dass es einen Gesetzentwurf der Landesregierung Brandenburg, Drucksache 5/6659, vom 11. Januar 2013 gab. Ein solches Gesetz ist zum einen nach Artikel 91 Abs. 2 Landesverfassung notwendig, zum anderen auch deshalb, weil fraglich ist, ob der Staatvertrag ohne ein Gesetz für die Städte, Gemeinden und Ämter Bindung entfalten würde. Das Gesetz zu dem Staatsvertrag über die abschließende Aufteilung des Finanzvermögens gemäß Artikel 22 des Einigungsvertrages zwischen dem Bund, den neuen Länder und dem Land Berlin sieht in § 1 vor, dass der Landtag dem unterzeichneten Staatsvertrag zustimmt und in § 2, dass es am Tage nach der Verkündung in Kraft tritt. Mit Veröffentlichung im Gesetzes- und Verordnungsblatt wird der Staatsvertrag also für die Städte, Gemeinden und Ämter bindend sein, weil er mittels Zustimmungsgesetz Gesetzeskraft entfaltet. Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg ist durch den Hauptausschuss des Landtages, der die Federführung innehatte, nicht angehört worden. Der Landtag Brandenburg hat das Gesetz in seiner Sitzung vom 20. März 2013 verabschiedet.
Das Bundeskabinett hat am 9. Januar 2013 ebenfalls einem Entwurf eines Gesetzes zugestimmt.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zu dem Staatsvertrag vom 14. Dezember 2012 über die abschließende Aufteilung des Finanzvermögens gemäß Art. 22 des Einigungsvertrages zwischen dem Bund, den neuen Ländern und Berlin (Finanzvermögens-Staatsvertrag) und zur Änderung der Bundeshaushaltsordnung vom 6. März 2013, Drucksache 17/12639, ist nicht nur wegen seines Artikel 1 für die Kommunen von Interesse.
Mit der Änderung der Bundeshaushaltsordnung will der Bund die aufschiebende Wirkung von Anfechtungsklagen gegen Bescheide des Bundesrechnungshofes, mit denen Prüfungen und Erhebungen bei nicht bundesunmittelbaren Körperschaften veranlasst werden, abschaffen.
Monika Gordes, stellvertretende Geschäftsführerin
Az: 906-05