Mitteilungen 08/2016, Seite 352, Nr. 154
Stellungnahme zum Entwurf einer Verordnung zur Kostenerstattung gemäß §§ 13a und 13b Abs. 4 Sorben/Wenden-Gesetz
Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg hat zum oben bezeichneten Entwurf folgende Stellungnahme vom 25. Mai 2016 gegenüber dem Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landtages Brandenburg abgegeben:
„Sehr geehrte Frau Vorsitzende, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
wir bedanken uns für die Einladung zur Anhörung und nehmen die Gelegenheit zur Stellungnahme zu oben bezeichneter Verordnung gern wie folgt wahr:
Der im Entwurf abgebildete Kostenausgleich für die kommunalen Mehraufwendungen infolge der Novellierung des SWG ist unvollständig, unpräzise und mit unverhältnismäßig hohem administrativen Aufwand für die Gemeinden verbunden. Der Kostenausgleich erfüllt die Anforderungen des strikten Konnexitätsprinzpis gemäß Art. 97 Abs. 3 Landesverfassung Brandenburg nicht.
Der Kostenausgleich ist unvollständig bezüglich der konnexitätsrelevanten Regelungstatbestände. Dies gilt gleichermaßen für die in § 13a SWG enthaltene Kostenerstattungsregelung. Die Kostenerstattungsregelung ist beschränkt auf die kommunalen Mehraufwendungen, die aus § 8 SWG (Sprache) und § 11 SWG (Zweisprachige Beschriftung). Aufgabenzuordnungen bzw. Aufgabenerweiterungen hinsichtlich der Gemeinden sind im Zuge des Artikelgesetzes jedoch auch in folgenden Regelungstatbeständen vorgenommen worden: §§ 10 Abs. 1, 4, 5, 7 und 8 SWG, § 9 Abs. 4 BbgKVerf, § 4 Abs. 5 Satz 3 BbgSchulG, § 5 Abs. 1 BbgSchulG und § 3 KitaG. Die in § 1 des Verordnungsentwurfes enthaltene Verwaltungskostenpauschale deckt dies jedenfalls nicht ab.
Hiermit setzt sich der Entwurf nicht auseinander. Ohnehin nehmen wir mit Befremden zur Kenntnis, dass der Entwurf keinerlei Begründung beinhaltet. Damit wird uns und dem Ausschuss verwehrt, Einblick in die Erwägungen zu erhalten, die das Ministerium seinen Regelungsabsichten zugrunde legt.
Wir hielten es darüber hinaus für sachdienlich, in einer Entwurfsbegründung an die parlamentarische Befassung des Landtages in den Jahren 2012 und 2013 zum Artikelgesetz anzuknüpfen. In diesem Zusammenhang war auch die Einhaltung des strikten Konnexitätsprinzips erörtert und in Gutachten des parlamentarischen Beratungsdienstes des Landtages thematisiert worden.
Wir stellen fest, dass der Verordnungsentwurf insbesondere die entsprechenden Aussagen in den Gutachten vom 20. Oktober 2011 und 20. August 2013 nicht hinreichend berücksichtigt. Dies betrifft beispielsweise die Anforderung an die sorgfältige Ermittlung des Umfangs des Kostenausgleichs sowie des konkreten Bezugs zu den jeweiligen Aufgabennormen.
Weiterhin ist der Entwurf unpräzise, weil er sich mit grundlegenden Fragen nicht auseinandersetzt. So lässt der Entwurf nicht erkennen, inwieweit bei der gebotenen Analyse der Mehraufwendungen nach den Gemeinden differenziert worden ist, die bereits zum Inkrafttreten des Artikelgesetzes dem angestammten Siedlungsgebiet angehörten, und jenen, die danach in das Siedlungsgebiet aufgenommen werden. Wie bereits im Gesetzgebungsverfahren festgestellt worden ist, wird letztere Gruppe einen deutlich höheren Aufwand in der Umsetzung des Artikelgesetzes zu verzeichnen haben. Dies gilt insbesondere für die Phase unmittelbar nach Eintritt der Zugehörigkeit zum Siedlungsgebiet.
Sachliche Gründe, die für die erfolgte Zweiteilung der Erstattungstatbestände (§ 1 Verwaltungskosten-pauschale und § 2 Erstattung von Zusatzkosten) sprechen, erschließen sich uns nicht.
Zudem wird auf diese Weise die Zuordnung der Erstattungstatbestände zu den jeweiligen Aufgabennormen erschwert. Denn § 1 des Entwurfs nimmt keinerlei Bezug zu den jeweiligen Aufgabennormen des Artikelgesetzes vor. Eben dies war vom Parlamentarischen Beratungsdienst jedoch als verfassungsrechtlich zwingend angesehen worden. Denn nur dann kann dem Transparanz- und Schutzgebot des strikten Konnexitätsprinzips entsprochen werden.
Hinzu kommt, dass sich die Erstattungstatbestände bezüglich des Aufwandes für die betroffenen Gemeinden erheblich unterscheiden. Denn ein Erstattungsverfahren nach § 2 des Entwurfs sieht für alle Kosten einen substantiellen Verwendungsnachweis (§ 3) und Anzeigepflichten (§ 4) voraus. Diese Ausprägung des Erstattungsverfahrens nach § 2, auf das alle Gemeinden aufgrund entsprechender Kosten angewiesen sein werden, wird einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand der Gemeinden nach sich ziehen.
Allein aus diesen Gründen sprechen wir uns dafür aus, ausschließlich einen Erstattungstatbestand für alle Aufwendungen vorzusehen und in diesem eine Kostenpauschale vorzusehen, die - wie es den Anforderungen des Verfassungsgerichtes entspricht - jede Gemeinde in die Lage versetzt, einen auskömmlichen Kostenausgleich des Landes für die neu geschaffenen Aufgaben zu erlangen.
Dies würde auch dem Eindruck entgegenwirken, mit der Regelung des § 2 würden die Maßnahmen erstattet, die aus einer freiwilligen Entscheidung der Gemeinde zur Umsetzung des Artikel-Gesetzes entstünden. Dies ist nicht der Fall. Insoweit wird die Terminologie zu schärfen und klarzustellen sein, dass es sich um zusätzliche Kosten unmittelbar infolge der Verabschiedung des Artikelgesetzes handelt und folglich allein auf politische Entscheidungen des Gesetzgebers zurückzuführen ist.
Wir sprechen uns weiterhin dafür aus, in der Erstattungsregelung ausschließlich die gesetzlichen Aufgabennormen in Bezug zu nehmen. Inhaltliche Darlegungen, welche konkrete Maßnahmen im Detail damit für die Gemeinde verbunden sein sollen, sind nicht zielführend. Aus diesem Grund ist die in § 1 Abs. 1 vorgenommene Aufzählung von Verwaltungsmaßnahmen („insbesondere ...“) ersatzlos zu streichen. Denn damit überschreitet der Verordnungsgeber seine ihm vom Gesetzgeber zugedachte Regelungskompetenz hinsichtlich des Kostenausgleichs. Diese Verordnungsermächtigung beinhaltet nicht, die Aufgabennormen des Artikelgesetzes zu konkretisieren. Die Aufzählung von Umsetzungsmaßnahmen wäre daher, sofern sie den Wortlaut der Aufgabennormen des Artikelgesetzes überschreitet, nicht mit der Verfassung vereinbar.
Die in § 1 Abs. 2 des Entwurfs vorgesehene Höhe der jährlichen Verwaltungskostenpauschale von 1.000 € für Ämter, amtsfreie Gemeinden und Landkreise bzw. 500 € für amtsangehörige Gemeinden erachten wir als evident zu niedrig bemessen.
Der bloße Verweis des Ministeriums auf eine Bedarfsabfrage bei Gemeinden des angestammten Siedlungsgebietes ist unzureichend. Für den mit der Benehmensherstellung politisch eingebundenen Ausschuss sowie den verfassungsrechtlich zu beteiligenden kommunalen Spitzenverbänden ist es vielmehr erforderlich, die wesentlichen Schritte bei der Ermittlung der Höhe der Pauschale darzutun. Hierzu zählt insbesondere Art, Umfang und Ergebnisse der Bedarfsabfrage sowie eine substantielle Auswertung der Ergebnisse. Nur so erfüllt der Verordnungsgeber die verfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte der Gemeinden gemäß Art. 97 LV.
Wir halten fest, dass nach unseren Informationen ausschließlich jene Gemeinden in die Bedarfsabfrage einbezogen worden sind, die bereits dem angestammten Siedlungsgebiet angehören. Bezüglich der kostenintensiveren Gruppe der Gemeinden, die erst nach Inkrafttreten des Artikelgesetzes zum Siedlungsgebiet zählen werden und damit gesetzliche Aufgaben zu erfüllen haben, fand keine Beteiligung statt. Aufgrund der im parlamentarischen Verfahren vorgelegten "Gemeindeliste", also jener Gemeinden, die aus Sicht des Sorbenrates für eine Erweiterung in Betracht zu ziehen sind, wäre es dem Verordnungsgeber möglich gewesen, die insoweit grundsätzlich in Betracht zu ziehenden Gemeinden zu beteiligen. Dies gilt unabhängig von den ausstehenden Entscheidungen über die Zugehörigkeit zum Siedlungsgebiet.
Die Bedarfsabfrage beinhaltete nach unseren Informationen nicht alle kostenrelevanten Aufgabennormen des Artikelgesetzes. Insoweit wird auf obige Ausführungen Bezug genommen.
Weiterhin lässt der Entwurf nicht erkennen, ob und inwieweit sich das Ministerium mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob eine Verwaltungskostenpauschale sachgerecht ist, die offenbar völlig unabhängig von der Einwohnerzahl, des Verwaltungsaufkommens und der entsprechenden Verwaltungsgröße von Städten, Gemeinden und Ämtern festgesetzt werden soll. Nach unserer Auffassung ist dies nicht der Fall. Vielmehr liegen Kostenunterschiede auf der Hand. Der Verordnungsgeber ist gehalten, alle tatsächlichen Anhaltspunkte in die Kostenanalyse einzubeziehen. Gemeindeindividuelle Unterschiede dürfen hierbei nicht nivelliert werden.
Wegen dieser und weiterer Einzelheiten zu den Anforderungen an das strikte Konnexitätsprinzip verweisen wir auf die gefestigte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes des Landes Brandenburg bezüglich Art. 97 Abs. 3 LV (zuletzt sog. Kita-Urteil vom 30. April 2013, VfGBbg 49/11).
In Würdigung des Entwurfes kommen wir zu dem Schluss, dass der Entwurf verfassungsrechtlich unzureichend und politisch nicht überzeugend ist. So hat insbesondere das Präsidium unseres Verbandes in Zusammenschau mit dem parallel vorgelegten Entwurf eines Landesplanes zur niedersorbischen Sprache festgestellt, dass die Erwartungshaltung der Landesregierung gegenüber den Gemeinden nicht im Einklang steht mit der Finanzausstattung, die das Land den Gemeinden zur Erfüllung der Aufgaben zur Verfügung zu stellen gedenkt.
Mit freundlichen Grüßen
Karl-Ludwig Böttcher“
Bianka Petereit, Referatsleiterin
Az: 301-00