Mitteilungen 04-05/2015, Seite 154, Nr. 92

Martin T.W. Rosenfeld (IWH): Keine (Verwaltungsstruktur-)Reform ohne solide empirische Basis!

„Keine Reform ohne solide empirische Basis“. Zu diesem Fazit gelangt Professor Dr. habil. Martin T.W. Rosenfeld in einem am 28. April 2015 veröffentlichten Kommentar zu den im Auftrag des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg im letzten Jahr angefertigten Gutachten zur Einkreisung bislang kreisfreier Städte im Land Brandenburg von Bogumil/Kinziger sowie von Färber/Hengstwerth/Zeitz. Landtag und Landesregierung sollten sich die Zeit für eine empirisch fundierte Untersuchung hinsichtlich der Vor- und Nachteile von kreisfreien Städten nehmen. Eine fundierte Reform – unabhängig davon, ob sie im Endergebnis ihren Ausdruck in Einkreisungen oder anderen institutionellen Veränderungen findet – zu einem späteren Zeitpunkt sei auf jeden Fall besser, als eine schnellstmögliche Reform nur auf der „Basis von reinen Glaubensbekenntnissen“. Professor Dr. Martin T.W. Rosenfeld ist Leiter des Forschungsfelds Stadtökonomik des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH).

Rosenfeld stellt fest, dass in den vorliegenden Gutachten die Thematik nicht systematisch aufgearbeitet worden sei. Eigentlich wäre es zu erwarten gewesen, sich zunächst mit Vor- und Nachteilen der Kreisfreiheit auseinanderzusetzen. Eine solche Auseinandersetzung finde sich aber nicht. 

Beispielsweise fehle es an der theoretischen Konkretisierung bzw. an empirischen Belegen, der angenommenen Skalen- und Verbundeffekte. Die Annahme, dass in größeren Verwaltungen im Vergleich zu kleineren administrativen Einheiten Skalen- und Verbundeffekte auftreten „können“, sei zwar grundsätzlich durchaus plausibel. Allerdings ließen sich solche Effekte vielfach auch im Rahmen interkommunaler Kooperation erreichen. Auch sei zu erwarten, dass durch den Einsatz moderner Datenverarbeitung und –übermittlung die Vorteile größerer gegenüber kleineren Kommunalverwaltungen in Zukunft abnehmen dürften. Hinzu komme, dass die Kosten einer Verwaltung nicht nur von der Zahl der Einwohner, sondern auch von den Faktoren Fläche und Einwohnerdichte abhänge. Zur Höhe der angenommenen Effizienzvorteile machten Bogumil/Kintzinger keinerlei Angaben. Dies sei aber für die genaue Bestimmung der Veränderungen im Kommunalen Finanzausgleich erforderlich.

Selbst wenn eine umfassende empirische Analyse zeigen sollte, dass es bei den bisherigen kreisfreien Städten tatsächlich Effizienzmängel geben sollte, bliebe doch zu fragen, ob die Einkreisung die einzig mögliche Alternative sei, um die Effizienz und Qualität der Aufgabenerfüllung zu erhöhen. Jedenfalls dürften die Vorteile der Kreisfreiheit nicht einfach ignoriert werden. Aus volkswirtschaftlicher Sicht spreche vieles dafür, dass in größeren Städten mit hoher Zentralität und einem entsprechenden Besatz mit zentralörtlichen Einrichtungen auch ein spezifischer administrativer Status zuerkannt werde, um die Entwicklung der Städte als Standorte für Unternehmen und private Haushalte zu stärken. Ein Mitteleinsatz auf Kreisebene werde sich vielfach stärker an der gesetzlich geforderten Ausgleichsfunktion der Kreise, als an der Einsicht orientieren, dass eine Stärkung der Oberzentren für eine nachhaltige Entwicklung des Kreisgebietes effektiver sein könne, als eine räumlich eher gleichmäßige Verteilung der Mittel.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Beitrag „Kreisfreiheit großer Städte in Brandenburg – nur noch ein Auslaufmodell? - Ein Kommentar … zu den im Auftrag des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg angefertigten Gutachten von Bogumil/Kintzinger sowie von Färber/Hengstwerth/Zeit“ verwiesen, der über www.stgb-brandenburg.de aufrufbar ist.

In einer Mitteilung begrüßte die Arbeitsgemeinschaft Kreisfreiheit des SPD-Unterbezirks Brandenburg an der Havel die Stellungnahme von Prof. Rosenfeld. Mit klaren Aussagen mache der anerkannte Wissenschaftler deutlich, dass allein „der Glaube an Effizienzvorteile...kein Ersatz für empirische Analysen“ sein kann und die „Einkreisungs- Option“ nicht „alternativlos“ ist. Auf nur wenigen Seiten Papier würden Schwachpunkte der Gutachten dargelegt, welche die geplante Einkreisung stützen sollen. Die Mitglieder der AG Kreisfreiheit des Unterbezirkes Brandenburg an der Havel „sind mit unserem UB-Vorsitzenden Ralf Holzschuher einig: Die jetzt vorliegende Erkenntnis kommt nicht unerwartet. Ohne gesicherte Datengrundlage wird es keine rechtssichere Reform geben. Wird der bisherige Prozess so weitergeführt, scheitert die Reform spätestens vor dem Verfassungsgericht." Ralf Holzschuher war von August 2013 bis zur Neubildung der Landesregierung im November 2014 Minister des Innern des Landes Brandenburg.

Jens Graf, Referatsleiter

Az: 011-00

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