Stellungnahmen

Vereinbarkeit des Brandenburgischen Denkmalschutzgesetzes mit der Eigentumsgarantie des Artikels 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) - Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder)


In einem Urteil vom 21. März 2000 hat das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) unter Berücksichtigung der neueren verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 2. März 1999 - 1 BvL 7/91) Bedenken geäußert, inwieweit § 15 Abs. 1 Satz 2 Brandenburgisches Denkmalschutzgesetz (BbgDSchG) mit der Eigentumsgarantie des Artikels 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) noch vereinbar ist. Die nicht nur für die unteren Bauaufsichts- und unteren Denkmalschutzbehörden bedeutsame Entscheidung unterstreicht die auch im Sinne eines wirksamen Denkmalschutzes vom Städte- und Gemeindebund seit langem angemahnte Novellierung des Brandenburgischen Denkmalschutzgesetzes und zeigt Handlungsmöglichkeiten des Gesetzgebers auf.

a) Der Kläger hatte die Erteilung einer Abbruchgenehmigung für einen Fachwerkspeicher aus dem 19. Jahrhundert begehrt. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten verpflichtet, die beantragte Abbruchgenehmigung zu erteilen. Die von der Kammer vorgenommene Interessenabwägung zwischen dem privaten Nutzungs- und dem öffentlichen Erhaltungsinteresse fiel - auch mangels anderer gesetzlich eröffneter Handlungsalternativen der für die Entscheidung zuständigen Bauaufsichtsbehörde - zugunsten der erstgenannten Belange aus. Zwar komme dem Speicher eine Bedeutung als Bauzeugnis zu, doch sei keinerlei sinnvolle Nutzungsmöglichkeit für das Gebäude ersichtlich. Die Mehrzahl gewerblicher Nutzungszwecke sei schon bauplanungsrechtlich unzulässig. Interessenten mit tragfähigen Konzepten seien trotz Bemühungen nicht ersichtlich. Verschiedene Projektkalkulationen zeigten für jeden Fall und trotz steuerlicher Abschreibungsmöglichkeiten einen übermäßig hohen Herrichtungs- und Bewirtschaftungsaufwand auf. Das Gericht hat ferner klargestellt, daß sich ein Eigentümer eine auf benachbarten Grundstücken ausgeübte nicht geringe Grundstücksausnutzung nicht entgegenhalten lassen müsse. Der eigentums- und denkmalrechtliche Aufwands- und Ertragsvergleich sei regelmäßig auf das aufgrund seiner Eigenschaft ein eigenes rechtliches Schicksal erfahrende Denkmal - das Eigentumsobjekt - bezogen (S. 35 f. der Urteilsausfertigung). Auch die Möglichkeit gemäß § 7 i des Einkommensteuergesetzes bis zu 10 vom Hundert der Herstellungskosten zur Erhaltung des Baudenkmals von seiner - eventuellen - Steuerschuld absetzen zu können, müsse sich der Kläger hier nicht entgegenhalten lassen.

Gegenwärtig lasse - so die Kammer - § 15 Abs. 1 Satz 2 BbgDSchG mangels anderer gesetzlich eröffneter Handlungsalternativen der zur Entscheidung über einen Abbruchantrag berufenen Behörde nur die Versagung oder andernfalls die Genehmigung eines Abbruchs zu. Andere, dem Gebot der Verhältnismäßigkeit beim Ausgleich gegenläufiger Belange differenzierter folgende Entscheidungsalternativen seien durch das Brandenburgische Denkmalschutzgesetz nicht zur Verfügung gestellt. Eine Möglichkeit der Befreiung zu einer Abbrucherteilung sehe das Gesetz ebensowenig wie die in mehreren Bundesländern wahrgenommene Möglichkeit eines Übernahmeanspruchs des Denkmaleigentümers gegenüber der öffentlichen Hand vor. Ebensowenig verfüge das Brandenburgische Denkmalschutzgesetz über eine taugliche Regelung, die es der zuständigen Denkmalschutzbehörde ermögliche, im Rahmen der Entscheidung über eine Abbruchgenehmigung in der Abwägung zugleich über eine angemessenen finanziellen Ausgleich zu befinden und diesen jedenfalls dem Grunde nach zuzusprechen. Zudem habe sie nicht die Kompetenz, über einen Entschädigungsanspruch oder eine Verfügung über angemessene Finanzmittel zur Erhaltung und Pflege des Denkmales zu entscheiden.

b) In einem obiter dictum äußert das Gericht zudem erhebliche Zweifel daran, ob § 15 Abs. 1 Satz 2 BbgDSchG mit der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes vereinbar ist. Zwar sei der Schutz von Denkmälern ein legitimer gesetzgeberischer Zweck und Denkmalpflege eine Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang, die eigentumseinschränkende Regelungen im Sinne einer Inhalts- und Schrankenbestimmung gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG rechtfertige. Der Genehmigungstatbestand des § 15 Abs. 1 Satz BbgDSchG sei auch geeignet und erforderlich, den Schutz des Gesetzes zu erfüllen. Die Norm führe im Regelfall nicht zu einer unverhältnismäßigen Belastung des Eigentümers.

Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit erwachsen jedoch im Hinblick auf die Behandlung der Fallgruppen, in denen überragend wichtige denkmalschützerische Belange für den Erhalt eines Denkmals sprechen, jedoch für ein geschütztes Baudenkmal keinerlei sinnvolle Nutzungsmöglichkeit mehr bestehe. Selbst wenn ein dem Denkmalschutz aufgeschlossener Eigentümer von einem Baudenkmal keinen vernünftigen Gebrauch machen und es praktisch auch nicht mehr veräußern könne, werde dessen Privatnützigkeit nahezu vollständig beseitigt. Nehme man die gesetzliche Erhaltungspflicht (§§ 12, 13 BbgDSchG) hinzu, so werde aus dem Recht am Eigentum eine Last, die der Eigentümer allein im öffentlichen Interesse zu tragen habe, ohne dafür die Vorteile einer privaten Nutzung genießen zu können. Die Rechtsposition des Betroffenen nähere sich damit einer Lage, in der sie den Namen „Eigentum“ nicht mehr verdiene. Die Versagung einer Abbruchgenehmigung sei dann nicht mehr zumutbar. Auch angesichts der nach dem Brandenburgischen Denkmalschutzgesetz, anders als im bereits der bundesverfassungsgerichtlichen Kontrolle unterzogenen rheinland-pfälzischen Landesgesetz, vorzunehmenden Abwägung widerstreitender privater und öffentlicher Belange im Rahmen einer gebundenen Entscheidung bestehen nach Auffassung der Kammer Bedenken, ob § 15 Abs. 1 Satz 2 BbgDSchG mit der Bestandsgarantie des Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 GG vereinbar sei. Denn im Rahmen dieser gesetzlichen Regelung erscheine es als nicht ausgeschlossen, daß selbst bei Fehlen jeglicher sinnvoller Nutzungsmöglichkeit eines Denkmals für den Eigentümer dennoch dessen Erhaltung, wie es bei Bauwerken zumindest ganz besonders hoher kulturhistorischer Bedeutung als konsequentes Abwägungsergebnis denkbar sei, gem. § 15 Abs. 1 Satz 2 BbgDSchG der Vorrang zukomme und eine Abbruchgenehmigung versagt werde.

Zwar sei es dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht verwehrt, eigentumsbeschränkende Maßnahmen, die er im öffentlichen Interesse für geboten halte, auch in Härtefällen durchzusetzen, wenn er durch kompensatorische Vorkehrungen unverhältnismäßige oder gleichheitswidrige Belastungen des Eigentümers vermeide und schutzwürdigem Vertrauen angemessen Rechnung trage. Dabei könne der Gesetzgeber sonst unzumutbare Auswirkungen einer den Inhalt des Eigentums bestimmenden Norm in gewissem Maße durch kompensatorische Vorkehrungen verfassungskonform ausgleichen, doch sehe das brandenburgische Denkmalschutzgesetz solche Maßnahmen nicht hinlänglich vor. Nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung verlange die Bestandsgarantie des Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 GG, daß in erster Linie Vorkehrungen getroffen werden, die eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentümers real vermeiden und die Privatnützigkeit des Eigentums soweit wie möglich erhalten. Als Instrumente stehen dem Gesetzgeber hierfür Übergangsregelungen, Ausnahme- und Befreiungsvorschriften sowie der Einsatz sonstiger administrativer und technischer Vorkehrungen zur Verfügung. Sei ein solcher Ausgleich im Einzelfall nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich, so könne für diesen Fall ein finanzieller Ausgleich in Betracht kommen oder es könne geboten sein, dem Eigentümer einen Anspruch auf Übernahme durch die öffentliche Hand zum Verkehrswert einzuräumen.

Diese - den verfassungsgerichtlichen Anforderungen genügende - differenzierende Regelungen - etwa Ausnahme- oder Befreiungsvorschriften - enthalte das Brandenburgische Denkmalschutzgesetz ebensowenig, wie einen Anspruch auf Übernahme des Denkmals durch die öffentliche Hand, wie ihn etwa Denkmalschutzgesetze anderer Bundesländer aufweisen. Ebensowenig könne § 30 Abs. 2 BbgDSchG etwas an der Unverhältnismäßigkeit und Verfassungswidrigkeit des Beseitigungsverbots in diesen Fallsituationen ändern. Insbesondere genüge diese Bestimmung nicht dem an den Gesetzgeber gestellten Erfordernis der neueren verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, durch ergänzende verwaltungsverfahrensrechtliche Vorschriften sicherzustellen, daß mit einem - die Eigentumsbeschränkung aktualisierenden - Verwaltungsakt zugleich über einen den belasteten Eigentümer ggf. zu gewährenden Ausgleich zumindest dem Grunde nach zu entscheiden sei.

Die Entscheidungsgründe sind in diesem Heft veröffentlicht.

Az. 301-02
Mitt. StGB Bbg. 11/2000

Seitenanfang