Mitteilungen 05/2017, Seite 209, Nr. 80
Wohnungspolitische Positionen des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg
Das Präsidium des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg hat in seiner Sitzung am 15. Mai 2017 nach Vorbereitung durch den Planungs- und Bauausschuss die wohnungspolitischen Positionen des Verbandes fortgeschrieben und das nachfolgend dokumentierte Positionspapier verabschiedet:
Wohnungspolitische Positionen des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg
1. In regelmäßigen Abständen formuliert der Städte- und Gemeindebund Brandenburg baupolitische Erwartungen an Landesregierung und Landtag. Das viele Prognosen übertreffende Bevölkerungswachstum der letzten Jahre, steigende Geburtenzahlen und eine positive wirtschaftliche Entwicklung verlangt nach einer neuen Standortbestimmung, insbesondere in der Wohnungspolitik. Fast überall im Land gehen die einst noch die Existenz kommunaler Wohnungsunternehmen bedrohenden Leerstandsraten zurück. Erfreulicherweise ermöglichen vielerorts die erzielbaren Mieteinnahmen wirtschaftlich tragfähigen Neubau. Dies gilt aber nicht für alle Regionen des Landes. In immer mehr Städten und Gemeinden - auch außerhalb des Berliner Umlandes - wächst der Mangel an preiswertem Mietwohnraum. Auch Flächen für günstigen Eigenheimbau werden hier knapp. In anderen Städten und Gemeinden bleiben strukturelle Leerstandsprobleme und damit einhergehende Schrumpfungsprozesse zu bewältigen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass in weiten Teilen des Landes Ein- und Zweifamilienhäuser, also Wohneigentum die verbreitetste Wohnform ist. Dies trägt auch zur Verwurzelung der Bevölkerung bei.
2. Die Versorgung breiterer Schichten der Bevölkerung mit preiswertem Wohnraum rückt in immer mehr Städten und Gemeinden stärker in den Blick der Verantwortlichen. Gefordert sind Antworten auf individuelle Bedarfe. Dies kann die Rückkehr von Senioren ins Ortszentrum, die Berücksichtigung von Altersarmut, aber auch Sesshaftwerdung von Flüchtlingen sein.
3. Die Rahmenbedingungen für die Schaffung kostengünstiger Wohnungen haben sich auch im Land Brandenburg verändert. So wurde die Grunderwerbssteuer im Land spürbar angehoben oder die Vorschriften über barrierefreies Bauen mit der neuen Brandenburgischen Bauordnung verschärft (Aufzüge). Ein wesentlicher Kostenfaktor sind auch die sich aus der Energieeinsparverordnung (EnEV) ergebenden Anforderungen.
4. Bei der Schaffung von Wohnraum für einkommensschwache Schichten ist die Lücke zwischen den Herstellungskosten und der von den Personen aufbringbaren Miete zu schließen. Mit der Änderung des Grundgesetzes im Rahmen der Föderalismusreform wurde die soziale Wohnraumförderung Landesaufgabe. Das Land muss sich zu dieser seinerzeit eingeforderten Verantwortung bekennen und auch aus seinem eigenen Haushalt hinreichend Mittel bereitstellen. Es genügt nicht, lediglich auf den Rahmen der Entflechtungsmittel des Bundes zu verweisen.
5. Die Umstellung der Landesförderung auf Darlehensprogramme hat sich nicht bewährt. Der Kapitalmarkt ermöglicht derzeit Finanzierungen zu günstigen Konditionen ohne einschränkende Auflagen und teure Zusatzkosten. In Haushaltnotlage befindlichen Gemeinden ist der Zugang zu Krediten ohnehin eingeschränkt. Daher bedarf es vermehrter Zuschussförderungen. Zudem sollte geprüft werden, ob kommunalen Wohnungsunternehmen die Konditionen von Kommunalkrediten ermöglicht werden können.
6. In den nächsten Jahren wird ein Großteil der bisherigen Belegungsbindungen auslaufen. Damit wird in den Regionen, die mit einer angespannten Versorgungslage zu kämpfen haben, die Versorgung für einkommensschwache Schichten der Bevölkerung noch schwieriger. Es ist nach Anschluss- oder Ersatzregelungen für Regionen mit speziellem Bedarf zu suchen. Im Übrigen können die Städte und Gemeinden ihre Wohnungsunternehmen zielgerichtet zur Versorgung einsetzen.
7. Städtebauförderung bleibt zentrale Daueraufgabe und Prüfstein einer glaubwürdigen Städtebaupolitik. Die Mittelaufwüchse der letzten Jahre sind zu begrüßen und zu verstetigen. Gleiches gilt für die Neuausrichtung auf soziale Aspekte der Stadtentwicklung. Die klassische Städtebauförderung hat sich auch als Motor der lokalen Wirtschaft erwiesen. Ein Euro Fördermittel mobilisiert ein Vielfaches an privatem Kapital. Es müssen alle angebotenen Bundesmittel kofinanziert werden. Die Praxis der Städtebauförderung muss sich darauf zurückbesinnen, dass es sich dabei um eine Selbstverwaltungsaufgabe der Städte und Gemeinden handelt. Die Anforderungen des Landes an Konzepte müssen daher zurückgeführt werden. Städte und Gemeinden dürfen nicht in die Lage gebracht werden, für geringe Fördermittel ihre gesamte integrierte Entwicklungspolitik der Zustimmung von Landes- und anderen Aufsichtsbehörden unterwerfen zu müssen.
8. Städte und Gemeinden sehen sich einer stetig wachsenden Förderbürokratie gegenüber. Gesetzliche Bindungen werden durch eine Vielzahl zusätzlicher Anforderung in Nebenbestimmungen übertroffen. Beispiele sind die zahlreichen, im Rahmen der Städtebauförderung zusätzlich zu beachtenden sog. „Praxisregeln“ des Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung, wie die Praxisregeln für „Nachhaltiges Bauen“ oder zur „Geschlechtergerechtigkeit und Antidiskriminierung“, die bei allen Vorhaben der Städtebauförderung zu prüfen und nachzuweisen sind. Hinzu kommen die Vergabe von Fördermitteln in erhebliche Ressourcen verschlingende sog. Förderwettbewerbe, deren Entscheidungen nicht transparent sind.
9. Städte und Gemeinden mit einer starken Umlandfunktion (z. B. mittelzentrale Orte) müssen nachhaltig in diesen Funktionen gestärkt werden. Dies gilt in besonderem Maße für die kreisfreien Städte als Oberzentren. Diese und andere verkehrlich gut angebundenen Städte und Gemeinden müssen in ihrer Attraktivität so gesteigert werden, dass sie auch zu einer spürbaren Entlastung des Wohnungsmarktes der Metropole Berlin beitragen. Insbesondere muss es noch stärker darum gehen, sie jedenfalls für einen Teil der Ausbildungs- oder Arbeitspendler auch als dauerhaften Wohnsitz attraktiver zu machen.
10. Städte und Gemeinden mit hohem strukturellem Wohnungsleerstand bleiben auf die Fortführung des Stadtumbauprogramms angewiesen. Dieses ist bedarfsgerechter, insbesondere auch mit Blick auf den bislang nicht berücksichtigten ländlichen Raum fortzuschreiben.
11. In manchen Regionen wird die Mobilisierung von Bauland zu einer immer wichtigeren Frage. Die von den Städten und Gemeinden gewünschte Innenentwicklung stößt mittlerweile an Grenzen. Vielfach ist die Mobilisierung schwierig, setzt die Anwendung ordnungspolitischer Instrumente voraus und wäre nur mit finanzieller Hilfe oder Entschädigungen erreichbar. Hinzu kommt, dass die Ausstattung der Kommunalverwaltung mit Persona den Einsatz solcher Instrumente nur im Einzelfall zulässt. Daher sind die Restriktionen der Flächeninanspruchnahme durch Landes- oder Regionalplanung zu lockern.
12. Das Land hat in den letzten Jahren verschiedene ordnungspolitische Instrumente der Mietpreisdämpfung eingesetzt. Dies hat nicht zu den von einigen befürchteten Einbrüchen im Investitionsverhalten geführt. Die angebotenen Instrumente sind daher weiter zu nutzen.
Jens Graf, Referatsleiter
Az: 611-00