Mitteilungen 08/2013, Seite 244, Nr. 127
Zensus 2011: Auswirkungen der Zensusergebnisse aus Sicht des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg
Am 31. Mai 2013 hat das Statistische Bundesamt gemeinsam mit dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg erste Ergebnisse zum Zensus 2011 veröffentlicht. Es erfolgte die Bekanntgabe der mit dem Zensus 2011 ermittelten Einwohnerzahlen zum Stichtag 9. Mai 2011 sowie des Gebäude- und Wohnungsbestandes auf Gemeindeebene.
Mit 2.453.180 Einwohnern (Stand: 31.12.2011) leben insgesamt 42.455 Einwohner weniger im Land Brandenburg, als auf der alten Grundlage der Bevölkerungsfortschreibung errechnet. Nach der Bevölkerungsfortschreibung auf der Basis des Zensus vom 9. Mai 2011 leben zum 31. Dezember 2012 nur noch 2.449.511 Einwohner im Land Brandenburg. Dies nochmals 3.669 weniger Einwohner innerhalb eines Jahres.
Jedoch sind nicht alle Gemeinden von geringeren Einwohnerzahlen betroffen. Von 419 brandenburgischen Städten und Gemeinden weisen vier Städte ab 10.000 Einwohner einen Zuwachs von, wenn auch nur 0,1 bis 0,6 Prozent, auf. Sieben Städte und Gemeinden unter 10.000 Einwohner weisen keinerlei Differenz zur Bevölkerungsfortschreibung aus und verfügen auch nach dem Zensus 2011 über die gleiche Einwohnerzahl. Darüber hinaus weisen 101 Städte und Gemeinden unter 10.000 Einwohner einen Bevölkerungszuwachs von 0,1 bis 24,4 Prozent aus. Die größte Differenz in Höhe von 24,4 Prozent weist die Gemeinde Schwerin aus. (vgl. hierzu den Artikel: Zur Entscheidung des VG Cottbus - Korrektur der Bevölkerungsstatistik der Gemeinde Schwerin).
Die erheblichsten Auswirkungen ergeben sich für die Städte und Gemeinden bei den Finanzzuweisungen. Im Vergleich der Schlüsselzuweisungen gemäß Festsetzung 2013 mit denen der Abschlagszahlung 2013 sind von 419 brandenburgischen Städten und Gemeinden 274 Städte und Gemeinden zu Rückzahlungen aufgefordert worden. 131 brandenburgische Städte und Gemeinden erhalten Nachzahlungen. Bei 14 Städten und Gemeinden wirkt sich die Festsetzung 2013 kostenneutral aus.
Im Juni 2013 hat das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (AfS BB) mit Versand der Feststellungsbescheide an die brandenburgischen Kommunen begonnen. Für die Kommunen bestand die Möglichkeit, gegen diese Bescheide innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch einzulegen. 46 Kommunen haben davon Gebrauch gemacht. Einige, wenige Städte und Gemeinden haben signalisiert, dass sie fristwahrend Klage gegen den Feststellungsbescheid des Ministeriums der Finanzen des Landes Brandenburg erheben werden.
Nach der Veröffentlichung der Ergebnisse haben wir uns intensiv mit den Auswirkungen des Zensus 2011 gefasst. Erste allgemeine Grundsätze zum Zensus 2011 möchten wir, als Hilfestellung für die größtenteils noch ausstehende Begründung der eingelegten Widersprüche sowie in Beantwortung aufgetretener Einzelanfragen, nachfolgend darlegen:
1. Das Daten-„Rückspielverbot“
Zwar stellen die aus den Melderegistern übermittelten Personendatensätze die Datenbasis für die Ermittlung der Einwohnerzahlen beim registergestützten Zensus 2011 dar, die bei Volkszählungen erhobenen Einzeldaten dürfen von den Statistischen Landesämtern aufgrund des Volkszählungsurteils des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983, Az. 1 BvR 209/83, nicht an die melderegisterführenden Städte, Gemeinden und Ämter zurückgespielt werden.
Bestimmte Angaben aus den Erhebungsunterlagen mit den Melderegistern zu vergleichen und zu deren Berichtigung zu verwenden, verletzt das in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 GG gesicherte Recht auf informationelle Selbstbestimmung, weil die Regelung tendenziell Unvereinbares miteinander verbindet, deshalb zur Erreichung der angestrebten Zwecke ungeeignet, in ihrem Inhalt unklar und daher in ihrer Tragweite für den Bürger unverständlich ist, so der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts.
Es ist infolge der Aufgaben der Meldebehörden nicht vorhersehbar, zu welchem konkreten Zweck welche Behörde die Daten verwendet. Dies hat zur Folge, dass sich die Zwecke beider Erhebungen (Statistik – Melderegisterabgleich) nicht nur gegenseitig beeinträchtigen, sondern sogar ausschließen. Während die Effizienz der Statistik eine strenge Beachtung des Statistikgeheimnisses verlangt, ist dieses mit den Aufgaben der Meldebehörden unvereinbar.
Auch im aktuellen Rechtsrahmen zum Zensus 2011 hat der Gesetzgeber das Rückspielverbot beachtet. § 15 Abs. 2 Satz 4 und Abs. 3 Satz 2 Zensusgesetz 2011 stellen beispielsweise klar, dass eine Rückmeldung der Ergebnisse der Mehrfachfallprüfung an die Meldebehörden unzulässig ist.
2. Die Grundsätze der Fortschreibung des Bevölkerungsstandes
Die amtliche Einwohnerzahl bildet mit Bestandskraft des Verwaltungsaktes die rechnerische Grundlage für die zukünftigen Bevölkerungsfortschreibungen gemäß § 5 Gesetz über die Statistik der Bevölkerungsbewegung und die Fortschreibung des Bevölkerungsstandes vom 14. März 1980 (Bevölkerungsstatistikgesetz - BevStatG, BGBl. I, S. 309).
Nach § 5 BevStatG sind bei der Fortschreibung des Bevölkerungsstandes auf der Grundlage der jeweils letzten allgemeinen Zählung der Bevölkerung nach den Ergebnissen der Statistik der natürlichen Bevölkerungsbewegung und der Wanderungsstatistik die Bevölkerung insgesamt sowie die deutsche Bevölkerung nach Geschlecht, Alter und Familienstand festzustellen.
Die Ergebnisse der jeweils letzten Zählung der Bevölkerung werden in der Gliederung nach Geschlecht, Alter, Familienstand und deutsch/nicht deutsch auf Gemeindeebene mit den Ergebnissen der Statistiken der natürlichen Bevölkerungsbewegung über die Geburten, Sterbefälle, Eheschließungen und Ehelösungen sowie der Wanderungsstatistik über die Zu- und Fortzüge über Gemeindegrenzen fortgeschrieben. Die Daten zu den genannten Statistiken werden von den Statistischen Ämtern der Länder bei den Standesämtern (Geburten, Sterbefälle, Eheschließungen), den Familiengerichten (Scheidungen) und den Meldebehörden (Wanderungen) erhoben. Ferner werden die Ergebnisse der Staatsangehörigkeitswechsel bzw. Einbürgerungen, sonstige Bestandskorrekturen sowie Gebietsstandsänderungen für die Bevölkerungsfortschreibung berücksichtigt. Die Ergebnisse der Bevölkerungsfortschreibung werden im Rahmen eines einheitlichen Verbuchungsverfahrens mit von den Statistischen Ämtern der Länder geprüften Daten erstellt.
Gemäß den gesetzlichen Bestimmungen stellt die Bevölkerungsfortschreibung zwischen zwei Volkszählungen die einzige Methode dar, um fortlaufend die Zahl und die Struktur der Gesamtbevölkerung und ihrer Untergliederung nach der deutschen und der ausländischen Bevölkerung zu ermitteln. Die Qualität der zugrundeliegenden Statistiken wird allgemein als gut eingeschätzt. Jedoch erfordert die Bevölkerungsfortschreibung eine regelmäßige Neujustierung durch eine Bestandsaufnahme in Form einer neuen Volkszählung (Empfehlung der EU: Durchführung des Zensus alle zehn Jahre). Mit wachsendem zeitlichen Abstand zum letzten Zensus kommt es zu Ungenauigkeiten (Über- oder Untererfassungen in einzelnen Bevölkerungsgruppen) in den Ergebnissen der Bevölkerungsfortschreibung.
Die letzte Volkzählung fand in den alten Bundesländern im Jahr 1987 und im Beitrittsgebiet im Jahr 1981 statt. Seit der letzten Volkszählung sind in den neuen Bundesländern demnach 30 Jahre vergangen. Die amtliche Einwohnerzahl des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg basierte in den neuen Bundesländern bis zum Zensus 2011 - mangels anderer Möglichkeiten, den Bevölkerungsstand für die Fortschreibung erforderlichen Ausgangsdatenbestand für das Beitrittsgebiet festzustellen - auf der Auszählung des zentralen Einwohnerregisters der DDR zum Stichtag 3. Oktober 1990. Die damals festgestellte Einwohnerzahl wurde seitdem unter Berücksichtigung der Geburten, Sterbefälle, Zu- und Wegzüge, die dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg von den brandenburgischen Standesämtern und Meldebehörden gemeldet wurden, fortgeschrieben.
Die nunmehr im Zensus 2011 ermittelten Einwohnerzahlen der Kommunen bilden die neue Basis für die Bevölkerungsfortschreibung nach § 5 BevStatG. Die fortgeschriebenen Einwohnerzahlen der Kommunen werden jeweils mit Veröffentlichung wirksam.
3. Mögliche Gründe für eine Widerspruchsbegründung
Aus unserer Sicht kommen nachfolgend mögliche Gründe für eine Widerspruchsbegründung in Betracht:
a.) Fehlende Nachvollziehbarkeit der Ermittlung der Einwohnerzahl:
Für die brandenburgischen Städte und Gemeinden stellt sich der Zensus 2011 als eine „Black Box“ dar, dessen Durchführung und Ergebnisermittlung sie im Einzelnen nicht nachvollziehen können. Zwar waren die kreisangehörigen Städte und Landkreise mit 30 Erhebungsstellen mit dem Vollzug des Zensus 2011 betraut worden. Der Vollzug umfasste jedoch lediglich die Datenerfassung und -übermittlung an das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg. Details der methodischen Ergebnisermittlung wurden in alleiniger Zuständigkeit und Verantwortung vom Statistischen Bundesamt im Zusammenwirken mit den statistischen Landesämtern (für Brandenburg: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg) vorgenommen.
Gemäß § 1 Abs. 1 Verordnung über Verfahren und Umfang der Haushaltebefragung auf Stichprobenbasis zum Zensusgesetz 2011 (Stichprobenverordnung Zensusgesetz 2011) soll mit festgelegten einheitlichen Regelungen zum Stichprobenverfahren und zum Stichprobenumfang sichergestellt werden, dass der registergestützte Zensus 2011 in einem nachvollziehbaren, wissenschaftlichen Standards entsprechenden Verfahren verlässliche statistische Daten liefert.
Der Grundanforderung auf Nachvollziehbarkeit wird der Zensus 2011 aus Sicht der Städte und Gemeinden jedoch nicht gerecht. Die der Feststellung der amtlichen Einwohnerzahl zugrundeliegende Methodik, die Stichprobenziehung sowie das der Hochrechnung zugrundeliegende Stichprobengutachten stehen den brandenburgischen Städten und Gemeinden nicht zur Verfügung.
Im Rahmen einer Stichprobenziehung kann die Anzahl der Stichprobenpersonen nur korrekt ermittelt werden, wenn die der Ziehung zugrundegelegte Gesamtheit aller Anschriften zum Stichtag ordnungsgemäß erfasst wurde. Auswahlgrundlage bot das Gebäude- und Wohnungsregister mit seinem Bestand aller Anschriften mit Wohnraum. Die Qualität des Gebäude- und Wohnungsregisters impliziert demnach die Qualität der Stichprobe. Bundesweite Qualitätsüberprüfungen im Sommer 2010 haben ergeben, dass Stichprobenanschriften erhebliche Fehlerquoten aufwiesen: in Einzelfällen machten die Stichprobenausfälle, d.h. diejenigen Anschriften, die entweder gar nicht existieren oder an denen sich kein Gebäude mit Wohnraum befindet, bis zu 50 Prozent aus. Irrtümlicher Weise wurden Garagen, Schuppen und Transformatorenhäuser als Anschriften mit Wohnraum aufgenommen.
Eine vollständige, bundesweite Übermittlung des Wohnungsregisters an die Städte und Gemeinden zur Qualitätsüberprüfung wurde vom Statistischen Bundesamt als grundsätzlich nachvollziehbar anerkannt, jedoch mit dem Hinweis auf datenschutzrechtliche Beschränkungen verweigert.
Auch bei der wichtigen Entwicklung des zur Anwendung gebrachten mathematisch-statistischen Stichprobenmodells, das es erlaubt, die an der Stichprobe gewonnenen Erkenntnisse auf die Grundgesamtheit zu übertragen und dabei den Zufallsfehler zu bestimmen, wurden die Städte und Gemeinden nicht mit einbezogen. Ferner wurde das Stichprobenmodell den brandenburgischen Städten und Gemeinden nicht zur Verfügung gestellt.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass den Städten und Gemeinden weder die datenmäßige Information zur Grundgesamtheit noch das für die Repräsentativität der Stichprobe verantwortliche Stichprobenmodell für den Nachvollzug der Feststellung der amtlichen Einwohnerzahl zur Verfügung gestellt wurden.
b.) Fehlende Überprüfbarkeit der automatisierten maschinellen Bereinigung von Mehrfachfällen:
Mehrfachfälle sind übermittelte Datensätze, bei denen Personen für mehr als eine alleinige Wohnung oder Hauptwohnung gemeldet sind. Gemäß § 15 Abs. 2 Zensusgesetz 2011 werden Mehrfachfälle in Gemeinden mit mindestens 10.000 Einwohnern vom Statistischen Bundesamt maschinell bereinigt (automatisierte Dublettenbereinigung). Maßgebliche Entscheidungskriterien sind dabei die Einzugsdaten der betroffenen Person. Der sich daraus ergebende Datenbestand bildet die Grundlage für den konsolidierten Melderegisterbestand.
Eine automatisierte maschinelle Bereinigung birgt zusätzliche Fehlerquellen.
c.) Mangelhaftigkeit des elektronischen Verbuchungsverfahrens:
Mit der Haushaltebefragung auf Stichprobenbasis in Haushalten und Sonderbereichen gemäß §§ 7, 8 Zensusgesetz 2011 werden Erkenntnisse zur Existenz- bzw. Nicht-Existenzfeststellung gewonnen und bei Existenz die weiteren Erhebungsmerkmale erfasst. Der durch die Befragung erhobene Bestand an Personen mit Haupt- oder alleinigem Wohnsitz wird sodann abgeglichen mit dem konsolidierten Melderegisterbestand. Personen, die an der Anschrift zum 9. Mai 2011 mit Hauptwohnsitz gemeldet waren, dort aber nicht als wohnhaft angetroffen worden sind, stellen Übererfassungen (so genannte Karteileichen) im Melderegister dar. Personen, die dort nicht gemeldet waren, aber dort angetroffen worden sind und angegeben haben, sie würden dort mit Hauptwohnsitz wohnen, werden als Untererfassungen (Fehlbestände) im Melderegister identifiziert.
Aus der Differenz zwischen Karteileichen und Fehlbeständen ergibt sich die Anzahl der Personen, die von der Einwohnerzahl des konsolidierten Meldebestands an der Anschrift abzuziehen bzw. ihr hinzuzufügen ist.
Die Summe dieser Einwohnerverluste bzw. -zugewinne wird in einem weiteren Schritt für alle Stichprobenanschriften aufaddiert und schließlich auf die Gesamtkommune hochgerechnet. Für die Korrektheit des Ergebnisses dieses komplexen Verfahrens ist die Korrektheit aller zugrundeliegenden Daten und des verwendeten Hochrechnungsverfahrens Voraussetzung.
Neben den o.g. Problemen in Bezug auf den konsolidierten Melderegisterbestand kommt ggf. auch die Mangelhaftigkeit des elektronischen Verbuchungsverfahrens in Betracht. So mussten bereits statistische Landesämter bundesweit zugestehen, dass Einzeldaten, z.B. über den Eingang von Online-Befragungen, nicht oder mit erheblichen Verzögerungen dorthin übermittelt worden sind, wohin sie zu übermitteln waren. Nicht sichergestellt werden konnte somit, dass die benötigten Daten zum Zeitpunkt der Karteileichen-/Fehlbeständeberechnung am richtigen Ort innerhalb des Systems verfügbar waren.
An dieser Stelle haben die Städte und Gemeinden keine Möglichkeit, eine vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg vorgetragene Korrektheitsannahme zu überprüfen. Eine solche Prüfung wäre nur möglich, wenn den Städten und Gemeinden nicht nur die notwendigen Informationen zu Verfahren und Methodik, sondern auch die zugrundeliegenden Einzeldaten wie Wohnungsregister, konsolidierter Melderegisterbestand, identifizierte Existenzen und Nicht-Existenzen, zur Verfügung gestellt würden.
d.) Ungleichbehandlung von Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern und Gemeinden mit 10.000 und mehr Einwohnern:
Bei der Ermittlung der amtlichen Einwohnerzahl wurden, in Abhängigkeit der Größe der Gemeinde, unterschiedliche Vorgehensweisen verwendet, wobei das Statistische Bundesamt davon ausgeht, dass beide Wege zu einer vergleichbaren Genauigkeit der Ergebnisse führen. In Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern erfolgte eine Vollbefragung zur Klärung von Unstimmigkeiten in Bezug auf Anschriften. In Gemeinden mit 10.000 und mehr Einwohnern wurden gemäß der Verordnung über Verfahren und Umfang der Haushaltebefragung auf Stichprobenbasis zum Zensusgesetz 2011 vom 25. Juni 2010 (Stichprobenverordnung Zensusgesetz 2011) Haushaltestichproben durchgeführt, über diese mit dem Referenzdatenbestand der Melderegister Karteileichen und Fehlbestände festgelegt und diese hochgerechnet.
Untersuchungen von Herrn Dr. Tim Hoppe, Amt für Statistik der Landeshauptstadt Magdeburg, und Herrn Michael Spandel, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, zu den ermittelten amtlichen Einwohnerzahlen belegen jedoch, dass die Verteilungen der relativen Veränderungen der Einwohnerzahl zwischen der alten Berechnung und den neu ermittelten Zensusergebnissen sich signifikant unterscheiden. So könnten nach Auffassung der Vorgenannten Gemeinden unter 10.000 Einwohner vom Zensus 2011 profitieren, während Gemeinden ab 10.000 Einwohner, in denen Haushaltsbefragungen auf Stichprobenbasis als Grundlage zur Berechnung der amtlichen Einwohnerzahl verwendet wurden, benachteiligt wären. Die Untersuchung zeigt weiter, dass die Anwendung dieser unterschiedlichen Methode signifikant ursächlich für diese Unterschiede in den Abweichungen sei. Letztendlich bedeutet das, dass eine nicht zulässige Ungleichbehandlung der Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern und der Gemeinden mit 10.000 und mehr Einwohnern vorliegen könnte.
e.) Datenschutzproblematik:
Die gesetzliche Verpflichtung zur Löschung der Erhebungsunterlagen sowie der Hilfsmerkmale unabhängig und ggf. vor einer rechtskräftigen Feststellung der amtlichen Einwohnerzahl ist unseres Erachtens rechtswidrig.
Zum frühestmöglichen Zeitpunkt sind gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Zensusgesetz 2011 die Hilfsmerkmale (Familienname, frühere Namen und Vornamen, Tag der Geburt, Anschrift) von den Erhebungsmerkmalen zu trennen und gesondert aufzubewahren. Nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Zensusgesetz 2011 sind die Hilfsmerkmale zu löschen, sobald bei den statistischen Ämtern die Überprüfung der Erhebungs- und Hilfsmerkmale auf ihre Schlüssigkeit und Vollständigkeit abgeschlossen ist. Spätestens sind sie vier Jahre nach dem Berichtszeitpunkt zu löschen. Dies geschieht aus datenschutzrechtlichen Aspekten.
Darüber hinaus sind die Erhebungsunterlagen gemäß § 19 Abs. 2 Zensusgesetz 2011 nach Abschluss der Aufbereitung des Zensus, spätestens vier Jahre nach dem Berichtszeitpunkt, zu vernichten.
Damit werden die Grundsätze der amtlichen Statistik der Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit verletzt. Den Städten und Gemeinden wird mit der o.g. Regelung die Überprüfung der Erhebungen zum Zensus 2011 gänzlich entzogen. Eine Nachprüfbarkeit der Ergebnisse des Zensus 2011 wird mit der Trennung der Hilfsmerkmale von den Erhebungsmerkmalen und einer Löschung aller Erhebungsunterlagen spätestens vier Jahre nach dem Berichtszeitraum unmöglich. Auch eine gerichtliche Überprüfung ist ab dem fünften Jahr nach dem Berichtszeitpunkt aufgrund der gesetzlichen Löschungsverpflichtung völlig ausgeschlossen.
Die datenschutzrechtlichen Anforderungen kollidieren hier mit den Rechtsschutzinteressen der Städte und Gemeinden. Sie schneidet den Städten und Gemeinden die Möglichkeit ab, für sie nachteilige Fehler oder Unrichtigkeiten notfalls in einem verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit klären zu lassen.
Insofern unterscheiden sich die Löschungsvorschriften nach § 15 Volkszählungsgesetz 1987 auch grundsätzlich von den Löschungsvorschriften nach § 19 Zensusgesetz 2011.
Gemäß § 15 Abs. 2 Volkszählungsgesetz 1987 sind die Erhebungsvordrucke einschließlich der Hilfsmerkmale zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens zwei Wochen nach Feststellung der amtlichen Bevölkerungszahl des Landes, zu vernichten. In der Gesetzesbegründung zum Volkszählungsgesetz 1987 wird in der Begründung zum § 15 ausgeführt, dass die amtliche Bevölkerungszahl erst dann vorliegt, „wenn der Bescheid bestandskräftig, d.h. durch Rechtsbehelfe nicht mehr angreifbar ist“ (BT-DS 10/2814, S. 25).
§ 19 Zensusgesetz 2011 stellt nicht auf die bestandskräftige Feststellung der amtlichen Bevölkerungszahl ab, sondern lediglich auf den Abschluss der Aufbereitung des Zensus. Die Gesetzesbegründung zu § 19 Absatz 2 schreibt die Vernichtung der Erhebungsunterlagen nach Abschluss der Aufbereitung des Zensus vor. Auf die Rechtskraft der amtlichen Einwohnerzahl wird auch in der Gesetzesbegründung nicht abgestellt.
Unserer Auffassung nach sind die Erhebungsunterlagen und Hilfsmerkmale zumindest bis Bestandskraft der amtlichen Einwohnerzahl aufzubewahren. Die erforderlichen, datenschutzrechtlichen Anforderungen können in den abgeschotteten Statistikstellen rechtskonform gewahrt werden. Die kreisfreien Städte Brandenburgs und darüber hinaus einige Städte und Gemeinden im kreisangehörigen Raum verfügen über solche abgeschotteten Statistikstellen. Hier wird eine wirksame Abschottung der Statistik nach außen durch strikte Geheimhaltung der zu statistischen Zwecken erhobenen Einzelangaben gewährleistet. Solange ein Personenbezug noch besteht oder herstellbar ist, sollte es dem geschulten Personal der Statistikstellen oder aber auch Rechtsgutachtern im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens ermöglicht werden, beispielsweise in den Räumen des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg, Einsicht in die Erhebungsunterlagen zum Zensus 2011 zu nehmen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass zumindest in Räumen einer abgeschotteten Statistikstelle die Möglichkeit zur Überprüfung der Erhebungsergebnisse des Zensus 2011 bestehen bleiben sollte.
4. Die Wirkung von Widersprüchen
Da in den Feststellungsbescheiden des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg keine sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet wurde, haben die Widersprüche grundsätzlich aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 1 VwGO.
Die fortgeschriebene Einwohnerzahl findet in vielen wichtigen Rechtsbereichen Anwendung (vgl. Anlage zum Zensus-Rundschreiben vom 14. Mai 2013). Eine Reihe von bundes- und landesgesetzlichen Vorschriften knüpfen an das Ergebnis der in der Regel bis zu einem bestimmten Stichtag fortgeführten Bevölkerungsfortschreibung auf Basis der Ergebnisse des Zensus 2011 an. Die Frage, ob und ab wann die durch den Zensus 2011 ermittelten Einwohnerzahlen der Kommunen wirksam werden und damit im entsprechenden Kontext zur Anwendung kommen können, ist grundsätzlich aus den jeweiligen fachgesetzlichen Regelungen heraus zu beantworten. Dazu erreichten uns einige Anfragen, die sich in erster Linie auf die Schlüsselzuweisungsbescheide des Ministeriums der Finanzen beziehen, so dass wir an dieser Stelle auch hierauf eingehen:
Nach § 20 BbgFAG gilt als Einwohnerzahl im Sinne des BbgFAG die in der amtlichen Statistik erfasste und auf den 31. Dezember des vorvergangenen Jahres fortgeschriebene Bevölkerung. Hiervon abweichend ist maßgebliche Einwohnerzahl die jeweils auf den 31. Dezember fortgeschriebene durchschnittliche Einwohnerzahl des vorvergangenen Jahres und der dem vorvergangenen Jahr vorhergehenden zwei Jahre, wenn diese höher ist. Damit bildet das Zensusergebnis eine wesentliche Bemessungsgrundlage für die Höhe der Schlüsselzuweisungen. Zugleich beinhaltet die Regelung jedoch auch nur eine Fiktion: Es kommt nicht auf die tatsächliche Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner, sondern auf eine Feststellungszahl ungeachtet dessen an, welche Zahl die die höhere Wahrscheinlichkeit aufweist, richtig zu sein. Deshalb ist fraglich, ob ein Klageverfahren mit der Begründung von Abweichungen beider Zahlen gegen einen Schlüsselzuweisungsbescheid Erfolg haben kann. Das VG Cottbus hat die diesbezüglichen Klagen der Gemeinde Schwerin bis zur jetzt getroffenen Entscheidung, Az. VG 1 K 951/10, Urteil vom 27. Juni 2013, ausgesetzt und wird diese Frage womöglich gar nicht mehr aufgreifen, weil die Klage auf Korrektur der Bevölkerungszahl abgewiesen wurde. Die von uns hierzu bisher recherchierte Rechtsprechung hat im Übrigen stets geurteilt, dass es bei Fehlern für die Vergangenheit sein Bewenden hat, weil die öffentlichen Haushalte mit Abschluss des Haushaltsjahres abgeschlossen und nachträgliche Änderungen wegen der vielfältigen Verflechtungen (beispielsweise Betroffenheit aller Kommunen, Kreisumlage oder Amtsumlage) unmöglich sind. Ob abweichend von dieser Rechtsprechung ein Gericht aus § 22 BbgFAG einen Anspruch einer Gemeinde auf rückwirkende Korrektur anerkennt, können wir allerdings nicht vorhersagen. Diese Vorschrift regelt den Ausgleich von Unrichtigkeiten bei der Festsetzung von Schlüsselzuweisungen oder beim Schullastenausgleich. Der Ausgleich ist im Folgejahr vorzunehmen. Er unterbleibt lediglich in Fällen geringfügiger Falschberechnungen. Dies ist der einzige Hinweis auf den Zweck der Vorschrift in der Gesetzesbegründung (DS 3/7215). Nach dieser (knappen) Begründung und nach dem Regelungszusammenhang müssen wir allerdings davon ausgehen, dass damit nur Fehler im Berechnungsverfahren gemeint sein können (beispielsweise Zahlendreher bei Übernahme der Daten der Statistik und Vergleichbares). Ein solcher Fehler wäre sicher auch ein erneuter Feststellungsbescheid zur Bevölkerung, wenn dieser rückwirkend erfolgt. Eine rückwirkende Entscheidung ist uns jedoch seit Bestehen der Statistik nicht bekannt. Denn neue Erkenntnisse führen in der Statistik stets zu einer Fortschreibung, jedoch nicht zu einer Korrektur des Vergangenen.
Des Weiteren erreichten uns Anfragen zur Frage der Besoldung nach der EinstVO. Nach § 3 EinstVO ist für die Einstufung die Bevölkerungszahl nach § 4 BKomBesV maßgeblich. (Hinweis: Diese, zum 12. Februar 2009 aufgehobene Verordnung gilt in ihrer am 31. August 2006 gültigen Fassung in Brandenburg noch fort.) Nach § 4 Abs. 1 BKomBesV ist die Bevölkerung zugrunde zu legen, die bei der letzten Volkszählung ermittelt und vom Statistischen Landesamt auf den 30. Juni des Vorjahres fortgeschrieben wurde. Im Jahr, in dem eine Volkszählung stattgefunden hat, ist maßgebend der Tag der Volkszählung. Aufgrund der nicht stattgefundenen Volkszählung kann sich die Frage stellen, ob das Zensusergebnis maßgeblich sein kann.
Das Recht ist insoweit noch nicht fortgeschrieben, wenngleich ein Entwurf zu einem vollständigen Landesrecht bereits vorliegt. Vom Sinngehalt der vom Bund aufgehobenen Verordnung wird sich allerdings ein anderer Schluss, als jetzt auf das Zensusergebnis abzustellen, kaum erfolgreich begründen lassen. Falls jedoch ein Beamter auf Zeit von Erfolgsaussichten auf eine höhere Besoldung ausgeht, müsste er, wenn die Gemeinde keinen Widerspruch erhebt, selber Widerspruch gegen den Zensus erheben. Ob ein solcher Widerspruch zulässig wäre, wird allerdings eher zu bezweifeln sein. Deshalb sollte der Beamte zumindest gegenüber seiner Dienststelle die höhere Besoldung begehren, damit ein eventueller Besoldungsanspruch nicht verjährt. Denn anders als bei den Schlüsselzuweisungen ist hierzu eine rückwirkende Berechnung (der Besoldung) möglich, wenngleich auch hierfür nicht davon ausgegangen werden kann, dass es ein rückwirkendes Fortschreibungsergebnis geben wird. Bezüglich einer geringer gewordenen Bevölkerung, die nicht infrage gestellt wird, gilt für den Amtsinhaber / die Amtsinhaberin im Übrigen für die laufende Amtszeit und für die Zeit nach unmittelbarer Wiederwahl der Rechtsstand nach § 5 BKomBesV, also Besitzstandswahrung zur höheren Besoldung.
Bei Fragen in Zusammenhang mit weiteren Gesetzen gehen wir davon aus, dass für diese vorstehende Ausführungen sinngemäß gelten.
5. Die Volkszählung im Lichte der Rechtsprechung
a.) VG Cottbus, Az. VG 1 K 951/10, Urteil vom 27. Juni 2013
Das VG Cottbus hat in seinem Urteil vom 27. Juni 2013 festgestellt, dass die Klage auf Korrektur der Bevölkerungsstatistik der Gemeinde Schwerin unbegründet ist.
Die Klägerin begehrte die Korrektur der zu ihr ausgewiesenen Angaben der amtlichen Bevölkerungsstatistik zu den Jahren 2007, 2008 und 2009 unter Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Einwohnerzahl. Die Abweichung beruhe darauf, dass in der Statistik der Beklagten Wegzüge aus der namensgleichen Landeshauptstadt Mecklenburg-Vorpommern als Wegzüge aus ihrem Gemeindegebiet gebucht würden. Dadurch werde zu ihren Lasten ein kontinuierlicher Rückgang der Einwohnermeldezahlen produziert. Entgegen der ursprünglichen Ankündigung hat die Beklagte jedoch keine Korrekturen der amtlichen Bevölkerungsstatistik vorgenommen.
Das VG Cottbus führte aus, dass nicht festgestellt werden kann, dass die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch hat, dass die amtliche Bevölkerungsfortschreibung zum Stichtag 31. Dezember 2007 sowie für die Folgejahre 2008 und 2009 jeweils mit Stand zum 31. Dezember unter Berücksichtigung der tatsächlichen Einwohnerzahlen zu korrigieren bzw. zu ergänzen sei.
Es fehle bereits an einer entsprechenden Anspruchsgrundlage, auf die ein solcher Anspruch gestützt werden könnte. Die vorliegende Leistungsklage habe aber auch dann keinen Erfolg, wenn man eine Anspruchsgrundlage unterstelle, so das VG Cottbus. Die Berichtigung einer behördlichen Statistik setze prinzipiell zweierlei voraus: zum einen die Erkenntnis, dass eine Angabe falsch sei, und zum anderen die Gewissheit, was an dessen Stelle richtig sei. Beide Teile dieser Aussage können vorliegend nicht bejaht werden.
Für einen etwaigen „Korrekturanspruch“ kann vielmehr allein maßgeblich sein, ob das die Statistik führende Amt die Fortschreibung entsprechend den gesetzlichen Vorgaben und auch ansonsten statistisch methodengerecht geführt hat. Fehler des Beklagten insoweit seien hier im Ergebnis jedoch nicht festzustellen. Die Bevölkerungsstatistik ist dadurch gekennzeichnet, dass eine laufende Berechnung erfolgt, bei der das aktuelle Ergebnis auf dem jeweils vorangegangenen aufbaut. Das habe zur Folge, dass ein „fehlerhafter“ Wert fortwirkt und auch in den Bevölkerungszahlen der folgenden Jahre immer weiter zum Ausdruck komme. Das bedeutet in diesem Fall beispielsweise, dass sich in dem „Fehlbetrag“ für 2007 von 175 Personen nicht nur Fehler des Jahres 2007 ausdrücken, sondern kumuliert die Fehler des gesamten Zeitraums von 1990 bis 2007.
Hinsichtlich weiterer Details des Urteils des VG Cottbus, Az. VG 1 K 951/10, Urteil vom 27. Juni 2013 verweisen wir auf das in der Anlage beigefügte Urteil.
b.) BVerwG 7. Senat, Az. 7 B 24/92, Beschluss vom 17. März 1992, vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof (VGH), Az. 6 UE 2588/89, Urteil vom 19. September 1991
Aus den die Feststellung der amtlichen Bevölkerungszahl betreffenden Vorschriften der Volkszählung 1987 lässt sich eine materielle Feststellungsbefugnis der statistischen Landesämter und ein damit korrespondierendes Recht zur Feststellung der Gemeindeeinwohnerzahl durch Verwaltungsakt ableiten. Damit geht der Gesetzgeber zugleich von einer – im Interesse einer gesicherten Datenbasis liegenden – Obliegenheit der Gemeinden aus, die festgestellte Einwohnerzahl im Beanstandungsfall fristgerecht gerichtlich überprüfen zu lassen.
Im Ergebnis bleibt die Beanstandung einer unrichtigen Feststellung der Gemeindeeinwohnerzahl durch die Gemeinde jedoch erfolglos. Bezüglich der tatsächlich festgestellten Einwohnerzahl hat der Hessische VGH festgestellt, dass die Klägerin nichts substantiiert dazu vorgetragen hat, dass die Volkszählung in ihrem Gemeindegebiet und die Feststellung des Ergebnisses fehlerhaft erfolgt seien. Hierzu das Hessische VGH: „Sie hat insbesondere nicht in konkreter Weise dargetan, dass und in welchem Umfang Einwohnern bei der Durchführung der Volkszählung nicht erfasst worden sind oder dass eine der Differenz von 506 entsprechende Zahl von Einwohnern die Auskunft verweigert hat.
Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung der genauen Bevölkerungszahl können aber nur solche Unrichtigkeiten sein, die mit einer erneuten Überprüfung der Volkszählungsunterlagen feststellbar sind. Dies kann dadurch geschehen, dass die Erhebungsunterlagen insgesamt noch einmal gelesen, die Regionallisten erneut erfasst und die maschinellen Arbeitsgänge wiederholt werden. Für die Wahrheitsfindung bedarf es dabei nicht unbedingt einer Vorlage dieser Unterlagen im gerichtlichen Verfahren, sondern das Ergebnis einer erneuten Überprüfung der festgestellten Bevölkerungszahl kann auch mit einer amtlichen Auskunft in das Verfahren eingeführt werden, bei der dem im § 16 BstatG normierten Statistikgeheimnis Rechnung getragen wird.
Die von der Klägerin angestellten Erwägungen zum Verhältnis zwischen der Zahl der Wahlberechtigten für die Landtagswahl 1987 und der Einwohnerzahl vermögen nicht zu überzeugen. Die Zahl der Wahlberechtigten wird auf der Grundlage der bisherigen Bevölkerungsfortschreibung festgestellt. Um deren Unrichtigkeiten geht es aber gerade bei der Volkszählung.
Die bloße Behauptung der Klägerin, die fortgeschriebenen Melderegisterzahlen gäben die richtige Einwohnerzahl wieder, vermag nicht zu überzeugen. Wie allgemein bekannt ist, entstehen bei der Fortschreibung der Bevölkerungszahl statistische Fehler, die sich im Laufe der Zeit summieren. Eine Primärerhebung, wie sie die Volkszählung 1987 darstellt, versucht gerade, diese Fehler in bestimmten zeitlichen Abständen zu beseitigen. Es liegt daher in der Natur der Sache, dass Differenzen in der Einwohnerzahl auftreten.“
Das Urteil und der Beschluss können bei der Bedarf unter den aufgeführten Kontaktdaten angefordert werden.
6. Ausblick
Bundesweit hat eine Vielzahl von Städte und Gemeinden gegen den Festsetzungsbescheid des Statistischen Landesamtes zur „Zensus-Einwohnerzahl“ Widerspruch eingelegt. Es steht jedoch nicht zu erwarten, dass den Widersprüchen von den zuständigen statistischen Landesämtern abgeholfen wird, so auch nicht vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg.
Denkbar ist es demnach, dass bundesweit von einer betroffenen Stadt bzw. Gemeinde ein Musterklageverfahren anstrengt wird und die übrigen Gemeinden mit Verweis auf das Musterverfahren ihrerseits beantragen, das eigene Widerspruchsverfahren bis zur Entscheidung des Musterverfahrens zum Ruhen zu bringen.
In der Klagebegründung muss es der Stadt/Gemeinde auf der Grundlage des Urteils des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs gelingen, die Fehlerhaftigkeit und Unrichtigkeit des Zensus 2011 in seiner konkreten Durchführung sowie in seiner mathematisch-statistischen Methodik darzulegen und zu beweisen. Hier besteht vor dem Hintergrund der Beweislast durch die Städte und Gemeinden ein nicht unerhebliches Prozessrisiko, was es vor Klageerhebung abzuschätzen gilt.
Sofern das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass der in seiner jetzigen Form durchgeführte Zensus 2011 in dem einen oder anderen Punkt fehlerhaft durchgeführt wurde, besteht nicht inzident der Anspruch auf Neufestsetzung der Einwohnerzahl, vielmehr sind konkrete Hinweise und Vorgaben zur Durchführung der nächsten Volkszählung vorstellbar. Die amtliche Einwohnerzahl könnte jedoch nur mit einem fehlerfrei durchzuführenden Zensus neu ermittelt werden.
Silke Kühlewind, Referatsleiterin
Az: 065-01