Mitteilungen 05/2016, Seite 170, Nr. 93
Stellungnahme zum Entwurf einer Kita-Mehrbelastungsausgleichsverordnung (Kita-MBAV) gemäß § 16 a Abs. 2 KitaG
„Sehr geehrter Herr Hilliger,
wir bedanken uns für die Übersendung des oben genannten Entwurfes sowie die damit verbundene Gelegenheit zur Stellungnahme. Zudem möchten wir uns bei Ihnen und allen weiteren beteiligten Mitarbeitern Ihres Hauses für die seit Mai 2014 diesbezüglich konstruktiv geführten Verhandlungsrunden bedanken.
Aus unserer Sicht wäre es sehr zu begrüßen, wenn nunmehr durch eine zeitnahe Verabschiedung einer Verordnung die formellen Voraussetzungen dafür geschaffen würden, die den Gemeinden entstandenen und weiterhin entstehenden finanziellen Mehraufwendungen für die Umsetzung des ab 1. August 2013 erweiterten Kita-Rechtsanspruches auszugleichen und so die Verhandlungsrunden zu einem für die Gemeinden sichtbaren und haushaltswirksamen Ergebnis zu führen.
Für die abschließende Überarbeitung des Verordnungsentwurfes in Ihrem Hause möchten wir uns daher nachfolgend auf jene Aspekte beschränken, bei denen aus Sicht der Gemeinden noch Änderungsbedarf besteht.
Hierbei kommen wir insbesondere auf die Stellungnahme unseres Verbandes vom 28. Juli 2014 zurück, welche zu den Eckpunkten des MBJS für eine Regelung zum Mehrbelastungsausgleich gem. § 16a Absatz 2 KitaG für den erweiterten Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung für ein- und zweijährige Kinder formuliert worden ist. Das Präsidium unseres Verbandes hatte der Stellungnahme in seiner Sitzung vom 1. September 2014 zugestimmt, mit einer Ausnahme: Die Verbandsgremien scheiden für eine Mitwirkung an einer Umfrage bezüglich der Platzkosten aus.
Alle übrigen in der Stellungnahme vom 28. Juli 2014 enthaltenen Erwägungen hat das Präsidium unseres Verbandes zudem in seiner Sitzung vom 23. April 2015 anlässlich der Beratung des Entwurfes einer Mehrbelastungsausgleichsverordnung (MBAV) bekräftigt. Insoweit nehme ich Bezug auf unseren Verhandlungstermin vom 23. November 2015.
Zur Vermeidung von Wiederholungen erklären wir die Stellungnahme unseres Verbandes vom 28. Juli 2014 zum Inhalt dieser Stellungnahme und fügen sie deshalb als Anlage bei.
Zu den Regelungen des Verordnungsentwurfes im Einzelnen:
Zu § 1 – Anwendungsbereich
Wir bitten Sie, die Worte „durch die eingetretene Erhöhung der Zahl der belegten Plätze“ zu streichen und sich folglich auf die im Ausgangsentwurf enthaltene Formulierung „ Ausgleich der Mehrbelastungen, die bei den Kommunen entstehen“ zu beschränken. Anderenfalls könnte das Missverständnis entstehen, dass der Anwendungsbereich des Kostenausgleichs lediglich eröffnet ist, sofern in der jeweiligen Gemeinde eine Erhöhung der absoluten Zahl der belegten Plätze erfolgt.
Eine solche Einschränkung entspräche nicht dem strikten Konnexitätsprinzip in jenen Fällen, in denen beispielsweise eine Gemeinde zwar zusätzliche Kinder infolge der Rechtsanspruchserweiterung ab 1. August 2013 aufzunehmen hatte, aufgrund einer in der Gemeinde jedoch insgesamt rückläufigen Kinderzahl die absolute Zahl der belegte Plätze gesunken ist. In diesen Fällen hat die Rechtsänderung von § 24 Abs. 2 Kinderförderungsgesetz i.V.m. § 1 Abs. 2 KitaG dazu geführt, dass die Zahl der belegten Plätze in einem geringeren Maße abgesunken ist, als sie ohne Rechtsänderung abgesunken wären. Gleiches gilt für die Ausgaben der Gemeinde pro belegtem Platz. In dieser Differenz zwischen hoher Ausgabensenkung im Falle unveränderten Rechts und der infolge der Rechtsänderung eingetretenen geringeren Ausgabensenkung der Gemeinde liegt der den Gemeinden durch das Land auszugleichende Mehraufwand.
Zutreffend regelt der Entwurf den Kostenausgleich ausschließlich zwischen staatlichen Ebenen. Zutreffend ist auch die in der Begründung enthaltene Feststellung, dass eventuelle Eigenanteile der freien Träger vernachlässigbar sind. Gleichwohl kann durch die Begründung des Entwurfs der Eindruck entstehen, allein in dem vernachlässigbaren Eigenanteil der freien Träger läge der Grund für die Tatsache, dass der Kostenausgleich ausschließlich zwischen staatlichen Ebenen stattfindet. Dies ist nicht der Fall. Grund ist vielmehr allein der Anwendungsrahmen des strikten Konnexitätsprinzips, welcher ausschließlich im Verhältnis zwischen Land und Kommunen eröffnet ist (vgl. Anlage, dort S. 3 zweiter Absatz). Wir bitten um entsprechende Klarstellung in der Begründung des Entwurfes, auch um bei vergleichbaren Sachverhalten Rechtsirrtümern vorzubeugen. Alternativ bietet sich eine ersatzlose Streichung des Satzes „Es wird dabei…“ an.
Zu § 2 – Grundlagen des Ausgleichsbetrags
Die Regelung selbst ist aus unserer Sicht nicht zu beanstanden und war als Ausgangspunkt grundsätzlich Konsens in den Verhandlungen. In der sehr umfangreichen Begründung dieser Regelung beinhaltet der Entwurf jedoch Aussagen und Wertungen, die der Klarstellung bedürfen.
Zutreffend gibt die Begründung zwar wieder, dass die Anzahl der auszugleichenden Plätze sich aus einer Bemessung der Wirkung der Änderung der Rechtslage zum 1. August 2013 ergeben muss. Sodann folgen jedoch abstrakte Ausführungen zu der Frage, wie ermittelt werden könnte, wie viele Plätze denn auch nach alter Rechtslage hätten beansprucht werden können. Hierbei werden Befragungen bzw. Recherchen bei den Jugendämtern bzw. den Eltern in Betracht gezogen und im Ergebnis aus verschiedenen – zum Teil zutreffenden - Gründen abgelehnt. Zudem werden soziostrukturelle Analysen und Studien (auf Bundesebene) erwähnt, um im Ergebnis festzustellen, dass sich hieraus wenig Erkenntnisgewinn bezüglich der Feststellung der auszugleichenden Plätze ergibt.
Damit geht die Begründung am Kern der Tatsachenermittlung völlig vorbei. Ausgangspunkt der Ermittlung der auszugleichenden Plätze muss vielmehr eine Analyse der gemäß amtlicher Kinder- und Jugendhilfestatistik nachgewiesenen Steigerung der tatsächlich Inanspruchnahme von Plätzen in den brandenburgischen Städten und Gemeinden sein. Demgemäß waren diese Zuwachsdaten auch Ausgangspunkt in den Verhandlungen und sollten im Entwurf abgebildet werden. Die Tatsache, dass der Entwurf die tatsächlichen Aufwüchse der belegten Plätze in Wirkung des Kinderförderungsgesetzes nicht darlegt und dem Kostenausgleich zugrunde legt, bedeutet einen erheblichen Ermittlungsausfall.
Denn die Berücksichtigung der Steigerung der tatsächlichen Inanspruchnahme ist nicht nur weitaus naheliegender als die dargelegten soziostrukturellen Analysen. Sie sind auch weitaus verlässlicher, da sich in den letzten Jahren in den Städten gezeigt hat, dass der Aufwuchs auch in den Folgejahren äußerst konstant geblieben ist (z.B. Frankfurt / Oder ca. 131 Kinder). Damit lässt sich nachweisen, dass der Aufwuchs unmittelbar und kausal auf die Rechtsänderung durch das KiföG zurückzuführen ist. Diese Analyse der Entwicklung der belegten Plätze seit Inkrafttreten der Rechtsänderung in den Jahren 2013 bis 2016 müsste die Grundlage für eine verlässliche Beurteilung der auszugleichenden Plätze sein.
Sofern die Begründung einen erheblichen Beurteilungsspielraum bei der Anwendung der alten Rechtslage, eine Verzerrung von Ergebnissen zulasten des Landes, eine Nachfragesteigerung infolge von Angeboten, lokale Determinanten der Inanspruchnahmequote sowie zumutbare eigene Anstrengungen der Kommunen und kommunale Einsparpotentiale erwähnt, stellt dies einen untauglichen Versuch dar, die tatsächlichen Ausbauzahlen und die Kostenausgleichspflicht des Landes zu relativieren. Diesen Erwägungen wird daher ausdrücklich widersprochen und festgehalten, dass die Landesregierung mit vergleichbarem Vortrag im Rahmen der kommunalen Verfassungsbeschwerde der kreisfreien Städte gegen das Fünfte Gesetz zur Änderung des KitaG nicht durchdringen konnte (Urteil vom 30. April 2013).
Dies gilt gleichsam für die Ausführungen in der Begründung bezüglich der Kosten je belegtem Platz. Erneut geht die Landesregierung von einem erheblichen kommunalen Gestaltungsspielraum bezüglich der Angebotsformen aus und unterstellt ungenutzte kommunale Einsparpotentiale in nicht gerechtfertigtem Maße unter Verweis auf die unterschiedlich hohe Nutzung der kostengünstigeren Kindertagespflege und Eltern-Kind-Zentren. Hiermit setzt sich der Entwurf nicht nur darüber hinweg, dass das Landesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 30. April 2013 dieser Auffassung nicht gefolgt ist.
Die Ausführungen verkennen zudem die Wirkung der gesetzlich verankerten und politisch auch durch die Landespolitik Brandenburgs unterstützte Wahlfreiheit der Eltern. Es trifft zwar zu, dass Kindertagespflege und Eltern-Kind-Gruppen rechtsanspruchserfüllende Angebote sind. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass sich zahlreiche Eltern trotz entsprechender Hinweise der Jugendämter auf alternative Angebote ausdrücklich und vehement für die Inanspruchnahme der teureren Krippenplätze aussprechen. Auf den entsprechenden Vortrag der kreisfreien Städte im Rahmen der kommunalen Verfassungsbeschwerde wird Bezug genommen. Die Einflussmöglichkeiten der Städte sind – auch durch politische und rechtliche Vorgaben von Bund und Land – deutlich begrenzter als dies der Entwurf glauben machen will. Auf die Kosten pro Platz haben dagegen objektive Gegebenheiten, wie z.B. die tatsächliche Tarifsituation im Sozial- und Erzieherdienst etc.
Der Entwurf folgt unseren Anregungen nicht, die von Bund und Ländern anlässlich der Verabschiedung des Kinderförderungsgesetzes zugrunde gelegten Kostenparameter in die Ermittlung der Kosten pro Platz einzubeziehen. Gleiches gilt für die Hinzuziehung der Kostensätze, die die Länder Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg ihren Vereinbarungen mit den kommunalen Spitzenverbände zugrunde gelegt haben.
Zu § 3 – Bemessung der Ausgleichsquoten und der auszugleichenden Plätze
Die Ermittlung der landesweiten Ausgleichsquote (25 %) anhand der Differenz der belegten Plätze zu den in der Regelung genannten Stichtagen entspricht dem Verhandlungsstand und fand unsere Zustimmung. Die Annahme, dass ca. jeder vierte Platz aller Plätze im Bereich der Unter-Dreijährigen durch die Rechtsänderung neu geschaffen werden musste, entspricht unseren Prognosen und Stellungnahmen, die wir in den letzten Jahren formuliert haben.
Wir stimmen auch darin überein, dass ausschließlich die belegten Plätze im zeitlichen Mindestrechtsanspruch (6 Stunden) bei der Ermittlung der auszugleichenden Plätze berücksichtigt werden.
Wir stellen mit Bedauern fest, dass die Landesregierung mit Absatz 4 nunmehr von dem Vorhaben Abstand nimmt, die oben genannte landesweite Ausgleichsquote von 25 % als sog. feste Konnexitätsmasse für die Folgejahre fix vorzusehen. Dies war in unseren Verhandlungen noch beidseitig mit Blick auf die Nachvollziehbarkeit der Größenordnung und der Planungssicherheit für Land und Kommunen ausdrücklich begrüßt worden. Nunmehr soll die Ausgleichsquote auf Verlangen des Landes ab dem Jahre 2018 überprüft werden können, sofern sich sozialräumliche und sozialstrukturelle Hinweise auf Veränderungen ergeben. Wir halten dies für einen Rückschritt. Denn die abstrakten sozialräumlichen Daten bieten – wie der Entwurf selbst festhält – eben gerade keine verlässliche Grundlage für Schlüsse bezüglich der auszugleichenden Plätze. Darüber hinaus brauchen die Städte und Gemeinden bezüglich des Kostenausgleichs Planungssicherheit, um die Erfüllung ihrer Aufgaben auch künftig auf hohem Niveau sicherstellen zu können.
Wir sprechen uns daher für eine Beschränkung der Öffnungsklausel in Abs. 4 auf den Bereich der Kostenrelation der Kindertagespflege aus, weil es insoweit tatsächlich zu Schwankungen kommen kann, die hinreichend nachvollzogen werden können.
Wir erneuern zudem unsere Forderung nach einer Berücksichtigung der sog. Vorwirkung der Rechtsänderung – entweder in Form eines Aufschlages auf die Ausgleichsquote oder in Form einer Sonderregelung. Insoweit nehmen wir Bezug auf die Stellungnahme vom 28. Juli 2014.
Die Berücksichtigung der geringeren Platzkosten der Kindertagespflege (65 Prozent eines Krippenplatzes) bereits im Rahmen der Zählung des Aufwuchses sehen wir nicht als sachgerecht an. Vielmehr sollte zunächst die Ausgleichsquote allein anhand der aufgewachsenen Plätze in allen Angebotsformen berechnet werden. Die Vermischung der Bemessung der Platzzahlen mit den unterschiedlichen Kostenanteilen von Krippe und Kindertagespflege führt zu Unschärfen zulasten der Kommunen, da die Quote der Plätze in Kindertagespflege beim tatsächlichen Aufwuchs im maßgeblichen Zeitraum (2012-2014) nur ca. 7 Prozent (158 von 2.262) betrug, während die Quote der Plätze in Kindertagespflege bezüglich aller belegten Plätze ca. 14 % beträgt. Auch mit Blick auf die Finanzbeziehung Landkreise und kreisangehörige Gemeinden wird die Bezugnahme auf die tatsächliche Aufwuchsquote von nur 7 % maßgeblich sein, um einen vollständigen Kostenausgleich auf Ebene der Gemeinden sicherzustellen.
Dringenden Änderungsbedarf sehen wir bezüglich der Ausgleichsquoten der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Insoweit sieht Abs. 2 eine Berücksichtigung der Frauenerwerbsquote vor. Folglich sollen die jugendamtsspezifischen Ausgleichsquoten nur noch zwischen 23,4 und 27,6 Prozent schwanken. Damit wären massive Unterfinanzierungen bei jenen örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe vorprogrammiert, deren tatsächlicher Aufwuchs der belegten Plätze überdurchschnittlich hoch war bzw. ist. Der Entwurf würde es also sehenden Auges in Kauf nehmen, dass vor allem jene Jugendämter keinen angemessenen Kostenausgleich erhalten, die durch die Rechtsänderung nachweislich überdurchschnittlich hohe Leistungen erbringen mussten und weiterhin müssen.
Beispielsweise wäre die Folge einer solchen Regelung, dass der durch das Kinderförderungsgesetz allein in der Stadt Frankfurt (Oder) nachweislich herbeigeführte tatsächliche Aufwuchs der belegten Plätze um 42 Prozent (!) bzw. um 131 in absoluten Zahlen nicht durch Landesmittel ausgeglichen würde. Das Defizit der Stadt Frankfurt (Oder) würde nach Abzug der mit dem Entwurf in Aussicht stehenden Landesmittel immer noch ca. 1 Mio. € jährlich betragen. Allein diese Zahlen belegen, dass der Entwurf bezüglich seines Verteilmechanismus nicht den Anforderungen des strikten Konnexitätsprinzips genügen kann (siehe unten). Auch insoweit nehmen wir Bezug auf unsere ausführlichen Hinweise in der Stellungnahme vom 28. Juli 2014. Ergänzend erinnern wir daran, dass ein Schwerpunkt der Kritik des Landesverfassungsgerichtes in seinem Urteil vom 30. April 2014 darin bestand, dass die Unterschiede der tatsächlichen Kosten vor Ort nicht hinreichend gewürdigt, sondern durch Bildung von Mittelwerten relativiert worden sind. Im Ergebnis war nicht die Gewähr dafür geboten, dass jede Kommunen ihre tatsächlichen Kosten annähern erstattet bekommt. Das gleiche Ergebnis hätte die Einbeziehung der Frauenerwerbsquote zur Folge.
Wir plädieren daher auf der Grundlage der Befassungen unseres Präsidiums ausdrücklich dafür, ausschließlich die in den jeweiligen Landkreisen und kreisfreien Städten eingetretenen Aufwuchsquoten der tatsächlich belegten Plätze als Verteilmaßstab heranzuziehen.
Denn nur der enge Bezug zum tatsächlich erfolgten Aufwuchs an U3-Plätzen im Zeitraum 2012-2014 bietet am ehesten die Gewähr, die tatsächliche kausale Wirkung der geänderten Rechtslage zu ergründen und im Rahmen des Kostenausgleiches zur Geltung kommen zu lassen. Die Ihrerseits angeführten Unwägbarkeiten sollten auf andere Weise berücksichtigt werden, z.B. durch eine Betrachtung eines längeren Zeitraums (z.B. 2008-2014) oder eine Gewichtung beider Verteilmaßstäbe (50 Prozent Anzahl belegte Plätze; 50 Prozent Aufwuchsdifferenz der belegten Plätze).
Das Modell für den gesamten Kostenausgleich ist aus unserer Sicht nur dann konsequent, wenn die Aufwuchsdifferenz nicht nur bei der Bemessung der landesweiten Ausgleichsquote (25 Prozent), sondern auch beim anschließenden Verteilungsmodus vollständig zur Geltung kommt. Zwar geht der Entwurf zutreffend davon aus, dass auch sozialstrukturelle Determinanten die Inanspruchnahme beeinflussen. Allerdings fehlt insbesondere eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die tatsächliche Aufwuchsdifferenz in besonderer Weise mit der Sozialstruktur in den Landkreisen/kreisfreien Städten korreliert, und daher deren Berücksichtigung bei der Verteilung geradezu geboten erscheint (vgl. Kostenausgleich Kita-Sprachförderung seit 2006). Dies betrifft insbesondere die Quote des ALG-II-Bezugs in den Landkreisen und kreisfreien Städten und die damit verbundene Auswirkung auf die Aufwuchsquote.
Abschließend möchten wir Sie darauf aufmerksam machen, dass die Landesregierung Anfang Februar 2016 der Stadt Frankfurt (Oder) die kommunalaufsichtliche Genehmigung für das von der Stadtverordnetenversammlung beschlossene Haushaltssicherungskonzept 2015 – 2018 versagt hat und im Kern der Stadt hinreichenden Konsolidierungswillen abspricht. Wir halten daher eine interministerielle Abstimmung und eine Anerkennung der Kostenfolgen durch Bundes- und Landesgesetze für dringend geboten. Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg kann vor diesem Hintergrund keinem Verordnungsentwurf zustimmen, der dazu führen würde, dass die Landesregierung der Stadt Frankfurt (Oder) einen Betrag in Höhe von ca. 1 Mio. € jährlich vorenthält, der nachweislich für die Erfüllung des erweiterten Rechtsanspruches erbracht worden ist.
Zu § 4 – Bemessung der Platzkosten
Die Regelung gibt in ihrer Grundstruktur zwar den Verhandlungsstand wieder, beinhaltet jedoch weiterhin Unzulänglichkeiten, die der Klarstellung und Änderung bedürfen.
Wir stimmen weiterhin dem Ausgangspunkt der Betrachtung, nämlich der Hochrechnung der Kosten für das pädagogische Personal unter Bezugnahme auf § 5 Abs. 3 KitaBKNV zu. Diese Bezugnahme ist auch deshalb schlüssig, weil sie bereits im Zuge einer anderen Konnexitätsregelung, nämlich bezüglich der Verbesserung des Personalschlüssel (§ 16a Abs. 1 KitaG) zugrunde gelegt worden ist. Gleiches gilt für die Bemessung der Leitungsanteile (Zuschlag von 3 Prozent). Wir können uns auch damit einverstanden erklären, dass der Personalschlüssel mit Stand vom 30. September 2010 für die hier in Rede stehende Konnexitätsregelung maßgeblich ist, da die Verbesserung des Personalschlüssels selbst einer eigenen Konnexitätsregelung unterliegt.
Aus Sicht der Städte, Gemeinden und Ämter verbleiben bezüglich der Bemessung der Personalkosten jedoch zwei wichtige Anliegen. Erstens sollte der Entwurf die vorgesehene Anpassung von § 5 Abs. 3 KitaBKNV an sich verändernde Tarifsituationen, wie zuletzt im Zuge der Tarifeinigung im Sozial- und Erzieherdienst (S 8 statt S 6 E 5), ausdrücklich festhalten. Zum Zweiten braucht es dringend der verbindlichen Normierung der in § 5 Abs. 3 KitaBKNV zugrunde gelegten Tarifstufe im Finanzverhältnis von Landkreisen und kreisangehörigen Städten, Gemeinden und Ämtern. Der Entwurf zeigt insofern in seiner Begründung zwar Problembewusstsein, indem ausgeführt wird, dass einzelne örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei der Bemessung der Personalkostenzuschüsse niedrigere Entwicklungsstufen ansetzen und bislang von Seiten der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe kein Gebrauch davon gemacht wurde, gemäß § 5 Abs. 3 Satz 3 KitaBKNV höhere Kosten gegenüber dem Land geltend zu machen. Wir möchten jedoch darauf aufmerksam machen, dass auf Ebene der Gemeinden regelmäßig erhebliche Personalkostendefizite verbleiben, weil sich Landkreise eben nicht an § 5 Abs. 3 KitaBKNV gebunden sehen. Die im Entwurf erwähnten Beschlüsse einzelner Landkreise sind Beleg für diesen Befund. Wir haben uns deshalb bereits in anderen Zusammenhängen, insbesondere im Rahmen von Stellungnahmen zur Änderung des KitaG sowie zur Änderung der Landeszuschussanpassungsverordnung, für eine verbindliche Normierung der Tarifstufe gegenüber den Landkreisen ausgesprochen. Unseres Erachtens liegt es auch im Landesinteresse, dass die für die Erfüllung des Rechtsanspruches ausgereichten Landesmittel die Gemeinden als Aufgabenträger auch tatsächlich ungeschmälert erreichen und nicht zur Konsolidierung der Kreishaushalte oder andere Aufgabenbereiche zweckwidrig verwandt werden. Wir sprechen uns daher für eine entsprechende Ergänzung von § 4 Abs. 2 Satz 1 dieses Entwurfes aus.
Bezüglich der Bewirtschaftungskosten gibt der Entwurf zutreffend wieder, dass seitens unseres Verbandes ein Ansatz von 20 Prozent als auskömmlich betrachtet worden ist. Hierbei haben wir auf Erfahrungswerte der Mitglieder unseres Verbandes für die von ihnen getragenen kommunalen Einrichtungen zurückgegriffen. Wir halten diesen Aufschlag auch weiterhin für angemessen und auskömmlich. Sofern der Entwurf nun einen Aufschlag in Höhe von 36 Prozent für Bewirtschaftungskosten unter Heranziehung von Daten des Projektes KitaZOOM der Bertelsmann-Stiftung vorsieht, halten wir fest, dass diese Daten mit großen Unwägbarkeiten verbunden sind, die keine allgemeinen validen Schlüsse zulassen. Dies betrifft insbesondere die von freien Trägern geltend gemachten überdurchschnittlich hohen Bewirtschaftungskosten, die aus unserer Sicht auf ihre Angemessenheit zu prüfen wären.
Der schwerwiegendste Fehler der Bemessung der Platzkosten betrifft weiterhin die Höhe der in Abzug gebrachten Elternbeiträge in Höhe von pauschal 16 Prozent (§ 4 Abs. 3 Satz 2 des Entwurfes). Der Entwurf zieht insoweit Daten des Ländermonitors der Bertelsmann-Stiftung (16,5 Prozent) sowie der an KitaZOOM beteiligten Kommunen (16,3 und 17,4 Prozent) heran, die unstreitig sind. Wir haben jedoch von Beginn an darauf hingewiesen, dass diese Daten sich auf alle belegten Plätze im Land Brandenburg bzw. der jeweiligen Kommune beziehen und daher untauglich sind. Erforderlich ist vielmehr eine ausschließliche Betrachtung der tatsächlich konnexitätsrelevanten Plätze, also jener 25 Prozent der Plätze, die der Entwurf auch als Maßstab für die Bemessung der Ausgleichsquote ansieht. Es gilt also ausschließlich die Beitragssituation jener Eltern zu untersuchen, die einen Zugang zur Kindertagesbetreuung erst mit Inkrafttreten des unbedingten Rechtsanspruches zum 1. August 2013 erhalten haben. Hierbei handelt sich um Plätze, deren Eltern – insbesondere mangels Berufstätigkeit – bisher keinen Rechtsanspruch geltend machen konnten. Insbesondere ALG II - Empfänger zahlen im Rahmen der sozialverträglichen Staffelung sehr geringe Elternbeiträge, zum Teil nur 15 € pro Monat. Bei einem angenommenen Mindestbeitrag von 15 € pro Monat und angenommenen Platzkosten von 6.754 € / Jahr (2014) beziffert sich der Anteil des Elternbeitrages auf lediglich 2,4 Prozent an den Gesamtkosten eines Platzes.
Sachlich gerechtfertigt ist danach allenfalls ein Abzug in Höhe von ca. 3 Prozent für Elternbeiträge. Wir sprechen uns für eine entsprechende Änderung von § 4 Abs. 3 Satz 2 des Entwurfes aus.
Diese Hinweise haben wir bereits mit Stellungnahme vom 28. Juli 2014 formuliert. Der Entwurf beinhaltet dennoch keine Auseinandersetzung mit diesen Fragestellungen. Es ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar, warum diese soziostrukturellen Aspekte (Erwerbstätigkeit, Einkommenssituation) zwar im Rahmen der Begründung von § 2 ausführlich und abstrakt erörtert werden, wohingegen diese Aspekte im Zusammenhang mit der Analyse der Elternbeiträge keinerlei Erwähnung finden, obwohl sich dies an dieser Stelle geradezu aufdrängt und zudem einen tatsächlichen Effekt auf die Höhe des Kostenausgleichs hat. Damit würde die in Rede stehende Regelung eine gleichsam evidente Sorgfaltspflichtverletzung bei der Bemessung eines Kostenausgleichs darstellen, wie sie das Landesverfassungsgericht Brandenburg in seinem Urteil vom 30. April 2013 bezüglich der Ausblendung von Tarifabschlüssen gesehen hat.
Abschließend bitten wir um Einfügung der Worte „des Landkreises“ in § 4 Abs. 4 Satz 1 nach dem Wort „Leistungsbescheid“.
Zu § 5 – Ausgleichsbetrag
Die Regelung selbst findet unsere Zustimmung. Bezüglich der Bemessung der Ausgleichsquote verweisen wir auf unsere Ausführungen zu § 3 des Entwurfes.
Wir halten bezüglich der Ausführungen in der Begründung jedoch fest, dass wir eine Ausdifferenzierung der Ausgleichsquoten innerhalb der Landkreise für erforderlich erachten. Anderenfalls werden die Unterschiede zwischen den kreisangehörigen Gemeinden bezüglich des tatsächlichen Aufwuchses an Plätzen infolge der Rechtsänderung nivelliert.
Dies führt im Ergebnis auch an dieser Stelle dazu, dass vor allem jene Gemeinden mit einem überdurchschnittlich hohen Aufwuchs an tatsächlich belegten Plätzen infolge des erweiterten Rechtsanspruches keinen hinreichenden Kostenausgleich erhalten. Soweit der Entwurf auf „Null-Wachstum“ und partielle Rückgänge der Zahl der Plätze trotz Rechtsanspruchserweiterung hinweist, verweisen wir auf unsere Ausführungen zu § 1 des Entwurfes. Danach ist auch in jenen Fällen ein Kostenausgleich geboten, weil der Rückgang ohne Rechtsanspruchserweiterung noch viel deutlicher ausgefallen wäre. Die Rechtsänderung hat also auch in diesen Fällen zu Kosten geführt, die durch das Land auszugleichen sind.
Zu § 6 – Verteilung des Ausgleichsbetrages in Landkreisen
Die Regelung folgt im Wesentlichen dem Verhandlungsstand, wonach die Landkreise den Ausgleichsbetrag des Landes – abzüglich ihrer eigenen tatsächlichen Aufwendungen in Form des Personalkostenzuschusses – an die kreisangehörigen Gemeinden weiterleiten.
Wir erneuern jedoch unseren Hinweis, dass sowohl die Aufwendungen der Landkreise für die Kindertagespflege als auch für die Personalkostenzuschüsse an die Träger der Einrichtungen in erheblichem Maße durch die von den Städten und Gemeinden zu zahlende Kreisumlage refinanziert werden. Der Entwurf muss folglich um eine Aussage ergänzt werden, in welchem Umfang die Aufwendungen der Landkreise aus gemeindlichen Mitteln refinanziert werden. Dieser Anteil ist als Einnahme der Landkreise bei der Berechnung des Eigenanteils des örtlichen Trägers in Abzug zu bringen. Nur dies stellt sicher, dass die Aufwendungen der Gemeinden auch tatsächlich näherungsweise ausgeglichen werden.
Weiterhin regen wir eine Änderung der Regelung im Falle von Vereinbarungen gemäß § 12 Abs. 1 Satz 3 KitaG an. In diesen Fällen sieht § 6 Abs. 3 eine sinngemäße Anwendung der Regelungen in § 6 Abs. 1 und 2 des Entwurfes vor. Eine solche Regelung lässt für die betroffenen Landkreise und kreisangehörigen Gemeinden zu viele Fragen offen. Wir sprechen uns zur Vermeidung von Auseinandersetzungen daher für die Normierung einer klaren Rechtsfolge aus. Wir schlagen vor, den letzten Abschnitt der Regelung wie folgt zu formulieren: „… sind die Bestimmungen der Absätze 1 und 2 durch vollständige Weiterleitung des Ausgleichsbetrages gemäß § 5 Abs. 1 an die kreisangehörigen Gemeinden weiterzuleiten“.
Die Verteilung innerhalb der Landkreise muss am Maßstab des jeweils gemeindeindividuellen Platzaufwuchses erfolgen. Eine einheitliche Verteilquote unterhalb der Ebene der Landkreise bietet nicht die Gewähr für einen aufgabenadäquaten Kostenausgleich. Insoweit sprechen wir uns für eine Ergänzung von § 6 des Entwurfes aus und nehmen Bezug auf unsere Ausführungen zu § 5 sowie unsere Stellungnahme vom 28. Juli 2014.
Zu § 7 - Übergangsvorschriften
Diese Regelung beinhaltet die Benennung von Platzkosten in den Jahren 2013 bis 2015. Eine Begründung enthält der Entwurf nicht, sodass die Kosten nicht nachvollzogen werden können. Wir bitten um entsprechende Ergänzung.
Wir hoffen, dass Ihnen unsere Ausführungen bei der abschließenden Fassung der Verordnung eine Unterstützung sind. Wir fassen unsere Kernanliegen nochmals überblicksartig zusammen:
• Berücksichtigung der Ausbauanstrengungen von 2008 – 2012 (sog. Vorwirkung)
• Fixierung von 25 Prozent als feste Konnexitätsmasse in den Folgejahren
• Bemessung der Ausgleichsquoten an die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe anhand der tatsächlichen Aufwuchsdifferenz
• Ausdehnung der normierten Tarifstufe (S8) auf die Weiterleitung der Mittel von den Landkreisen an die kreisangehörigen Gemeinden
• Änderung der in Abzug gebrachten Elternbeiträge auf 3 Prozent
• Differenzierung der Ausgleichsquoten unterhalb der Landkreisebene
• Minderung des Einbehaltes der Landkreise entsprechend der Kreisumlagen der Gemeinden
Für Rücksprachen stehen wir gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
Böttcher“
(Quelle: Stellungnahme des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg vom 22. März 2016)
Az: 406-00