Mitteilungen 10-11/2011, Seite 343, Nr. 196
Der Einheitliche Ansprechpartner Brandenburg – ein teurer Flop
Der Einheitliche Ansprechpartner Brandenburg hat seit seinem Start am 29. Dezember 2009 lediglich zwei Verfahren über das ebenfalls eigens eingerichtete EAP-Portal bearbeitet (Stand: Ende August 2011).
Die Einrichtung sog. Einheitlicher Ansprechpartner war eine der zentralen Verpflichtungen der EU-Mitgliedstaaten infolge der EU-Dienstleistungsrichtlinie vom 12. Dezember 2006. Danach sollten alle ausländischen Dienstleistungserbringer alle mit der Aufnahme und Ausübung einer Tätigkeit verbundenen Verfahren elektronisch abwickeln können. Der Landtag Brandenburg hatte am 1. Juli 2009 ein Artikelgesetzes zur Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie verabschiedet, welches die Einrichtung eines Einheitlichen Ansprechpartners als nachgeordnete Behörde im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wirtschaft vorsah. Dieser kann auch von den inländischen Dienstleistungserbringern in Anspruch genommen werden.
Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg plädiert angesichts der verschwindend geringen Resonanz des Einheitlichen Ansprechpartners Brandenburg, diese Verortungsentscheidung zu revidieren. Knapp zwei Jahre Praxistest belegen, dass diese künstlich wirkende Institution auf Landesebene nicht den realen Bedürfnissen der brandenburgischen Wirtschaft entspricht. Stattdessen sind – neben den Kammern - nach wie vor die Städte, Gemeinden und Ämter die „geborenen“ Einheitlichen Ansprechpartner für Unternehmer, wenn es um Investitionsentscheidungen, Unternehmensgründungen und die kompetente, schnelle und gebündelte Durchführung der erforderlichen Planungs- und Genehmigungsverfahren geht. Kommunale Wirtschaftsförderung ist Chefsache in den Rathäusern und darüber hinaus.
Aus diesen Gründen hatte sich der Städte- und Gemeindebund Brandenburg für eine Verortung der Einheitlichen Ansprechpartner auf kommunaler Ebene eingesetzt. Mit Blick auf die bevorstehende Evaluation bestehen nun große Hoffnungen auf eine Kurskorrektur. Laut Erlass des Ministers für Wirtschaft zur Errichtung der Einrichtung „Einheitlicher Ansprechpartner für das Land Brandenburg" (EAPBbg) vom 6. Oktober 2009 prüft und entscheidet der Minister für Wirtschaft bis 2012, ob im Interesse einer effizienten Aufgabenerledigung und Verwaltung eine Optimierung der Aufgaben sowie eine Neuorganisation der Strukturen des Einheitlichen Ansprechpartners für das Land Brandenburg erfolgen soll.
Für eine Neuorientierung spricht die vergleichsweise deutlich höhere Inanspruchnahme der kommunalen Dachlösung für den Bereich Gewerbeangelegenheiten „Gewerbemeldung Online“ (GEWON): 114 Verfahren ebenfalls mit Stand Ende August 2011. GEWON kann von Städten, Gemeinden und Ämtern genutzt werden, um alle erforderlichen Geschäftsprozesse mit Dienstleistungserbringern elektronisch abzuwickeln. GEWON ist Alternative zu anderweitigen onlinefähigen Gewerbefachverfahren bzw. zum herkömmlichen schriftlichen Fachverfahren.
Im Interesse der Zielrichtung der Arbeit der Enquetekommission des Landtages „Kommunal- und Landesverwaltung - bürgernah, effektiv und zukunftsfest - Brandenburg 2020“ wird es als ratsam erachtet, weitere Investitionen in den Einheitlichen Ansprechpartner Brandenburg einschließlich dessen Internetportals zu stoppen und dadurch freiwerdende Mittel in die Weiterentwicklung des offensichtlich bedarfsgerechteren GEWON-Portals umzulenken. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die dauerhafte Finanzierung von GEWON nicht gesichert ist und eine Gebührenpflicht der Kommunen für die Nutzung von GEWON in Rede steht.
Einer weiteren Investition in den Einheitlichen Ansprechpartner ist die Geschäftsgrundlage abhanden gekommen, denn bei dessen Einrichtung war von einem Geschäftsvolumen von 3.000 Verfahren pro Jahr ausgegangen worden. Auch eine etwaige Gebührenfreiheit des Einheitlichen Ansprechpartners wird diesen kaum beflügeln können. Direkte orts- und sachnahe Beratungskompetenz der Wirtschaftsförderer in den Städten und Gemeinden wird für viele Unternehmer aller Voraussicht nach ausschlaggebender sein als die Gebührenfreiheit einer fernen Landeseinrichtung.
Die Kosten für den Einheitlichen Ansprechpartner belaufen sich nach unseren Informationen auf ca. 750.000 € pro Jahr, darunter 290.000 € für die Personalausstattung, 460.000 € Sachkosten einschließlich Betriebskosten des Portals. Eine kommunale Verortungsentscheidung war dem Vernehmen nach im Kabinett auch vor dem Hintergrund der damit verbundenen Ausgleichsverpflichtungen gegenüber den Kommunen infolge des strikten Konnexitätsprinzips (Art. 97 Landesverfassung) gescheitert. Die nunmehr zu konstatierende Verwendung von Landesmitteln in Höhe von 750.000 € für einen einzigen Geschäftsprozess pro Jahr belegt: Diese Form des Sparens ist teuer.
Weitere Einzelheiten, insbesondere die mit Blick auf die bevorstehende Evaluation nach wie vor aktuellen Stellungnahmen des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg vom 7. April 2008 sowie vom 19. Mai 2009, können der Infothek zur Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie unter
https://www.stgb-brandenburg.de/eudienstleistungsrichtlinie.html entnommen werden.
Bianka Petereit, Referatsleiterin
Az: 800-00