Mitteilungen 04-05/2015, Seite 176, Nr. 108
Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg: Koalition verhindert Anhörung; Verwaltungsgericht Cottbus verneint rückwirkende Heilungsmöglichkeit
Kann der nichtige Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg geheilt und rückwirkend wieder in Kraft gesetzt werden? Einen gemeinsamen Antrag der Fraktionen der CDU und Bündnis 90/Die Grünen zur Durchführung einer Anhörung zu dieser Frage, lehnte der Ausschuss für Infrastruktur und Landesplanung am 23. April 2015 mit den Stimmen von SPD und DIE LINKE ab. Die Koalitionsvertreter stellten sich auf den Standpunkt, dass es sich insoweit um eine Handlung der Exekutive handele. Demgegenüber warfen die Abgeordneten Genilke und Jungclaus die Frage auf, warum eine Anhörung verweigert werde, wenn sich die Koalition in ihrem Rechtstandpunkt so sicher sei. Sie selbst würden sich gerne von besseren Argumenten überzeugen lassen.
Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg hatte an den Vorsitzenden des Ausschusses für Infrastruktur und Landesplanung des Landtages Brandenburg folgendes Schreiben gerichtet:
„Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
am 23. April 2015 wird sich der Ausschuss mit den Auswirkungen des nunmehr rechtskräftigen Urteils des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Juni 2014 zum Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg befassen. Die Rechtverordnung der Regierung des Landes Brandenburg ist nichtig.
Dem beigefügten Schreiben der Gemeinsamen Landesplanungsabteilung vom 2. April 2015 an die Gemeinden des Landes Brandenburg haben wir entnommen, dass beabsichtigt ist, die Rechtsverordnung bis zur Sommerpause mit gleichem Inhalt rückwirkend wieder in Kraft zu setzten.
Eine solche Ankündigung stellt in Aussicht, sich über tragende Gründe des Urteils hinwegzusetzen. So wird im Leitsatz 4 der Entscheidung formuliert:
„Eine nicht angegebene Rechtsgrundlage kann nicht durch die Änderung oder Ergänzung der Eingangsformel nachgeholt werden. Die Rechtsverordnung muss vielmehr unter Beachtung des Zitiergebotes neu erlassen werden.“
In den Gründen (Juris Randnummer 133) wird dazu weiter ausgeführt,
„Hat der Verordnungsgeber das Zitiergebot nicht beachtet, kann die Ergänzung der Eingangsformel um § 3 Abs. 2 Satz 1BbgLPIG auch nicht nachgeholt werden. Ein Nachschieben von Ermächtigungsgrundlagen ist aus Gründen der von Art. 80 Satz 3 LV Bbg intendierten Rechtsklarheit unzulässig. Eine Verordnung, für die die Ermächtigungsgrundlagen nicht oder nicht vollständig angegeben wurden, muss vielmehr neu erlassen werden (vgl. BMJ, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 762), wobei dann hier für die Abwägung (§ 7 Abs. 2 ROG 2008, Art. 8 Abs. 4 i.V.m. Art. 7 Abs. 4 Satz 1 LPIV) die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den (neuen) Raumordnungsplan maßgebend ist (§ 12 Abs. 3 Satz 1 ROG 2008).“
Auch in der mündlichen Verhandlung hatte der Senat auf Bitte des Vertreters der Landesregierung erläutert, dass die Verletzung des Zitiergebotes nicht einfach durch nachträgliches Ergänzen und Neubekanntmachung der Rechtsverordnung geheilt werden könne. Vielmehr müsse das Verfahren unter Beachtung der neuen Rechtlage (u.a. mit Blick auf die Änderung des Raumordnungsgesetzes) neu durchgeführt werden.
Ein Versuch, diese klaren Aussagen des Gerichts zu umgehen, kann nur dazu führen, dass der Start einer neuen Landesplanung weiter verzögert wird.
Mit Schreiben vom 7. Januar 2015 hatten wir Ihnen ein Positionspapier zur künftigen Landesplanung übermittelt. Darin hatten wir eine Stärkung der Rolle des Landtages Brandenburg in den Verfahren der Landesplanung befürwortet. Nachdem das Urteil des Oberverwaltungsgerichts rechtskräftig ist, sollten jetzt unverzüglich Schritte zur Anpassung des Verfahrensrechts eingeleitet werden.
Für Erläuterungen stehen wir gerne zur Verfügung.“
Dem Ausschuss lag auch eine Stellungnahme des Prozessvertreters Prof. Dr. Matthias Dombert der meisten Städte und Gemeinden vor, die gegen den Landesentwicklungsplan beim Oberverwaltungsgericht geklagt hatten.
In der folgenden Landtagssitzung wurde ein gemeinsamer Antrag der Gruppe BvB/Freie Wähler und der Fraktion Bündnis90/Die Grünen mehrheitlich abgelehnt. Darin war ein Neustart der Landesplanung verlangt und der Landtag u.a. aufgefordert worden, für die Landesplanung mehr Mitverantwortung zu übernehmen. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 16. Juni 2014 eine Heilung des Fehlers und rückwirkende Inkraftsetzung ausgeschlossen hatte.
Zwischenzeitlich wurden die Bedenken des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg vom Verwaltungsgericht Cottbus bestätigt. Im Urteil 4 K 374/13 vom 5. März 2015 erkannte dieses Gericht, dass der Raumordnungsplan nicht durch ein ergänzendes Verfahren zur Behebung von Fehlern auch rückwirkend in Kraft gesetzt werden kann. Die Unwirksamkeit der Verordnung der Regierung des Landes Brandenburg über den Landesentwicklungsplan Berlin Brandenburg vom 31. März 2009 habe zur Folge, dass aus diesem Plan keine Regionalpläne gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 ROG entwickelt werden könnten. Ein Rückgriff auf frühere landesweite Raumordnungspläne sei zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, da diese durch die Verordnung über den Landesentwicklungsplan 2009 nicht förmlich außer Kraft gesetzt wurden und deshalb grundsätzlich als Maßstab für das „Entwickeltsein“ des Regionalplans in Betracht kommen könnten. Sachlich kann auf die alten Raumordnungspläne aber nicht zurückgegriffen werden, da diese durch den Landesentwicklungsplan 2009 abgelöst werden sollten (s. Ziffer I LEP B-B 2009) und heute nicht mehr den relevanten Stand der landesplanerischen Entwicklung wiedergeben; bereits im Landesentwicklungsprogramm Berlin-Brandenburg sei festgestellt worden, dass Veränderungen der Raumstruktur, insbesondere die Auswirkungen des demographischen Wandels, zu veränderten Schwerpunktsetzungen geführt haben, die sich u.a. in der Ablösung des Leitbildes der „dezentralen Konzentration“ durch den Grundsatz, systematisch Stärken zu stärken, ausdrückten. Entscheidung ist in diesem Heft veröffentlicht.
Die Landesregierung hat nach einer Mitteilung eine rückwirkende Wiederinkraftsetzung beschlossen. Es bleibt abzuwarten, ob nach den deutlichen Worten des Verwaltungsgerichts Cottbus von einer Verkündung des offensichtlich rechtswidrigen Planes abgesehen wird.
Jens Graf, Referatsleiter
Az: 602-03