Mitteilungen 04-05/2015, Seite 173, Nr. 106
Position zur Debatte um Elternbeiträge in der Kindertagesbetreuung
Derzeit gibt es in Brandenburg Initiativen von Eltern, die sich für eine beitragsfreie Kindertagesbetreuung aussprechen. Herr Geschäftsführer Böttcher hatte dieses Ansinnen in einer ersten Reaktion per Pressemitteilung vom 19. März 2015 zurückgewiesen (mitteilungen StGB 03-2015, S. 103f). Im Ergebnis der Sitzungen der Arbeitsgemeinschaft Kindertagesbetreuung vom 15. April 2015 und des Präsidiums vom 23. April 2015 vertritt der Städte- und Gemeindebund Brandenburg folgende Positionen:
Nach Auffassung des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg haben die Städte und Gemeinden in den letzten Jahren massiv in den quantitativen und qualitativen Ausbau der Kindertagesbetreuung investiert. Auf diese Weise konnte eine Klagewelle verhindert werden. Um dieses hohe Niveau der Betreuungsquoten zu sichern und den qualitativen Ausbau weiter voranzubringen, sind die Städte und Gemeinden auf ein gesichertes finanzielles Fundament angewiesen. Anders werden die auch von Eltern gestiegenen Erwartungen an eine hochwertige Bildung und Betreuung ihrer Kinder in den Einrichtungen nicht gewährleistet werden können.
Ausweislich der Daten des Länderreports der Bertelsmann-Stiftung beziffert sich der durchschnittliche Anteil der Eltern an den Kosten eines Betreuungsplatzes auf lediglich ca. 17 Prozent. Diese Daten stammen aus dem Jahre 2010. Aktuellere liegen noch nicht vor. Damit liegt Brandenburg im Mittelfeld der Bundesländer. Auch die überdurchschnittlich hohen Betreuungsquoten in Brandenburg - und überdies überdurchschnittlich langen Betreuungszeiten - sind Beleg dafür, dass allen Eltern der Zugang zu Kindertagesbetreuung und damit zu einem der wichtigsten und zugleich kostenintensivsten kommunalen Aufgabenfelder möglich ist. Folgt man den Daten der Bertelsmann-Stiftung, so ist festzustellen, dass derzeit bereits 83 Prozent der Kosten für einen Kita-Platz aus dem von allen Bürgern getragenen Steueraufkommen generiert wird.
In der Gesamtschau aller öffentlichen Familienleistungen der Städte, Gemeinden und Ämter im Land Brandenburg ist festzuhalten, dass Familien in Brandenburg gute Lebensbedingungen gewährt werden. Alle Kommunen sichern mittels der gesetzlich vorgesehenen sozialverträglichen Staffelung der Elternbeiträge, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Familie hinreichend gewürdigt wird. Es hat sich bewährt, dass Eltern entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit an den Kosten der Kindertagesbetreuung beteiligt werden. Elternverantwortung und staatliche Verantwortung müssen Hand in Hand gehen. Der Staat kann und soll nicht alles leisten.
Kindertagesbetreuung, aber auch Museen, Bibliotheken, Theater, Sportstätten und Bäder sowie Musikschulen schaffen die Grundlagen für Bildung und ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen. All diese Leistungen sind staatlich hoch subventioniert und die in den Gemeinden demokratisch legitimierten Gemeindevertreter ringen angesichts oft defizitärer Kommunalhaushalte tagtäglich um den Erhalt einer attraktiven soziokulturellen Infrastruktur. Die Realität in den Gemeinden erfordert daher eine Korrektur der Debatte dahingehend, wie die kommunale Finanzausstattung für die Kindertagesbetreuung spürbar verbessert werden kann.
Eine Abschaffung der Möglichkeit zur Erhebung von Elternbeiträgen durch den Landesgesetzgeber wäre ein konnexitätsrelevanter Tatbestand. Das Land Brandenburg hat insoweit bereits Kostenfolgen von ca. 170 Mio. € prognostiziert und eine Abschaffung von Elternbeiträgen abgelehnt. Nach Auffassung des Jugendministers sei die Beteiligung der Eltern auf einem angemessenen Niveau und die Priorisierung der Landesmittel auf weitere qualitative Verbesserungen vorrangig. Diese Auffassung teilt der Städte- und Gemeindebund Brandenburg.
Der Verweis auf politische Aktivitäten in anderen Bundesländern zur Abschaffung der Elternbeiträge überzeugt nicht. So wird die Entscheidung in Berlin dazu führen, dass der Schuldenstand des Landes Berlin von 62 Mrd. € auf 63 Mrd. € ansteigt und der Länderfinanzausgleich noch mehr bemüht wird. Dies ist im Sinne nachhaltiger Konsolidierungspolitik nicht beispielgebend. Im Übrigen gibt es auch andere politische Weichenstellungen. So hat das Land Sachsen-Anhalt im Rahmen des Kinderförderungesetzes LSA im Jahre 2013 die Elternverantwortung in der Kita-Finanzierung gestärkt. Neu ist seither, dass die Gemeinden zur Erhebung von Elternbeiträgen für die Inanspruchnahme von Leistungen der Kindertagesbetreuung verpflichtet sind (§ 13 Abs. 1 Satz 1 KiFöG LSA 2013). Der Gesetzgeber hat damit deutlich zum Ausdruck gebracht, dass Elternbeiträge zur Finanzierung unerlässlich sind. Auf der Grundlage der gesetzlichen Neuregelungen können Eltern bis zu 50 Prozent an den Platzkosten beteiligt werden.
Die Initiativen in Brandenburg kritisieren zudem erhebliche Beitragsunterschiede zwischen den Gemeinden bei gleichen Einkommensgrößen und der gewählten Betreuungsform. Hierzu ist festzuhalten, dass die Gemeinden bei der Gestaltung der Kostenbeiträge Gestaltungsspielräume haben, die aus dem Recht der Gemeinden zur kommunalen Selbstverwaltung gemäß Art. 28 GG und Art. 97 LV resultieren. Es ist verfassungsrechtlich geschützt, dass jede Gemeinde ihre eigenen örtlichen Angelegenheiten selbst regeln kann. Ein fester Bestandteil dieses Verfassungsgutes ist die Finanzhoheit. Die Landespolitik wird dazu aufgerufen, in der öffentlichen Debatte diese Grundsätze der Verfassung des Landes Brandenburg zu kommunizieren und zu wahren.
Im Einklang hiermit betont die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung den Gestaltungsspielraum des gemeindlichen Satzungsgebers bei Kita-Elternbeitragssatzungen. Statt vieler sei beispielsweise auf die rechtskräftige Entscheidung des Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg vom 25. Oktober 2013 (Az: 6 N 94.12) hingewiesen (mitteilungen StGB 11-12/2013 S. 431f).
Danach ist der Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers für die Erhebung von Kostenbeiträgen für die Kindertagesbetreuung gerichtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Satzungsgeber einen zutreffenden Sachverhalt zu Grunde gelegt und keine sachfremden Erwägungen angestellt hat. Ein Klagevortrag zeigt keine Verletzung des Gestaltungsspielraumes auf, sofern er sich auf Erwägungen für eine Ausgestaltung von Satzungsregelungen beschränkt, die der Kläger aus seiner Sicht für sachgerechter hält als die vom Satzungsgeber angestellten Erwägungen.
Ein Satzungsgeber schöpft – so das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg weiter - seinen Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Höhe der Kostenbeiträge für die Mittagsversorgung bei weitem nicht aus, wenn die Kostenbeiträge nur die Hälfte der tatsächlichen Kosten betragen. Eine pauschale Festsetzung des Essengeldes schließt nicht aus, dass im Einzelfall die ersparten Eigenleistungen der Eltern geringer sein können als die erhobene Essengeldpauschale. Eine sozialverträgliche Staffelung der Beträge für die Mittagsversorgung ist zulässig.
Es entspricht den Grundsätzen einer sozialverträglichen Gestaltung der Elternbeiträge, dass Eltern mit höherem Einkommen einen prozentual höheren Anteil dieses Einkommens für die Tagesbetreuung ihrer Kinder aufwenden als Bezieher niedriger Einkommen.
Angesichts dieser Rechtslage und der Tatsache, dass zahlreiche Satzungen im Rahmen verwaltungsgerichtlicher Verfahren als rechtmäßig betrachtet worden sind, erweist sich die nunmehr pauschal vorgetragene Kritik an der Verwaltungspraxis der Städte und Gemeinden bezüglich der Erhebung von Elternbeiträgen als überzogen und haltlos.
Neben dem grundlegenden satzungsrechtlichen Gestaltungsspielraum der Gemeinden ist darauf hinzuweisen, dass die Situation in den Gemeinden und in den jeweiligen Kindertageseinrichtungen nicht miteinander vergleichbar ist. Die Kostenstrukturen weichen erheblich voneinander ab, insbesondere hinsichtlich der Bau- und Unterhaltungskosten sowie der Personalkosten entsprechend Qualifizierung und Alter. Überdies wird man die Elternaufwendungen über die gesamte Spanne der Kindertagesbetreuung (Krippe bis Hort) betrachten müssen, will man überhaupt einen Vergleich zwischen Gemeinden herstellen wollen.
Überdies haben die Gemeinden das Recht, durch ihre Entscheidungen fachpolitische Steuerungen vorzunehmen. So kann es beispielsweise gerechtfertigt sein, zur Förderung vor Ort ansässiger Tagespflegepersonen die Beiträge für die Inanspruchnahme eines Krippenplatzes entsprechend höher zu gestalten. Die Finanzausstattung der Gemeinden weicht zudem mitunter erheblich voneinander ab. Vielen Gemeinden sind massive Grenzen hinsichtlich ihrer Gestaltungsmöglichkeiten gesetzt.
Die am 17. März 2015 gestartete Online-Petition „Eltern fordern beitragsfreie Kinderbetreuung im Land Brandenburg“ haben bisher ca. 12.000 Brandenburger unterzeichnet. Im Land Brandenburg gibt es jedoch ca. 168.000 (!) Betreuungsplätze. Die weit überwiegende Mehrheit der Eltern (ca. 90 Prozent) hat die Initiative folglich nicht unterstützt. Wie auch die öffentlich geführten Debatten bestätigen, sind offensichtlich viele Eltern in der Lage und bereit, sich entsprechend der gemeindlichen Elternbeitragssatzungen finanziell angemessen an den Leistungen zu beteiligen, die sie für ihre Kinder in Anspruch nehmen.
Eine übermäßige Belastung der Eltern im Vergleich zu den Leistungen der Gemeinden ist aus Sicht des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg nicht ersichtlich. Hierzu trägt auch die in § 90 Abs. 3 SGB VIII getroffene bundesgesetzliche Regelung bei, wonach Eltern der Elternbeitrag auf Antrag ganz oder teilweise erlassen oder vom örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe (Landkreise/kreisfreie Städte) übernommen werden soll, wenn die Belastung der Eltern nicht zuzumuten ist.
Bianka Petereit, Referatsleiterin
Az: 406-00