Mitteilungen 05/2014, Seite 190, Nr. 98
Modelle zur Sicherung von Schulstandorten aus Brandenburger Sicht
Fachtagung Schulen im kommunalen Bildungsmanagement am 4. April 2014
Universität Potsdam, Kommunalwissenschaftliches Institut
Karl-Ludwig Böttcher, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg
(Es gilt das gesprochene Wort:)
Bildung ist eine der entscheidenden Zukunftsfragen, da sind sich Bildungsministerin Frau Dr. Münch und ich einig. Es geht um den Erhalt der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit und vorsorgende Sozialpolitik.
Mit der Umsetzung des Rechtsanspruches U 3 in der Kindertagesbetreuung geht es auch um frühkindliche Bildung. Obwohl das Land Brandenburg im bundesweiten Vergleich einen relativ hohen Versorgungsgrad schon vor Geltung des Rechtsanspruches hatte, ist es den Kommunen mit Unterstützung des Bundes gelungen, in den letzten Jahren 7.000 zusätzliche Betreuungsplätze einzurichten. Bemerkenswert ist an dieser Stelle zu nennen, dass es eine finanzielle Unterstützung dieses kommunalen Kraftaktes seitens des Landes Brandenburg nicht gegeben hat.
Der Kommunalpolitik vor Ort geht es um die frühzeitige Zusammenarbeit zwischen Kindertagesbetreuung und Schule.
Ganz oben auf der Handlungsliste steht der Ausbau der Ganztagsschulangebote. Es geht um die Chancen – und altersgerechte Bildung und Betreuung. Bundesweit wünschen sich 70 % der Eltern Ganztagsschulangebote, u. a. zur Sicherung der Erwerbstätigkeit beider Elternteile. Dies gilt es zu berücksichtigen. Ein Rechtsanspruch wird jedoch seitens der kommunalen Spitzenverbände abgelehnt. Rechtsansprüche erhöhen Erwartungshaltungen, ohne dass diese vollständig erfüllbar sind.
Schulen können über Ganztagsprogramme ein eigenes Profil und Angebot entwickeln. Hier ist jedoch auch die Elternschaft gefordert, sich intensiv einzubringen.
Besondere Probleme ländlicher Räume im Flächenland Brandenburg
Brandenburg ist mit 30.000 km2, aber weniger als 2,5 Millionen Einwohnern, das fünfgrößte Flächenland der Bundesrepublik Deutschland. Zöge man den Verdichtungsraum um die Metropole Berlin ab, würde dies noch deutlicher hinsichtlich der dünnen Besiedlung, vergleichbar mit Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern.
Fast ständig und überall sind in der Bundesrepublik Deutschland Schulreformen anzutreffen. Dieses trifft auch für Brandenburg zu, wo es in den letzten über 20 Jahren noch mehr Schulreformen oder Gesetzesänderungen am Schulgesetz gegeben hat. Dies erfolgte oft auch ohne wissenschaftliche Erkenntnisse und Analysen, bei Medizinern würde man dies als Therapie vor Diagnose bezeichnen.
Interessant ist, dass bei den sogenannten Bildungsrankings regelmäßig die Bundesländer am besten abschneiden, wo kaum Schulstrukturreformen erfolgt sind. Solche fortlaufenden Reformen erzeugen Unruhe bei Lehrern, Schülern und Eltern.
Hingegen sind flexible Schulstrukturen, insbesondere für ländliche Räume zum Erhalt der erforderlichen Schulstandorte dringend geboten. Schule ist der Ort der Bildung, aber weit darüber
hinaus ein ganz wesentlicher Standortfaktor für die Städte und Gemeinden. Die geringe Einwohnerdichte hat natürlich auch dazu geführt, dass ein Wahlspruch einer früheren Bildungsministerin „Kurze Beine, kurze Wege“ heute kaum noch die Realität wiedergibt. Fahrzeiten zwischen Wohnort und Schulstandort überschreiten heute oft schon je eine Stunde. Wenn wir auch an Realitäten nicht vorbeikommen, so muss man doch eindeutig feststellen, dass noch weitere Schulwege bzw. –fahrzeiten kaum zumutbar sein d191ürften. Nach den erheblichen Schulschließungen in den 1990er Jahren sowie weiterer Schließungen der sogenannten öffentlichen Schulen auch in den weiteren Jahren bedarf es dauerhaft wirksamer Anpassungsstrategien.
Mitwirkung des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg in der Demografie-Kommission
Die Gründung der sogenannten Demografie-Kommission unter Leitung von Frau Ministerin a. D. Ute Erdsiek-Rave erfolgte auf den Beschluss der Landesregierung vom 10. Juli 2012 zur „Erarbeitung von Empfehlungen für künftige Modelle der Grundschulversorgung im ländlichen Raum in Brandenburg angesichts der langfristigen demografischen Entwicklung einschließlich eines Ausblicks auf die Entwicklung in der Sekundarstufe I“.
Glücklicherweise hat diese Bandwurm-Bezeichnung der Arbeit nicht sehr geschadet.
Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg wurde in der Kommission durch unsere Frau Referatsleiterin Bianka Petereit und Herrn Bürgermeister Sven Klemckow, Stadt Lychen, vertreten. Der Abschlussbericht der Kommission vom 18. November 2013 erhielt die wesentliche Zustimmung auch des Städte- und Gemeindebundes als Schritt in die richtige Richtung.
Trotzdem haben unsere Vertreter zu dem Abschlussbericht ein Sondervotum abgegeben, insofern verweise ich auf die Tagungsunterlagen. Wesentlicher Hintergrund des Sondervotums war die Empfehlung im Bericht, welche prognostiziert, dass noch weitere 10 – 20 Grundschulschließungen in Räumen erforderlich seien, die schon jetzt erhebliche strukturelle Defizite zu verzeichnen haben.
Nach Auffassung des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg verträgt Brandenburg, vor dem Hintergrund der bereits starken Ausdünnung der Schullandschaft, keine weiteren Schulschließungen im ländlichen Raum, Die strukturellen Defizite würden sich aus unserer Sicht weiter verfestigen und eine weitere Abwärtsspirale in Gang setzen. Wie schon erwähnt, ist Schule heute weit mehr, als ein sogenannter weicher Standortfaktor, das örtliche Gemeinwesen wird ganz wesentlich beeinflusst.
Der Abschlussbericht benennt den jährlichen finanziellen Mehrbedarf für zusätzliche Lehrer zwischen 6,5 und 9 Millionen Euro. Hierzu muss man allerdings konstatieren, das Brandenburg mit seiner Bildungsfinanzierung in Höhe von 23,2 % des Haushalts Schlusslicht unter den Bundesländern ist. Die Flächenländer West weisen hier einen Durchschnitt von 36,2 % aus, selbst der Durchschnitt der Flächenländer Ost liegt mit 32,2 % immer noch 9 % höher als Brandenburg.
Brandenburg braucht einen Schulfrieden, der Stabilität und Standortsicherheit für alle bestehenden Grundschulen im ländlichen Raum gewährt.
Die demografischen Herausforderungen erfordern ein Höchstmaß an Flexibilität und Gestaltungsspielräumen auf kommunaler Ebene. Die Rolle der Schulträger wurde in der Vergangenheit eher auf die des Geldgebers und Erfüllungsgehilfen begrenzt. Allerdings haben wir es seit vielen Jahren nun endlich erreicht, dass der Schulträger mindestens in der Schulkonferenz einen Sitz und eine Stimme hat …
Zu den Empfehlungen des Abschlussberichtes haben sich unsere Vertreter in ihrem Sondervotum positioniert.
- Hinsichtlich der Mindestgrößen und –klassenfrequenzen geht der Bericht von einer starren Auslegung aus, wir sehen das Erfordernis der Abwägung im Einzelfall.
- Der Erhalt des gegenwärtigen Grundschulnetzes wird im Bericht ausgeschlossen, der Städte- und Gemeindebund spricht sich gegen weitere Schulschließungen aus.
- Das bewährte Brandenburger Modell der Kleinen Grundschule zur Sicherung wohnortnaher Beschulung ist weiterhin zu empfehlen. Beeinträchtigungen der pädagogischen Qualität, die einen Ausschluss des Modells rechtfertigen, sind nicht ersichtlich. Der Bericht stellt fest, dass die Lernstände in den Fächern Deutsch und Mathematik von Schülern an anderen Grundschulen nicht abweichen. Bedauerlicherweise empfiehlt der Bericht nicht, das Modell der Kleinen Grundschule auszudehnen.
Hingegen empfiehlt der Bericht das sogenannte Filialschulmodell, welches verschiedene Standorte bedient (Lehrer pendeln, nicht Schüler). Dieses Modell hat sich mit Begleitung durch den Städte- und Gemeindebund Brandenburg bereits seit 2006 im Amt Ziesar bewährt, in der Bewährungsphase befindet sich ein weiteres Modell in Karstädt und der Gemeinde Groß Warnow.
Weitergehende Vorstellungen als im Abschlussbericht enthalten, gibt es seitens des Städte- und Gemeindebundes auch für alle Möglichkeiten der interkommunalen Zusammenarbeit im Bildungsbereich. Diese sollten nicht allein auf das Modell des Schulverbundes reduziert werden, sondern sollte alle bisher bewährten Modelle berücksichtigen, allerdings damit auch eine verbesserte Finanzausstattung.
- Der Bericht regt die Erarbeitung eines Konzeptes zur Lehrkräftegewinnung an, das kann unterstützt werden, allerdings erfordert dies auch allumfassende und aktive Maßnahmen. Ob die nunmehr gerade erfolgte Neuorganisation der Staatlichen Schulämter mit einer Zentrale und vier Außenstellen dazu beiträgt, Personalentscheidungen zügig zu treffen, muss noch bewiesen werden.
- Die Empfehlung des Abschlussberichtes, den interkommunalen Finanzausgleich für Schulträgeraufgaben zu verbessern, ist grundsätzlich zu unterstützen. Um eine aufgabenadäquate Finanzlastenverteilung zu gewährleisten, sollten aus Sicht des Städte- und Gemeindebundes künftig auch Investitionskosten im Rahmen des Schulkostenbeitrages (§ 116 BbgSchulG) umlagefähig sein, so wie dies z. B. das schleswig-holsteinische Schulgesetz in § 111 vorsieht.
Weitere bildungspolitische Schwerpunkte aus Sicht des Städte- und Gemeindebundes
Mit Blick auf den Vortrag von Frau Glittenberg hat das sogenannte E-Learning in Brandenburg noch nicht den notwendigen Stellenwert erreicht. Hinzukommt, dass Projekte des E-Learnings aus Mitteln der Europäischen Union (ELER) finanziert werden können, die Zuständigkeit hierfür liegt jedoch nicht beim Bildungsministerium und lange Beantragungswege erschweren deren Nutzung. In der Gesamtheit wäre es erforderlich, E-Learning in ein Medienkonzept des Landes einzubetten. Hierin sollten jedoch auch Konzepte der kommunalen Ebene einfließen, diese weiterentwickelt und vom Land anerkannt und einbezogen werden. Insgesamt besteht im Bereich der modernen Mediennutzung noch erheblicher Nachholbedarf – allerdings ist dies auch mit einem hohen Aufwand der kommunalen Schulträger verbunden. So gibt es Beispiele, dass sogenannte White-Boards in Klassenräumen vorhanden sind, eine Nutzung in Einzelfällen allerdings wegen fehlender Qualifikation der Lehrer nicht zum Tragen kommt.
Unter Bezugnahme auf den Vortrag von Frau Dr. Becker will ich natürlich auch meinerseits auf die Problematik der Inklusion in unserer Bildungslandschaft eingehen. Dieses ist insgesamt ein weites Feld und wird von den kommunalen Spitzenverbänden begleitet. Allerdings muss festgestellt werden, dass es politischer und finanzieller Weichenstellungen seitens des Landes entbehrt, nur die ständige Ansprache an andere, so auch die Kommunen, hilft nicht weiter und weckt Erwartungshaltungen, die nicht erfüllt werden können.
Unter Verweis auf den Vortrag von Prof. Dr. Hebeler, dass inklusive Bildung nicht zum Nulltarif zu haben sei, kann dies aus unserer Sicht nur unterstützt werden. Es handelt sich eben um keine automatische Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention durch die Kommunen, es bedarf der konzeptionellen und rechtlichen Ausgestaltung im brandenburgischen Schulgesetz sowie der Ausfinanzierung der selbst gesetzten Standards durch das Land.
Aus Sicht des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg sind die Ausführungen von Frau Dr. Becker, dass nicht alle Kinder für eine Regelbeschulung geeignet seien, nur ausdrücklich zu unterstützen. Bevor man ein funktionierendes System der Förderschulen gänzlich zerschlägt, sollte auch hier die Diagnose vor Therapie gesetzt werden.
Einen weiteren Gesichtspunkt für die kommunalen Schulträger stellt der öffentliche Bildungsauftrag dar. In Brandenburg ist eine vielfältige Schullandschaft in freier Trägerschaft entstanden. Konkurrenz mag zwar förderlich sein, ein Wettbewerb unter ungleichen Voraussetzungen und Bedingungen ist aber nicht hinnehmbar. Dies betrifft insbesondere die höheren Anforderungen an Schulen in öffentlicher Trägerschaft hinsichtlich der Klassenfrequenz und –zügigkeit.
In der Gesamtheit ist zu resümieren, dass die Regionen innerhalb Brandenburgs nicht weiter auseinanderdriften dürfen. Auch stellt sich die Frage einer aufgabengerechten Finanzausstattung für eine bessere Bildung.
Mit der Föderalismusreform II ging die vollständige Zuständigkeit für Bildung und Schule auf die 16 Bundesländer über – ob dies „Bildungsweisheit“ darstellt, darf, zumindest aus meiner Sicht, bezweifelt werden, haben wir doch eine zersplitterte Bildungslandschaft in der Bundesrepublik Deutschland zu konstatieren.
Az: 200-02