Mitteilungen 11/2014, Seite 454, Nr. 234
Klarstellende Worte des OVG Berlin-Brandenburg zur Übertragung des Winterdienstes
Pünktlich vor dem Wintereinbruch in Brandenburg hat sich das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG Berlin-Brandenburg) zu Wort gemeldet und klargestellt, dass auch eine Übertragung des Winterdienstes für Fahrbahnen auf die Anlieger unter Beachtung der Zumutbarkeitskriterien möglich ist (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. Oktober 2010, Az.: 9 B 21.14 - Die Entscheidung ist im Rechtsprechungsteil abgedruckt).
Die Entscheidung dürften viele Gemeinden mit großer Erleichterung aufgenommen haben, da das jahrelange „Hickhack“ um den Winterdienst und die Rechtsgültigkeit der betreffenden Satzungen die Hauptverwaltungsbeamten und Mitarbeiter immer wieder in Bedrängnis gebracht haben. Mit seinen Äußerungen im Februar 2010 gegenüber der Presse hatte der Landrat des Landkreises Potsdam-Mittelmark diese Debatte begonnen, vielleicht sogar eröffnet (nachlesbar etwa hier: http://www.pnn.de/pm/260746/, letzter Abruf 27. November 2014). Dieser war der Meinung, dass das damals gültige Straßengesetz keine Rechtsgrundlage für eine Übertragung des Winterdienstes für Fahrbahnen beinhaltete. Beistand erhielt er hierfür vom damaligen Präsidenten des Oberlandesgerichtes Brandenburg, Prof. Farke. Mit seinem Urteil vom 9. Dezember 2010, Az.: 10 K 1885/06 bestätigte das Verwaltungsgericht Potsdam diese Auffassung (siehe Rundschreiben des Verbandes vom 12. Oktober 2010). Obwohl der Städte- und Gemeindebund in dieser Frage eine grundsätzlich andere Rechtsauffassung – nämlich, dass auch die damalige Fassung des Straßengesetzes bereits eine ausreichende Grundlage für die Übertragung des Winterdienstes bot - hatte, bemühte er sich bereits lange vor dem genannten Urteil des VG Potsdam um eine klarstellende Regelung im Brandenburgischen Straßengesetz. Dies gelang nach Vorlage des eben genannten Urteils des VG Potsdam in guter Zusammenarbeit mit dem damaligen Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft durch eine Neufassung der Vorschrift des § 49 a BbgStrG am 18. Oktober 2011 (zum Gesetzgebungsverfahren siehe hier:
http://www.parldok.brandenburg.de/starweb/LTBB/servlet.starweb?path=LTBB/lisshfl.web&id=LTBBWEBDOKFL&search=(DART%3dD+AND+WP%3d5+AND+DNR%2cKORD%3d3349)+AND+DID%3DK-222600&format=WEBDOKFL, zuletzt abgerufen am 27. November 2014 - siehe auch Verbandsrundschreiben vom 28. September 2011).
Auch diese aus Verbandssicht sehr klare Regelung brachte aber keine Ruhe in die Thematik. Befördert durch einen Aufsatz von Dyllick und Neubauer - beide zu dieser Zeit hauptberuflich Justiziare beim Landkreis Potsdam-Mittelmark, der Artikel gab allerdings nur ihre persönliche Auffassung wieder - (Joachim Dyllick/Reinhard Neubauer, Neuer Schnee in alten Schläuchen: Heraus auf die Fahrbahnen!, LKV 12/2011, Seiten 545-547) urteilte erneut das Verwaltungsgericht Potsdam, dass die Übertragung des Winterdienstes von Fahrbahnen auf die Anlieger rechtswidrig sei (VG Potsdam Urteil vom 26. September 2013, Az.: 10 K 2786/12). In seiner Hauptargumentation kam das VG Potsdam zur Auffassung, dass eine Übertragung der Straßenreinigung und des Winterdienstes auf Fahrbahnen unzulässig sei, da dies gegen § 25 Abs. 1 Satz 1 StVO und damit gegen höherrangiges Bundesrecht verstoßen würde. § 25 Abs. 1 StVO regelt, dass Fußgänger Gehwege benutzen müssen. Verstöße hiergegen stellen gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 24 StVO Ordnungswidrigkeiten dar. Soweit das Brandenburgische Straßengesetz in § 49 Abs. 4 Nr. 2 den Gemeinden die Fahrbahnübertragung ausdrücklich erlaubt, sei die Anwendung dieser Ermächtigung den Gemeinden verwehrt, da das Brandenburgische Straßengesetz insoweit gegen Bundesrecht verstoße. Leidtragende waren die Gemeinden des Landes Brandenburg, welche wiederum kurz vor Wintereinbruch mit einer unklaren Rechtslage alleingelassen wurden.
Umso dankbarer muss man dem OVG Berlin-Brandenburg sein, dass es bereits vor dem Winter ein Urteil gefunden hat. Es hat das Urteil des VG Potsdam abgeändert und die Klage gegen die Übertragung des Winterdienstes abgewiesen.
Ein Verstoß gegen höherrangiges Bundesrecht, etwa in Gestalt der Straßenverkehrsordnung (StVO) konnte das OVG Berlin-Brandenburg dabei nicht feststellen. Konkret zum in § 25 StVO normierten Gebot, vorhandene Gehwege zu benutzen, stellte es zunächst fest, dass dieses im konkreten Fall schon deshalb nicht in Anwendung kommen könne, da Gehwege nicht vorhanden waren und insoweit die in § 25 Abs. 1 Satz 3 1. Halbsatz StVO selber niedergelegte Ausnahme, dass in diesen Fällen der rechte oder linke Fahrbahnrand benutzt werden muss, greift. Wenn aber, so das OVG Berlin-Brandenburg, die Fußgänger ohnehin die Fahrbahn benutzen müssen, sei nichts dafür ersichtlich, dass gerade in diesem Bereich die Straße nicht betreten werden darf, um sie zum Schutz der Fußgänger zu reinigen.
Darüber hinaus gelangt das OVG Berlin-Brandenburg zur Ansicht, dass auch bei vorhandenen Gehwegen bestimmte Personen Arbeiten auf der Straße außerhalb von Gehwegen und Absperrungen ausführen dürfen. Hierunter fallen auch die Anlieger, welche zur Straßenreinigung verpflichtet sind. Das OVG Berlin-Brandenburg stützt sich dabei auf § 35 Abs. 6 StVO und gelangt zu der Ansicht, dass die als selbstverständlich angesehene Befugnis zum Betreten der Fahrbahn nach dieser Vorschrift nicht nur für berufsmäßige Straßenkehrer gilt, sondern auch für alle Personen, welche zur Reinigung der Straßen eingesetzt werden. Dabei geht es auch noch einmal darauf ein, dass dieses Einsetzen zur Fahrbahnreinigung unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit steht, wie es in der Neufassung des § 49 a BbgStrG auch explizit festgelegt wird.
Schließlich geht das OVG Berlin-Brandenburg auch noch auf die alte Gesetzesfassung ein und kommt zu dem Ergebnis, dass auch nach dieser Gesetzesfassung bereits eine Ermächtigung zur Übertragung des Winterdienstes auch hinsichtlich der Fahrbahn gegeben war. Es stellt deshalb fest, dass die Novellierung im Jahre 2011 lediglich eine Klarstellung aber keine materielle Änderung darstellte. Auch dies wurde durch uns bereits im damaligen Gesetzgebungsverfahren so vertreten.
Auf die übrigen im oben genannten Urteil des VG Potsdam aufgeführten Fragen, etwa zur Entsorgung des anfallenden Laubes, geht das OVG Berlin-Brandenburg nicht ausdrücklich ein, führt aber aus, dass es gegen Art und Umfang der Reinigungspflicht keine Bedenken hat. Daraus folgt aus Sicht des Städte- und Gemeindebundes, dass das OVG Berlin-Brandenburg auch in diesen Punkten der Rechtsauffassung des VG Potsdam nicht folgt.
Letztlich bleibt zu hoffen, dass mit dieser obergerichtlichen Rechtsprechung endlich wieder Rechtssicherheit in diesem Bereich einzieht. Hierzu ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das Urteil des OVG Berlin-Brandenburg noch nicht rechtskräftig geworden ist. Zwar wurde eine Revision nicht zugelassen, hiergegen könnten sich die Kläger jedoch noch mit einer Nichtzulassungsbeschwerde wehren. Sobald das Urteil rechtskräftig geworden ist oder die Kläger eine Nichtzulassungsbeschwerde erheben, werdendie Mitglieder des Verbandes informiert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das in dieser Ausgabe der mitteilungen abgedruckte Urteil verwiesen.
Thomas Golinowski, Referatsleiter
Az: 813-04