Beschleunigung von Investitionen durch Vereinfachung des Vergaberechts im Rahmen des Konjunkturpakets II

26.02.2009  Mehr Infos ...

Stellungnahme des StGB zum Vergaberecht vom 22. November 2006

Reform des Vergaberechts

Berliner Tariftreueerklärung verfassungsgemäß

Tariftreuegesetz NRW mangels Wirkung aufgehoben

Sehr geehrte Damen und Herren,

zur Debatte um die Einführung einer sog. Tariftreuerklärung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge möchten wir über folgende Entwicklungen informieren:

1. Tariftreuerklärung Berlin verfassungsgemäß


Nach einer Anfang November 2006 veröffentlichten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist die in § 1 Abs. 1 Satz 2 Vergabegesetz Berlin verankerte Tariftreuerklärung bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge verfassungsgemäß. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 des Berliner Vergabegesetzes (VgG Bln) sollen die Berliner Vergabestellen Aufträge u.a. für Bauleistungen mit der Auflage vergeben, dass die Unternehmen ihre Arbeitnehmer bei der Ausführung dieser Leistungen nach den jeweils in Berlin geltenden Entgelttarifen
entlohnen.

Die Leitsätze zum Beschluss des Ersten Senats vom 11. Juli 2006 - 1 BvL 4/00 – lauten:

     1. Bei strittiger gemeinschaftsrechtlicher und verfassungsrechtlicher Rechtslage gibt es keine feste      Rangfolge unter den vom Gericht gegebenenfalls einzuleitenden Zwischenverfahren      (Vorabentscheidung nach Art. 234 EG und Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG).

     2. Die Tariftreueregelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 VgG Bln berührt das Grundrecht der Koalitionsfreiheit      aus Art. 9 Abs. 3 GG nicht und verletzt nicht das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG.      ist.

Die Tariftreueregelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 VgG Bln sei mit dem Grundgesetz und dem übrigen Bundesrecht vereinbar. Das Land Berlin war nach Art. 72 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG (Regelung des Wirtschaftslebens) für den Erlass der Vorschrift zuständig. Diesem Rechtsgebiet seien auch gesetzliche Regelungen darüber zuzuordnen, in welchem Umfang der öffentliche Auftraggeber bei der Vergabeentscheidung über die in § 97 Abs. 4 GWB ausdrücklich vorgesehenen Kriterien hinaus weitere Anforderungen an den Auftragnehmer stellen darf. Die Tariftreueregelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 VgG Bln verstoße nicht gegen Grundrechte. Sie berühre das Grundrecht der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG nicht und verletzt nicht das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Das Grundrecht der negativen Koalitionsfreiheit schützte nicht dagegen, dass der Gesetzgeber die Ergebnisse von Koalitionsverhandlungen zum Anknüpfungspunkt gesetzlicher Regelungen nehme. Der Eingriff in die Berufsfreiheit sei verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die Erstreckung der Tariflöhne auf Außenseiter solle einem Verdrängungswettbewerb über die Lohnkosten entgegenwirken, die Ordnungsfunktion der Tarifverträge unterstützen und damit zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im Bausektor beitragen. Offen geblieben ist die Vereinbarkeit der Regelung mit Europarecht. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung trotz angedeuteter Bedenken (s. Rn. 51 und 53 der Ausfertigung) nicht geprüft. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss verwiesen, der unter folgender Adresse aufgerufen werden kann.
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/ls20060711_1bvl000400.html

2. Tariftreuegesetz NRW aufgehoben


Der Landtag Nordrhein-Westfalen hat in seiner Sitzung am 25. Oktober 2006 die endgültige Aufhebung des Tariftreuegesetzes Nordrhein-Westfalen beschlossen. Der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Aufhebung des Tariftreuegesetzes NRW (Drs. 14/1859) wurde mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD und GRÜNEN unverändert angenommen. Ausweislich des Gesetzentwurfs der Landesregierung konnte das Tariftreuegesetz NRW seinen Zweck in der Vergabepraxis nicht erfüllen. Belastungen für Bieter und betroffene öffentliche Auftraggeber auf der einen Seite standen Umsetzungsdefizite der Vergabestellen insbesondere im Bereich von Kalkulationsüberprüfungen und Kontrollen gegenüber. Nach einem noch von der vorhergehenden Landesregierung in Auftrag gegebenen Gutachten der Dortmunder Sozialforschungsstelle habe es sich insgesamt als unwirksam, unpraktikabel und bürokratielastig erwiesen.

3. Forderungen nach Einführung einer Tariftreueregelung im Land Brandenburg zurückgewiesen

Im Zusammenhang mit Forderungen, in Land Brandenburg eine Tariftreuerklärung von Bietern zu verlangen, hat der Städte- und Gemeindebund Brandenburg darauf hingewiesen, dass die Einhaltung der Tarifverträge in Vergabeverfahren durch die kommunalen Vergabestellen nicht wirksam überprüft werden könnten. Von den im Gemeinsamen Tarifregister Berlin-Brandenburg eingetragenen und archivierten Tarifverträgen mit Geltung in Berlin und Brandenburg seien über 20.000 gültig. Rund 5.800 seien von den Tarifvertragsparteien für bestimmte Branchen in ihrer Gesamtheit geschlossen worden. Zudem verfügten knapp 2.700 Firmen mit Sitz oder Niederlassungen in Berlin und/oder Brandenburg über Firmen- oder Haustarifverträge. Es überfordere die Vergabestellen der Kommunen in den Vergabeverfahren, die vielfältigen arbeitsrechtlichen Vereinbarungen in Prüfungen der Vergabeverfahren einzubeziehen. Ohne Überwachungsmöglichkeiten machten Eigenerklärungen aber wenig Sinn.

Mit freundlichen Grüßen

Böttcher



Az: 601-00