Mitteilungen 08/2014, Seite 348, Nr. 176

OVG Berlin-Brandenburg: Rechtsverordnung der Regierung des Landes Brandenburg über den Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg ist wegen Verletzung landesrechtlicher Vorschriften unwirksam

1. Die Rechtsverordnung der Regierung des Landes Brandenburg über den Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg ist materiell rechtswidrig, weil sie gegen das Zitiergebot des Art. 80 Satz 3 LV Bbg als höherrangiges Recht verstößt.  
 
2. Im Gewaltenteilungssystem der Landesverfassung Brandenburgs dient das Zitiergebot dem Zweck, die Delegation von Rechtssetzungskompetenzen des Landtages auf die Landesregierung in ihren gesetzlichen Grundlagen verständlich und kontrollierbar zu machen. Den Normadressaten und Gerichten wird es ermöglicht zu prüfen, ob sich der Verordnungsgeber bei Erlass der Norm im Rahmen der Ermächtigung gehalten hat. 

3. Das Zitiergebot fordert insbesondere, dass eine Rechtsverordnung, welche die Rechtssetzungsbefugnis in Anspruch nimmt, den Inhalt eines Gesetzes zu ändern, zu ergänzen oder eine vom Gesetz abweichende Regelung zu erlassen, die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage hierfür in der Eingangsformel angibt.  
 
4. Wird das Zitiergebot nicht beachtet, ist die Rechtsverordnung nichtig. Eine nicht angegebene Rechtsgrundlage kann nicht durch die Änderung oder Ergänzung der Eingangsformel nachgeholt werden. Die Rechtsverordnung muss vielmehr unter Beachtung des Zitiergebots neu erlassen werden.      

5. Die gemeinsame Raumordnung und Landesplanung der Länder Berlin und Brandenburg ist im Bereich der gemeinsamen Landesentwicklungspläne dahingehend rechtlich ausgeformt, dass eine landesplanerisch abgestimmte, parallele Rechtssetzung erfolgt. Von der Regierung der Länder werden die Landesentwicklungspläne jeweils als Rechtsverordnung mit Geltung für das eigene Hoheitsgebiet erlassen. Die Befugnis zur Gesetzgebung auf dem Gebiet der Raumordnung liegt dabei jeweils bei den Ländern Berlin und Brandenburg und nicht auf einer "dritten Ebene".  
 
6. Bei der künftigen Ausgestaltung des Zentrale-Orte-Systems im Landesentwicklungsplan hat der Verordnungsgeber zu beachten, dass die Versorgung mit Dienstleistungen und Infrastrukturen der Daseinsvorsorge, insbesondere die Erreichbarkeit von Einrichtungen und Angeboten der Grundversorgung für alle Bevölkerungsgruppen zur Sicherung von Chancengleichheit in den Teilräumen in angemessener Weise zu gewährleisten ist; dies gilt auch in dünnbesiedelten Regionen. Die Grundversorgung muss nicht in jeder Gemeinde erbracht werden, sondern kann sich auf die unterste Ebene Zentraler Orte beschränken, wobei allerdings deren Erreichbarkeit auch in dünnbesiedelten Regionen durch ein hinreichend dichtes Netz gewährleistet sein muss (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 3 ROG 2008).
(Leitsätze des Gerichts)
   
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil des 10. Senats vom 16. Juni 2014 – OVG 10 A 8.10 – nicht rechtskräftig

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