Mitteilungen 11/2014, Seite 457, Nr. 237

OVG Berlin-Brandenburg: Übertragung des Winterdienstes auf die Anlieger

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil des 9. Senats vom 15. Oktober 2014 – 9 B 21.14, nicht rechtskräftig

Zum Sachverhalt:
Die Klägerin ist Eigentümerin eines aus vier zusammenhängenden Flurstücken bestehenden Wohngrundstücks in einer Tempo–30–Zone im Ortsteil Sc... der Gemeinde Schönwalde–Glien. An der Westseite des Grundstücks liegt der Gi...steig. Der Gi...steig ist nur einseitig auf der Seite des klägerischen Grundstücks bebaut. Er hat eine 4 m breite Fahrbahn. Ein 1 m breiter Streifen davon ist rot gepflastert. Dieser Streifen liegt auf der Seite des klägerischen Grundstücks, kennzeichnet die Lage bestimmter Medien und soll die Fahrbahn optisch verkleinern, damit die Geschwindigkeitsbegrenzung eingehalten wird. Zwischen der Fahrbahn und dem klägerischen Grundstück liegt ein nicht begehbarer Seitenstreifen; einen Gehweg gibt es nicht. An der Ostseite des klägerischen Grundstücks liegt der Am...steig. Der Am...steig ist beidseitig bebaut. Seine 4,6 m breite Fahrbahn weist links und rechts jeweils einen etwa 1 m breiten, rot gepflasterten Streifen auf. Auch diese Streifen kennzeichnen die Lage bestimmter Medien und sollen die Fahrbahn optisch verkleinern. Zwischen dem klägerischen Grundstück und der Fahrbahn im Am...steig liegt ein ebenfalls nicht begehbarer Seitenstreifen. Gehwege gibt es im Am...steig nicht. Im täglichen Leben werden die roten Streifen auf der Fahrbahn im Gi...– und Am...steig auch von Fußgängern benutzt.

Die Straßenreinigungssatzung (SRS) der Beklagten enthält seit der 3. Änderungssatzung vom 27. August 2010 u.a. folgende Regelungen:

 „§ 1 Gegenstand der Reinigung

 (1) Die Gemeinde Schönwalde-Glien reinigt die öffentlichen Straßen innerhalb der geschlossenen Ortslagen, soweit die Reinigung nicht nach § 2 übertragen wird.

 […]

(3) Öffentliche Straßen im Sinne dieser Satzung sind die dem öffentlichen Verkehr dienenden Straßen, Wege und Plätze, insbesondere:

a) Fahrbahnen einschließlich Haltestellen der öffentlichen Verkehrsmittel,
b) Rad- und Gehwege,
c) Rinnsteine,
d) Rand- und Sicherheitsstreifen,
e) Einflussöffnungen der Entwässerungsanlagen,
f) Böschungen und Stützmauern,
g) Hydranten

 (4) Gehwege sind die Straßenteile, deren Benutzung durch Fußgänger vorgesehen oder geboten ist (z.B. Gehsteige, Treppenanlagen, Verbindungswege, zum Gehen geeignete Randstreifen, Bankette).“

 „§ 2 Übertragung der Reinigungspflicht

 (1) Die Reinigung der im anliegenden Straßenverzeichnis aufgeführten Fahrbahnen und Gehwege wird den Eigentümern der angrenzenden bzw. erschlossenen Grundstücke auferlegt. Sind die Grundstückseigentümer beider Straßenseiten reinigungspflichtig, so erstreckt sich die Reinigung nur bis zur Straßenmitte.

 […]

 (4) Grundstück im Sinne des § 2 Abs. 1 dieser Satzung ist der räumlich abgrenzbare Teil der Geländeoberfläche, der im Grundbuch unter einer laufenden Bestandsverzeichnisnummer aufgeführt ist. Erschlossen ist ein Grundstück dann, wenn die Nutzung des Grundstücks durch die Straße oder durch die Zuwegung, die eine private sein kann, ermöglicht wird.

 (5) Art und Umfang der übertragenen Reinigungsverpflichtung ergeben sich aus den Regelungen in § 3 dieser Satzung.“

 „§ 3 Art und Umfang der übertragenen Reinigungspflicht

(1) Die Reinigungspflicht umfasst das Säubern der Straßen, die Schneeberäumung von Geh– und Radwegen, Gehwegsverbindungen und der zum Gehen geeigneten Randstreifen sowie von Hydranten, ovalen Hydrantenkappen und den dazugehörigen runden Schieberkappen, die Streuung und Enteisung von Geh- und Radwegen, Gehwegsverbindungen und der zum Gehen geeigneten Randstreifen bei Glätte sowie die Enteisung von Hydranten, ovalen Hydrantenkappen und den dazugehörigen runden Schieberkappen.

(2) Zum Säubern der befestigten und unbefestigten Straßen gehören insbesondere die Beseitigung von Kehricht, Schlamm, Laub und sonstigen Unrat jeder Art. Des Weiteren gehört zur regelmäßigen Reinigung auch die Beseitigung von Gras- und Pflanzenwuchs auf Gehwegen. Dabei ist die Anwendung von Herbiziden nicht erlaubt. Wildkraut, Laubfall sowie sonstiger Unrat dürfen nicht in Straßenrinnen, Straßenabläufen, Gräben und Mulden gekehrt werden, sondern sind nach Beendigung der Reinigung aus dem öffentlichen Straßenraum zu entfernen.

(3) Die Geh- und Radwege sind in einer für den Fußgängerverkehr erforderlichen Breite (i. d. R. in einer Breite von 1,50 m) von Schnee freizuhalten. Das gilt auch für begehbare Seitenstreifen zwischen Fahrbahn und Grundstücksgrenze, wenn auf keiner Straßenseite ein Gehweg vorhanden ist. Soweit auf unausgebauten Straßen (Sand, Schotter, Recycling) keine Gehwege vorhanden sind, ist beidseitig ein 1,50 m breiter Streifen der öffentlichen Verkehrsfläche entlang der Grundstücksgrenze für den Fußgängerverkehr zu beräumen und abzustumpfen. Dabei ist darauf zu achten, dass eine durchgehende Gehwegsverbindung entsteht. Soweit ausgebaute Mischverkehrsflächen (Verkehrsflächen, die im Sinne einer Mehrzwecknutzung der Fläche rechtlich und tatsächlich gleichermaßen dem Fußgänger- wie auch dem Fahrzeugverkehr zur Verfügung stehen) vorhanden sind, sind diese von der Fahrbahnkante bis zur Fahrbahnmitte freizuhalten. […]

 (4) Bei Glätte sind die Geh– und Radwege und Gehwegsverbindungen zu streuen. […]

 (5) Werktags (außer samstags) in der Zeit von 07.00 Uhr bis 20.00 Uhr sowie samstags von 08.00 Uhr bis 20.00 Uhr und sonntags von 09.00 Uhr bis 20.00 Uhr sind Geh- und Radwege und Gehwegsverbindungen unverzüglich nach Beendigung des Schneefalls bzw. nach dem Entstehen der Glätte zu räumen bzw. zu streuen, so dass deren Benutzung nicht erschwert wird. Nach 20.00 Uhr gefallener Schnee und entstandene Glätte sind werktags (außer samstags) bis 07.00 Uhr, samstags bis 08.00 Uhr und sonn- und feiertags bis 09.00 Uhr des folgenden Tages zu beseitigen. Die gestreuten Flächen müssen in ihrer Längsrichtung entlang der befahrbaren Straße so gestreut werden, dass eine durchgehend benutzbare Gehbahn entlang des Straßenkörpers entsteht.“

Im Straßenverzeichnis in der Anlage zur Satzung finden sich für die beiden Straßen folgende Angaben:

 

Straße

Reinigungspflichtiger

Fahrbahn

Fahrbahn

Geh-/Radweg

Geh-/Radweg

Anlieger

Gemeinde

Anlieger

Gemeinde

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

Am…steig

X

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

Gi…steig

X

[…]

[…]

[…]

[…]

[…]

 

Mit Schreiben vom 11. Dezember 2012 verwarnte die Beklagte die Klägerin, weil am Vortag gegen 11.26 Uhr festgestellt worden sei, dass die Klägerin im Gi...steig vor ihrem Grundstück nicht gemäß § 3 Abs. 1 bis 5 SRS den Schnee geräumt bzw. die Glätte abgestumpft habe.

Die Klägerin hat am 19. Dezember 2012 Klage erhoben und begehrt festzustellen, dass sie nicht verpflichtet sei, die beiden an ihr Grundstück angrenzenden Straßen zu reinigen, insbesondere den Winterdienst zu leisten. Die Reinigungspflicht auf Fahrbahnen verstoße gegen § 25 StVO. Danach dürfe der Fußgänger die Fahrbahn jedenfalls nicht zum Zwecke der Reinigung, insbesondere der Schnee– und Glättebeseitigung betreten. Er genieße auch keine Sonderrechte nach § 35 Abs. 6 StVO.

Mit Urteil vom 26. September 2013 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Die Straßenreinigungssatzung verstoße insgesamt gegen höherrangiges Recht und sei damit nichtig. Insbesondere dürften Fußgänger nach der Straßenverkehrsordnung nur ausnahmsweise auf der Fahrbahn gehen, nicht aber „arbeiten“. Darüber hinaus seien einzelne Regelungen der Satzung nicht von der Pflicht zur ordnungsmäßigen Straßenreinigung gedeckt, nicht hinreichend bestimmt

Mit der vom Senat zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend, dass Anlieger, welche die Straße reinigen, keine Fußgänger im Sinne der Straßenverkehrsordnung seien. Soweit das Verwaltungsgericht darüber hinaus einzelne Regelungen gerügt habe, seien diese ebenfalls nicht zu beanstanden.

Die Beklagte beantragt, das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie beruft sich weiterhin auf die Straßenverkehrsordnung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Streitakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Aus den Gründen:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die zulässige Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) ist unbegründet.

I. Die Klägerin ist verpflichtet, die Fahrbahnen des Am...steigs und des Gi...steigs vor ihrem Grundstück jeweils bis zur Fahrbahnmitte gemäß § 3 Abs. 1 und 2 SRS zu säubern.

1. Die Klägerin ist satzungsrechtlich verpflichtet, nach Maßgabe von § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 4 SRS die Fahrbahn bis zur Mitte zu säubern.

Sie ist Eigentümerin eines Grundstücks, das durch die beiden im anliegenden Straßenverzeichnis aufgeführten Straßen erschlossen wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SRS). Ein im straßenreinigungsrechtlichen Sinne erschlossenes Grundstück (§ 49a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BbgStrG) liegt regelmäßig vor, wenn es rechtlich und tatsächlich eine Zugangsmöglichkeit zu der öffentlichen Straße hat und sich die Straßenreinigung bzw. Winterwartung in Bezug auf die Möglichkeit einer innerhalb der geschlossenen Ortslage möglichen und sinnvollen wirtschaftlichen Nutzung des Grundstücks vorteilhaft auswirkt (vgl. Urteil des Senats vom 10. Oktober 2007 – OVG 9 A 72.05 –, juris, Rdnr. 31 m.w.N.). Das ist hier der Fall, weil das Grundstück der Klägerin an beide Straßen angrenzt, also eine Zugangsmöglichkeit hat, und zu Wohnzwecken baulich genutzt wird. Die der Klägerin auferlegte Reinigungspflicht beschränkt sich nach der Anlage SRS auf die Fahrbahn.

Außerdem hat die Klägerin jeweils nur die ihrem Grundstück zugewandte Hälfte der Straße bis zur Fahrbahnmitte zu reinigen. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 SRS erstreckt sich die Reinigungspflicht nur bis zur Straßenmitte, wenn die Grundstückseigentümer beider Straßenseiten reinigungspflichtig sind. Im beidseitig bebauten Am...steig ist das unproblematisch der Fall. Nach der Satzung sollen allerdings auch im Gi...steig die Grundstückseigentümer beider Straßenseiten (bis zur Straßenmitte) reinigungspflichtig sein, obgleich die Grundstücke auf der westlichen Straßenseite im Außenbereich liegen und nur land– oder forstwirtschaftlich genutzt werden. Die Grundstückseigentümer beider Straßenseiten beruht darauf, dass § 2 Abs. 4 Satz 2 SRS ein Grundstück schon dann als erschlossen ansieht, wenn seine Nutzung durch die Straße überhaupt ermöglicht wird. Diese Sichtweise geht über das hinaus, was nach § 49a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BbgStrG zulässig ist. Wie soeben bereits ausgeführt, ist erschlossen im Sinne dieser Vorschrift nur ein Grundstück, bei dem sich Straßenreinigung oder Winterwartung auf die Möglichkeit einer innerhalb der geschlossenen Ortslage üblichen und sinnvollen wirtschaftlichen Nutzung vorteilhaft auswirken. Hierzu gehört eine land– oder forstwirtschaftliche Nutzung nicht (vgl. Urteil des Senats vom 10. Oktober 2007, a.a.O., Rdnr. 42 m.w.N.), mit der Folge, dass die satzungsmäßige Einbeziehung der westlichen, im Außenbereich liegenden Grundstücke in die Reinigungspflicht für den Gi...steig unzulässig ist. Das bedeutet indessen nicht, dass die östlichen Anlieger des Gi...steiges – wie die Klägerin – gleichsam automatisch die gesamte Fahrbahn zu reinigen hätten. Damit würde ihnen mehr abverlangt, als der Satzungsgeber ihnen nach Wortlaut und Systematik auferlegt hat; soll es zu diesem Mehr kommen, muss der Satzungsgeber insoweit nachsteuern.

2. Die satzungsrechtliche Verpflichtung der Klägerin verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

a) Die Satzung verstößt nicht gegen § 25 StVO.

Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StVO muss, wer zu Fuß geht, die Gehwege benutzen. Auf der Fahrbahn darf nur gegangen werden, wenn die Straße weder einen Gehweg noch einen Seitenstreifen hat (§ 25 Abs. 1 Satz 2 StVO). Wird die Fahrbahn benutzt, muss innerhalb geschlossener Ortschaften am rechten oder linken Fahrbahnrand gegangen werden (§ 25 Abs. 1 Satz 3 erster Halbsatz StVO). Diese Ausnahme greift hier ein, weil weder der Am...steig noch der Gi...steig über einen Gehweg oder einen begehbaren Seitenstreifen verfügen. Dürfen danach Fußgänger hier die Fahrbahn ohnehin benutzen, so ist nichts dafür ersichtlich, dass gerade in diesem Bereich die Straße – anders als sonst bei jeder für den Fußgängerverkehr freigegebenen Straßenfläche – nicht auch betreten werden darf, um sie zum Schutz der Fußgänger zu reinigen.

Im Übrigen lässt § 35 Abs. 6 Satz 4 StVO erkennen, dass bestimmte Personen bestimmte Arbeiten auf der Straße außerhalb von Gehwegen und Absperrungen und damit auch auf der Fahrbahn ausführen dürfen. Dies gilt auch für die hier in Rede stehende Straßenreinigung durch die Anlieger (a.A. Dyllick / Neubauer, LKV 2013, 546, 548).

§ 35 Abs. 6 StVO regelt, dass Fahrzeuge, die dem Bau, der Unterhaltung oder Reinigung der Straßen und Anlagen im Straßenraum oder der Müllabfuhr dienen und durch weiß-rot-weiße Warneinrichtungen gekennzeichnet sind, auf allen Straßen und Straßenteilen und auf jeder Straßenseite in jeder Richtung zu allen Zeiten fahren und halten dürfen, soweit ihr Einsatz dies erfordert, zur Reinigung der Gehwege jedoch nur, wenn die zulässige Gesamtmasse bis zu 2,8 t beträgt (Satz 1). Dasselbe gilt auch für Fahrzeuge zur Reinigung der Gehwege, deren zulässige Gesamtmasse 3,5 t nicht übersteigt und deren Reifeninnendruck nicht mehr als 3 bar beträgt (Satz 2). Dabei ist sicherzustellen, dass keine Beschädigung der Gehwege und der darunter liegenden Versorgungsleitungen erfolgen kann (Satz 3). Personen, die hierbei eingesetzt sind oder Straßen oder in deren Raum befindliche Anlagen zu beaufsichtigen haben, müssen bei ihrer Arbeit außerhalb von Gehwegen und Absperrungen auffällige Warnkleidung tragen (Satz 4).

§ 35 Abs. 6 Satz 4 StVO macht deutlich, dass bestimmte Personen sich bei bestimmten Tätigkeiten, wie etwa bei der Straßenreinigung, auch auf der Fahrbahn aufhalten dürfen. Die Vorschrift verlangt insoweit – im Interesse der Verkehrssicherheit – lediglich das Tragen auffälliger Warnkleidung. Dies betrifft nicht nur Begleitpersonen zu den in § 35 Abs. 6 Satz 1 StVO genannten Fahrzeugen, sondern alle Personen, die für die in § 35 Abs. 6 Satz 1 StVO genannten Tätigkeiten „eingesetzt“ werden; das Wort „hierbei“ in § 35 Abs. 6 Satz 4 StVO bezieht sich auf die in § 35 Abs. 6 Satz 1 StVO aufgeführten Tätigkeiten (Bau, Unterhaltung, Reinigung der Straßen oder Müllabfuhr).
Das bestätigt die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. § 35 Abs. 6 Satz 4 StVO ist bereits im Zuge der Neufassung der StVO vom 16. November 1970 (BGBl. I S. 1565) als § 35 Abs. 6 Satz 2 StVO 1970 in die Verordnung aufgenommen worden. § 35 Abs. 6 StVO 1970 fasst die früheren Regelungen aus § 41a Satz 2 und § 46 Abs. 1 Satz 2 StVO 1956 (Straßenverkehrs–Ordnung vom 29. März 1956, BGBl. I S. 271, 327) in der Fassung der Änderung von 1960 (Art. 3 Nr. 10 Buchstabe a der Verordnung zur Änderung von Vorschriften des Straßenverkehrsrechts vom 7. Juli 1960, BGBl. I S. 485) zusammen. § 41a Satz 2 StVO 1956 betraf nach der Überschrift „Arbeiten auf der Fahrbahn“ und regelte, dass Personen, die bei der Unterhaltung und Beaufsichtigung der Straße und der im Straßenraum vorhandenen Anlagen tätig waren, durch Warnkleidung erkennbar sein mussten. § 46 Abs. 1 Satz 2 StVO 1956 in der Fassung von 1960 lautete:

„Für Personen, die bei der Unterhaltung, Reinigung oder Beaufsichtigung der Straßen oder der im Straßenraum vorhandenen Anlagen tätig sind, gelten bei Erfüllung ihrer Aufgaben nicht die Vorschriften dieser Verordnung, soweit diese die Benutzung der Straße durch Fußgänger beschränken.“

Im Jahre 1970 wollte der Verordnungsgeber ausweislich der amtlichen Begründung mit § 35 StVO 1970 nur § 48 Abs. 1 und 2, § 46 Abs. 1 Satz 1 und 2 und § 41a StVO 1956/1960 zusammenfassen, ohne bedeutsame materiell–rechtliche Änderungen vorzunehmen (VkBl. 1970, 797, 816). Hinsichtlich der Sonderrechte beim Bau, der Unterhaltung oder Reinigung der Straßen und Anlagen im Straßenraum oder der Müllabfuhr hielt er es nur noch für erforderlich, genau anzugeben, was mit Fahrzeugen getan werden durfte, die bei Tätigkeiten nach § 35 Abs. 6 Satz 1 StVO eingesetzt waren. Für Personen, die bei entsprechenden Tätigkeiten eingesetzt waren, hielt er dies hingegen für überflüssig; bei ihnen war es aus seiner Sicht bereits wegen ihres Aufgabenkreises klar, dass sie sich auch auf der Fahrbahn bewegen dürfen; deshalb sei ihnen nur zu sagen, dass sie, wenn sie außerhalb der Gehwege und Absperrungen tätig werden wollen, durch Warnkleidung kenntlich sein müssten (a.a.O., S. 817). Nachdem Satz 2 von § 35 Abs. 6 StVO 1970 – ohne inhaltliche Änderung – im Jahr 1988 durch das Einfügen von zwei Sätzen über die Gehwegreinigung durch Fahrzeuge zu Satz 4 geworden ist (Art. 1 Nr. 25 Buchstabe b der Neunten Verordnung zur Änderung der StVO vom 22. März 1988, BGBl. I S. 405), hat die aktuelle Fassung der StVO von 2013 diese Regelung in § 35 Abs. 6 Satz 4 StVO – ebenfalls ohne inhaltliche Änderung – übernommen.

Die von § 35 Abs. 6 Satz 4 StVO als selbstverständlich angesehene Befugnis zum Betreten der Fahrbahn gilt nicht nur für berufsmäßige Straßenkehrer, wie der Wortlaut der früheren Ausnahmeregelung in § 46 Abs. 1 Satz 2 StVO 1956 („Für Straßenkehrer und Schienenreiniger gelten bei Erfüllung ihrer Aufgaben nicht die Vorschriften des § 37, soweit diese die Benutzung der Fahrbahn durch Fußgänger einschränken.“) noch nahegelegt haben mochte, bis sie im Jahre 1960 die oben wiedergegebene erweiterte Fassung erhielt. Vielmehr gilt § 35 Abs. 6 Satz 4 StVO für alle „Personen“, die bei den in § 35 Abs. 6 Satz 1 StVO aufgeführten Tätigkeiten, wie der Reinigung der Straße, eingesetzt sind. Der Begriff des Einsetzens ist dabei im Sinne hoheitlicher Veranlassung zu verstehen. Ein Einsetzen liegt gerade auch dann vor, wenn – wie hier – ein straßen(reinigungs)rechtliches Gebot besteht, die Fahrbahn oder Teile davon oder den Radweg zu reinigen. Dies erklärt im Übrigen auch, warum bislang ersichtlich niemand straßenverkehrsrechtlich Anstoß an entsprechendem Tun genommen hat, obwohl in den meisten Bundesländern entsprechende Pflichten entweder schon kraft Gesetzes bestehen (§ 4 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 und 3 StrReinG Berlin; § 41 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BremLStrG) oder vorgesehen ist, dass sie den Anliegern durch Satzung bzw. Verordnung auferlegt werden können (§ 41 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StrG BW; Art. 51 Abs. 5 Satz 1 BayStrWG; § 49a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BbgStrG; § 50 Abs. 3, Abs. 4 Nr. 2 StrG–MV; § 52 Abs. 1 Satz 3 Buchstabe b und c, Abs. 4 Satz 1 NStrG; § 4 Abs. 1 Satz 2 StrReinG NRW; § 17 Abs. 2 Nr. 2 und 3, Abs. 3 Satz 7 LStrG RP; § 53 Abs. 3 Nr. 2 zweiter Halbsatz SStrG SL; § 45 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 StrWG SH).

Der hier vertretenen Auslegung des § 35 Abs. 6 Satz 4 StVO kann nicht entgegengehalten werden, dass der Einsatz von Anliegern per se gefährlicher wäre als der Einsatz berufsmäßiger Straßenreiniger. Die Übertragung von Reinigungspflichten auf die Anlieger steht straßenreinigungsrechtlich stets unter einem geschriebenen oder ungeschriebenen Zumutbarkeitsvorbehalt (vgl. Wichmann, Straßenreinigung und Winterdienst in der kommunalen Praxis, 7. Auflage 2013, Rdnr. 183 und – zur Fahrbahnreinigung – Rdnr. 185–187 m.w.N.). So lässt auch § 49a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BbgStrG die Übertragung von Reinigungspflichten auf die Eigentümerinnen und Eigentümer der erschlossenen Grundstücke (nur) zu, soweit dies insbesondere unter Berücksichtigung der Verkehrsverhältnisse zumutbar ist. Sie kann deshalb nur für Fahrbahnen und Radwege mit ohnehin geringem Verkehrsaufkommen und niedrigen Fahrgeschwindigkeiten erfolgen. Außerdem können die Anlieger die Reinigung in verkehrsarme Zeiten legen und schließlich durch beauftragte Unternehmen ausführen lassen.

Versicherungstechnische Fragen stehen dem Einsatz von Anliegern bei der Straßenreinigung straßenverkehrsrechtlich ebenfalls nicht entgegen. Sie sind im Rahmen des § 35 Abs. 6 Satz 4 StVO ohne Bedeutung und betreffen allein die straßenreinigungsrechtliche Zumutbarkeit der Übertragung der Reinigungspflicht (§ 49a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BbgStrG). Auch insoweit stehen sie der Übertragung aber nicht grundsätzlich entgegen, zumal die Anlieger die Reinigung nicht höchstpersönlich wahrnehmen müssen, sondern ein Unternehmen beauftragen können.

b) Sonstige Gründe, die zur Gesamtnichtigkeit des straßenreinigungsrechtlichen Teils der Satzung (ohne die Winterdienstregelungen) führen, sind nicht ersichtlich.

c) Im vorliegenden Fall ist das Säubern der Fahrbahn im Am...steig und im Gi...steig der Klägerin zumutbar im Sinne des § 49a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BbgStrG.

Dies gilt zunächst hinsichtlich der Verkehrsverhältnisse. Die beiden in Rede stehenden Straßen dienen allein der Erschließung der an sie oder an die Nachbarstraßen angrenzenden Wohnhausgrundstücke. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit ist auf 30 km/h gesenkt. Es ist daher lediglich mit einer geringen Zahl von Autos zu rechnen, die nur deutlich langsamer fahren dürfen als sonst innerhalb geschlossener Ortschaften zulässig (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO). Die Fahrer müssen wegen § 25 Abs. 1 Satz 2 und 3 StVO ohnehin Fußgänger auf der Fahrbahn erwarten. Darüber hinaus gehören sie in aller Regel selbst zu den Anliegern, sind also mit der Fahrbahnreinigung durch die Anlieger vertraut und haben mit ihr zu rechnen. Wie schon ausgeführt, kann die Klägerin zudem das Säubern in besonders verkehrsarme Zeiten legen oder einen Dritten, z.B. ein Unternehmen, mit der Reinigung beauftragen.

Auch hinsichtlich der Festlegung von Art und Umfang der Säuberung der Fahrbahn in § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 4 SRS bestehen keine Bedenken, welche die Übertragung der Reinigungspflicht schon grundsätzlich unzumutbar erscheinen lassen. Solche Bedenken sind weder von der Klägerin vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

II. Die Klägerin ist außerdem verpflichtet, die Fahrbahnen des Am...steigs und des Gi...steigs vor ihrem Grundstück jeweils in einer Breite von 1,5 m gemäß § 3 Abs. 3 bis 5 SRS von Schnee zu räumen und gegen Glätte abzustumpfen.

1. Hinsichtlich der Zugehörigkeit der Klägerin zum Kreis der Reinigungspflichtigen und hinsichtlich des grundsätzlichen räumlichen Umfangs der daraus folgenden Reinigungspflicht nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 SRS gelten die Ausführungen oben zu I.1 auch für den Winterdienst. Danach obliegt der Klägerin in beiden Straßen der Winterdienst auf der Fahrbahn bis höchstens zur Fahrbahnmitte.

2. Die Übertragung des Winterdienstes auf der Fahrbahn auf die Anlieger durch die Straßenreinigungssatzung in der Fassung der dritten Änderungssatzung ist mit der bei Erlass der dritten Änderungssatzung – im Jahr 2010 – geltenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage vereinbar gewesen, nämlich mit § 49a Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BbgStrG in der Fassung des Art. 1 Nr. 3 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Brandenburgischen Straßengesetzes vom 15. Dezember 1995, GVBl. I S. 288.

§ 49a Abs. 1 BbgStrG a.F. hat die Pflicht der Gemeinden zur (ordnungsmäßigen) Straßenreinigung grundlegend geregelt. Nach § 49a Abs. 2 BbgStrG a.F. hat die (ordnungsmäßige) Reinigungspflicht der Gemeinden auch die Verpflichtung umfasst, die Gehwege und Überwege für Fußgänger vom Schnee zu räumen und bei Glätte zu streuen; soweit in Fußgängerzonen (Zeichen 242 Straßenverkehrsordnung) und in verkehrsberuhigten Bereichen (Zeichen 325 Straßenverkehrsordnung) Gehwege nicht vorhanden sind, galt als Gehweg ein Streifen von jeweils 1,5 m Breite entlang der Grundstücksgrenze. Nach § 49a Abs. 3 BbgStrG a.F. hatten die Gemeinden im Übrigen die öffentlichen Straßen, einschließlich der Bundesstraßen innerhalb der geschlossenen Ortslage nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit vom Schnee zu räumen und bei Glätte zu streuen, soweit das zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich war. Nach § 49a Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BbgStrG a.F. waren die Gemeinden berechtigt, durch Satzung die Reinigungspflicht ganz oder teilweise den Eigentümern der erschlossenen Grundstücke aufzuerlegen. Hierzu wird vertreten, dass die Übertragungsermächtigung nur eine Übertragung der Reinigungs- und Winterdienstpflicht nach § 49a Abs. 1 und 2 BbgStrG a.F., nicht aber eine Übertragung der Winterdienstpflicht nach § 49a Abs. 3 BbgStrG a.F. auf die Grundstückseigentümer zugelassen hat (so VG Potsdam, Urteil vom 9. Dezember 2010 – 10 K 1885/06 –, juris, Rdnr. 14 f.; zustimmend Dyllick/Neubauer, LKV 2011, 109, 113 f.; ablehnend Wichmann, a.a.O., Rdnr. 147 mit Fn. 59). Dem ist nicht zu folgen. Es gibt straßenreinigungsrechtliche Vorschriften anderer Länder mit ähnlicher Normstruktur wie § 49a BbgStrG a.F., in denen einerseits die Pflichten der Gemeinden, andererseits die Übertragungsmöglichkeit auf die Grundstückseigentümer geregelt sind und in denen ausdrücklich vorgesehen ist, dass nur ein Teil der gemeindlichen Pflichten übertragbar ist (§ 10 Abs. 5 Satz 1 HStrG HE, § 51 Abs. 5 Satz 1 SächsStrG und § 49 Abs. 5 Satz 1 ThürStrG). Eine solche ausdrückliche Beschränkung hat § 49a Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BbgStrG a.F. indessen gerade nicht enthalten. Die Bestimmung erlaubt den Gemeinden schlicht, die „Reinigungspflicht“ auf die Grundstückseigentumer zu übertragen, was bedeutet, dass alles übertragbar ist, was „Reinigungspflicht“ der Gemeinde ist. Zu den Reinigungspflichten der Gemeinde gehörten indessen ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung (LT-Drucksache 2/1853, Begründung zu den § 49a Abs. 2 und 3 BbgStrG) alle in § 49a Abs. 1, 2 und 3 BbgStrG a.F. geregelten Pflichten gleichermaßen (so auch Jupe, Straßenrecht in Brandenburg, 1996 S. 125 f.; ebenso ders., Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht in Brandenburg, Losebl., Stand: April 2014, Bd. 1, Nr. 17.00 Anm. 2.2). Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, nur in § 49a Abs. 1 BbgStrG a.F. sei mit der Verpflichtung zur ordnungsmäßigen Straßenreinigung und in § 49a Abs. 2 BbgStrG a.F. mit der Pflicht zum Winterdienst auf Geh- und Fußgängerüberwegen sowie in Fußgängerzonen und in verkehrsberuhigten Bereichen eine „echte“ Reinigungspflicht der Gemeinden geregelt worden, während § 49a Abs. 3 BbgStrG a.F. nur eine – nicht übertragbare – Winterdienstobliegenheit minderer Qualität geregelt habe. § 49a Abs. 3 BbgStrG a.F. hat schon dem Wortlaut nach eine Rechtspflicht zur Leistung des Winterdienstes beschrieben („haben … zu …“). Zwar hatten die Gemeinden den Winterdienst nach § 49a Abs. 3 BbgStrG a.F. nur zu leisten, soweit dies zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich war, und das auch nur nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit. Die Anknüpfung der Winterdienstpflicht an diese Voraussetzungen hat die Gemeinden aber jedenfalls nicht davon freigestellt, auf den von § 49a Abs. 3 BbgStrG a.F. erfassten innerörtlichen Straßen ohne Gehwege jedenfalls einen Winterdienst zu leisten, der nach Zielrichtung und Umfang dem ihnen nach § 49a Abs. 2 BbgStrG a.F. obliegenden Winterdienst auf innerörtlichen Straßen mit Gehwegen, in Fußgängerzonen und in verkehrsberuhigten Bereichen entsprach, nämlich einen Winterdienst, der nach Lage der Dinge einen sicheren Fußgängerverkehr erlaubte. Die täglich erforderlichen Fußwege müssen innerorts möglich sein. Gerade auch ältere und gebrechliche Menschen müssen ihre Wege zum Einkaufen oder zur ärztlichen Versorgung erledigen können; für die Winterdienstpflicht insoweit kann es nicht einschränkend auf bestimmte bauliche Anlagen oder auf die Leistungsfähigkeit der Gemeinde ankommen. Hiervon geht nicht nur der Gesetzentwurf für die durch das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2010 (a.a.O.) angestoßene Änderung des § 49a BbgStrG im Jahr 2011 aus (vgl. LT-Drucksache 5/3349, Begründung, S. 2 f.); vielmehr hat dieser Befund auch schon vorher gegolten. Danach musste bei Schnee und Eis jedenfalls grundsätzlich gewährleistet sein, dass über den Gehweg bzw. einen 1,5 m breiten Streifen jede Wohnung wenigstens zu Fuß einigermaßen sicher zu erreichen war. Insoweit musste zum Schutz der Fußgänger in Straßen, die weder über Gehwege (bzw. begehbare Seitenstreifen) verfügen noch eine Fußgängerzone oder ein verkehrsberuhigter Bereich sind, ebenfalls ein bis zu 1,5 m breiter Streifen von Schnee geräumt und bei Glätte gestreut werden. Denn in solchen Straßen dürfen Fußgänger die Fahrbahn benutzen (§ 25 Abs. 1 Satz 2 und 3 StVO) und sind außerdem gerade darauf angewiesen, sie in der für den Fußgängerverkehr erforderlichen Breite tatsächlich auch benutzen zu können. Hinsichtlich des Fußgängerverkehrs hat § 49a Abs. 2 und 3 BbgStrG a.F. eine gemeinsame Zielvorstellung des Gesetzgebers zugrunde gelegen. Die durch das Urteil des VG Potsdam angestoßene Gesetzesänderung im Jahre 2011 war danach in der Tat eine bloße Klarstellung und keine materielle Änderung im Vergleich zur vorherigen Gesetzeslage (so auch LT-Drucksache 5/3349, Begründung, S. 2 f.). Die aktuelle Fassung von § 49a Abs. 2 BbgStrG fasst § 49a Abs. 2 und Abs. 3 BbgStrG a.F. insoweit nur im bisher gemeinten Sinn zusammen (vgl. LT-Drucksache 5/3349, a.a.O.). Auch nach § 49a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 BbgStrG ist es zulässig, den Winterdienst – soweit er zum Schutz der Fußgänger erforderlich ist – auf die Eigentümer der erschlossenen Grundstücke zu übertragen, was bei Straßen ohne Gehweg den Winterdienst auf einem Streifen von 1,5 m Breite parallel zur Grundstücksgrenze betrifft.

3. Die Verpflichtung der Klägerin, die Fahrbahn von Schnee frei zu halten und bei Glätte zu streuen, beschränkt sich nach dem Vorstehenden sowohl im Am...steig als auch im Gi...steig auf einen 1,5 m breiten Streifen an der ihrem Grundstück zugewandten Seite der Fahrbahn (§ 3 Abs. 3 Satz 5 SRS). Es handelt sich jeweils um eine ausgebaute Straße ohne getrennte Gehwege und ohne begehbaren Seitenstreifen, so dass sich der Umfang des Winterdienstes hier nach der Regelung für ausgebaute Mischverkehrsflächen in § 3 Abs. 3 Satz 5 SRS bestimmt. Mischverkehrsflächen sind nach dieser Vorschrift solche Verkehrsflächen, die im Sinne einer Mehrzwecknutzung der Fläche rechtlich und tatsächlich gleichermaßen dem Fußgänger- wie auch dem Fahrzeugverkehr zur Verfügung stehen. Das ist hier in beiden Straßen hinsichtlich eines 1,5 m breiten Streifens am jeweiligen Fahrbahnrand der Fall. Straßenverkehrsrechtlich ergibt sich für Fußgänger aus den oben zitierten Regelungen in § 25 Abs. 1 Satz 2 und 3 StVO und für Fahrzeuge aus dem Rechtsfahrgebot nach § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StVO, dass diese Streifen beiden Verkehrsarten gleichermaßen zur Verfügung stehen. Soweit § 3 Abs. 3 Satz 5 SRS dem Wortlaut nach den Winterdienst auf der Fahrbahn über einen Streifen von 1,5 m Breite am Fahrbahnrand hinaus bis zur Fahrbahnmitte erstrecken will, gilt dies daher für den Am...steig und den Gi...steig – ungeachtet der auf den Schutz der Fußgänger beschränkten gesetzlichen Übertragungsermächtigung (s.o.) – schon deshalb nicht, weil die Fahrbahnen ohnehin nur hinsichtlich dieses Streifens im Sinne von § 3 Abs. 3 Satz 5 SRS Mischverkehrsflächen sind.

4. Die Übertragung des Winterdienstes für einen 1,5 m breiten Streifen am Fahrbahnrand auf die Anlieger verstößt nicht gegen § 25 StVO (siehe oben zu I.2.a) und ist mit der aktuellen landesgesetzlichen Übertragungsermächtigung (§ 49a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BbgStrG) ebenso vereinbar wie schon mit der früheren Regelung (s.o. zu II.2). Ob die Gemeinde von der Übertragungsermächtigung Gebrauch macht, liegt grundsätzlich in ihrem satzungsgeberischen Ermessen. Dabei darf sie sich von dem Gedanken leiten lassen, dass der Gesetzgeber ihr ermöglichen will, insbesondere zur effektiven Gestaltung des Räum– und Streudienstes die Anlieger heranzuziehen. Soweit nämlich durch entsprechende Witterungsverhältnisse ein rasches Räumen und Streuen nötig wird, kann dies auch für ansonsten nur spät zu behandelnde Wegstrecken, insbesondere zum Schutz der Fußgänger, durch eine dergestalt dezentralisierte, auf mehreren Schultern lastende Verpflichtung sehr viel schneller erreicht werden (Sauthoff, a.a.O., Rdnr. 1136; Bauer, in: Kodal, Straßenrecht, 7. Auflage 2010, Kap. 43 Rdnr. 20).

5. Im vorliegenden Fall ist der Winterdienst auf der Fahrbahn in einer Breite von 1,5 m im Am...steig und im Gi...steig der Klägerin auch zumutbar im Sinne von § 49a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BbgStrG.

Hinsichtlich der Verkehrsverhältnisse in beiden Straßen ist der Winterdienst für die Anlieger aus den gleichen Gründen zumutbar wie das Säubern der Fahrbahn (siehe oben zu I.2.c).

Auch hinsichtlich der Festlegung von Art und Umfang des Winterdienstes in § 3 Abs. 3 bis 5 SRS bestehen keine Bedenken, welche die Übertragung auf die Anlieger schon grundsätzlich unzumutbar erscheinen lassen.

Solche Bedenken sind weder von der Klägerin vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Insbesondere ist es der Klägerin – wie sie selbst nicht bestreitet – zumutbar, tagsüber unverzüglich nach Beendigung des Schneefalls bzw. nach dem Entstehen der Glätte zu räumen bzw. zu streuen (§ 3 Abs. 5 Satz 1 SRS). Nach allgemeinem Verständnis bedeutet „unverzüglich“ nicht „sofort“, sondern „ohne schuldhaftes Zögern“ (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB), und bedarf als unbestimmter Rechtsbegriff einer Auslegung, die u.a. im Lichte höherrangigen Rechts zu erfolgen hat. Bei der Verpflichtung zum Schneeräumen und zum Streuen gegen Glätte ist dem Winterdienstpflichtigen bei der Auslegung von „unverzüglich“ deshalb nach allgemeiner Ansicht eine angemessene Frist einzuräumen (Sauthoff, Öffentliche Straßen, 2. Auflage 2010, Rdnr. 1157; Wichmann, a.a.O., Rdnr. 176, jeweils m.w.N.). Dementsprechend besteht diese Verpflichtung bei erneutem Schneefall oder erneuter Glättebildung am selben Tage ebenfalls nur nach Maßgabe der Zumutbarkeit innerhalb angemessener Fristen (vgl. Sauthoff, a.a.O., Rdnr. 1177 m.w.N.). Im Übrigen müssen die Anlieger auch die Winterdienstpflicht nicht höchstpersönlich erfüllen, sondern können Dritte beauftragen (vgl. Bauer, in: Kodal, Straßenrecht, 7. Auflage 2010, Kap. 43 Rdnr. 21).

Az: 813-04 

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