Mitteilungen 08/2017, Seite 351, Nr. 154
Umweltzonen befreien nicht vom Diesel-Klimadilemma
Die Forderung nach der Einführung von Umweltzonen belastet Städte und Verkehrsteilnehmer. Der Nutzen von Umweltzonen bleibt hingegen fragwürdig, soweit damit Immissionsschutz vor Stickstoffdioxid-Emissionen aus Dieselmotoren erreicht werden soll. Begrenzte Fahrverbote sind als Notmaßnahmen denkbar.
In 54 deutschen Städten gibt es Umweltzonen. In vielen Städten und Ballungsräumen werden dennoch überhöhte Stickstoffdioxidklonzentrationen (NO2) festgestellt. (s. Liste der 28 Luftqualitätsgebiete in Deutschland, in denen anhaltend gegen die NO2-Grenzwerte verstoßen wird: http://ec.europa.eu/germany/sites/germany/files/liste_der_28_betroffenen_luftqualitaetsgebiete_in_deutschland.pdf )
Die EU-Kommission bereitet daher ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland (und andere Mitglieder der EU) vor.
Die Kommission schlägt zur Senkung der Schadstoffemissionen die Förderung von Elektroautos, den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, aber auch die Sperrung besonders belasteter Gebiete für Dieselfahrzeuge vor. Sie weist darauf hin, dass 40 Prozent der Stickstoffoxidemissionen (NOx-Emissionen) in der EU aus dem Straßenverkehr stammen. In Bodennähe ist der relative Beitrag des Verkehrs erheblich höher (da Emissionen aus hohen Fabrikschornsteinen verdünnt werden, bevor sie den Boden erreichen). Rund 80 Prozent der gesamten NOx-Emissionen aus dem Verkehr würden von Dieselfahrzeugen stammen. Zudem hatte die EU-Kommission kritisiert, dass Deutschland durch die steuerliche Besserstellung von Dieselfahrzeugen falsche Anreize setze.
Die Wirksamkeit von Umweltzonen wird seit längerem kritisch gewürdigt. Forscher des Dresdner Fraunhofer-Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme haben schon 2011 in einem von der IHK Ulm beauftragten Gutachten festgestellt, dass die Reduktionspotenziale von Umweltzonen für Stickstoffdioxid sehr begrenzt seien.
Eine Ursache hierfür liegt in der Technik der Feinstaubreduzierung. Um Dieselrußpartikel zu vermeiden, werden sie im Partikelfilter verbrannt. Dafür braucht der Motor höhere Temperaturen und mehr Sauerstoff – und das setzt Stickstoffdioxid frei. Erst neueste Diesel-Modelle (Euro 6) haben auch dafür Filtermöglichkeiten und produzieren weniger von dem schädlichen Gas – aber selbst die sind weniger leistungsfähig wie von den Autoherstellern angegeben. Der Dieselskandal hat gezeigt, dass die erforderlichen Grenzwerte oft nur unter Laborbedingungen eingehalten werden können, nicht aber im realen Straßenbetrieb.
Umweltzonen, in die nur die neueste Generation von Dieselantrieben hineinfahren darf, werden daher als kurzfristig verfügbares Instrument zur Senkung der Schadstoffbelastung diskutiert. Daneben soll eine bessere Verkehrssteuerung zu einem „flüssigeren“ Verkehrsablauf und weniger Stop-and-go und damit auch zu weniger Abgasen führen. Für eine Verkehrssteuerung, die effizienter als heutige Steuerungssysteme sind (zum Beispiel grüne Welle), soll Intelligente Verkehrssteuerung (IVS) mit den Möglichkeiten autonomen Fahrens und Car-to-Car beziehungsweise Car-to-Road Kommunikation eingesetzt werden.
Eine „Analyse der Wirksamkeit von Umweltzonen in drei deutschen Städten: Berlin, München und Augsburg“, veröffentlicht in der Reihe „Texte“ des Umweltbundesamtes (47/2017) zeigt andererseits, dass es durchaus Effekte von Umweltzonen geben kann. Die UBA-Studie steht zum Download bereit unter www.umweltbundesamt.de (Rubrik: Publikationen).
So kann der Anteil der lokalen NOx Quellen etwa 30 bis 50 Prozent der gemessenen NO2-Konzentrationen beitragen. Die erwartete Reduktion im städtischen Hintergrund aufgrund der Einführung der Umweltzone lag für NOx bei 10 Prozent. Es zeigte sich jedoch, dass die Größenordnung der Jahr-zu-Jahr Variation von NOx-Konzentrationen, die auf die Änderungen des meteorologischen Bedingungen zurückzuführen sind, viel größer ist als der erwartete Effekt der Umweltzone. Dies gilt zumindest für kleine Umweltzonen.
Bei großen Umweltzonen zeigen sich zumindest in Bezug auf die Reduzierung von Ruß- und Feinstaubemissionen Rückgänge, die bis zu 15 Prozent (Feinstaub)oder gar 24 Prozent (Dieselruß in Form von „black carbon“) liegen können. Diese Rückgänge scheinen in erster Linie ein Effekt der Abnahme der Verkehrsdichten in der Umweltzone zu sein, und erst in zweiter Linie ein Effekt der Reduktion von Abgasemissionen. Voraussetzung dafür sei, dass die Umweltzonen groß genug sind und möglichst wenige Ausnahmen zulassen.
Der Einführung von Umweltzonen mit Blauen Plaketten (Einfahrberechtigung für die neuesten Diesel) muss jedoch entgegengehalten werden, dass zahlreiche Ausnahmen, die für die Funktion der Städte erforderlich sind, nötig sein werden. Dies bezieht sich zumindest auf Fahrzeuge der Ordnungs- und Rettungskräfte, der Ver- und Entsorgungsunternehmen und des Öffentlichen Personennahverkehrs. Für die wirtschaftliche Funktionsfähigkeit sind weitere Ausnahmen für den Wirtschafts- und den Lieferverkehr sowie für Handwerkerverkehre nötig. Letztlich träfen über Umweltzonen vermittelte Fahrverbote vor allem private Verkehrsteilnehmer. Ob damit die Emissionsbelastung in den Städten deutlich gesenkt werden kann, ist durchaus fraglich.
Einschätzung des Deutschen Städte- und Gemeindebundes
Vor der Verhängung von Fahrverboten, die im Einzelfall als Notmaßnahme durchaus erforderlich sein können, sollten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, vorhandene Fahrzeuge nachzurüsten. Die Verpflichtung dafür liegt vor allem bei den Fahrzeugherstellern, deren Fahrzeuge nicht die zugesagten Qualitäten beim Schadstoffausstoß aufweisen.
Des Weiteren ist ein ehrgeiziges Förderprogramm zur Erneuerung der Fahrzeugflotten nötig, die hauptsächlich im städtischen Verkehr eingesetzt werden. Hier sind besonders der Öffentliche Nahverkehr, Liefer- und Handwerkerfahrzeuge zu nennen. Eine konsequente Förderung nicht emittierender Verkehre wie Radverkehr und die Nutzung von, möglichst elektrisch angetriebenen, CarSharing-Fahrzeugen gehört ebenfalls dazu, um die Schadstoffbelastung in den Städten dauerhaft und deutlich zu mindern.
Die bekannten Untersuchungen zeigen, dass dauerhafte Effekte kaum damit erreicht werden können, Fahrverbote zu verhängen, als vielmehr daran geknüpft sind, die Fahrzeugdichte zu reduzieren. Dafür sind moderne Mobilitätskonzepte nötig. Sie beinhalten eine stärkere Rolle des ÖPNV, der Elektromobilität, der gemeinschaftlichen Fahrzeugnutzung und des nicht emittierenden Radverkehrs.
(Quelle: DStGB Aktuell 2817)