Mitteilungen 05-06/2011, Seite 159, Nr. 92
Gesetzentwurf zur Änderung des Landespflegegesetzes
Am 11. Mai 2011 fand im Ausschuss für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie des Landtages Brandenburg eine Anhörung der kommunalen Spitzenverbände, der Verbände der Pflegekassen, der Pflegeeinrichtungen und Pflegedienste, Selbsthilfeorganisationen und von Einzelpersonen zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Landespflegegesetzes statt (Drucksache 7/2909, http://www.landtag.brandenburg.de/sixcms/media.php/5701/2909.pdf ).
Der Gesetzentwurf ist für alle Städte und Gemeinden in Brandenburg von Bedeutung, da mit ihm zum einen der Geltungsbereich des Gesetzes über die Pflege hinausgehend auch die komplette soziale Infrastruktur in den Städten und Gemeinden erfassen soll, er zum zweiten dem Land, den Pflegekassen und Pflegeeinrichtungen die Aufgabe zuordnet, auf eine sozialräumliche Entwicklung hinzuwirken und er zum dritten vorsieht, dass die Städte und Gemeinden gemeinsam mit ihren Landkreisen und den Pflegekassen sich unter Federführung der Landkreise zu und in „lokalen Pflegestrukturen“ austauschen.
Aus Sicht der Geschäftsstelle ist es für alle Städte, Gemeinden und Ämter wichtig, sich in die „lokalen Pflegestrukturen“ und die Gespräche mit dem Landkreis und den Pflegekassen einzubringen. Es wird, denkt man an die demographische Entwicklung in den nächsten zwanzig Jahren, nicht möglich sein, dass sich in jedem Amt und jeder amtsfreien Gemeinde alle Sorten von Angeboten in der Pflege wieder finden, insofern ist auch eine interkommunale Zusammenarbeit und ein Zusammenhalt zwischen den Ämtern und amtsfreien Gemeinden gefragt. Von den Vorschriften sollte, sofern sie in Kraft treten, Gebrauch gemacht werden, damit tatsächlich ein planvolles Handeln stattfindet und nicht alles der Entwicklung des Marktes überlassen bleibt. Vielleicht gelingt es, mit Hilfe gemeinsamen Handelns und interkommunalen Erfahrungsaustauschs in allen amtsfreien Gemeinden und Ämtern Servicestellen für Senioren als Anlaufstelle, Informationspunkt, Tauschbörse, Nachbarschaftstreff, „Freiwilligenagentur“ in einem Mix von Haupt- und Ehrenamt einzurichten und hierdurch die Selbsthilfe zu stärken. Für einen Erfahrungsaustausch zwischen den Städten, Gemeinden und Ämtern, beispielsweise über die Art der Gewinnung von ehrenamtlich Tätigen oder der Schaffung eines altengerechten Wohnumfeldes, oder zur Vorbereitung der Gespräche mit dem Landkreis und den Pflegekassen können die Mitglieder des Städte- und Gemeindenbundes die Kreisarbeitsgemeinschaften nutzen.
Unabhängig davon, dass die Zusammenarbeit der Städte, Gemeinden und Ämter mit den Pflegekassen und den Landkreisen mit Blick auf die angemessene und notwendige pflegerische Versorgung der Bürger und auf die öffentlichen Kassen (der Sozialhilfeträger und der Pflegekassen) sinnvoll ist, ist darauf hinzuweisen, dass die Städte und Gemeinden volle Planungshoheit haben und im Themenfeld Pflege in keinerlei Hierarchieverhältnis zu den Landkreisen, bei diesem liegt die Rechtsaufsicht, oder den Pflegekassen stehen.
Im Rahmen der kommunalen Sozialpolitik und der kommunalen Altenpolitik verfolgen die Städte und Gemeinden je nach den bei ihnen vorhandenen Rahmenbedingungen unterschiedlichste Ansätze, um den demographischen Wandel, der für sie eine Querschnittsaufgabe darstellt, zu gestalten (vgl. Seniorenpolitik: „Neue Wohnformen und Quartiersorientierung aus kommunaler Sicht“, Mitt. StGB Bbg. 03-04/2011, S. 72). Darauf, dass es die Städte und Gemeinden sind, die die sozialen Belange der älter werdenden Bevölkerung am kenntnisreichsten und wohnortnah in Anlaufstellen oder Pflegestützpunkten bedienen können und die die Versorgungsleistungen, Dienste und Unterstützungsleistungen schaffen, koordinieren und mit der sozialen Infrastruktur vernetzen, hat der Städte- und Gemeinden Brandenburg die Landesregierung in den zurückliegenden Jahren mehrfach hingewiesen (vgl. Mitt. StGB Bbg. 09-10/2007).
Die für alle Mitglieder des Städte- und Gemeindebundes wesentlichen Vorschriften des Gesetzentwurfs sind § 3 Abs. 2 und § 4 Abs. 1 LPflegGE:
In § 3 Abs. 2 LPflegeGE heißt es:
„Die Verantwortlichen wirken im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung auf eine sozialräumliche Entwicklung hin. Dies geschieht
1. unter Berücksichtigung der Stärkung des Ehrenamtes, der sozialen Aufmerksamkeit und der Transparenz der vorhandenen Hilfsangebote sowie der Einbindung von Einrichtungen in die Gemeinde und
2. durch ein abgestimmtes und vernetztes Versorgungssystem einschließlich einer unabhängigen wohnortnahen Beratung und Betreuung, insbesondere zu Maßnahmen und Hilfen, die einen Verbleib in der eigenen Häuslichkeit sichern sowie der Förderung individueller Wohn- und Betreuungsformen.
Die Zuständigkeiten der Ämter und amtsfreien Gemeinden bleiben hiervon unberührt.“
§ 4 Abs. 1 LPflegeGE lautet:
„Um die in § 2 genannten Ziele zu erreichen und ihre jeweilige Aufgabenwahrnehmung zu koordinieren, arbeiten die für die wohnortnahe Betreuung im Rahmen der örtlichen Altenhilfe zuständigen Stellen, die Ämter, die amtsfreien Gemeinden und der für die Gewährung der Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch zuständige Träger unter Federführung des Landkreises oder der kreisfreien Stadt partnerschaftlich mit den Verbänden der Pflegekassen auf örtlicher Ebene in geeigneten Strukturen zusammen. Dabei sind
1. die Kommunikation und Kooperation der in der Pflege tätigen Stellen, Organisationen und Personen auf örtlicher Ebene zu fördern,
2. Maßnahmen für eine sozialräumliche Entwicklung abzustimmen,
3. der regionale Pflegemarkt zu beobachten, auszuwerten sowie die vorhandene pflegerische Versorgungsstruktur und deren Vernetzung mit dem Gesundheitssystem, den Strukturen des bürgerschaftlichen Engagement und der Selbsthilfe zu analysieren und Vorschläge zu Maßnahmen zu unterbreiten, um eine wirtschaftliche und sachgerechte Leistungserbringung zu fördern.“
Nachfolgend wird ein Auszug aus der schriftlichen Stellungnahme des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg abgedruckt, die dieser, vertreten durch die stellvertretende Geschäftsführerin Gordes, am 11. Mai 2011 im Ausschuss abgegeben hat.
„I. Allgemein
Seine eigentliche Bedeutung gewinnt der Gesetzentwurf erst durch die Begründung. Mögen viele Regelungen des Entwurfs ihrem Wortlaut nach und bei verfassungskonformem Verständnis sinnvolle Ansätze zeigen, erhalten diese durch die Begründung einen anderen Sinn, der der derzeitigen bundesrechtlichen Rechtslage nicht entspricht und Eingriffe in die kommunale Selbstverwaltung bedeutet.
Die Einleitung und die Begründung zum Gesetzentwurf enthalten eine Vielzahl von Thesen und Argumentationen, die nicht immer klar und präzise formuliert sind, sich zum Teil widersprechen, und nicht eindeutig wiedergeben, wer nach dem deutschen Recht für welche Entscheidung zuständig, also handelndes Subjekt ist. Einleitung und Begründung deuten den Gesetzestext aus und geben ihm einen Sinn, der schwer auf dem kommunalen Selbstverständnis lastet und der uns und unsere Mitglieder befürchten lässt, dass bei Erlaß des Gesetzes das Land Brandenburg, das Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie, der jeweilige Landkreis sowie weitere Dritte in die Aufgabenhoheit der Städte und Gemeinden eingreifen werden und unter Berufung auf das Landespflegegesetz in die Gemeinde hinein steuern und das Gemeindegebiet beplanen wollen.
So heißt es in der Einleitung „Diese am konkreten Hilfebedarf orientierte Leistungsgewährung erfordert eine Verbesserung der regionalen Steuerungsmöglichkeiten in der Pflege.“ „Neue Steuerungsinstrumente werden sowohl auf regionaler, als auch auf überregionaler Ebene etabliert.“ „Soweit Pflichten zur Zusammenarbeit und Aufgabenkoordination für den überörtlichen Träger der Sozialhilfe, den örtlichen Trägern der Sozialhilfe, für die Ämter und amtsfreien Gemeinden sowie für die Verbände der Pflegkassen auf regionaler oder überregionaler Ebene normiert werden, handelt es sich nicht um neue Aufgaben, sondern um die landesrechtliche Umsetzung bereits nach Bundesrecht bestehender Pflichten.“
Es wird nicht klar, was der Gesetzentwurf unter Steuerung versteht. Wer steuert und was mit welchen Mitteln gesteuert werden soll wird nicht formuliert. Erst aus dem gesamten Zusammenhang und insbesondere aus § 3 Abs. 3 Satz 2 LPflegeGE, wonach das Land insbesondere zur überregionalen Steuerung Maßnahmen zu treffen hat, wird deutlich, dass das Land Brandenburg mit dem Gesetz eine Angebotssteuerung implementieren und vornehmen möchte und über die Landkreise die Angebote in den Städten und Gemeinden planen möchte.
Aus dem Gesetzentwurf geht weiter nicht hervor, wer für welche Aufgabe zuständig ist, wer sich gegenüber dem Wähler für welche Entscheidung verantworten muß, welche Rechtswirkung die Zusammenarbeit, Abstimmung und Koordinierung zwischen Städten und Gemeinden, Landkreisen, Pflegekassen und Trägern von Angeboten entfalten soll und wie sich Städte und Gemeinden gegen die mit dem Gesetzentwurf vorgesehenen Eingriffe in ihre Stadtentwicklungsplanung oder Dorfentwicklungsplanung und in ihre Sozialplanung durch das Land und den Landkreis rechtlich wehren können.
Die Städte und Gemeinden lehnen jeglichen Eingriff in ihre kommunale Sozialpolitik ab. Aus der gesamten Begründung, die an vielen Stellen die derzeitige Rechtslage nicht klar wiedergibt, ergibt sich jedoch, dass sowohl den Landkreisen als auch dem Land das Recht eingeräumt werden soll, in den Städten und Gemeinden vorhandene Angebote zu steuern, zu vernetzen und zu koordinieren, sie zu analysieren, eine Wirkungskontrolle durchzuführen und letztlich auch zu beplanen.
Weder in § 92c SGB XI noch in § 4 Abs. 1 SGB XII, die in der Begründung zur Argumentation herangezogen werden, ist davon die Rede, dass Pflegekassen oder Sozialhilfeträger steuern. Gleichwohl heißt es in der Begründung zum Gesetzentwurf an verschiedenen Stellen, die Pflegekassen und die Sozialhilfeträger hätten eine Steuerungs-, Koordinierungs- und Vernetzungsfunktion für die pflegerischen Angebote. Dies geht soweit, dass das Land in dem Brandenburger Steuerungskreis Pflege über eine überregionale Abstimmung fachlich einheitliche Kriterien für die angebliche „Steuerungs-, Koordinierungs- und Vernetzungsfunktion“ erreichen möchte (S. 7 der Begründung).
Zur Klarstellung der rechtlichen Ausgangslage und wegen des Eingriffs in die kommunale Selbstverwaltung, insbesondere die Planungshoheit der Städte und Gemeinden, halten wir es daher für notwendig Folgendes festzuhalten:
• Für das Recht der Pflegeversicherung ist nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG der Bund zuständig. Er hat von seinem Gesetzgebungsrecht abschließend Gebrauch gemacht mit dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch. Das Land Brandenburg kann seine Gesetzgebungskompetenz daher allenfalls auf § 9 SGB XI stützen.
• Nach § 9 Satz 1 SGB XI sind die Länder verantwortlich für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur. Das Nähere zur Planung und zur Förderung der Pflegeeinrichtungen wird durch Landesrecht bestimmt; durch Landesrecht kann auch bestimmt werden, ob und in welchem Umfang eine im Landesrecht vorgesehene und an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Pflegebedürftigen orientierte finanzielle Unterstützung als Förderung der Pflegeeinrichtungen gilt.
Danach kann das Land das Nähere zur Planung der pflegerischen Versorgungsstruktur in einem Landesgesetz bestimmen.
Danach ist das Land allein verantwortlich für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur. Soweit es auf Seite 6 der Begründung zum Gesetzentwurf heißt, aus dem SGB XI ergäbe sich eine gemeinsame Sicherstellungsverantwortung von Land und Kommunen, ist dies nicht richtig und widerspricht dem SGB XI beziehungsweise das Land würde mit dem Gesetz den Kommunen eine neue Aufgabe übertragen.
• Nach § 12 SGB XI sind die Pflegekassen für die Sicherstellung der pflegerischen Versorgung ihrer Versicherten verantwortlich. Sie arbeiten dabei mit allen an der pflegerischen, gesundheitliche und sozialen Versorgung Beteiligten eng zusammen und wirken auf eine Vernetzung der regionalen und kommunalen Versorgungsstrukturen hin, um eine Verbesserung der wohnortnahen Versorgung pflege- und betreuungsbedürftiger Menschen zu ermöglichen.
• Die pflegerische Versorgung der Bevölkerung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe (§ 8 Abs. 1 SGB XI). Die Länder, die Kommunen, die Pflegeeinrichtungen und die Pflegekassen wirken unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes eng zusammen, um eine leistungsfähige, regional gegliederte, ortsnahe und aufeinander abgestimmte ambulante und stationäre pflegerische Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Sie tragen zum Ausbau und zur Weiterentwicklung der notwendigen pflegerischen Versorgungsstrukturen bei (§ 8 Abs. 2 SGB XI).
• Die vorgenannten, einleitenden Paragraphen des SGB XI sind weitgehend ohne unmittelbaren normativen Gehalt. § 8 Abs. 2 Satz 1 SG XI enthält wegen seiner Infinitivformulierung eine Koordinationsaufforderung ohne durchsetzbaren Verpflichtungscharakter (z.B. Lehr- und Praxiskommentar, Klie/Krahmer, 1. Aufl. 1998). Aus § 8 SGB XI ergibt sich mithin nicht eine Pflicht der Städte, Gemeinden und Ämter oder der Landkreise, im Bereich des Pflegeversicherungsgesetzes mit dem Land oder den Pflegekassen oder den Pflegeeinrichtungen zusammenzuarbeiten.
• Für die Hilfe zur Pflege nach §§ 61 ff SGB XII sind nach § 4 Abs. 1 AG-SGB XII in Brandenburg die örtlichen Träger der Sozialhilfe zuständig. Sie nehmen diese Aufgabe als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe wahr.
• Die Altenhilfe nach § 71 SGB XII obliegt den örtlichen Trägern der Sozialhilfe. Sie wird als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe wahrgenommen. Sie ist eine Einzelfallhilfe. Die Bundesregierung erklärt in ihrer Stellungnahme zum Bericht der Sachverständigenkommission für den Sechsten Altenbericht „Altersbilder in der Gesellschaft“ hierzu folgendes: „Soweit jedoch in der Vorschrift des § 71 SGB XII die Grundlage für eine eigenständige kommunale Politik für ältere Menschen gesehen wird, ist dem zu widersprechen: Die sozialrechtliche Altenhilfe gemäß § 71 SGB XII ist eine einzelfallbezogene Hilfe und von der allgemeinen kommunalen Altenhilfe(politik) zu unterscheiden. Die Strukturverantwortung für die Altenhilfe(politik) ergibt sich aus dem Sozialstaatsprinzip und nicht aus dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch.“
• Die Sozialplanung ist im Bundesrecht rechtlich nicht verankert. Im SGB XII gibt es keine Vorschrift nach der der örtliche oder überörtliche Träger der Sozialhilfe für die Sozialplanung zuständig sei. Insofern ist die Begründung, die örtlichen Träger der Sozialhilfe hätten Kompetenzen im Bereich der Sozialplanung und der Hilfe zur Pflege (S. 8 der Begründung) irreführend. Die örtlichen Träger der Sozialhilfe mögen in der Sozialplanung praktische Kompetenzen haben, eine rechtliche Regelung, aus der sich eine Zuständigkeit der örtlichen Träger der Sozialhilfe für die Sozialplanung ergäbe (rechtliche Kompetenz) gibt es jedoch nicht.
Die Sozialplanung zählt zu den Aufgaben der Städte und Gemeinden und ist Ausfluss von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. Danach muss den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.
Die Sozialplanung versteht sich als Planungs- und Handlungsprozess im Rahmen der sozialen Infrastruktur, der kommunalen Sozialpolitik, der sozialen Kommunalpolitik und der aktiven Gesellschaftspolitik auf kommunaler Ebene.
Diese Sozialplanung ist für den kommunalen Bereich von besonderer Bedeutung. Sie ist auf die Bedürfnisse aller Bürger im Gemeindebereich, auf die Bedürfnisse bestimmter Zielgruppen, aber auch auf die Ausstattung bestimmter räumlicher Bereiche mit Infrastruktur gerichtet. Die Planungen haben eine zeitliche, räumliche, personelle und finanzielle Dimension.
Für Sozialraumanalysen oder Sozialraumentwicklung waren die Empfehlungen zur Ausgestaltung kommunalen Handelns des Deutschen Städtetags aus dem Jahr 1979 und 1987 wegweisend. Die Sozialraumanalyse basiert darauf, möglichst kleinräumig sozial-strukturelle Verhältnisse zu erfassen. Wenn Städte und Gemeinden mit dem Instrument von Sozialräumen planen, legen sie selbst - und nicht Dritte - Grenzen und Lage des Sozialraums fest.
Die soziale Infrastruktur, die Förderung des Ehrenamtes, die soziale Aufmerksamkeit, Transparenz von Leistungen und Hilfsangeboten, wohnortnahe Beratung und Betreuung, die Versorgung mit Wohnraum: dies alles findet in den Städten und Gemeinden statt. Die Gemeinden erfüllen in ihrem Gebiet alle Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung.
Zu den Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft gehören untere anderem die harmonische Gestaltung der Gemeindeentwicklung einschließlich der Standortentscheidungen, die Bauleitplanung, die Förderung von Wirtschaft und Gewerbe, die Verbesserung der Wohnungen der Einwohner durch den sozialen Wohnungsbau und die Förderung des privaten und genossenschaftlichen Bauens sowie durch eine sozial gerechte Verteilung der Wohnungen, die gesundheitliche und soziale Betreuung, die Entwicklung von Freizeit- und Erholungsbedingen und vieles mehr (vgl. § 2 BbgKVerf).
In der Begründung zum Gesetzentwurf auf Seite 2 heißt es, „Der verfolgte Anspruch [welcher?] kann nur im Schulterschluss der öffentlichen Leistungsträger unter Federführung der Kommunen sinnvoll vorangetrieben werden. Hierbei stößt der Bundesgesetzgeber jedoch an die Grenzen seiner Regelungskompetenzen. Die entsprechenden Landesgesetze müssen diese Lücke schließen, um den pflegefachlich und pflegepolitisch sinnvollen Ansatz erfolgversprechend umsetzen zu können.“ Wir weisen darauf hin, dass der Bund die Grenzen seiner Regelungskompetenz vor allen Dingen in den Grundrechten des Grundgesetzes findet, die Berufsfreiheit und Niederlassungsfreiheit sowie das Recht auf Eigentum gewährleisten und dass der Bund die kommunale Selbstverwaltung beachtet, wenn er in § 8 Abs. 2 SGB XI lediglich eine Aufforderung zur Koordinierung formuliert und keine Verpflichtung der Beteiligten ausspricht.
Eine Lücke – worin diese bestehen soll, wird in der Begründung nicht formuliert – gibt es nicht. Bezüglich der pflegerischen Versorgung der Einwohner ist es Aufgabe der Städte und Gemeinden als Träger der örtlichen Daseinsvorsorge und der örtlichen Altenhilfe – so ausdrücklich in der Begründung auf Seite 8 – für das Vorhandensein bedarfsgerechter Angebote Sorge zu tragen. Sie schaffen auch die notwendigen Voraussetzungen dafür, dass möglichst viele Menschen in der eigenen Häuslichkeit alt werden und möglichst lange selbständig leben können.
Wenn es auf Seite 5 der Begründung heißt, „Es entspricht dem Stand der Erkenntnisse, dass hierfür neben der leistungsrechtlichen Steuerung eine sozialräumliche Entwicklung der Angebotsstruktur eine wesentliche Voraussetzung ist. Sie ist als Erfolgskriterium für eine insgesamt wirtschaftliche Leistungsgewährung anzusehen.“, ist dies zwar richtig. Der Gesetzentwurf übersieht aber, dass die sozialräumliche Entwicklung allein Aufgabe der Stadt oder der Gemeinde ist und dass alle Wissenschaftler, verschiedene Bundesministerien und namhafte Stiftungen in Deutschland die Städte und Gemeinden in der Verantwortung der Gestaltung des demographischen Wandels durch integrierte Planungen und Schaffung wohnungsnaher, altengerechter Strukturen der Daseinsvorsorge sehen.
Da die sozialräumliche Entwicklung in den Hoheitsbereich und in den Aufgabenbereich der Städte und Gemeinden fällt, wird mit § 3 Abs. 2 LPflegeGE Dritten, nämlich den Landkreisen, dem Land, den Trägern der Pflegeversicherung, den Pflegeeinrichtungen das Recht eingeräumt, auf eine sozialräumliche Entwicklung hinzuwirken, also in die Städte und Gemeinden hineinzuwirken. Wir halten dies für verfassungswidrig.
Allen vorgenannten Institutionen steht es nicht zu, sich an die Stelle der in den Städten und Gemeinden vom Volk gewählte Vertretung zu setzen.
Für den Wähler wird es auf Grund der Vermischung von Zuständigkeiten in § 3 Abs. 2 und Abs. 3 LPflegeGE nicht mehr möglich sein, festzustellen, welche staatliche Ebene welche Entscheidung getroffen hat und bei welcher Wahl er mit der Ausübung seines Stimmrechts auf die Entscheidung reagieren kann.
Mit § 3 Abs. 2 LPflegeGE werden den Landkreisen, dem Land, den Trägern der Pflegeversicherung, den Pflegeeinrichtungen neue Aufgaben zugeordnet, die nach Art. 28 Abs. 2 GG und der Kommunalverfassung den Städten und Gemeinden obliegen. Über die nach §§ 7 f, 92c SGB XI und § 4 Abs. 1 SGB XII bestimmten Aufgabenträgern zugeordnete Aufgaben geht § 3 Abs. 2 LPflegeGE weit hinaus.
II. Im Einzelnen
Zu § 1 LPflegeGE
§ 1 LPflegeGE soll zukünftig lauten „Dieses Gesetz gilt für die pflegerische Versorgungsstruktur im Land Brandenburg.“
Mit der Änderung des Paragraphen wird, so die Begründung, eine Erweiterung des Geltungsbereiches des Gesetzes beabsichtigt. Das Landespflegegesetz soll über den Bereich der Pflege hinaus die komplette soziale Infrastruktur und alle Dienste und Unterstützungsstrukturen in den Städten und Gemeinden erfassen, die in irgendeiner Weise dem Wohnen und dem Leben im Alter und der Vermeidung von Pflegebedürftigkeit dienlich sein können oder konkret der Abdeckung von Pflegebedarf dienen.
Damit geht die Begründung zu § 1 LPflegeGE über den Wortlaut der Vorschrift hinaus. Denn nach § 9 SGB XI bezieht sich die Verantwortung der Länder allein auf die pflegerische Versorgungsstruktur. Die pflegerische Versorgungsstruktur besteht – ausweislich der Kommentarliteratur – aus ambulanten Pflegeeinrichtungen und stationären Pflegeeinrichtungen.
Ausweislich der Gesetzesbegründung soll das LPflegeG auch für niedrigschwellige Angebote gelten. Wir weisen darauf hin, dass §§ 45 ff SGB XI hierzu abschließende Regelungen enthalten. Weiter dürfen wir darauf hinweisen, dass die Kommunen und nicht die örtlichen Träger der Sozialhilfe durch § 45c SGB XI direkt angesprochen werden. Das heißt, dass die Kommunen hier im Bereich der freiwilligen Selbstverwaltung tätig werden und sich dieser Bereich somit einer Regelungskompetenz durch das Land entzieht.
In der Gesetzesbegründung heißt es weiter, das Pflegeweiterentwicklungsgesetz habe einen Bezug der Versorgungsstruktur zu anderen Sozialleistungen und zu wohnortnahen Beratungs- und Unterstützungsangeboten hergestellt. Hieraus wird geschlussfolgert, der Geltungsbereich des Landespflegegesetzes könne deshalb auf diese Bereiche ausgedehnt werden. Diese Darstellung ist insoweit irreführend, als dass allein § 7a, § 8 Abs. 1 und § 91c SGB XI auf diese anderen Leistungsbereiche und Rechtsgebiete eingehen. Das heißt, dass in § 7a SGB XI der Bundesgesetzgeber die Aufgaben des Pflegeberaters formuliert hat und zu dessen Aufgaben zählt es, den Bezug zu anderen Leistungsbereichen und Angeboten herzustellen. Darüber hinaus hat der Bundesgesetzgeber mit § 92c SGB XI den Pflegestützpunkten der Pflegekassen konkrete Aufgaben zugeordnet.
Weder aus den Aufgaben des Pflegeberaters, noch aus den Aufgaben der Pflegestützpunkte kann eine Begründung dafür hergeleitet werden, rechtsgebietsübergreifend den Geltungsbereich des Landespflegegesetzes zu erweitern auf sämtliche kommunale Strukturen der Daseinsvorsorge.
Nach alledem fordern wir, es bei der bisherigen Regelung zu belassen. Eine Ausdehnung des Geltungsbereiches des Gesetzes lehnen wir ab.
Zu § 2 Abs. 1 LPflegeGE
Es gilt das zu § 1 Gesagte. Durch die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Erhöhung der Anforderungen an die Zielsetzungen des Gesetzes durch Änderung von Abs. 1 Satz 3 und Anfügung eines vierten Satzes in Verbindung mit der Erweiterung der Eingriffsrechte des Landes in § 3 Abs. 3 LPflegeGE steht zu befürchten, dass das Land, um die Ziele umzusetzen, in die kommunale Daseinsvorsorge und die kommunale Infrastrukturplanung eingreift und in die gemeindliche Ebene hineinsteuert. Dies wäre ein verfassungswidriger Eingriff.
Um zu verhindern, dass es zu verfassungswidrigen Eingriffen kommt und Städte und Gemeinden in langwierigen Gerichtsprozessen um Rechtsschutz nachsuchen müssen, wird vorgeschlagen, es in § 2 Abs. 1 Satz 1 LPflegeG bei der bisherigen Formulierung zu belassen.
Zu § 3 LPflegeGE
In der Überschrift der Norm sollten die Worte „Gemeinsame Verantwortung“ gestrichen werden. Wie bereits ausgeführt führt die Wahrnehmung „gemeinsamer Verantwortung“ dazu, dass für den Wähler nicht mehr erkennbar ist, welche staatliche Einheit welche Entscheidung getroffen und welche Maßnahme durchgeführt hat. Die Wahrnehmung „gemeinsamer Verantwortung“ führt zur Intransparenz staatlicher Entscheidungen, wie sie dem deutschen Recht unbekannt ist. Der demokratische und soziale Rechtsstaat fußt darauf, dass behördliche Zuständigkeiten in nachvollziehbarer Weise vom Gesetzgeber festgelegt werden.
Überaus bedenklich ist es, wenn anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, wie beispielsweise den Trägern der Pflegeversicherung, oder privaten natürlichen oder juristischen Personen, wie beispielsweise den Pflegeeinrichtungen, eine Verantwortung für staatliches Handeln übertragen wird, wie dies die Überschrift formuliert. Unakzeptabel wird dies, wenn sich die Übertragung gemeinsamer Verantwortung auf kommunale Aufgabenfelder bezieht.
Zu § 3 Abs. 1 Satz 2 LPflegeGE
Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 LPflegeGE soll die Zusammenarbeit insbesondere eine Abstimmung und Koordinierung der jeweils in eigener Zuständigkeit wahrzunehmenden Aufgaben beinhalten.
Ausweislich der Begründung dient die Regelung der landesrechtlichen Umsetzung des § 8 Abs. 2 SGB XI. Wie oben bereits ausgeführt, handelt es sich bei § 8 SGB XI um eine Vorschrift ohne wesentlichen normativen Charakter. Erst durch § 3 Abs. 1 Satz 2 und dessen Begründung werden neue Aufgaben und Pflichten für die Kommunen formuliert.
Da der Geltungsbereich des Gesetzes mit § 1 LPflegeGE ausgeweitet werden soll, bezieht sich die neue Aufgabe auf alle denkbaren kommunalen Aufgaben (Allzuständigkeit der Gemeinde).
Die hiermit einhergehende rechtliche Ungenauigkeit und der mit der Pflicht zur Zusammenarbeit in allen denkbaren kommunalen Aufgabenfeldern verbundene Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung könnte vermieden werden, wenn der Geltungsbereich des Gesetzes sich allein auf die Pflege bezöge, wie dies in § 9 SGB XI denn auch vorgesehen ist.
Zu § 3 Abs. 2 LPflegeGE
Nach § 3 Abs. 2 LPflegeGE wirken die Verantwortlichen, das sind das Land, die Kommunen, die Pflegeeinrichtungen und die Träger der Pflegeversicherung auf eine sozialräumliche Entwicklung hin. Wie bereits ausgeführt, halten wir dies für verfassungswidrig.
Es ist Aufgabe der Städte und Gemeinden, für eine soziale Infrastruktur Sorge zu tragen, ihr Gebiet zu entwickeln und zu beplanen. Eines der Handlungsinstrumente kommunaler Politik ist die Entwicklung von Sozialräumen oder die Planung nach Sozialräumen.
Es widerspricht dem Grundgesetz, wenn Dritte sich an die Stelle der verfassungsgemäß gewählten Vertreter des Volkes in den Städten und Gemeinden setzen und praktisch die Städte und Gemeinden überplanen.
Wir haben bereits in der Anhörung zu dem Gesetzentwurf zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch darauf hingewiesen, dass wir eine Überplanung der kreisangehörigen Städte und Gemeinden durch die Landkreise und das Land, wie sie in § 3 Abs. 2 AG-SGB XII vorgesehen ist, nicht akzeptieren.
Im Vergleich zu § 3 Abs. 2 AG-SGB XII wiegt der Eingriff auf Grund § 3 Abs. 2 LPflegeGE ungleich schwerer, weil LPflegeGE seinen Geltungsbereich über das SGB XI hinaus auf das gesamte Wohnen und Leben in der Gemeinde ausdehnt und weil neben den Landkreisen und dem Land noch weiteren Organisationen, Verbänden oder Privaten das Recht eingeräumt wird, in die gemeindliche Ebene hineinzuwirken.
Hierbei wird es „den Verantwortlichen“ nicht einmal zur Pflicht gemacht, die Stadt oder Gemeinden zu beteiligen, sich die Zustimmung der demokratisch legitimierten Vertreter der Gemeinde einzuholen oder ähnliches.
Städte und Gemeinden haben aber ein dringendes Interesse daran, dass Pflegeheime nicht ohne Abstimmung mit der Stadt- oder Ortsentwicklungsplanung, nicht ohne Vorhaltung weiterer ortsbezogener Aktivitäten und nicht ohne Vernetzung mit dem Gemeinwesen und anderen Angeboten für ältere Menschen errichtet werden.
Die Stärkung des Ehrenamtes, die Stärkung der sozialen Aufmerksamkeit, die Transparenz der vorhandenen Hilfsangebote und die Einbindung von Einrichtungen in die Gemeinde sind Aufgaben der örtlichen Ebene und fallen in die Zuständigkeit der Gemeinde. (§ 3 Abs. 2 Satz 2 LPflegeGE)
Wohnortnahe Beratung und Betreuung, Maßnahmen und Hilfen, die einen Verbleib in der eigenen Häuslichkeit ermöglichen, die Förderung individueller Wohn- und Betreuungsformen (§ 3 Abs. 2 Satz 2 LPflegeGE): auch dies sind kommunale Aufgaben.
Kommunale Wohnraumversorgungskonzepte, kommunale Handlungskonzepte Wohnen, Wohnungsmarktkonzepte etc. müssen den speziellen Handlungserfordernissen vor Ort entsprechen, da in jeder Kommune die Rahmenbedingungen andere sind. Es gibt wachsende Kommunen, in denen Wohnraum geschaffen werden muss. Andere Städte schrumpfen und müssen ihre Wohnraumüberhänge, unter Umständen bei gleichzeitig fehlenden Angeboten, zum Beispiel Sozialwohnungen oder altengerechten oder familiengerechten Wohnungen, ab- oder umbauen.
Mit Blick auf das Hineinwachsen starker Generationen in die dritte und vierte Lebensphase gewinnen kommunale Handlungskonzepte zum Thema Wohnen an Bedeutung. Mit dem Alter verändern sich die Ansprüche der Menschen an ihre Wohnung. Zum einen werden Wohnung und unmittelbares Wohnumfeld für die älteren Menschen wichtiger, da ihre Mobilität abnimmt und das Sicherheitsbedürfnis zunimmt. Wohnen und Wohnumfeld tragen entscheidend zur Lebensqualität bei. Mit zunehmendem Alter verbringen sie mehr Zeit in den eigenen vier Wänden. Zum anderen benötigen sie wegen der Einschränkung körperlicher Funktionen beispielsweise Fahrstühle und Lifte, um zur Wohnung zu kommen, ebene oder plane Böden und breite Türdurchbrüche für bessere Bewegungsfreiheit, altengerechte oder barrierefreie Badezimmer.
Diese umfassenden Konzepte der Städte und Gemeinden und die unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den Städten und Gemeinden blieben völlig unberücksichtigt bei einem Hineinwirken Dritter in das Stadt- oder Gemeindegebiet.
Wir fordern daher, zu formulieren, „Im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung wirken die Verantwortlichen auf eine pflegerische Versorgungsstruktur hin.“
Bereits in unserer Stellungnahme vom 5. August 2010 sowie in weiteren Schreiben und in Gesprächen haben wir gegenüber dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie unsere rechtlichen Bedenken vorgetragen und diesen Vorschlag unterbreitet.
§ 3 Abs. 2 Satz 3 LPflegeGE besagt, die Zuständigkeit der Ämter und amtsfreien Gemeinden bleibe von dem Hinwirken auf eine sozialräumliche Entwicklung durch das Land, die Landkreise, die Pflegekassen oder Pflegeeinrichtungen unberührt. Abgesehen davon, dass das Hinwirken in jedem Fall praktische Auswirkungen haben wird, - denn wo anders als in den Gemeinden soll sich die Umsetzung von § 3 Abs. 2 Satz 1 LPflegeGE bemerkbar machen -, die sehr wohl die Zuständigkeiten der Städte und Gemeinden berühren, ist der Satz rechtlich nicht richtig, denn das Selbstverwaltungsrecht und die Allzuständigkeit stehen der Stadt oder Gemeinde zu, unabhängig davon, ob eine Gemeinde durch ein Amt verwaltet wird, ob es sich um eine kreisfreie Stadt oder eine amtsfreie Gemeinde handelt.
Nach § 135 BbgKVerf ist das Amt Träger der ihm durch Gesetz oder Verordnung übertragenen Weisungsaufgaben. Das Amt erfüllt nur dann einzelne Selbstverwaltungsaufgaben der amtsangehörigen Gemeinden, wenn die Gemeindevertretungen mehrerer Gemeinden des Amtes die Aufgabe auf das Amt übertragen haben. Von einer solchen Aufgabenübertragung kann im Bereich der kommunalen Sozialpolitik und Seniorenpolitik nicht ausgegangen werden.
Danach schlagen wir vor § 3 Abs. 2 Satz 3 LPflegeGE wie folgt zu formulieren:
„Die Zuständigkeit der Städte und Gemeinden bleibt hiervon unberührt.“
§ 3 Abs. 3 LPflegeGE
§ 3 Abs. 3 LPflegeGE enthält für das Land Brandenburg die Ermächtigung, Maßnahmen zur überregionalen Steuerung zu treffen. In dieser Vorschrift wird erstmals im Gesetzestext das Wort „Steuerung“ verwendet.
Da unserem Verständnis nach weder die Pflegekassen, noch die Landkreise die rechtliche Möglichkeit haben, Angebote im Bereich der Pflege oder Dienste und Unterstützungsleistungen außerhalb von Pflege zu steuern, fragt sich, mit welchen Mitteln das Land Brandenburg seine Maßnahmen der überregionalen Steuerung umsetzen will.
Eine überregionale Steuerung wäre nach unserem Dafürhalten nur möglich, wenn derjenige, der gesteuert werden soll, hiermit auf freiwilliger Basis einverstanden ist.
§ 3 Abs. 4 LPflegeGE
In dem auf Grund von § 3 Abs. 4 LPflegeGE zu gründenden Brandenburger Steuerungskreis Pflege sind Fragen zur Wahrnehmung gemeinsamer Aufgaben in der Schnittstelle von Pflegeversicherung und Sozialhilfe abzustimmen.
Hiergegen bestehen keine Einwendungen.
Die Regelung in § 3 Abs. 4 LPflegeGE bedeutet gleichzeitig, dass es in dem Gremium nicht um kommunale Altenhilfepolitik, nicht um die Daseinsvorsorge und nicht um die soziale Infrastruktur in den Städten und Gemeinden gehen kann. Diese sind nicht Teil der Sozialhilfe.
Soweit Fragen der Steuerung in dem Gremium behandelt werden sollen, ist dies vom Wortlaut her akzeptabel.
Unakzeptabel und ohne rechtliche Herleitung ist die Begründung der Vorschrift. Die Pflegekassen und Sozialhilfeträger haben keine Steuerungsfunktion und sie haben lediglich in dem im Bundesgesetz (§ 7a, § 12, § 92c SGB XI und § 4 SGB XII) beschriebenen Umfang Aufgaben der Koordinierung oder Vernetzung.
Nach § 3 Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 LPflegeGE sollen Maßnahmen zur bedarfsgerechten Weiterentwicklung der pflegerischen Versorgungsstruktur in dem Brandenburger Steuerungskreis Pflege beraten werden. Soweit es in der Begründung zu § 3 Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 LPflegeGE heißt, es werde ein Bedürfnis an der Etablierung neuer Wohnformen gesehen und es sollte die Versorgungsstruktur in diese Richtung qualifiziert werden, weisen wir darauf hin, dass diese Wohnformen der betroffenen Bevölkerung nicht einfach von oben verordnet werden können.
Es ist in der ganzen Bundesrepublik festzustellen, dass der übergroße Teil alter Menschen weiterhin in der eigenen Häuslichkeit leben möchte. Erst wenn Pflegebedürftigkeit eintritt und sich der altgewordene Mensch mit Hilfe von ehrenamtlich Tätigen, von Diensten und sonstigen Unterstützungsleistungen nicht mehr selbst versorgen kann, kommt eventuell der Wunsch auf, in eine andere Wohnform umzuziehen.
Der geringste Teil der Betroffenen möchte in neuen Wohnformen oder in Wohngemeinschaften leben. Dementsprechend weisen Statistiken denn auch einen äußerst geringen Anteil dieser Form des Wohnens im Vergleich zu anderen Formen aus.
Auf die Vorstellungen und Wünsche der Betroffenen, der älter werdenden, der alten und der hochbetagten Menschen ist Rücksicht zu nehmen. Aus diesem Grunde beteiligen Städte und Gemeinden bei ihrer Stadtentwicklungsplanung oder Dorfentwicklungsplanung, bei Erstellung von Wohnraumkonzepten oder der Entwicklung von Nahraum etc. die Menschen und binden sie in Diskussions- und Gestaltungsprozesse ein.
§ 3 Abs. 4 Satz 4 LPflegeGE, mit dem die Geschäftsstelle des Brandenburger Steuerungskreises Pflege per Gesetz bei einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft angesiedelt werden soll, ist rechtswidrig und stellt einen unmittelbar durch Gesetz erfolgenden Eingriff des Landes in die Rechte des Landkreises Spree-Neiße dar. Der Satz ist ersatzlos zu streichen.
Zu § 4 LPflegeGE
Nach § 4 Abs. 1 LPflegeGE arbeiten die für die wohnortnahe Betreuung im Rahmen der örtlichen Altenhilfe zuständigen Stellen, die Ämter und die amtsfreien Gemeinden und der für die Gewährung der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII zuständige Träger unter Federführung des Landkreises oder der kreisfreien Stadt partnerschaftlich mit den Verbänden der Pflegekassen auf örtlicher Ebene in geeigneten Strukturen zusammen. Sinn und Zweck der Zusammenarbeit liegt in der Verfolgung der in § 2 LPflegeGE genannten Ziele.
Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich nicht, wer der für die Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII zuständige Träger sein soll. Nach § 97 Abs. 3 SGB XII ist dies der überörtliche Träger der Sozialhilfe. Wir gehen davon aus, dass tatsächlich der örtliche Träger der Sozialhilfe gemeint ist. Aus Gründen der Klarstellung schlagen wir vor, § 4 Abs. 1 Nr. 2 AG-SGB XII in Bezug zu nehmen.
Die Zusammenarbeit zwischen der kreisfreien Stadt oder dem Landkreis und den Pflegekassen ist selbstverständlich und wird sich in den kommenden Jahren verstetigen, wenn das AG-SGB XII nicht in Kürze wieder geändert wird und wenn die Neustrukturierungsprozesse von Krankenkassen abnehmen.
Neue gesetzliche Aufgabe ist für die Landkreise, ihre Aufgabenwahrnehmung zu koordinieren und mit den amtsfreien Gemeinden und Ämtern und den Pflegekassen partnerschaftlich auf örtlicher Ebene in geeigneten Strukturen zusammenzuarbeiten.
§ 4 Abs. 1 Satz 2 LPflegeGE formuliert drei verschiedene Inhalte für die Zusammenarbeit.
Der Gesetzentwurf trifft keine Aussage über die Qualität der Aufgabe. Wir gehen daher und aus Rechtsgründen davon aus, dass das Gesetz eine freiwillige Aufgabe der Städte, Gemeinden und Ämter beschreibt und diese Aufgabe auch für die kreisfreien Städte und Landkreise eine freiwillige Aufgabe darstellt. Wäre es eine pflichtige kommunale Aufgabe, würde sie erstmals in einem Gesetz, und zwar durch Landesrecht, verankert, mit der Folge, dass das strikte Konnexitätsprinzip aus Art. 97 Abs. 3 LV eingreifen würde. Die Vorschrift wäre verfassungswidrig, weil der Gesetzentwurf weder eine Prognose, noch einen Kostenausgleich enthielte.
Da es sich also um eine freiwillige Aufgabe handelt, ist auch die Teilnahme an den geeigneten Strukturen freiwilliger Natur. Dies hat den Vorteil, dass die Teilnehmer aus Überzeugung über die Sinnhaftigkeit ihrer Abstimmungsgespräche mitwirken. Dies wiederum verspricht größeren Erfolg für die Umsetzung beratener Maßnahmen.
Die Freiwilligkeit der Aufgabe zieht im Weiteren nach sich, wie dies auch in dem Wort „partnerschaftlich“ zum Ausdruck kommt, dass die Teilnehmer nicht verpflichtet sind, abgestimmte Maßnahmen auch im Sinne der Abstimmung umzusetzen. Der Koordinierung der jeweils eigenen Aufgabenwahrnehmung mit anderen kommt keinerlei Rechtswirkung zu.
§ 4 Abs. 1 LPflegeGE beinhaltet keine Verknüpfung mit der Landesebene. Die Kommunen werden dafür Sorge zu tragen haben, dass Daten, Fakten und Informationen über Dritte, die sich aus und auf der örtlichen Ebene ergeben, nach datenschutzrechtlichen Aspekten behandelt werden.
Es zählt nicht zu den Aufgaben der an den lokalen Pflegestrukturen Mitwirkenden, eine Wirkungskontrolle der Leistungen und Hilfen zu etablieren, wie es in der Begründung zu § 4 Abs. 1 Satz 2 LPflegeGE heißt. Dies wäre eine zusätzliche Aufgabe, die vom Wortlaut von § 4 LPflegeGE nicht umfasst ist und die wir auch ablehnen würden. Für eine Wirkungskontrolle ist jeweils der Träger des Angebotes, der Leistung oder Hilfe zuständig beziehungsweise derjenige, der die Hilfe bewilligt hat. Es ist nicht Sache von Dritten, die Angebote zu kontrollieren.
Die Einbindung und Beteiligung von in der Pflege und Altenhilfe Tätigen in die Zusammenarbeit, wie sie in § 4 Abs. 2 LPflegeGE vorgesehen ist, ist folgerichtig.
(…. wird weiter ausgeführt)“
Das Sozialgesetzbuch Elftes Buch enthält die soziale Pflegeversicherung (SGB XI – Pflegeversicherungsgesetz). Es ist vom 26. Mai 1994, führte die Pflegeversicherung zur Absicherung der Risiken der Pflegebedürftigkeit ein, und ist seitdem häufig geändert worden, beispielsweise durch des Pflege-Weiterentwicklungsgesetz vom 28. Mai 2008, mit dem die Pflegestützpunkte, sofern dies durch das jeweilige Land bestimmt wurde, und die Pflegeberatung eingeführt wurden.
In den Ausführungsgesetzen der Länder zum SGB XI werden Zuständigkeiten des überörtlichen oder örtlichen Trägers der Sozialhilfe festgelegt. In Brandenburg gibt es derzeit das Gesetz zur Umsetzung des Elften Buches Sozialgesetzbuch (Landespflegegesetz – LPflegeG) vom 29. Juni 2004 (GVBl. I S. 339).
Monika Gordes, stellvertretende Geschäftsführerin
Az: 407-04