Mitteilungen 07/2016, Seite 300, Nr. 139

Auf dem Weg zu offenem WLAN in unseren Städten und Gemeinden


Wer in Europa reist, wird es bereits bemerkt haben: Offen zugängliches WLAN an öffentlichen Plätzen und Wegen ist vielfach schon Alltag in anderen Ländern. In Deutschland ist die Entwicklung dagegen noch nicht soweit. Neben Kostengesichtspunkten spielten dabei rechtliche Unsicherheiten als Hemmschuh eine wesentliche Rolle. Die jüngst erfolgte Reform des Telemediengesetzes (TMG) kann den Weg freiräumen für mehr öffentlich zugängliches WLAN.

Beseitigung der „Störerhaftung“

Es war vor allem die sogenannte „Störerhaftung“ des Anbieters von Freiem WLAN, die dessen Ausbau und Verbreitung in Deutschland lange gehemmt und gehindert hatte. Die Rechtsprechung hatte sich über Jahre mit der Frage befasst, ob ein WLAN-Anbieter über die Störerhaftung in Anspruch genommen werden könne. Der BGH hatte dies im Jahr 2010 grundsätzlich bejaht. Ein unberechtigter Dritte hatte einen unzureichend gesicherten WLAN-Anschluss dazu benutzt, urheberrechtlich geschützte Musiktitel im Internet in Tauschbörsen einzustellen. Die Klägerin konnte den Anbieter von Freiem WLAN als Störer auf Unterlassung in Anspruch nehmen, da er unter Verletzung der ihm obliegenden Prüfungspflicht eine Ursache dafür gesetzt hat, dass ein Dritter über seinen unzureichend gesicherten WLAN-Anschluss die in Rede stehende Urheberrechtsverletzung begehen konnte.
Und genau diese Störerhaftung wird durch die Novelle des TMG nun grundsätzlich beseitigt. Rein technisch gesprochen sieht die Novelle des Telemediengesetzes (TMG) in dessen § 8 vor, dass nicht mehr nur kommerzielle, sondern auch solche Diensteanbieter, die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen, das sogenannte Providerprivileg genießen. Das minimiert stark das Haftungsrisiko für nicht vorrangig im wirtschaftlichen Eigeninteresse agierende WLAN-Anbieter - und ebnet damit den Weg für frei zugängliches WLAN in unseren Städten und Gemeinden, sei es, dass dieses von den Kommunen selbst angeboten wird oder von privaten Akteuren.

Eine Abmahnmöglichkeit gegenüber WLAN-Anbietern wird man allerdings auch zukünftig nicht völlig ausschließen können. Den praktischen Umgang damit sollte man allerdings sachlich betrachten und die Erfahrungen in unseren europäischen Nachbarländern zeigen, dass offenes WLAN erfolgreich betrieben werden kann.

Offenes WLAN in Kommunen partnerschaftlich vorantreiben!

Offenes WLAN anzubieten kommt dabei als Möglichkeit für die Städte und Gemeinden selbst infrage. Aber auch und vor allem für private Anbieter, also zum Beispiel in Restaurants, Geschäften, Einkaufsstraßen. WLAN ist ein Attraktivitätsfaktor für Tourismus, Wohnen und Wirtschaft gleichermaßen. Voraussetzung ist, dass leistungsstarke Breitbandverbindungen vor Ort verfügbar sind, ohne die es auch kein schnelles WLAN geben kann. Der flächendeckende Breitbandausbau bleibt daher eine zentrale Zielsetzung, freies WLAN zeigt als weitere Anwendungsmöglichkeit dessen Bedeutung.

Ob eine Kommune selbst freies WLAN anbietet, kann und muss vor Ort im jeweiligen Einzelfall entschieden werden. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, wie die technische Verfügbarkeit von leistungsstarkem Breitband, Infrastruktur, Kosten, Akzeptanz und Anwendungsmöglichkeiten. Im Zweifel dürfte es Ziel führend sein, dass sich die Kommune und private Akteure und Unternehmen vor Ort zusammensetzen, um gemeinsam freies WLAN vor Ort voranzubringen und dazu ein Konzept mit den nötigen Umsetzungsschritten erarbeiten.

Zahlreiche Städte und Gemeinden haben sich entschlossen oder erwägen noch, öffentliche freie WLAN-Zugangspunkte im Stadtgebiet einzurichten. Andere Kommunen entscheiden sich, bestehende private Initiativen wie den „Freifunk“ und deren Netzausbauaktivitäten mit einmaligen oder wiederkehrenden finanziellen Zuschüssen zu unterstützen. Dies jedoch wiederum nur im Rahmen rechtskonformer Nutzung solcher freier öffentlicher WLAN-Zugänge.
In welchem Umfang freies WLAN in den Städten und Gemeinden angenommen werden wird, wird die Praxis in der Zukunft erweisen. Es steht zwar zu erwarten, dass die Bandbreitenkapazität mobiler Internetzugänge in den nächsten Jahren noch einmal signifikant steigen wird. Das liegt zum einen an der Einführung des 5G-Standards, mit dem Smartphones die Geschwindigkeit von Glasfaser-Festnetzanschlüssen erreichen können. Zum anderen an neuen Netzausbaustrategien der Mobilfunkbetreiber, die auf kleine Mobilfunkzellen, vor allem zunächst in Ballungsräumen zur Ergänzung der bestehenden Infrastruktur setzen. Offenes WLAN bietet in den Städten und Gemeinden dennoch einen Mehrwert. Es kann Unterschiede in der Mobilfunkversorgung ausgleichen, bietet Datenkapazität für die Nutzer und eröffnet vielfältige Einsatz- und Nutzungsmöglichkeiten in den Kommunen – von der Wirtschafts- und Tourismusförderung bis hin zur Vernetzung der Gesellschaft. Für ausländische Gäste und Touristen ist freies WLAN auch deshalb attraktiv, weil dadurch Roaming-Kosten in fremden Netzen vermieden werden können, auch wenn das Roaming innerhalb der EU grundsätzlich im Februar 2017 wegfallen soll.

Voraussetzungen des neuen Haftungsprivilegs

Die bisher geführte Debatte über die Haftung des Anbieters von frei zugänglichen WLAN-Netzen war ein erheblicher Hemmschuh. Hier musste dringend eine Lösung geschaffen werden. Die bisherige Haftungsregelung war für die Anbieter von frei zugänglichen WLAN-Netzen teilweise nicht nachvollziehbar. Den Anbieter von freiem WLAN für rechtswidrige Handlungen der Nutzer haftbar zu machen, ist so, als würde man einen Kfz-Hersteller dafür haftbar machen, dass jemand nach einer Straftat mit dem von ihm hergestellten Kraftfahrzeug vom Tatort flieht.

Die Neuregelungen im TMG schaffen hier Abhilfe. Dem war ein kompliziertes Gesetzgebungsverfahren vorausgegangen, das am 17. Juni 2016 durch die Zustimmung des Bundesrates zum Entwurf des Deutschen Bundestages eines Zweiten Gesetzes zu Änderung des TMG (vgl. BR-Drs. 309/16, BR-Drs. 309/1/16, BT-Drs. 18/6745; BT-Drs. 18/8645) seinen erfolgreichen Abschluss in den beiden Gesetzgebungskammern des Bundes fand.

Durch eine kleine textliche Ergänzung in § 8 Abs. 3 TMG wird das sogenannte Providerprivileg auch auf WLAN-Anbieter ausgedehnt. Auf die neue Haftungsprivilegierung kann man sich als Anbieter von frei zugänglichem, also nicht passwortgeschütztem WLAN allerdings nur dann berufen, wenn die folgenden drei Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. der Diensteanbieter hat die Übermittlung nicht veranlasst und
  2. den Adressaten der übermittelten Kommunikation nicht ausgewählt und
  3. die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert.

Andere Voraussetzungen oder Pflichten, die in früheren Gesetzesentwürfen und in Anlehnung an die Rechtsprechung diskutiert und formuliert worden waren, haben sämtlich keinen Eingang in die gesetzliche Neuregelung gefunden. Das betrifft zum Beispiel Sicherungsmaßnahmen gegen einen unberechtigten Zugriff auf das WLAN oder die Forderung von Erklärungen des Nutzers, keine Rechtsverletzungen bei der Nutzung des WLANs zu verüben. Gegen solche zusätzlichen Pflichten hätte zudem wohl die Richtlinie 2000/31/EG gesprochen, die gerade solche Prüfpflichten ausschließen will.

Abmahnungen und Unterlassungsklagen werden auch zukünftig möglich sein. Das sollte aber nicht davor abschrecken, freies WLAN zu verwirklichen. Bei genauerer Betrachtung ist es nachvollziehbar, dass die Gesetzesnovelle durch den neuen § 8 Abs. 3 TMG die Störerhaftung beseitigt hat, es aber bei der Täterhaftung, insbesondere zum Beispiel bei vorsätzlichen Urheberrechtsverletzungen bleibt und bleiben muss. Wie bei allen neuen gesetzlichen Regelungen wird es seine Zeit brauchen, bis Praxisanwender und Justiz diese umgesetzt haben.

(Quelle: DStGB Aktuell 2716)

Az: 804-00

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