Mitteilungen 04-05/2015, Seite 170, Nr. 104

Stellungnahme zur Novellierung des Kita-Gesetzes   

Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg hat zum Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Kindertagesstättengesetzes mit Stellungnahme vom 4. Mai 2015 folgende Anregungen gegenüber dem Ministerium für Bildung, Jugend und Sport formuliert:

„Sehr geehrter Herr Hilliger,

wir bedanken uns für die Übersendung des oben genannten Gesetzentwurfes nebst Begründung und nehmen hierzu nach entsprechender Beratung im Präsidiums unseres Verbandes vom 23. April 2015 gern Stellung.

Wir begrüßen, dass sich die Koalition über den Koalitionsvertrag hinaus dazu entschieden hat, bereits in diesem Jahr eine erste Verbesserung des Personalschlüssels vorzusehen. Dies entspricht den Vorschlägen unseres Verbandes zur Weiterentwicklung der Kindertagesbetreuung, wie wir sie mit Schreiben an Minister Baaske vom 29. Januar 2015 formuliert haben.

Wir halten auch die Entscheidung für eine stufenweise Verbesserung des Personalschlüssels insofern für sachgerecht, da sie den hohen Fachkräftebedarf anerkennt und den Trägern mehr Planbarkeit und Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Personalentwicklung ermöglicht.

Der Entwurf beinhaltet die Anpassungen im Bereich der Unter-Dreijährigen zum 1. August 2015 sowie zum 1. August 2016. Wir bitten Sie um Information bezüglich der Umsetzung der ebenfalls seitens der Koalition angestrebten Anpassungen im Bereich der Über-Dreijährigen in den Jahren 2017 und 2018.

Der Entwurf beinhaltet sowohl im Allgemeinen Teil als auch im Besonderen Teil der Begründung Ausführungen zur Intention der Personalschlüsselverbesserung. Die Begründung im Allgemeinen Teil erweist sich aus unserer Sicht als zutreffend, da sie auf die in den letzten Jahren gewachsenen Ansprüche an die Qualität der Kindertagesbetreuung verweist. Demgegenüber wird im Besonderen Teil zur Begründung ausgeführt, die Personalschlüsselverbesserung soll dazu dienen, das für die Entwicklung der Kinder wichtige Zusammenwirken von Fachkräften und Eltern zu intensivieren.

Diese Begründung wiederum halten wir nicht für realitätsgerecht. Grundtenor der in den letzten Jahren ausgiebig geführten politischen Debatte war vielmehr, dass eine Verbesserung des Personalschlüssels erforderlich ist, um die bereits bestehenden fachlichen Standards auf hohem Niveau erfüllen zu können. Es wird daher abgelehnt, die geringfügige Verbesserung um 0,5 erneut mit zusätzlichen Erwartungen und Standards zu verbinden.

Hinsichtlich der Umsetzung des strikten Konnexitätsprinzips (Art. 97 Abs. 3 LV) bezüglich der Verbesserung des Personalschlüssels knüpft der Entwurf an die Systematik des Kindertagesstättenanpassungsgesetzes vom 28. April 2014 an. Aus unserer Sicht ergeben sich bezüglich der Kostenausgleichsregelung des vorliegenden Entwurfes zwei Anliegen.

Einerseits bitten wir Sie um Berücksichtigung der laufenden Tarifverhandlungen bezüglich des Sozial- und Erziehungsdienstes. Die Tarifpartner verhandeln derzeit insbesondere über die Eingruppierung von Erzieherinnen und Erziehern einschließlich Kita-Leitung. Sobald die Ergebnisse der Tarifpartner vorliegen, wird daher zu prüfen sein, ob die Zugrundelegung von Tarifstufe S6 E5 für den Kostenausgleich sachgerecht ist. Wir nehmen insoweit Bezug auf das Urteil des Landesverfassungsgerichtes vom 30. April 2013 (VfGBbg 49/11).

Ein weiterer Anpassungsbedarf besteht hinsichtlich der Regelung zur Weiterleitung des Kostenausgleichs von den Landkreisen an die kreisangehörigen Gemeinden. Hier soll ebenfalls die bisherige Systematik greifen, wonach die Höhe des Personalkostenzuschusses des Landkreises entsprechend des Stellenaufwuchses erhöht wird, nunmehr auf 86,3 Prozent (1.8.2015) und sodann auf 88,6 (1.8.2016). Aus unserer Mitgliedschaft liegen uns Erkenntnisse vor, dass diese Regelung nicht sicherstellt, dass der Kostenausgleich des Landes auch tatsächlich die Gemeinden erreicht und deren tatsächliche Mehraufwendungen ausgleicht. Es wird daher als notwendig erachtet, in dem Gesetzentwurf eine Regelung aufzunehmen, wonach der pauschale Maßstab einer Tarifstelle S6 E5 auch für die Finanzzuweisung von den Landkreisen an die Gemeinden als verbindlich normiert wird.

Der Entwurf sieht zudem in § 16 Abs. 3 Satz 2 eine Änderung bezüglich der Finanzierung freier Träger vor. In der Begründung wird diese irreführend als redaktionelle Klarstellung bezeichnet. Tatsache ist vielmehr, dass die Rechtslage erheblich zugunsten freier Träger geändert würde und dies mit erheblichen Kostenfolgen für die Gemeinden verbunden wäre. Derzeit setzt § 16 Abs. 3 Satz 2 KitaG für eine zusätzliche Bezuschussung eines freien Trägers durch die Gemeinde voraus, dass der Träger nicht in der Lage ist, die Einrichtung weiter zu führen. Laut Entwurf soll künftig ausreichend sein, dass die Einrichtung nicht dem Gesetz entsprechend betrieben werden kann. Damit würden die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Geltendmachung von Finanzierungsansprüchen deutlich herabgesetzt werden. Auch würde es fast eine „Ermutigung“ zu nicht gesetzeskonformem Handeln bedeuten.

Wir regen daher an, von dieser Änderung Abstand zu nehmen. Anderenfalls wäre der Entwurf um eine Analyse und einen Kostenausgleich gemäß Art. 97 Abs. 3 LV zu ergänzen. Die Sorgfaltspflicht des Gesetzgebers gebietet es, die in dem Entwurf vorgesehenen tatbestandlichen Voraussetzungen für Finanzierungsansprüche freier Träger mit den gegenwärtig geltenden tatbestandlichen Voraussetzungen zu vergleichen. Maßstab hierbei sind die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, in denen sich Umfang und Grenzen des Finanzierungsanspruchs gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 KitaG materiell-rechtlich manifestiert haben.

Abschließend sieht der Entwurf in § 16a Änderungen vor, die den Kostenausgleich für den erweiterten Rechtsanspruch ab 1. August 2013 betreffen und der Umsetzung der entsprechenden Verordnung dienen, die derzeit ebenfalls im Entwurf vorliegt. Aus unserer Sicht sollte die in § 16 Abs. 2 vorgesehene Regelung überarbeitet werden, um klarzustellen, dass die Landkreise keinen eigenen Kostenausgleich gegenüber den Gemeinden realisieren, sondern ihnen lediglich die Aufgabe zu Teil wird, den Kostenausgleich des Landes an die Gemeinden weiterzuleiten. Der gemäß Artikel 97 Abs. 3 Landesverfassung gebotene Ausgleich durch das Land ist nicht nur gegenüber den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe, sondern auch gegenüber den Städten, Gemeinden und Ämtern geboten. Die gegenwärtige Formulierung ist insofern noch unpräzise.

Nachfolgend möchten wir die Gelegenheit nutzen, Sie über aus unserer Sicht bestehende Änderungsbedarfe im KitaG zu informieren und um entsprechende Ergänzung des Entwurfs zu bitten. 

So sollte die Landesfinanzierung künftig darauf ausgerichtet werden, dass in der Praxis ein erheblicher Anteil von Kindern Betreuungszeiten oberhalb von 8 Stunden in Anspruch nehmen (z.B. in der Landeshauptstadt Potsdam 46 % im Krippenbereich und 38 % im Kindergarten). Aus den derzeitigen landesgesetzlichen Regelungen ergibt sich, dass die Personalkosten jedoch lediglich zur Realisation des Personalschlüssels für maximal 7,5 Stunden pro Tag und Kind gedeckt sind. Daraus folgt am Beispiel der Landeshauptstadt Potsdam, dass 296.001 Stunden/Jahr im Krippenbereich und 514.324 Stunden/Jahr im Kindergartenbereich nicht durch die Landesförderung abgedeckt sind.

Ferner bekräftigen wir zur Sicherung der integrierten Kindertagesbetreuung in Verlässlichen Halbtagsgrundschulen unsere Forderung nach einer Regelung im KitaG, die eine angemessene und verlässliche Finanzierung integrierter Kindertagesbetreuung sicherstellt und den gegenwärtigen Wildwuchs an Finanzierungsmodellen zulasten der Gemeinden zu beendet. Wir nehmen insoweit Bezug auf unsere Stellungnahme gegenüber dem Landtag Brandenburg vom 19. März 2014.

Gleichermaßen unverändert ist unsere Auffassung, wonach eine Streichung der Einvernehmensregelung in § 17 Abs. 3 Satz 2 KitaG erforderlich ist. Auch insoweit nehmen wir vollumfänglich Bezug auf unsere Stellungnahme gegenüber dem Landtag Brandenburg vom 19. März 2014.

Weiterhin plädieren wir bezüglich der Regelung zur Erhebung von Essengeld in Kindertageseinrichtungen für die Streichung des Begriffs der „durchschnittlich ersparten Eigenaufwendungen“ in § 17 Abs. 1 Satz 1 KitaG und die Anpassung der Regelung an die schulgesetzliche Regelung in § 113 BbgSchulG. Für Eltern und die Gemeinden in ihrer Funktion als Träger von Schulen und Kindertageseinrichtungen wäre es zweckmäßig, der Gesetzgeber würde für den Bereich der Kindertagesbetreuung eine dem Schulrecht vergleichbare Regelung treffen. Der unbestimmte Rechtsbegriff „angemessene Preise“ gemäß § 113 Satz 1 BbgSchulG hat sich in der Praxis insoweit als tauglicher erwiesen, da er den Fokus auf die relevantere Frage bzw. Abwägung richtet, welche Qualität seitens der Eltern für erforderlich und gleichsam als wirtschaftlich vertretbar angesehen wird.

Abschließend fordern wir die Landesregierung erneut auf, die vom Bund in den Jahren 2008 bis 2014 bereitgestellten Betriebskostenzuschüsse für die Kindertagesbetreuung in Höhe von 79 Mio. € sowie 35 Mio. € ab 2015 jährlich an die Städte, Gemeinden und Ämter weiterzuleiten. Auch insoweit nehmen wir Bezug auf frühere Stellungnahmen. Versuche der Vermengung der Umsetzung des Konnexitätsprinzips gemäß Art. 97 Abs. 3 LV Bbg. mit den vom Bund bereitgestellten Betriebskostenzuschüssen verbieten sich.
Wir würden uns freuen, wenn unsere Hinweise zu einer Verbesserung des Gesetzentwurfs beitragen können. Für weitere Beratungen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung. 

Mit freundlichen Grüßen

Karl-Ludwig Böttcher“

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