Positionspapier des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg
Zwischenbilanz des Stadtumbaus im Land Brandenburg
a) Die Städte im äußeren Entwicklungsraum haben sich dem Strukturwandel gestellt: Sie stehen mitten in der Anpassung an geringer und älter werdende Einwohnerschaften. Ursachen sind der Geburtenrückgang und Abwanderung in Folge des wirtschaftlichen Strukturwandels. Die Anpassung der Städte besteht aus Rückbau und Aufwertung. Dort, wo zuerst mit dem Umbau begonnen wurde, kann vereinzelt sogar schon von einer Stabilisierung der Einwohnerzahl berichtet werden. Städte, die sich aktiv dem Umbau gestellt haben, konnten neue Qualitäten entwickeln. Viele sind nicht wieder erkennbar. Die Dynamik, mit der sie sich dem Strukturwandel gestellt und die Herausforderungen gemeistert haben, macht sie auch attraktiv als Wirtschaftsstandort oder Lebensort. Erfolgreicher Stadtumbau kann so zu einer „positiven Marke“ für eine Stadt werden, die sich schnell auf wandelnde Bedürfnisse ihrer Bewohner und der örtlichen Wirtschaft einstellen kann und neue Herausforderungen meistert.
b) Die Städte sind auf die Fortführung des Programms Stadtumbau-Ost angewiesen. Es ist daher zu begrüßen, wenn sich die Große Koalition auf eine Fortführung des Programms verständigt hat. Die Zusammenführung mit dem Programm Stadtumbau West darf allerdings nicht dazu führen, dass die erforderlichen Umstrukturierungen in den brandenburgischen Städten verzögert werden. Die Förderung muss sich am Bedarf ausrichten. Die Koppelung an die Altschuldenentlastung ist aufzuheben. Wegen der sinkenden Finanzkraft vieler Städte sind auch im Stadtumbau neue Finanzierungsinstrumente einzuführen. So sollten die betroffenen Unternehmen in die Lage versetzt werden, die für die Inanspruchnahme von Fördermitteln erforderlichen kommunalen Eigenanteile selbst aufzubringen und die gemeindlichen Anteile zu ersetzen.
c) Die Erfolge vieler Stadtumbaustädte dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich das gesamte Land Brandenburg in einem Prozess des Landesumbaus befindet. Die Schrumpfung und der Strukturwandel machen nicht an den Stadtgrenzen halt. Der Stadtumbau muss daher in den Leitbildprozess des Landes eingefügt werden. Zudem muss die Unterstützung des Landes dem flächenhaften Prozess Rechnung tragen. Gerade im ländlichen Raum sind Insolvenzen von Wohnungsunternehmen festzustellen. Hier bleibt eine einheitliche Herangehensweise des Landes dringend geboten, allen betroffenen Gemeinden Unterstützung anzubieten.
d) Ein wichtiger Faktor für die Durchführung des Umbaus ist eine gemeinsame Herangehensweise der zentralen Akteure in der Kommune. Dies sind nicht nur die Wohnungsunternehmen und die Wohnungsnutzer, sondern auch die Träger der anzupassenden technischen Infrastruktur und die Multiplikatoren der Kommune. In den Blick zu nehmen sind auch die übrigen öffentlichen Einrichtungen, die mit der Schrumpfung funktionslos werden. Die Sichtweise darf nicht auf die vielfach im Fordergrund stehenden wohnungswirtschaftlichen Aspekte eingeschränkt werden.
e) Allerdings müssen stadtplanerische Ziele und wohnungswirtschaftliche Ziele und Erfordernisse auf Grundlage einer objektbezogenen Zielplanung des Unternehmens klar definiert und untereinander abgeglichen werden. Wohnungswirtschaftlich muss die Konsolidierung eines Unternehmens angestrebt werden.
f) Die offene und ungeschönte Darstellung der zu erwartenden Bevölkerungsentwicklung und der daraus abzuleitenden Konsequenzen für das Gemeinwesen schaffen vielfach eine Grundlage, gemeinsam in der Kommune ein Leitbild für eine Neuausrichtung zu erarbeiten. Eine externe Moderation kann dazu beitragen, innerhalb der Kommune bestehende Vorbehalte abzubauen. Eine schonungslose Bestandsaufnahme kann das Fundament für eine Aufgabenteilung und gegenseitige Unterstützung bei den einzelnen Teilmaßnahmen der Umstrukturierung sein. In den Städten wurde eine Vielzahl von Instrumenten und Projekten der Einbeziehung von Multiplikatoren und Bevölkerung neu entwickelt oder bewährte Methoden angepasst.
g) Grundsätzlich hat es sich bewährt, die Orte von Außen nach Innen zurückzubauen. Die Funktionsfähigkeit der Einrichtungen der technischen Infrastruktur kann aber auch eine andere Herangehensweise erforderlich machen. Der Umbau muss auf Grundlage entsprechender Planungen (§ 171 b BauGB – Städtebauliches Entwicklungskonzept) der Stadt erfolgen. Zu berücksichtigen ist auch eine objektscharfe wirtschaftliche Untersuchung des Portfolios der Unternehmen der Wohnungswirtschaft. Die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Planungen muss in die Stadtumbauplanungen der Kommunen einfließen.
h) Die Anpassung der technischen Infrastrukturen wirft derzeit eine Vielzahl von Fragen auf, für die neue methodische Herangehensweisen zu entwickeln sind: Zu nennen sind die Aufrechterhaltung der Versorgungsnetze, mögliche Nachnutzungen und vor allem aber geeignete Finanzierungsinstrumente. Beispielsweise erhöhen sich öffentliche Abgaben, wenn die Zahl der Nutzer und angeschlossenen Grundstücke sinkt. Hinzu kommt, dass infolge von Wertverlusten oder der wirtschaftlichen Situation der Eigentümer Abgabenausfälle zu verzeichnen sein werden. Hinzu kommt, dass viele Maßnahmen des Rückbaus noch nicht einmal eine Abgabepflicht auslösen können. Hier werden neue Instrumente des Lastenausgleichs zwischen betroffenen Grundstückseigentümern zu entwickeln sein. In den wenigsten Fällen wird ein Lastenausgleich auf freiwilliger Basis gelingen, so dass zu prüfen ist, ob ein administrativer Lastenausgleich den Stadtumbauprozess befördern hilft. Hier sind Modelle für die Anwendung von Ausgleichsinstrumenten zu entwickeln. Dabei müssen auch Instrumente entwickelt werden, erhebliche Steigerungen der Abgabenlast abzufedern.
i) In Stadtumbauregionen mit einem geringen Mietniveau kann die denkmalrechtliche objektbezogene Ermittlung der Zumutbarkeit, die kein dauerhaftes „Zuschießen“ verlangt und damit begrenzt, einerseits den Stadtumbauprozess befördern. Andererseits besteht die Gefahr, dass die Orte ihre Identität stiftende Bausubstanz verlieren und gesichtslos werden. Bei der Neuausrichtung der Stadt ist dies zu berücksichtigen.
j) Stadtumbau bringt den Verlust von wirtschaftlichen Werten mit sich. So können nach erfolgtem Abriss in Gebieten nach § 34 BauGB (z.B. in Gebieten des komplexen Wohnungsbaus) Baurechte verloren gehen. Hier ist es nicht ratsam, diesem Verluste durch die Schaffung von neuen Baurechten durch Bebauungspläne zu kompensieren, wenn nicht Bedarf für neue Wohnungen besteht. Außerdem wird künftig damit zu rechnen sein, dass leer stehende sanierte oder teilsanierte Objekte zurückzubauen sind.
k) Die Kreditwirtschaft wird sich am Stadtumbau weiter beteiligen müssen. Hier kann die Auflage eines Bürgschaftsprogramms unterstützen.
l) Die Schaffung von Wohneigentum ist nach wie vor ein wichtiges Instrument zur Bindung der Menschen an Kommune und Land. Zum Teil werden von den Einwohnern Eigentumswohnungen oder Rückbauflächen als Eigenheimstandorte angenommen. Spezielle Angebote sollten unterbreitet werden.
m) Das Fortschreiten des Stadtumbaus wirft immer wieder neue rechtliche Fragen auf. Hier sind die Akteure auf die rasche Entwicklung von Verfahren oder die Begleitung durch Forschungsvorhaben angewiesen. Dies sollte von Seiten des Bundes oder der Länder mit dem Ziel der zeitnahen Vorlage von Handlungsempfehlungen initiiert und gesteuert werden. Dies betrifft etwa die Fragen der Wertermittlung (z.B. in Niedrigpreisgebieten), die Eigentumsaufgabe (§ 928 BGB), Erbausschlagung (§ 1942 BGB) oder die Folgen einer Insolvenz. Hier besteht die Gefahr, dass neue Lasten von der öffentlichen Hand zu tragen sind.
(Beschlossen in der Sitzung des Landesausschusses am 19. Dezember 2005)
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