Mitteilungen 05/2017, Seite 200, Nr. 79
Entwurf einer Strategie „Stadt für Alle“, Strategie Stadtentwicklung und Wohnen für das Land Brandenburg
Das Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung erarbeitet derzeit unter dem Titel „Stadt für Alle“ eine Strategie Stadtentwicklung und Wohnen des Landes Brandenburg. Nach Beratungen im Planungs- und Bauausschuss, der Arbeitsgemeinschaft der Bürgermeister großer und mittlerer Städte und Gemeinden sowie einer Beteiligung aller Mitglieder verabschiedete das Präsidium in seiner Sitzung am 15. Mai 2017 die nachfolgend dokumentierte Stellungnahme zum Entwurf vom 1. Februar 2017. Ergänzend befürwortete das Präsidium, Siedlungsentwicklung auch an weiteren Bahnhaltepunkten (insbesondere Regionalbahnen), wie die Regionalbahn RB 26, zuzulassen und zu erleichtern.
„Sehr geehrte Frau Staatssekretärin,
für die Übermittlung des Entwurfs einer Strategie „Stadtentwicklung und Wohnen für das Land Brandenburg“ Ihres Hauses danken wir Ihnen.
Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg ist der Kommunale Spitzenverband der Städte, Gemeinden und Ämter des Landes Brandenburg mit zusammen mehr als 2.4 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern. Zu seinen Aufgaben gehört es u.a., den Selbstverwaltungsgedanken zu fördern und stets für die Verwirklichung und Wahrung des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung einzutreten sowie die gemeinsamen Belange seiner Mitglieder zu wahren und insbesondere gegenüber gesetzgebenden Körperschaften und Verwaltungsbehörden zu vertreten. Er wird u.a. in Artikel 97 Abs. 4 der Landesverfassung anerkannt.
Der Landtag Brandenburg hat die Landesregierung mit Beschluss von 28. September 2016 (Drucksache 6/5112-B) aufgefordert, eine Strategie „Stadtentwicklung und Wohnen für das Land Brandenburg“ vorzulegen. Der Landtag hat dazu u.a. ausgeführt:
Der Landtag stellt fest:
Der Landtag bekennt sich zur integrierten Entwicklung des Landes und seiner Regionen durch eine (klein)räumliche und sektorale Fokussierung von Landesmitteln. Ebenso bekennt sich der Landtag dazu, die Daseinsvorsorge in allen Teilräumen des Landes zu sichern und bei Bedarf auszubauen.
Der Landtag fordert die Landesregierung auf:
den neuen Landesentwicklungsplan für die Hauptstadtregion, die Mobilitätsstrategie 2030, die Stadtentwicklung einschließlich des sozialen Wohnungsbaus und den Prozess zur Unterstützung Regionaler Wachstumskerne (RWK) so aufeinander abzustimmen, dass alle Teilräume des Landes ihre Stärken weiter ausbauen und Defizite abgebaut werden können.
(…)
2. Es soll eine Strategie Stadtentwicklung und Wohnen für das Land Brandenburg vorgelegt werden, die den jeweils unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Problemlagen der Städte Rechnung trägt und die die Erhöhung der Lebensqualität für Einwohnerinnen und Einwohner in Verbindung mit nachhaltigem Städtebau verfolgt. Dafür sollen vorhandene Entwicklungspotentiale aufgezeigt und Instrumente benannt werden, um Wachstumsimpulse zu unterstützen, ausreichend sozialen Wohnraum zu entwickeln und die jeweiligen Stadt-Umland-Bereiche zu stärken:
a. Die bisherigen Instrumente der Wohnraumförderung sollen hinsichtlich ihrer Zielsetzung und Wirksamkeit überprüft werden, insbesondere mit Blick auf die Zinsentwicklung bei Bankkrediten und Darlehen.
b. Ein besonderer Fokus ist auf die nach Berlin und den anderen zentralen Orten führenden Schienenverkehrsstrecken zu legen. Die Erhöhung der Lebensqualität für Einwohnerinnen und Einwohner in Verbindung mit nachhaltiger Stadtentwicklung und einer Stärkung der Wirtschaftskraft soll im Fokus stehen. Die Erfahrungen aus dem Stadt-Umland-Wettbewerb (SUW) sind auszuwerten und für die Stärkung von Stadt-Umland-Kooperationen und Vernetzungen im ganzen Land zu nutzen.
c. Zentrales Anliegen der Wohnungspolitik ist die Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums in allen Regionen Brandenburgs. Es soll geprüft werden, ob und wie die Verlängerung der Belegungsbindungen in kommunalen Wohnungsunternehmen möglich ist.
d. Die Arbeitsergebnisse des „Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen“ sollen in die Strategie einfließen.
(…)
Dieser Beschluss steht offenkundig im Zusammenhang mit verschiedenen Erwartungen, die vom Städte- und Gemeindebund Brandenburg und von einzelnen Städten und Gemeinden an den Landtag Brandenburg herangetragen worden sind. Zum Teil greift der Landtag damit seit vielen Jahren thematisierte Probleme auf. Aus hiesiger Sicht würde es zur Verständlichkeit der Strategie beitragen, wenn die vorstehend zitierten Auszüge aus dem Landtagsbeschluss auch im Wortlaut in der Strategie wiedergegeben würden.
Ehe wir auf die Einzelheiten des Entwurfs eingehen, erlauben wir uns, zwei zentrale Punkte anzusprechen:
Anerkennung der kommunalen Selbstverwaltung ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Stadt- oder Gemeindeentwicklung
Das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht i. S. von Art. 97 Landesverfassung und Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz umfasst die eigenverantwortliche Wahrnehmung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Hierzu gehört auch das Recht der Gemeinden, die städtebauliche Entwicklung ihres Gebietes sowie seine bauliche und sonstige Nutzung zu ordnen (Planungshoheit).
Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung ist Ausdruck der grundgesetzlichen Entscheidung für eine dezentral organisierte und bürgerschaftlich getragene Verwaltung. Das Bild der Selbstverwaltung wird nach wie vor maßgeblich durch das Prinzip der Partizipation geprägt. Kommunale Selbstverwaltung bedeutet ihrer Intention nach Aktivierung der beteiligten Bürgerinnen und Bürger für ihre eigenen Angelegenheiten, die die örtliche Gemeinschaft zur eigenverantwortlichen Erfüllung öffentlicher Aufgaben zusammenschließt mit dem Ziel, das Wohl der Einwohner zu fördern und die geschichtliche und örtliche Eigenart zu wahren (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 19. November 2014 - 2 BvL 2/13).
Gerade die im Entwurf der Strategie angesprochenen Aufgaben der Stadtentwicklung und des Wohnungswesens, aber auch viele andere Aufgaben der gemeindlichen Daseinsvorsorge, sind Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft und damit freiwillige oder pflichtige gemeindliche Selbstverwaltungsaufgaben. Erst die kommunale Selbstverwaltung ermöglicht es, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzelnden Kräfte im Sinne der Allgemeinheit zu mobilisieren.
Bedauerlicherweise wird die Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen in dem Entwurf nicht thematisiert, noch findet sich eine Auseinandersetzung, ob die angekündigten Maßnahmen die Selbstverwaltung der Städte und Gemeinde respektieren oder fördern. Dies ist gerade im Land Brandenburg mit seiner jahrzehntelangen zentralstaatlichen Vorprägung bedauerlich. Auf dem Gebiet des heutigen Landes Brandenburg wurde die kommunale Selbstverwaltung nämlich nach jahrzehntelanger Unterbrechung erst im Rahmen der friedlichen Revolution 1989/1990 von den Menschen wiedergewonnenen.
Eine Landesstrategie darf Gemeinden nicht ausschließen
Bei der Durchsicht des Entwurfs fällt weiter auf, dass in der Situationsbeschreibung der Gegenstand der Strategie unscharf beschrieben wird. Nach dem Wortlaut und der einführenden Situationsbeschreibung - aber auch der Darstellung der Maßnahmen - richtet sich die Strategie nur an „Städte“.
Nach den Gebiets- und Kommunalrechtsreformen der letzten Jahrzehnte kann dieser Bezeichnung aber kein Gemeindetypus scharf zugeordnet werden. 113 Gemeinden des Landes Brandenburg führen derzeit ein Stadtrecht. Viele davon verfügen allerdings weder über Umlandfunktionen noch über hohe Einwohnerzahlen. Demgegenüber gibt es auch Gemeinden ohne diese Bezeichnung, die starke Wachstumsdynamik, Verflechtungen mi dem Umland oder Infrastrukturkonzentrationen verzeichnen. Ein Beispiel ist die Flughafengemeinde Schönefeld. Es stellt sich daher die Frage, ob die vom Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung vorgenommene Unterscheidung zwischen „Gemeinden“ und „Städten“ überhaupt einen sachgerechten differenzierten Politikansatz vermitteln kann. Eine derartige Trennung zwischen Städten und Gemeinden lässt sich auch dem Beschluss des Landtages Brandenburg nicht entnehmen. Der Landtag erwartet von der Landesregierung eine alle Teilräume berücksichtigende Strategie. Die künstliche Trennung zwischen „Städten“ einerseits und „Gemeinden“ andererseits ist daher in der Strategie aufzugeben.
In diesem Zusammenhang erscheint zudem bedenklich, dass die einzig vorhandenen, die Leistungskraft und Bedeutung von Städten herausstellenden gemeinderechtlichen Unterschiede, nämlich die „Kreisfreie“ und „Große kreisangehörige“ Stadt im Entwurf nicht berücksichtig werden.
Kreisfreie Städte erfüllen nämlich die kommunalen Aufgaben, die anderswo durch die Ebene der Landkreise und kreisangehörige Gemeinden wahrgenommen werden. Dies ermöglicht, Herausforderungen mit umfassenden Instrumenten koordiniert zu bewältigen, führt zu erheblichen Synergieeffekten, und ermöglicht bürgerschaftlich getragene Entscheidungen in vielen Bereichen der Daseinsvorsorge. Ein Beispiel ist das Wohnungswesen. Hier können für die Aufgaben der sozialen Sicherung auch die Instrumente des gemeindlichen Wohnungswesens genutzt werden. In abgeschwächter Form gilt dies für die Großen kreisangehörigen Städte. Stattdessen wird in der Strategie lediglich auf zentralörtliche Einstufungen „Oberzentrum“ bzw. „Mittelzentrum“ abgestellt. Dies erweckt den Eindruck dass die von der Landesregierung beabsichtigte, die Städte schwächende Einkreisungen, bereits vorweggenommen und auch im Rahmen dieser Strategie gebilligt werden sollen. Richtig wäre vielmehr, die Bedeutung kreisfreier und Großer kreisangehöriger Städte für die Bewältigung gerade der in der Strategie angesprochenen Herausforderungen besonders zu würdigen.
Im weiteren untergliedert sich der Entwurf in eine Situationsbeschreibung (I.), die Erläuterung der bisherigen Aktivitäten des Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung im Bereich der Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik (II.), der Benennung von Herausforderungen, vor denen nach Auffassung des Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung die Städte und die Landespolitik stehen (III.). In einem weiteren Abschnitt werden Ziele und Maßnahmen des Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung für eine künftige Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik benannt (IV.).
Nachfolgend soll auf die einzelnen Abschnitte eingegangen werden:
Zu I. Situation der Städte im Land Brandenburg
Die Situationsbeschreibung des Entwurfs bildet mit ihrer Konzentration auf die aktuelle Bevölkerungsprognose nur einen Teil der Entwicklung der Städte und Gemeinden in den letzten 25 Jahren ab. Viele Aspekte bleiben unerwähnt. Zum Verständnis der heutigen Situation unerlässlich ist ein Hinweis auf die wirtschaftlichen und sozialen Umbrüche im Zusammenhang mit der friedlichen Revolution 1989. In vielen Städten und Gemeinden sind bis dahin tragende Wirtschaftszweige weggebrochen. Die daraus folgende hohe strukturelle Arbeitslosigkeit zog eine Abwanderung der Bevölkerung nach sich. Ergebnis waren hohe Wohnungsleerstände und mangelnde Auslastungen der Infrastruktur. Mit den Folgen kämpfen viele Städte und Gemeinden noch heute. Diese wirtschaftlichen Umbrüche sind aber auch die Ursache für den heutigen Landesumbau.
Erfreulicherweise ist jetzt vielerorts eine Trendwende zu beobachten. Der demografiebedingte Mangel an Arbeitskräften führt seit geraumer Zeit zu Rückkehr und Zuwanderung. Hinzu kommt das Wachstum Berlins, welches innerhalb seiner Stadtgrenzen nicht mehr zu bewältigen ist. Wachstumsimpulse erfahren die Städte und Gemeinden des Landes auch durch die Metropolen der Nachbarländer. Zu nennen sind beispielsweise Stettin, Dresden oder die Region Halle/Leipzig.
Dieser in vielen Kommunen bereits augenscheinliche Paradigmenwechsel wird in der Situationsdarstellung des Entwurfs allerdings noch nicht vollzogen. Die Beschreibung hält weiter an einer einseitigen Fokussierung auf Berlin fest. Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg hatte diese Verkürzung bereits in seiner Stellungnahme zum Landesentwicklungsplan Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg angesprochen und dazu ausgeführt:
(…) Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg begrüßt, dass von den Ländern Berlin und Brandenburg ein neuer Landesentwicklungsplan aufgestellt wird. Seit Mitte des letzten Jahrzehnts haben sich die Rahmenbedingung in Berlin und Brandenburg spürbar geändert. Die Abwanderung der Menschen in die alten Bundesländer ist gestoppt. Brandenburg weist seit einigen Jahren wieder einen positiven Wanderungs-saldo auf. Die Geburtenzahlen steigen. Die Arbeitslosigkeit sinkt stetig. In vielen Branchen und in allen Regionen ist sie durch einen Fachkräftemangel abgelöst worden. Der Landeshaushalt des Landes Brandenburg hat ein Rekordvolumen von fast 12 Milliarden Euro erreicht. Die Steuereinnahmen des Landes sind so hoch wie nie. Das Land ist von der Konsolidierungs- und Rückzugspolitik des letzten Jahrzehnts abgerückt. In der Personalbedarfsplanung werden in verschiedenen Bereichen zusätzliche Stellen ausgebracht. In vielen Teilen des Landes herrscht mittlerweile Wohnungsmangel. Brandenburgische Gemeinden orientieren sich nicht nur auf das Zentrum Berlin, sondern auch in die Nachbarregionen (z. B. Stettin, Dresden Halle/Leipzig, Hamburg).
Der den Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg (LEP B-B) ablösende Landesentwicklungsplan Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg (LEP HR) hält allerdings an wesentlichen Kernaussagen des Vorgängerplanes fest, nämlich die soziale Infrastruktur auf ein weitmaschiges Netz zentraler Orte zu konzentrieren und im übrigen Bereich Entwicklung einzuschränken. Dieser Ansatz steht in einer Linie mit anderen Reformvorhaben früherer Landesregierungen, die das Ziel hatten, Haushaltsmittel einzusparen. Diese Ansätze sind vor dem Hintergrund der eingangs dargestellten positiven Effekte in anderen Politikfeldern überwunden. Der LEP HR hält allerdings an den alten Mustern fest. Hier ist ein Umsteuern im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit des Landes und seiner Menschen dringend geboten
1.2. Außerhalb des Berliner Umlandes ist nicht alles gleich
So lässt sich Brandenburg im Jahr 2016 nicht mehr sachgerecht nur in zwei Strukturräumen betrachten. Brandenburg ist mehr als ein wachsendes Berliner Umland (Speckgürtel) und im Übrigen ein „ländlich geprägter“, „schrumpfender“ weiterer Metropolenraum. Eine solche Betrachtung übersieht die Unterschiede des Landes außerhalb des Berliner Umlandes. So beispielsweise, wenn man die wieder zur Großstadt wachsende Stadt Cottbus mit dem mittleren Havelland vergleicht. Dies wird auch anschaulich, wenn man die Abbildung z.B. in der zweckdienlichen Unterlage 3 zur Siedlungsdichte (Abbildung 2) oder die Karten zur Steuerkraft oder dem Bruttoinlandsprodukt im Strukturatlas des LBV betrachtet. Der „weitere Metropolenraum“ ist sehr vielfältig und benötigt differenzierte Handlungsansätze. Es stellt sich auch die Frage, ob aus Sicht Brandenburgs die einseitige Fokussierung auf die Bundeshauptstadt Berlin noch sachgerecht ist oder nicht deutlicher auch die Beziehungen zu Nach-barmetropolen auch im Plan zum Tragen kommen müssen. (…)“
Die Situationsbeschreibung stellt zudem maßgeblich auf die letzte Bevölkerungsprognose 2014-2040 des Landes Brandenburg ab. Dies ist nicht mehr sachgerecht. Die Bevölkerungsprognose bedarf einer Fortschreibung. Bekanntlich besteht auch nach Auffassung des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg „Einigkeit darüber“, dass die Ergebnisse der letzten Prognose „von der Realität teilweise überholt worden sind.“ Dies betreffe das gesamte Land Brandenburg. Eine Aktualisierung der Bevölkerungsprognose für das gesamte Land Brandenburg werde „grundlegend als notwendig erachtet“. Eine Strategie Stadtentwicklung und Wohnen für das Land Brandenburg muss sich daher ebenfalls an den geänderten Rahmenbedingungen orientieren und darf sich nicht auf eine teilweise überholte Bevölkerungsprognose stützen.
Zu II. Nachhaltige Stadt- und Wohnungsentwicklung
Eine integrierte selbstbestimmte Stadtentwicklung ist seit jeher Kernanliegen städtischer und gemeindlicher Selbstverwaltung. Mit der Wiedererlangung der kommunalen Selbstverwaltung wurden Städte und Gemeinden wieder in die Lage versetzt, Planungshoheit auszuüben und eigene Schwerpunkte bei der Gemeinde- und Stadtentwicklung zu setzen.
Der Rückblick veranschaulicht, dass von Städten und Gemeinden mit Unterstützung von Bund und Land erhebliche Aufbauleistungen erbracht wurden. In einzelnen Kommunen kamen auch europäische Mittel zum Einsatz. Bei der Darstellung der Förderkulisse sollte nicht unerwähnt bleiben, dass sich das Land in den letzten Jahren aus einzelnen Regionen zurückgezogen hat. Wir erinnern an diesem Zusammenhang an die Problematik des „Wohnungsleerstandes im ländlichen Raum“, die noch nicht überall bewältigt worden ist.
In den letzten Jahren war zu beobachten, dass von Seiten des Landes immer mehr in die Selbstverwaltung der Städte- und Gemeinden eingegriffen wurde. Im Bereich der Städtebau- oder Wohnraumförderung sind immer höhere und komplexere Anforderungen an informelle Planungsinstrumente zu beobachten. In vielen Bereichen werden informelle Planungen zur Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Förderung erhoben. Bei bestimmten komplexen Prozessen mag dies zu rechtfertigen sein. In anderen Bereichen sind diese Anforderungen allerdings als nicht gerechtfertigt anzusehen. Ein Beispiel dafür ist etwa die Wohnraumförderung in wachsenden Berliner Umlandkommunen.
Soweit in diesem Abschnitt die Versorgung mit dem Mietpreis- und Belegung gebundenem Wohnraum angesprochen wird, sollte nicht unerwähnt bleiben, dass in vielen Gemeinden derartige Bindungen wegen hoher Leerstandsquoten kaum zu rechtfertigen waren. Dies ist auch eine Ursache dafür, dass der Rückgang seinerzeit nicht durch neue Belegungsrechte kompensiert wurde. Erst mit dem eingangs beschriebenen Paradigmenwechsel, der mit zum Teil erheblich steigenden Wohnungsmieten verbunden ist, kommt diesen Instrumenten wieder eine wachsende Bedeutung zu. Die bisherigen gesetzlichen Maßnahmen wie Mietpreisbremse oder Ähnliches haben noch nicht die erhofften dämpfenden Wirkungen entfalten können.
Daher müsste in diesem Abschnitt auch eine Überprüfung der bisherigen Instrumente der Wohnraumförderung aufgenommen werden. Eine solche Überprüfung verlangt Nummer 2 a des Landtagsbeschlusses. Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg hatte in den letzten Jahren wiederholt darauf hingewiesen, dass mit der seinerzeitigen Umstellung der Wohnraumförderung auf die Gewährung von Darlehen wegen des niedrigen Zinsniveaus bei Bankkrediten und Darlehen und der komplexen Planungsanforderungen des Landes kaum noch Förderzwecke erreicht werden können. Daher wäre aus hiesiger Sicht wieder eine Umstellung auf eine Zuschussförderung geboten. Zudem muss eine Auseinandersetzung mit der räumlichen Förderkulisse erfolgen. Der jetzt in vielen Gemeinden zu Tage tretende Wohnraummangel dürfte auch darauf zurückzuführen sein, dass die sich seit einigen Jahren abzeichnende Knappheit auch außerhalb Zentraler Orte oder Regionaler Wachstumskerne zu spät ernst genommen wurde.
In diesem Abschnitt sollte auch darauf eingegangen werden, dass die Zuständigkeit für die Soziale Wohnraumförderung im Zuge der Föderalismusreform I mit Wirkung vom 1. September 2006 vollständig vom Bund auf die Länder übertragen wurde. Dem Land Brandenburg – und nicht mehr dem Bund - obliegen seither sowohl das Recht zur Gesetzgebung in diesem Bereich als auch die Finanzierung der sozialen Wohnraumförderung als eigene Landesaufgabe. Der Bund gewährt der Ländern zwar als Ausgleich für den Wegfall der seinerzeitigen Finanzhilfen seit 2007 bis einschließlich 2019 Kompensationszahlungen aus dem Bundeshaushalt. Inzwischen haben nach Angaben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen eigene Landes-Wohnraumförderungs- beziehungsweise Wohnungsbindungsgesetze erlassen. Kern einer Landesstrategie zur Umsetzung des Landtagsbeschlusses müssten daher Ausführungen zur Frage sein, mit welchen Mitteln das Land in den kommenden Jahren diese Aufgabe erfüllen will.
Zu III. Herausforderungen/Trends
Die in diesem Abschnitt zunächst dargestellten Herausforderungen sind recht allgemein formuliert. Es fehlt der Hinweis darauf, dass sich die brandenburgischen Städte und Gemeinden auch in einem Wettbewerb mit anderen Regionen in Deutschland zu stellen haben. Brandenburg hat zwar eine überdurchschnittliche Geburtenziffer (vgl. Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes 373/16). Regionales Bevölkerungswachstum oder -schrumpfung ist in Deutschland grundsätzlich keine Folge eines Geburtenüberschusses, sondern wird maßgeblich vom Wanderungssaldo bestimmt. Die Zuzugsbereitschaft hängt aber davon ab, wie wirtschaftlich attraktiv eine Region für die Menschen ist. Für die Entwicklung der Städte und Gemeinden ist es daher von zentraler Bedeutung, mit den Wachstumsregionen der alten Bundesländer konkurrieren zu können. Dies betrifft insbesondere die „Weichen Standortfaktoren“. Die brandenburgischen Städte und Gemeinden im Land Brandenburg sind dabei auf einem guten Weg. Das Land verzeichnet nämlich insgesamt einen positiven Wanderungssaldo auch gegenüber den alten Bundesländern. Die Abwanderung ist im Wesentlichen gestoppt.
Hinzu kommt die dynamische Entwicklung Berlins. Diese verlangt nach Entlastung durch die brandenburgischen Städte und Gemeinden. Das Land sollte hier eine aktivere Rolle übernehmen, diese Impulse auch in das Land hinein zu tragen. Dies betrifft insbesondere seine Aufgaben als Träger des schienengebundenen Personennahverkehrs, aber auch den Unterhalt und Ausbau des Landesstraßennetzes oder der Bildungsinfrastruktur. Die Ausgestaltung dieser Aufgaben ist zentral, wenn die Entwicklungspotenziale der Städte und Gemeinden im Land Brandenburg ausgeschöpft werden sollen.
Wichtige städtische Aufgaben bleiben in der Darstellung ausgeblendet. Dies betrifft beispielsweise die vielfach strukturell massiv unterfinanzierte kommunale Infrastruktur, so die Straßenbaulast, die Einrichtungen der Wasserversorgung oder Abwasserentsorgung aber auch Schulträgerschaften, von denen viele aufgrund unzureichender Finanzierungsinstrumente an die Landkreise abgegeben werden mussten. Dies in die Betrachtung mit einzubeziehen ist aber für eine – vom Landtag Brandenburg erwartete - integrierte, ganzheitliche Sicht unverzichtbar.
In die Betrachtung einfließen müssen ferner die aus der Digitalisierung der Gesellschaft folgenden Herausforderungen. Städte und Gemeinden sind auf ein leistungsfähiges Breitbandnetz angewiesen. In der Versorgung bestehen nach wie vor Lücken. Ein leistungsfähiges Breitbandnetz ist jetzt eine zentrale Grundlage der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in den Kommunen. Zudem wird die Digitalisierung u.a. Handel, Dienstleistungen und Gewerbe – und damit die Gestalt der Städte und Gemeinden - nachhaltig verändern. Städte und Gemeinden sind gut beraten, sich bereits jetzt auf diese Veränderungen einzustellen.
Zu vertiefen sind auch Aussagen zur Mobilität. Brandenburg ist nämlich eines der Bundesländer, mit der bundesweit höchsten Pendlerquote. Die Herausforderungen an Stadt- oder Gemeindeentwicklung sind daher ganz zentral auch davon abhängig, ob hinreichende Verkehrsanbindungen an die Orte der Arbeitsplätze der Menschen ermöglicht werden. Dabei sollte deutlich werden, dass wegen der landesgesetzlichen Aufgabenverteilung nur in wenigen Städten oder Gemeinden - nämlich den kreisfreien Städten als Träger des öffentlichen Personennahverkehrs - hierfür eine gesetzliche Zuständigkeit besteht. Im Übrigen ist dies Aufgabe der Landkreise bzw. des Landes Brandenburg.
Die vorgenommene Typisierung im weiter schrumpfende, sich stabilisierende bzw. Städte mit Wachstumsprognosen und deren Zuordnung auf den weiteren Metropolenraum bzw. das Berliner Umland bedarf einer kritischen Überprüfung. Hier ist nicht ersichtlich, warum sich stabilisierende Städte „in maximal einer Stunde Fahrzeit“ aus Berlin erreichen lassen müssen? Die Sichtweise müsste die Nachbarländer bzw. -staaten einbeziehen. Viele von Potsdam entfernt liegende Städte und Gemeinden erfahren mittlerweile spürbare Entwicklungsimpulse z.B. aus Dresden, Leipzig, Hamburg oder Stettin. Andere Städte und Gemeinden stabilisieren sich durch endogenes Wachstum.
Neben einer ganzheitlichen Sichtweise auf die Problemlagen bedarf es aber auch Klarheit über die gesetzliche Aufgabenzuweisung und Verantwortlichkeiten. Dies betrifft einerseits die Ebene der Kommunen mit den Aufgaben der Daseinsvorsorge, aber auch die des Landes. Unverzichtbar für eine Landesstrategie ist ein Bekenntnis des Landes zu seinen, durch die Föderalismusreform ihm übertragenen Aufgaben. Zu nennen ist insbesondere die (Finanz-)Verantwortung für die soziale Wohnraumförderung oder den öffentlichen Personennahverkehr. Hier darf sich das Land nicht lediglich auf eine Moderatorenrolle zurückziehen oder als seinen Handlungsrahmen lediglich auf Finanzzuweisungen des Bundes verweisen.
Zu IV. Ziele
Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg begrüßt die diesem Abschnitt vorangestellte übergeordneten Ziele, die Hauptstadtregion mit allen ihren Städten und Gemeinden weiter zu entwickeln, einen verlässlichen Rahmen für Planen und Bauen bereitzustellen sowie in allen Strukturräumen des Landes Stärken auszubauen und Defizite weiter abzubauen. Allerdings sind die lediglich drei genannten Handlungsschwerpunkte einer demografiefesten, energieeffizienten und generationengerechten Ausgestaltung der „Städte“ als Umsetzungsziele zu eng gefasst.
Zu Ziel 1: Stadtentwicklung als Strukturpolitik ausgestalten
Stadtentwicklung als Strukturpolitik (Ziel 1) zu verstehen, ist, wie oben ausgeführt, folgerichtig. Dies müsste sich aber auch ausdrücklich als ein übergeordnetes Ziel wiederfinden.
Um die Herausforderungen der Kommunen zu meistern, ist der Blick auf die Stärkung ihrer Finanz- und Steuerkraft zu weiten. Im Vergleich gerade auch zu den alten Bundesländern attraktive Arbeitsplätze sind Voraussetzungen dafür, dass die Abwanderung von Menschen nachhaltig gestoppt bleibt und noch mehr Menschen auch aus den alten Ländern nach Brandenburg ziehen. Angesichts vergleichbarer demographischer Trends in Deutschland ist die Wirtschaftskraft ein zentraler Faktor für die Zukunftsfähigkeit der Kommunen in einer Region und damit auch für das gesamte Land Brandenburg.
Wie bereits oben aufgezeigt, reicht es dabei nicht, dass sich das Land Brandenburg auf die Unterstützung der wenigen zentralen Orte und die im Berliner Siedlungsstern gelegenen Orte mit SPNV-Haltepunkten konzentriert. Dieses Netz ist zu weitmaschig und um weitere Potentialorte zu ergänzen. Auch ist es nicht akzeptabel, die Unterstützung auf Orte zu beschränken, die ein „Stadtrecht“ führen. Eine derartige Konzentrationspolitik ist auch nicht geeignet, das Land Brandenburg insgesamt im Ländervergleich attraktiv zu gestalten.
Die Zielstellung, die Instrumente der Stadtentwicklung möglichst flexibel und problemadäquat einsetzen zu können, ist zu unterstützen. Die daran anknüpfende Typisierung in drei Gemeindetypen greift aber zu kurz. Dies gilt auch für die Maßstäbe, anhand derer die Gemeinden den einzelnen Typen zugeordnet werden.
Zu zögerlich sind die Ansätze für die sogenannten „Städte der zweiten Reihe“ formuliert. Brandenburg muss sich aktiver zur Entlastung Berlins bekennen. Wie bereits im engeren Berliner Umland ist es mittlerweile auch in entfernteren Orten keine alleinige gemeindliche Entscheidung mehr, ob Menschen den Ort als Wohnalternative zu Berlin aufsuchen. Diesen Eindruck erweckt allerdings der Entwurf wenn er meint, dass „jede Kommune individuell ermitteln und entscheiden müsse, ob sie über geeignete Potenziale, insbesondere über geeignete Flächen in der Nähe von SPNV-Haltepunkten verfügt und eine solche Entwicklung vorantreiben möchte“. Diese Trends müssen von Land und Landesplanung anerkannt werden. Land und Landesplanung müssen vorausschauend und aktiv reagieren. Insbesondere wird erwartet, dass sich die Infrastrukturpolitik darauf einstellt. Dies betrifft insbesondere die Verbindung zu einem Mobilitätskonzept.
Unterstützenswert ist in diesem Zusammenhang der Ansatz, auch aktiv Anreize für Unternehmens- und Arbeitsplatzan- und - wohl auch - -umsiedlungen zu setzen. Dies sollte in dem Entwurf deutlicher gemacht werden. Damit könnte die Region auch von Pendlerströmen entlastet werden.
So weit in dem Entwurf die Zuwanderung angesprochen wird, sollte der in den Blick genommene Personenkreis eindeutiger formuliert werden. Die Aussage, alle vorhandenen Möglichkeiten zu nutzen, eine dauerhafte Integration gerade in den von Berlin entfernt gelegenen Regionen zu unterstützen, wird begrüßt. In einer Landesstrategie sollten aber vor allem auch Vorschläge gemacht werden, wie von Seiten des Landes die gemeindliche Ebene, auf der die Hauptlast der Integrationsarbeit liegen wird, auch materiell und durch Instrumente unterstützt werden kann.
Vor diesem Hintergrund sollte der vorgeschlagene Maßnahmenkatalog weiter geschärft werden:
Eine bedarfsgerechte Fortsetzung des Stadtumbaus wird als geboten angesehen. Dabei ist der Kreis der zu unterstützenden Gemeinden zu überprüfen und bedarfsgerecht auszuformen.
Die Kulisse der „Städte der 2. Reihe“ sollte zumindest im Sinne einer Achsenverlängerung ausgeweitet werden. Dabei sind insbesondere die Orte in den Blick zu nehmen, die Entwicklungsimpulse wahrnehmen.
Bei den Unterstützungsinstrumenten wachsender Städte und Gemeinden des Berliner Umlandes muss es auch darum gehen, das Siedlungsflächenangebot bedarfsgerechter zu erweitern. Die Erwartungen des Landes an Brachflächenaktivierung und Nachverdichtung für Wohnungsbau sind zu optimistisch. Regelmäßig sind erhebliche rechtliche und tatsächliche Hemmnisse zu überwinden, was erhebliche Verwaltungskraft bindet.
Zu Ziel 2: Integrierte Stadtentwicklung voranbringen
Die Herausforderungen der Stadtentwicklung integriert zu bearbeiten, wird von den Städten und Gemeinden vielfach gelebt. Es ist Kern kommunaler Selbstverwaltung.
Kritisch sind allerdings die Ausführungen zu den Erfahrungen der bisherigen Förderinstrumente zu bewerten. Städte und Gemeinden sehen sich hier hohen bürokratischen und konzeptionellen Anforderungen ausgesetzt. An dieser Stelle ist auch auf den so genannten Stadt-Umland-Wettbewerb einzugehen. Dem Entwurf ist nicht zu entnehmen, dass im Landtagsbeschluss geforderte Auswertung der Erfahrungen bereits vorgenommen wurde. Aus Sicht des Städte- und Gemeindebunde sind diese jedenfalls ernüchternd: Erhebliche finanzielle und personelle Ressourcen hatte bereits das sogenannte Wettbewerbsverfahren gebunden. Für viele beteiligte Kommunen und dem Städte- und Gemeindebund war die Auswahlentscheidung nicht transparent. Hinzu kommt, dass sich das daran geknüpfte Fördersystem für alle Beteiligte besonders komplex darstellt. Im Nachhinein mussten viele Kommunen feststellen, dass zwar Auswahlentscheidungen für mit Maßnahmen untersetzte Strategien getroffen wurden, über die individuelle Förderfähigkeit einzelner Projekte erst später anhand von zum Zeitpunkt der Wettbewerbsteilnahmen noch nicht bekannten Richtlinien entschieden werden musste.
Aus Sicht des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg sind auch an dieser Stelle die hohen informellen Anforderungen des Landes zu bemängeln. Dies betrifft die konzeptionellen Ebenen, aber auch das Regelwerk. Dabei ist zu beobachten, dass die gesetzlichen Anforderungen an gemeindliches Handeln durch zusätzliche Anforderungen unvertretbar hoch geschraubt wurden. Beispiele dafür sind etwa die die Städtebauförderungsrichtlinie ergänzenden „Praxisregeln“, deren Anforderungen sich auf keine Rechtsgrundlage stützen können. Es ist mit dem Gedanken der gemeindlichen Selbstverwaltung nicht vereinbar, wenn über derartige Ansätze Gemeinden ihre Entwicklungsplanung unter den Vorbehalt der Zustimmung des Fördermittelgebers stellen müssen.
In diesem Sinne wird erwartet, dass die administrativen Anforderungen von Förderprogrammen und Fördererregulierungen herabgesetzt werden.
Soweit als Maßnahme ein Diskurs über Chancen der Zuwanderung vorgeschlagen wird, muss der nicht vom Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung besonders angestoßen werden. Der Diskurs wird seit längerem gesamtgesellschaftlich bereits geführt.
Nach hiesiger Einschätzung kann auch der Innenstadtwettbewerb keinen zusätzlichen Ansatz liefern, die integrierte Stadtentwicklung weiter voranzutreiben.
Wünschenswert wären Maßnahmen zur Stärkung der Selbstverwaltung in diesem Themenfeld.
Zu Ziel 3. Engenergetischen Umbau in Stadt und Quartier voranbringen
Das System der bisherigen EEG-Vergütungen als Erfolg zu sehen, ist kritisch zu hinterfragen. Gegenwärtig wird die Stadtentwicklung nämlich auch durch die Verwerfungen der Netzentgeltsproblematik im Land Brandenburg behindert. Aufgrund der hohen Erzeugung erneuerbarer Energien und des damit verbundenen Netzausbaus sind im Land Brandenburg die Energiepreise höher als in vielen alten Bundesländern. Dies beeinträchtigt die Chancen der brandenburgischen Gemeinden im bundesweiten Wettbewerb.
Die unter diesem Punkt vorgeschlagenen Maßnahmen dürften für die Entwicklung der Gemeinden kaum nachweisbare Wirkungen entfalten.
Zu Ziel 4. Stadtentwicklung und Mobilität stärker vernetzen
In diesem Abschnitt wird ein für die Entwicklung der Gemeinden zentraler Gesichtspunkt am Rande angesprochen: Die Auswirkung der Digitalisierung auf Wirtschaft, Handel, Arbeitsmarkt und das Leben der Menschen. Die Wirkung der Digitalisierung wird sich nicht nur auf die Mobilität begrenzen lassen. Es ist vielmehr zu erwarten, dass sich Wertschöpfungsketten ändern und Räume digital überbrückt werden. Dies stellt eine Chance für Regionen dar, die mit herkömmlichen Verkehrsträgern schwer erreichbar waren. Eine Strategie für eine künftige Stadtentwicklung muss die Digitalisierung weitaus stärker in den Blick nehmen, als dies in dem vorliegenden Entwurf der Fall ist. Wünschenswert wäre ein eigener Abschnitt mit einem spezifischen Maßnahmenkatalog.
Bei der Betrachtung der verkehrlichen Mobilität muss auch in den Blick genommen werden, dass die gemeindliche Ebene kaum Einfluss auf die Ausgestaltung des ÖPNV besetzt. Träger sind nämlich die Landkreise bzw. das Land Brandenburg. Im Zusammenhang mit der von der Landesregierung geplanten Verwaltungsstrukturreform dürfte sich dies sogar noch weiter verschlechtern. Den Städten Brandenburg an der Havel, Cottbus und Frankfurt (Oder) soll nämlich die Trägerschaft für ihren ÖPNV entzogen werden. Dies steht dem integrierten Ansatz dieser Zielstellung entgegen. Damit dürften sich die Rahmenbedingungen in diesen Oberzentren maßgeblich verschlechtern. Den Städten wird nämlich die Steuerung über ihren ÖPNV entzogen. Es ist zu erwarten, dass die Angebote deutlich zurückgeführt werden.
Die vorgeschlagenen vier Maßnahmen sind sehr allgemein gehalten. Sie erscheinen nicht geeignet, die Mobilitätsprobleme in der Region zu lösen. Zentral wären hier belastbare Aussagen zur Finanzierung und der Trägerschaft der verschiedenen Bereiche des öffentlichen Verkehrs.
Zu Ziel 5. Bezahlbares, generationsgerechtes Wohnen für alle sichern
In dem Entwurf wird richtig festgestellt, dass sich die Ansprüche an das Wohnen differenziert entwickeln. Aufgrund des Wachstums von Berlin und verschiedener Teile Brandenburgs ist in immer mehr Orten Brandenburgs ein angespannter Wohnungsmarkt feststellbar. Darüber können auch nicht die im Entwurf genannten Zahlen der Baugenehmigungen hinwegtäuschen. Auch die Behauptung des Landes, dass ein Engpass nicht gegeben sei, wird den Wohnungssuchenden kaum helfen. Dies räumt der Bericht an anderer Stelle auch ein. Es wird nämlich ausgeführt, in wachsenden Städte seien Leerstände fast völlig verschwunden. Dies betrifft auch mittlerweile sich konsolidierende Orte.
Die im Entwurf genannten Maßnahmen erscheinen geeignet, Beiträge zur Zielerreichung zu leisten. Zentral wären aber Aussagen zu den Landesmitteln, die für die Soziale Wohnraumförderung in den nächsten Jahren eingesetzt werden sollen, erforderlich.
Zu Ziel 6. Baukulturelles Erbe sichern, Identität bewahren
Ortsbilder sind identitätsstiftend. Gerade Planung und Gestaltung des öffentlichen Raums sind Kernaufgaben kommunaler Selbstverwaltung. Baukultur kann ohne die Aspekte der kommunalen Selbstverwaltung nicht gedacht werden. Es ist nicht erkennbar, wie der Grundsatz der Selbstverwaltung in diesem Zielfeld Berücksichtigung findet. Die genannten Maßnahmen sind sehr kleinteilig und wenig strategischer Natur. Möglicherweise ist dies der Tatsache geschuldet, dass die Themen nach der Geschäftsverteilung der Landesregierung eher anderen Ressorts zuzuordnen sind (z.B. Kultur- oder Innenministerium). Neben einer Stärkung der haupt- und ehrenamtlichen Organe der Selbstverwaltung wären für einen sinnvollen Maßnahmenkatalog Aussagen zur Ausstattung des Programms „Städtebaulicher Denkmalschutz“ und der Denkmalförderung des Landes zu erwarten.
Zu Ziel 7. Interkommunale Kooperation ausbauen
Kernbestand Kommunaler Selbstverwaltung ist auch die so genannte Kooperationshoheit. Danach obliegt es der jeweiligen Gemeinde, selbst zu entscheiden, ob sie ihre Aufgaben allein oder in Zusammenarbeit mit anderen Kommunen erfüllt.
Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluss des Zweiten Senats vom 19. November 2014 – 2 BVL 2/13 – formuliert:
Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Gemeinden insbesondere die Organisationshoheit als das Recht, über die innere Verwaltungsorganisation einschließlich der bei der Aufgabenwahrnehmung notwendigen Abläufe und Zuständigkeiten eigenverantwortlich zu entscheiden. Dies schließt die Befugnis ein, selbst darüber zu befinden, ob eine bestimmte Aufgabe eigenständig oder gemeinsam mit anderen Verwaltungsträgern wahrgenommen wird (sog. Kooperationshoheit, vgl. BVerfGE 119, 331 <362>)
Dies ist auch von einer Strategie „Stadtentwicklung und Wohnen“ zu beachten. Hinzu kommt, dass nach der Gemeindegebietsreform in vielen Landesteilen sehr großflächige Einheitsgemeinden entstanden sind. Eine Strategie „Stadtentwicklung und Wohnen“ kann daher nicht grundsätzlich Gemeinden verpflichten, ihre Aufgaben nur noch in Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden zu erfüllen. Entwicklungsmöglichkeiten einzelner Gemeinden können nicht mit dem Hinweis beschränkt werden, die Aufgabe könne auch in anderen Gemeinden erfüllt werden.
Die Strategie „Stadtentwicklung und Wohnen“ sollte sich darauf beschränken, interkommunale Kooperationen zu unterstützen, Kommunen aber nicht in solche Kooperationen zu zwingen. Im Übrigen sollte es bei der Ressortzuständigkeit des Ministeriums des Innern und für Kommunales für die Begleitung von Fragen der interkommunalen Zusammenarbeit bleiben und keine Parallelstruktur im Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung geschaffen werden.
Soweit auf den Stadt-Umland-Wettbewerb Bezug genommen wird, ist auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen.
Zu Ziel 8. Rechtsrahmen für Planen und Bauen weiter modernisieren
Wie oben ausgeführt, gehört die Planung der Bodennutzung zum Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung. Den Gemeinden stehen umfangreiche planungsrechtliche Instrumente des Bundesrechts zur Verfügung. Ein wesentliches Hemmnis, diese Instrumente zu nutzen, stellen mittlerweile die in den letzten Jahren stark gestiegenen Honorare der Architekten und Ingenieure dar. Die kommunale Finanzausstattung hat diese gestiegenen Aufwände bislang nicht berücksichtigt. Es wird angeregt, diese Zusammenhänge im Rahmen der Umsetzung der Strategie untersuchen zu lassen. Dabei könnte der Frage nachgegangen werden, ob der Ausschluss des Preiswettbewerbs in diesem Bereich ein Hemmnis ist, die Planungsinstrumente umfassender zu nutzen.
Die im Entwurf vorgeschlagenen Maßnahmen (speziell die Spiegelstriche 1, 2 und 4) haben nach hiesiger Einschätzung kaum Bezug zur Stärkung der Planungskraft der Kommunen und sollten daher in der Strategie nicht angesprochen werden.
Zu VI. Schlussbemerkungen
Aus Sicht des Städte- und Gemeindebundes verdeutlichen die Schlussbemerkungen einen zentralen Mangel des Entwurfs. Das an sich fachlich zuständige Ressort sieht von belastbaren eigenen finanziellen Beiträgen ab und vermittelt den Eindruck, sich auf eine Moderationsposition zwischen Kommunen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zurückzuziehen. Dies reicht nicht aus, die anstehenden Aufgaben in der Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik landespolitisch zu bewältigen.
Insgesamt kommen wir zum Ergebnis, dass mit dem vorliegenden Entwurf ein guter erster Ansatz vorgelegt wurde. Er reicht aber noch nicht aus, die Anforderungen des Beschlusses des Landtages Brandenburg an eine Strategie „Stadtentwicklung und Wohnen für das Land Brandenburg“ umzusetzen.
Diese Ausführungen stehen und dem Vorbehalt einer noch ausstehenden Befassung durch das Präsidium unseres Verbandes.
Für weitergehende Erläuterungen und Vertiefungen stehen wir gerne zur Verfügung und würden uns auch freuen, wenn der Dialog in ausgewählten Gremien unseres Verbandes fortgeführt werden könnte.
Mit freundlichen Grüßen
Karl-Ludwig Böttcher“
Jens Graf, Referatsleiter
Az: 606-00