Mitteilungen 08/2017, Seite 363, Nr. 161
Beitragsfreiheit in der Kindertagesbetreuung
Mitte Juli 2017 haben die Koalitionsfraktionen SPD und DIE LINKE im Landtag Brandenburg erklärt, zum Herbst 2018 die Beitragsfreiheit für das letzte Kita-Jahr einführen zu wollen. Die Koalition reagiert hiermit auf eine entsprechende Elterninitiative im Land Brandenburg, die sich in den letzten Jahren für eine beitragsfreie Kindertagesbetreuung eingesetzt hat. Überlagert wurde die Landesdebatte zuletzt von den bundespolitischen Entscheidungen von SPD und DIE LINKE, die Beitragsfreiheit der Kindertagesbetreuung als Schwerpunkt in den Wahlprogrammen zur Bundestagswahl am 24. September 2017 zu setzen.
Einzelheiten zur Umsetzung der Ankündigung der brandenburgischen Koalition sind gegenwärtig noch weitgehend offen. Fest steht insoweit unstrittig, dass die mit der Beitragsfreiheit entstehenden Mehraufwendungen der Städte, Gemeinden und Ämter entsprechend des strikten Konnexitätsprinzips (Art. 97 Abs. 3) durch die Landesregierung zu erstatten sind. Bekannt ist auch, dass der Doppelhaushalt des Landes 2017/2018 bereits einen Betrag von 15 Mio. € für die Kita-Beitragsfreiheit im Rahmen des sog. Kita-Paketes vorsieht.
Das Präsidium des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg hatte sich zur Elterninitiative im Land Brandenburg mit Beschluss vom 23. April 2015 frühzeitig positioniert und sich für die Aufrechterhaltung einer angemessenen Kostenbeteiligung der Eltern ausgesprochen. Einzelheiten können der nachfolgenden Übersicht über die Beschlusslage zur Kita-Politik in der aktuellen Landtagslegislatur entnommen werden.
Dieses Votum ist mit Positionspapier des Verbandes vom 12. Juni 2015 in die Landespolitik und mit Rundschreiben vom 18. Mai 2015 in die Verbandsmitgliedschaft kommuniziert und in der Folgezeit in allen Arbeitsbeziehungen der Geschäftsstelle auf Landesebene vertreten worden. Auch anlässlich der Anhörung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport des Landtages Brandenburg zur „Transparenz von Kita-Beiträgen“ vom 15. September 2016 hatte die Geschäftsstelle diese Position mit Stellungnahme vom 8. September 2016 erneut bekräftigt.
Die fachpolitisch tragenden Gründe dieser Verbandsposition haben weiterhin Bestand. Dies hat die seither fortgesetzte innerverbandliche Diskussion in der Arbeitsgemeinschaft Kindertagesbetreuung sowie des Ausschusses für Bildung, Jugend, Kultur und Sport des Verbandes belegt.
So hatte der Ausschuss in seiner letzten Sitzung vom 20. März 2017 Frau Landtagsabgeordnete Gerrit Große, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Landtag Brandenburg und Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport des Landtages Brandenburg, zu Gast und warb dafür, von Überlegungen zur Beitragsfreiheit Abstand zu nehmen. Ausschussmitglieder verdeutlichten, dass Elternbeiträge für die Finanzierung des Kita-Systems unverzichtbar seien. Der Leistungsumfang sei vielfach auf die Inanspruchnahme von bis zu 10 Stunden täglicher Betreuungszeit gestiegen, gleichsam die Ansprüche an die Inhalte von Betreuung, Bildung und Versorgung. Die Elternbeiträge regulierten auch diese Ansprüche. Diese bewährte Praxis von 25 Jahren solle nicht aufgegeben werden. Verwiesen wurde auf die erheblichen Investitionen der Städte und Gemeinden in die Schaffung und Sanierung von Einrichtungen. Dies alles sei weiter erforderlich und werde durch falsche Wohltaten konterkariert. Zum Teil würden schon jetzt nur 2-4 Prozent des Elterneinkommens für Kita-Beiträge herangezogen. Diese Diskussion sei dem Antrieb von Eltern zur Kostenoptimierung geschuldet. Der Staat erfülle jedoch eine sozialpolitische Aufgabe und diese solle den Eltern auch einen finanziellen Anteil wert sein. Der Zusammenhang zwischen Produkt und finanzieller Eigenbeteiligung dürfe nicht verloren gehen, so der Ausschuss.
In diesem Tenor hat sich die Geschäftsstelle anlässlich der Verkündung der Koalitionsfraktionen Mitte Juli sowohl gegenüber der Presse als auch gegenüber Vertretern des Landtags sowie des Jugendministeriums geäußert.
Seitens der Gemeinden besteht mit Blick auf die aktuellen Kita-Bedarfsplanungen zudem ein erheblicher Investitionsbedarf zur Schaffung neuer Plätze. Nicht nur im engeren Verflechtungsraum ist zu vergegenwärtigen, dass aufgrund von steigenden Geburtenzahlen, Zuzug und Migration mehr Betreuungsplätze erforderlich sind als noch vor einigen Jahren prognostiziert. Damit einher geht das Ergebnis einer Mitte Juli veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung, die bundesweit einen Schüler-Boom prognostiziert. Bis 2025 sei mit einem Anstieg der Schülerzahlen um 4 Prozent, bis 2030 gar um 8 Prozent zu rechnen. Dieser positive Trend zeigt sich auch in den Flächenländern Ost, wenngleich regional sehr unterschiedlich.
Neben dem quantitativen Ausbaubedarf besteht trotz der jüngsten Verbesserung des Personalschlüssels weiterer Bedarf zur Verbesserung der qualitativen Rahmenbedingungen in der Kindertagesbetreuung. Anlässlich der Anhörung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport des Landtages Brandenburg zur Änderung des Brandenburgischen Kita-Gesetzes vom 15. Juni 2017 bestand Einigkeit unter den Anzuhörenden, dass eine Finanzierung von Beitragsfreiheit nachrangig gegenüber diesen notwendigen Investitionen in die strukturellen Rahmenbedingungen ist.
Aufschlussreich sind zudem die Ergebnisse einer Kita-Elternbefragung der Bertelsmann-Stiftung, deren Ergebnisse im Dezember 2016 veröffentlicht worden sind. Danach befanden 62 Prozent der im Land Brandenburg befragten Eltern ihren Elternbeitrag als zu hoch. 38 Prozent der Eltern hielten ihren Elternbeitrag für angemessen. 45 Prozent der in Brandenburg befragten Eltern wären bereit, einen höheren Elternbeitrag zu zahlen, wenn sich dafür die Qualität der Kita verbessern würde (z.B. mehr Personal, bessere Ausstattung). 63 Prozent der Eltern in den neuen Bundesländern gaben zudem an, auf die Beitragsfreiheit verzichten zu wollen, wenn sich dafür die Qualität der Kita verbessern würde.
Im Rahmen des Jour fixe mit Herrn Staatssekretär Dr. Drescher am 3. August 2017 hat das Jugendministerium erklärt, nunmehr konkrete Planungen zur Umsetzung des strikten Konnexitätsprinzips bezüglich der Beitragsfreiheit aufnehmen zu wollen. Die Geschäftsstelle hat erklärt, dass ausgehend von der Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichtes (u.a. Urteil vom 30.04.2013 zum KitaG) gemeindeindividuelle Ausgleichszahlungen entsprechend der jeweiligen Einnahmeverluste zu gewährleisten seien. Dies stelle sowohl an die Ermittlung der Ausgleichsbeträge sowie an das Verteilverfahren hohe Anforderungen. Zudem seien auch die mittelbaren Folgewirkungen der Entscheidung zur Beitragsfreiheit zu berücksichtigen, beispielsweise die Geltendmachung von umfangreicheren Betreuungszeiten oder aber ein etwaiger Anstieg der Rückstellungsanträge im Rahmen der Einschulung.
Angesichts der schwankenden Zahlen der Betreuungsplätze einschließlich der Betreuungszeiten scheiden unter Würdigung der Verfassungsrechtsprechung pauschale Lösungsansätze, die mit Durchschnittswerten agieren, aus. Insofern wird derzeit eine mit wenig Verwaltungsaufwand verbundene Lösung zur Umsetzung des strikten Konnexitätsprinzips nicht gesehen. Hierauf hatte der Städte- und Gemeindebund Brandenburg bereits in den letzten Jahren deutlich hingewiesen. Nach derzeitigem Kenntnisstand wird ausschließlich eine jährliche Erfassung der durchschnittlichen IST-Elternbeiträge der jeweiligen Städte, Gemeinden und Ämter für die Altersgruppe Kindergarten als belastbare Größe herangezogen werden können.
Die Geschäftsstelle hat für eine erste verbandsinterne Hochrechnung der mit der Beitragsfreiheit landesweit verbundenen Kosten eine Umfrage innerhalb der Arbeitsgemeinschaft Kindertagesbetreuung des Verbandes eingeleitet. Es ist zudem vorgesehen, dass sich das Präsidium in seiner kommenden Sitzung am 4. September 2017 mit der Thematik befassen wird.
Bianka Petereit, Referatsleiterin
Az: 406-00