Mitteilungen 11-12/2012, Seite 403, Nr. 209
Novellierung des Kommunalabgabengesetzes – Erhebung von Tourismusbeiträgen
Die Koalitionsfraktionen haben im August dieses Jahres einen Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg in den Landtag Brandenburg eingebracht. Der Gesetzentwurf (Drucksache 5/5827) sieht durch eine Änderung von § 11 Abs. 5 KAG vor, dass künftig alle Gemeinden zur Erhebung von Tourismusbeiträgen berechtigt sind. Bislang ist dies ausschließlich Gemeinden vorbehalten, die ganz oder teilweise als Kurort oder als Erholungsort anerkannt sind, sowie Gemeinden, in denen die Zahl der Fremdübernachtungen im Jahr in der Regel das Siebenfache der Einwohnerzahl übersteigt.
Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg hat den Gesetzentwurf mit Stellungnahme vom 16. Oktober 2012 gegenüber dem Innenausschuss des Landtages Brandenburg begrüßt und Hinweise zur Umsetzung der in Rede stehenden Neuregelung formuliert. Das Präsidium des Städte- und Gemeindbundes Brandenburg stimmte der Stellungnahme in seiner Sitzung vom 5. November 2012 zu. Im Kern wird die Gesetzesänderung als Beitrag zur Sicherung einer nachhaltigen Finanzierung der touristischen Infrastruktur bewertet. Es wird auf die bewährte Praxis der Erhebung von Tourismusbeiträgen sowie die Vorteile gegenüber anderen Mitteln der Tourismusfinanzierung verwiesen, insbesondere die vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteilen vom 11. Juli 2012 nur als begrenzt auf private Übernachtungen verfassungsgemäß bewertete sog. „Bettensteuer“. In der Umsetzung wird die Wahrung des den Gemeinden in § 11 Abs. 5 eingeräumten Ermessens sicherzustellen sein. Insbesondere mit Blick auf das allgemeine Einnahmeerzielungsgebot gemäß § 63 BbgKVerf sowie Förderentscheidungen der Landesregierung muss gewährleistet sein, dass Gemeinden die Einführung eines Tourismusbeitrages auf die jeweilige Eignung vor Ort prüfen und eine diesbezüglich gebotene Abwägung zwischen Aufwand und Nutzen dieses Instruments autonom vornehmen können.
Die Stellungnahme des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg wird nachfolgend im Wortlaut wiedergegeben:
„Anrede,
wir bedanken uns für die Gelegenheit, zu dem oben genannten Gesetzentwurf Stellung zu nehmen.
Der Gesetzentwurf sieht durch eine Änderung von § 11 Abs. 5 KAG vor, dass künftig alle Gemeinden zur Erhebung von Tourismusbeiträgen berechtigt sind. Bislang ist dies ausschließlich Gemeinden vorbehalten, die ganz oder teilweise als Kurort oder als Erholungsort anerkannt sind, sowie Gemeinden, in denen die Zahl der Fremdübernachtungen im Jahr in der Regel das Siebenfache der Einwohnerzahl übersteigt.
Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg begrüßt den Gesetzentwurf als wichtigen Schritt zur nachhaltigen Sicherung der touristischen Infrastruktur. Die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus in Brandenburg hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Zu verzeichnen sind eine deutlich höhere Nachfrage im Tages- und Übernachtungstourismus sowie jeweils höhere Ausgaben pro Gast. Insgesamt ist der Bruttoumsatz auf 4,256 Mrd. € deutlich gestiegen (2004: 3,25 Mrd. €). Daraus resultieren deutlich gestiegene Einkommenseffekte von ca. 1,992 Mrd. € (2004: 1,61 Mrd. €). Der Beitrag des Tourismus zu den privaten Einkommen beträgt ca. 4,6 %. Das Vollzeitarbeitsplatzäquivalent liegt bei ca. 115.100 Personen.
Diese Zahlen der Landestourismuskonzeption Brandenburg 2011-2015 verdeutlichen den Wachstumskurs. Die Marktposition der brandenburgischen Destinationen zu festigen und auszubauen, wird vorrangiges Ziel bleiben, das auch weiterhin nur im Zusammenschluss aller Akteure erreichbar sein wird. Dies gilt insbesondere für die Finanzierung der touristischen Infrastruktur, deren Werterhaltung die wichtigste Herausforderung der kommenden Jahre ist.
Die öffentliche Hand hat einen wesentlichen Anteil am Erfolg des Tourismus. Die Städte, Gemeinden und Ämter investieren über viele Jahre in den Aufbau und den Erhalt der touristischen Infrastruktur, um Arbeitsplätze, Wachstum und Attraktivität vor Ort zu sichern. Hinzu kommt ein hohes finanzielles Engagement im Bereich des Tourismusmarketings und der Tourismusorganisation. Allerdings stoßen die Gemeinden infolge struktureller Haushaltsdefizite auch im Bereich der Tourismusförderung an Grenzen, die langfristig zu einer gravierenden Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit der Reisegebiete führen können.
Der Gesetzentwurf eröffnet den Gemeinden vor diesem Hintergrund wichtige Handlungsspielräume, um auch die Tourismuswirtschaft mittels einer Tourismusabgabe entsprechend der spezifischen Situation vor Ort angemessen an den Aufwendungen für Tourismusinfrastruktur, Tourismuswerbung und relevante Veranstaltungen zu beteiligen.
Die Erhebung eines Tourismusbeitrages hat sich bundesweit als Instrument der Tourismusfinanzierung bewährt. Im Einklang hiermit stehen auch die Erfahrungen in den brandenburgischen Gebietskörperschaften, die bereits auf der Grundlage der gegenwärtigen Regelung des § 11 Abs. Abs. 5 KAG Tourismusbeiträge erheben, darunter Lübbenau, Burg, Schlepzig, Rheinsberg, Lychen, Lindow, Neuglobsow/Dagow. Im Nachbarland Sachsen erheben rund 25 Kommunen eine Tourismusabgabe. Auf der Grundlage der Kommunalabgabengesetze der Länder erheben die Kommunen differenzierte Tourismusbeiträge von Personen und Unternehmen, deren Umsätze auf das Tourismusaufkommen zurückzuführen sind.
Bei Einführung der Tourismusbeiträge aufgetretene Befürchtungen, diese würden zum Einbruch der Gästezahlen und zu übermäßiger Belastung der Unternehmen führen, haben sich als unbegründet erwiesen. Zwischenzeitlich hat sich bei der Mehrheit der touristischen Anbieter in den Gemeinden, die eine Tourismusabgabe erheben, Akzeptanz für dieses Finanzierungssystem entwickelt. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass es sich um eine zweckgebundene Abgabe handelt und entsprechende Investitionen in die Infrastruktur sichtbar geworden sind. Zur Akzeptanz trägt ferner die Tatsache bei, dass Tourismusbeiträge alle Wirtschaftszweige erfassen, die vom Tourismus profitieren, während die so genannte „Bettensteuer“ ausschließlich die Beherbergungswirtschaft belastet. Im Ergebnis handelt es sich bei der Tourismusabgabe um eine Beteiligung aller, die auch allen zugute kommt.
In diesem Sinne hatte der Deutsche Tourismusverband im Dezember 2010 Handlungsempfehlungen formuliert. Darin erkennt der Deutsche Tourismusverband die Gefahren einer unzureichenden Finanzierung kommunaler Aufwendungen im Tourismus, plädiert für die Nutzung der kommunalabgabenrechtlichen Instrumente und ruft das Gewerbe auf, sich an dieser Form der solidarischen Finanzierung von touristischen Aufwendungen zu beteiligen. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hatte begrüßt, dass der Deutsche Tourismusverband die grundsätzliche Bedeutung der kommunalen Vorleistung für den Tourismus erkennt und sich als Fachverband dafür einsetzt, dass das örtliche Gewerbe sich an der Refinanzierung des kommunalen Aufwandes beteiligt.
Der Gesetzentwurf trägt mit der Streichung der Übernachtungszahl als Voraussetzung für die Erhebung eines Tourismusbeitrages dem Umstand Rechnung, dass im Land Brandenburg ein überdurchschnittliches Aufkommen an Tagesgästen zu verzeichnen ist. Die gegenwärtige Rechtslage, wonach die Übernachtungszahl das Siebenfache der Einwohnerzahl übersteigen muss, geht an der Realität im engeren Verflechtungsraum um Berlin vorbei und stellt eine unangemessene Benachteiligung der Städte und Gemeinden dar, die ein hohes touristisches Aufkommen mit entsprechenden Ausgaben zu verzeichnen haben, aber infolge des überdurchschnittlichen Anteils an Tagesgästen keine realistische Aussicht auf Überschreitung dieser Mindestübernachtungszahl haben. Dies gilt selbst für Tourismusmagneten wie die Landeshauptstadt Potsdam, die 18,5 Mio. Tagesgäste im Jahre 2011 empfangen konnte und 920.000 Übernachtungen zu verzeichnen hatte.
Der Gesetzentwurf erweitert lediglich den Kreis der Gemeinden, die von der Ermächtigungsgrundlage zur Erhebung einer Tourismusabgabe Gebrauch machen können. An der inhaltlichen Ausgestaltung des Instrumentes ändert sich nichts. Daher sind Forderungen zurückzuweisen, die auf eine Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltung gerichtet sind, unter anderem die Forderung nach einer gesetzlichen Verankerung von Bemessungsgrundlagen und Höchstgrenzen. Der im Gesetz enthaltene Ermessensspielraum der Gemeinde stellt sicher, dass in unmittelbarer Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten abgewogen und Entscheidungen mit Augenmaß getroffen werden. Die Erfahrungen in den Kommunen, die Tourismusbeiträge erheben, belegen, dass auf gemeindlicher Ebene eine realistische Einschätzung von Bedarfslage einerseits und Belastbarkeit der touristischen Anbieter andererseits erfolgt.
Die vorgesehene Lockerung kann in Grenzlagen von anerkannten Kur- und Erholungsorten zu einem verbesserten Ausgleich der Interessenlagen von touristischen Anbietern führen. Nach der gegenwärtigen Rechtslage kann beispielsweise ein gastronomisches Unternehmen in einem anerkannten Erholungsort oder Ortsteil tourismusbeitragspflichtig sein, während ein anderes Unternehmen in wenigen Metern Entfernung in einem nicht anerkannten Ortsteil derselben Gemeinde keiner Beitragspflicht unterliegt. Hier ermöglicht die Gesetzesänderung den Gemeinden, die von Unternehmen empfundene Ungleichbehandlung durch eine Ausdehnung des beitragspflichtigen Gebietes aufzuheben und die touristische Wertschöpfung sachgerechter abzubilden.
Wir halten ausdrücklich fest, dass die Gesetzesänderung nur dann einen Gewinn für die Tourismusentwicklung und die kommunale Selbstverwaltung darstellen wird, wenn letztere nicht durch anderweitige Regelungen ausgehöhlt wird. Wir fordern daher in allen Regelungszusammenhängen eine konsequente Achtung des den Gemeinden eingeräumten Ermessens, ob und in welcher Höhe Tourismusbeiträge erhoben werden.
In diesem Sinne ist eine Klarstellung bezüglich der in § 63 BbgKVerf normierten allgemeinen Haushaltsgrundsätze der Gemeinden erforderlich. Das Einnahmeerzielungsgebot darf nicht zu einem faktischen Zwang zur Erhebung von Tourismusbeiträgen gemäß § 11 Abs. 5 KAG führen. Damit die Gesetzesänderung ihren Zweck der Refinanzierung touristischer Investitionen erfüllen kann, dürfen insbesondere Kommunen in der Haushaltssicherung nicht in ihrem Entscheidungsspielraum eingeschränkt werden. Es ist sicherzustellen, dass alle Gemeinden Tourismusbeiträge auf ihre Eignung vor Ort prüfen können.
Im Rahmen der gemeindeindividuellen Eignungsprüfung wird berücksichtigt, dass auch die Erhebung der Tourismusbeiträge mit finanziellem Aufwand für die Umsetzung und Kontrolle verbunden ist. Diese Kosten sind nur zu rechtfertigen, wenn die erwarteten Einnahmen in einer vernünftigen Relation zum kommunalen Aufwand für die Förderung des Tourismus stehen. Anderenfalls erweist sich dieses Finanzierungsinstrument als untauglich. Aus diesem Grund verzichten schon jetzt einige Gemeinden auf die Erhebung von Tourismusbeiträgen.
Es ist weiterhin auszuschließen, dass die Landestourismusförderung künftig an die Voraussetzung der Erhebung von Tourismusbeiträgen geknüpft wird. Entsprechende Verlautbarungen der Landesregierung erreichten uns beispielsweise im Zusammenhang mit der (wiederholten) Anerkennung von Kur- und Erholungsorten im Sommer dieses Jahres. Danach wolle das Land in Zukunft nur noch dann eine Förderung der touristischen Entwicklung vornehmen, wenn die Gemeinden eigene Einnahmequellen, insbesondere durch die Erhebung von Tourismusbeiträgen, ausschöpfen. Wir fordern die Landesregierung auf, von diesen Erwägungen ausdrücklich Abstand zu nehmen. Die Änderung des KAG darf nicht zu einem Rückzug der Landesregierung aus der Finanzierungsverantwortung für den Tourismus im Land Brandenburg zulasten von Kommunen und örtlicher Wirtschaft und einer sukzessiven Aushöhlung der kommunalen Selbstverwaltung führen.
Für Rücksprachen stehen wir gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Karl-Ludwig Böttcher“
Das Ministerium des Innern des Landes Brandenburg hat im Zuge der Beratungen im Innenausschuss des Landtages Brandenburg wie folgt schriftlich Stellung genommen:
„Die Erhebung der Tourismusabgabe ist den Gemeinden nach der vorgesehenen Regelung im Kommunalabgabengesetz grundsätzlich freigestellt. Das bedeutet, dass die Gemeinden unter der Voraussetzung, dass touristisch bedingte Aufwendungen oder Auszahlungen im Gemeindegebiet anfallen, grundsätzlich selbst darüber entscheiden, ob sie einen entsprechenden Beitrag zur Gegenfinanzierung erheben.
Bei der Entscheidung über die Einführung einer solchen Aufgabe sind zum einen die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit und zum anderen die Verpflichtung zum jährlichen Haushaltsausgleich zu beachten. Soweit der Haushaltsausgleich nicht erreicht werden kann und ein Haushaltssicherungskonzept aufgestellt werden muss, ist die Gemeinde verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um den gesetzlich geforderten Haushaltsausgleich so früh wie möglich wieder zu erreichen. Hierbei sind auch die Möglichkeiten der Ertragssteigerung zu prüfen. Gemäß § 64 Absatz 2 BbgKVerf hat die Gemeinde alle zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Erträge, soweit vertretbar und geboten, aus speziellen Entgelten für die von ihr erbrachten Leistungen, im Übrigen aus Steuern zu beschaffen. Es liegt damit im pflichtgemäßen Ermessen der Gemeinde, im Haushaltssicherungskonzept auch die Erhebung eines (zukünftigen) Tourismusbeitrages in Betracht zu ziehen, wenn die Voraussetzungen für die Erhebung erfüllt sind. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zum Haushaltssicherungskonzept werden im Hinblick auf das kommunale Selbstverwaltungsrecht keine bestimmten Konsolidierungsmaßnahmen vorgeschrieben. Insgesamt wird aber bewertet, ob eine betroffene Gemeinde hinreichenden Konsolidierungswillen aufbringt.
Soweit für Gemeinden, die einen Antrag auf Zuwendungen nach § 16 BbgFAG – hier insbesondere nach Abs. 1 Nr. 1 (Schuldendiensthilfe wegen Hochverschuldung) und Abs. 1 Nr. 2 (Sicherstellung der Grundausstattung zur Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben) – stellen, zukünftig die rechtliche Möglichkeit zur Erhebung eines Tourismusbeitrages besteht, kann die Ausreichung einer Zuwendung dann auch an die Bedingung geknüpft werden, alle Ertragsmöglichkeiten, und damit auch die Erhebung eines Tourismusbeitrages, zu nutzen.“
Im Ergebnis hat der Landtag Brandenburg das Gesetz in seiner Sitzung am 14. November 2012 verabschiedet. Es tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Bianka Petereit, Referatsleiterin